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Die Erfindung betrifft eine Regelungseinrichtung sowie ein Verfahren zur Regelung des Lenkwinkels eines Fahrzeugs.
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Elektromechanische Lenkungen für Fahrzeuge (auch EPS: Electric Power Steering) sind grundsätzlich bekannt. Hierbei unterstützt und überlagert ein programmgesteuerter elektrischer Stellmotor die Lenkbewegungen des Fahrers, indem dieser Kräfte auf die Lenkmechanik überträgt.
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Zudem ist bekannt, dass elektromechanische Lenkungen Regelungseinrichtungen aufweisen, um störende Einflüsse abzumildern bzw. zu unterdrücken. Derartige Regelungseinrichtungen weisen einen integrierenden Regelungsanteil auf, um die sich aufbauenden Querkräfte zu kompensieren.
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Bekannte Regelungseinrichtungen weisen eine Schnittstelle auf, über die das Regelverhalten beispielsweise fahrzustandsabhängig oder situationsabhängig angepasst werden kann. Dadurch lassen sich oszillierende Lenkbewegungen der elektromechanischen Lenkung beim autonomen bzw. teilautonomen Fahren verringern und das kooperative Fahren, bei dem der Fahrer und der Stellmotor der Lenkung gleichzeitig die Steuerung des Fahrzeugs bewirken, verbessern. Ein Nachteil des integrierenden Regelungsanteils ist nämlich, dass eine vom menschlichen Fahrer bewirkte Abweichung des Lenkwinkels gegenüber dem von der Lenkwinkelregelung berechneten Lenkwinkel ein zunehmendes Gegenlenkmoment des Stellmotors bewirkt, was beim kooperativen Fahren als sehr störend empfunden wird. Dies kann durch eine Einflussnahme auf das Regelverhalten über die Schnittstelle der Regelungseinrichtung verhindert bzw. zumindest abgemildert werden.
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Problematisch ist, dass die beschriebene Einflussnahme auf das Regelverhalten nicht möglich ist, wenn die Regelungseinrichtung keine derartige Schnittstelle aufweist bzw. der Aufbau der Regelungseinrichtung nicht bekannt ist, und damit keine von der Fahrsituation abhängige Kompensation von unerwünschtem Regelverhalten möglich ist. So können beispielsweise aufladende integrierende Anteile in der Lenkwinkelregelung dann weiter zu unerwünschtem Fahrzeugverhalten führen.
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Ausgehend hiervon ist es Aufgabe der Erfindung, eine Regelungseinrichtung anzugeben, die eine Einflussnahme auf das Regelungsverhalten der Lenkwinkelregelung auch dann ermöglicht, wenn keine Schnittstelle zu einer solchen Einflussnahme vorgesehen ist.
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Die Aufgabe wird durch die Vorrichtung mit den Merkmalen des unabhängigen Patentanspruchs 1 gelöst. Bevorzugte Ausführungsformen sind Gegenstand der Unteransprüche. Ein Verfahren zur Regelung des Lenkwinkels eines Fahrzeugs ist Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 15.
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Gemäß einem ersten Aspekt bezieht sich die Erfindung auf eine Regelungseinrichtung zur Regelung des Lenkwinkels eines Fahrzeugs. Die Regelungseinrichtung umfasst eine erste Reglereinheit, deren Regelungsverhalten zumindest einen integrierenden Anteil aufweist. Die erste Reglereinheit ist zum Empfang der Regeldifferenz zwischen den ersten Lenkwinkelinformationen, die von Lenkwinkelsollinformationen abgeleitet sind, und dem Ist-Lenkwinkel und zum Bereitstellen von Ansteuerinformationen für einen die Lenkung betätigenden Motor ausgebildet. Die Lenkwinkelsollinformationen können beispielsweise von einem Fahrassistenzsystem bereitgestellt werden, das eine autonome oder teilautonome Fahrzeugsteuerung ermöglicht.
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Es ist zudem ein der ersten Reglereinheit überlagerter Kompensationsregelkreis vorgesehen. Der Kompensationsregelkreis weist einen Rückführpfad auf, der als Eingangsgröße Ansteuerinformationen des Motors, das Ausgangsmoment des Motors und/oder eine vom Ausgangsmoment des Motors abhängige