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Verfahren zur Gewinnung von ceresinartigen Stoffen Bei der derzeitigen
Technik der Braunkohlenteerverarbeitung wird als wertvollster Bestandteil des Teers
kristallisiertes Paraffin gewonnen. Von der Überlegung ausgehend, daß der Übergang
des Braunkohlenbitumens. das bekanntlich im wesentlichen aus Estern besteht, in
kristallisiertes Paraffin nicht sprungweise, sondern nur stufenweise vor sich gehen
kann, wurden die in Frage kommenden Reaktionen eingehend studiert und dabei versucht,
feste Spaltprodukte des Braunkohlenbitumens in amorpher Form und ohne ins Gewicht
fallende Verseifungszahl zu gewinnen. Die wirtschaftliche Bedeutung eines solchen
Verfahrens ist ohne weiteres gegeben, da es erstmalig ermöglichen würde, für Ceresin,
das bekanntlich wesentlich wertvoller als kristallisiertes Paraffin ist, ein gleichwertiges
Produkt aus einheimischen Rohstoffen herzustellen und dadurch die Ceresin verarbeitenden
Industrien vom Ausland unabhängig zu machen.
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Nach umfangreichen Versuchen wurde nun gefunden, daß es tatsächlich
möglich ist, ceresinartige Stoffe aus Braunkohle zu gewinnen. Dies geschieht erfindungsgemäß
dadurch, daß Schwelprodukte, welche durch Schwelung von zweckmäßig auf 8 bis 2o
°1a Wassergehalt vorgetrockneter Braunkohle bei möglichst niedriger Temperatur und
geringem Unterdruck erhalten worden sind, und deren bei gewöhnlicher Temperatur
feste Anteile ganz oder teilweise amorph sind, Raffinationsbehandlungen unterworfen
werden, die den Übergang der Kohlenwasserstoffe vom amorphen zum kristallinen Zustand
vermeiden. Hierfür hat sich erfindungsgemäß eine wiederholte Behandlung- mit organischen
Lösungsmitteln, zweckmäßig solchen verschiedener Art, wie Alkoholen, Ketonen, Estern
oder Kohlenwasserstoffen oder deren reinen bzw. technischen Gemischen, als geeignet
erwiesen. Eine solche Behandlung wird am zweckmäßigsten derart vorgenommen, daß
man die Schwelprodukte mit geeigneten Lösungsmitteln genannter Art anreibt und dadurch
das an den festen Bestandteilen derselben haftende Öl ablöst, oder daß die Schwelprodukte
unter Anwendung von Wärme einschließlich der amorphen Kohlenwasserstoffe gelöst
und hierauf zwecks Bildung eines festen und eines flüssigen Anteiles gekühlt werden.
Der in diesen Lösungen oder Aufschlämmungen enthaltene feste Anteil wird dann z.
B. durch Filtrieren, Zentrifugieren o. dgl. abgeschieden, erneut einer Behandlung
mit Lösungsmitteln unterworfen und von den dabei wieder anfallenden flüssigen Anteilen
abgetrennt. Die Wahl der geeigneten Löse- bzw. Ausscheidungstemperaturen und der
günstigsten Lösungsmittel ist dabei zweckmäßig je nach Art der vorhandenen
Kohlenwasserstoffe
und dem Mengenverhältnis der amorphen Kohlenwasserstoffe zu den öligen Anteilen
zu treffen.
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Vorteilhafterweise werden die Schwelprodukte- oder deren feste Behandlungsprodukte
vor, zwischen oder nach der wiederholten Behandlung mit Lösungsmitteln einer möglichst
schonenden Destillation mit Wasserdampf unter Anwendung eines hohen Vakuums unterworfen
und von den dabei anfallenden Rückständen oder Niederschlägen abgetrennt.
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In bezug auf die beiden thermischen Behandlungen, Schwelung und Destillation,
ist zu berücksichtigen, daß die Betriebsführung derselben zweckmäßig derart aufeinander
eingestellt wird, daß auf eine weniger schonend verlaufende Schwelung, z. B. bis
4.8o1, eine mit viel Dampf, z B. ioo °/o, und hohem Vakuum zu betreibende Destillation
folgt, während nach einer sehr schonenden Schwelung, z. B. bis q.30°; und 4o mm
Zug eine Wasserdampfvakuumdestillation mit z. B. 40 °/o Dampf und einem absoluten
Druck von z. B. Zoo mm empfehlenswert ist. Dies erklärt sich daraus, daß die thermische
Zersetzung des Braunkohlenbitumens zwar durchgeführt, daß der Zersetzungsvorgang
aber an einem bestimmten Punkt, nämlich vor der Bildung von kristallinem Paraffin,
abgebrochen werden muß. In solchen Schwelprodukten bzw. Destillaten sind die bei
gewöhnlicher Temperatur festen Körper dann völlig oder zum wesentlichen Teil in
amorphem Zustand vorhanden.
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Man kann sich übrigens im Rahmen des neuen Verfahrens sowohl bei der
Schwelung wie bei der Vakuumwasserdampfdestillation einmaliger oder stufenweiser
Kondensation bedienen und de;nentsprechend sowohl das gesamte Kondensat wie einzelne
Teile desselben den sich anschließenden Raffinationsbehandlungen unterwerfen.
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Etwa noch vorhandene, leicht polymerisierbare oder ähnliche qualitätsbeeinträchtigende
Verunreinigungen der oben geschilderten Behandlungsprodukte können erforderlichenfalls
durch Kondensation bzw. Polymerisation unter allmählicher Erwärmung bis auf etwa
i81° in leicht abscheidbareForm übergeführt und dann entfernt werden. Auch können
die erhaltenen ceresinartigen Produkte schließlich durch weitere Behandlung mit
aktiven Erden, aktiven Kohlen oder deren Gemischen, Walkerle, Silicagel o. dgl.,
von färbenden Beimengungen befreit und auf geeignete Weise nach bekannten Verfahren
der Erdölindustrie auf den üblichen Reinheits- und Färbungsgrad raffiniert bzw.
gebleicht werden.
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Die geeignetste Reihenfolge aller bisher geschilderten Behandlungen
der an amorphen Körpern reichen Schwelprodukte, die jeweilige Auswahl der zweckdienlichsten
Chemikalien und Lösungsmittel und die vorteilhafteste Art ihrer Anwendung ist von
den Eigenschaften der verschwelten Braunkohle und der Beschaffenheit der erzeugten
Schwelprodukte abhängig zu machen, doch ist die jeweils zweckdienlichste Arbeitsweise,
die übrigens auch durch wirtschaftliche Verhältnisse beeinlußt werden kann, im Rahmender
obengenannten Richtlinien unschwer durch praktische Versuche zu ermitteln.
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Es sei hier erwähnt, daß bituminöse hessi= sche Braunkohle sich als
geeigneter Rohstoff zur Gewinnung ceresinartiger Produkte gut bewährt hat. Durch
das neue Verfahren sind also erstmals Wege gewiesen worden, aus einem bisher für
diese Zwecke unbrauchbar gehaltenen einheimischen Rohmaterial, nämlich Braunkohle;
ceresinartige Produkte herzustellen. Beispiel i Braunkohlenschwelteer, welcher aus
auf etwa 150/0 Wassergehalt vorgetrockneter Schwelkohle bei Temperaturen bis etwa
4500 und bei einem -leichten Unterdruck schonend erschwelt wurde, und welcher die
bei gewöhnlicher Temperatur festen Anteile in amorpher Form enthält, wird einer
Wasserdampfdestillation bei einem absoluten Druck von etwa 5o mm derart unterworfen,
daß die sogenannte Paraffinfraktion aus amorphen, bei gewöhnlicher Temperatur festen
Körpern und hochsiedenden Ölen besteht. Letztere werden durch -mehrmaliges Anreiben
mit geeigneten Lösungsmitteln., z. B. einem Gemisch von 5o °/o Alkohol und 5o °%
Essigester, und Abschleudern der gebildeten Lösung entfernt, so daß nach Abtreiben
des Lösungsmittels aus dem verbliebenen Festkörper praktisch ölfreie Massen gewonnen
werden. Hierbei kann man sich übrigens auch unter Nutzbarmachung der verschiedenen
Löslichkeiten der im Öl enthaltenen einzelnen Ölkomponenten des Mittels der fraktionierten
Lösung bedienen, indem man z. B. zum ersten Anschlämmen Alkohol, zum zweiten ein
Gemisch von 70 °/o Alkohol und 30 °/a Essigester, zum dritten ein solches von 40
°% Alkohol und 6o °/ö Essigester verwendet. Für die Entscheidung, ob man am vorteilhaftesten
den erstgenannten Weg mit immer gleichbleibendem Lösungsmittelgemisch oder den zweiten
mit verschiedenen Lösungsmitteln wählt, sind in der Hauptsache wirtschaftliche Gründe
maßgebend. Die so erhaltenen ceresinartigen Produkte lassen sich nunmehr leicht
mit den gewöhnlichen Raffinationsmethoden auf handelsüblichen Reinheitsgrad und
Farbe bringen.
Beispiel e Ein Braunkohlenschwelprodukt, welches
aus vorgetrockneter Schwelkohle bei Temperaturen bis q.80° und bei einem Unterdruck
von 40 mm schonend erschwelt und bei der anschließenden selektiven Kondensation
als erstes Kondensat niedergeschlagen wurde, enthält die bei gewöhnlicher Temperatur
festen Anteile in amorpher Form. Es wird in einer Alkohol-Benzin-Mischung unter
Erwärmen gelöst, und die bei der nachfolgenden Abkühlung auf io° C ausgeschiedenen
festen Anteile werden durch Zentrifugieren von der Lösung getrennt. Dieser Prozeß
wird wiederholt und schließlich das Lösungsmittelgemisch vom Festkörper abgetrennt.
Die erhaltenen rohen amorphen Produkte werden nun einer Reinigung mit Kondensationsmitteln,
z. B. konzentrierter Schwefelsäure, unter Rühren und Steigerung der Temperatur auf
etwa i8o° unterworfen, wodurch- die noch vorhandenen qualitätsbeeinträchtigenden
und reaktionsfähigen Verunreinigungen zur Ausscheidung gebracht werden. Nach Absitzen
und Abtrennen derselben werden die nunmehr genügend vorgereinigten ceresinartigen
Körper nach -den bekannten Methoden der ölindustrie auf handelsübliche Farbe und
Reinheitsgrad raffiniert und gebleicht.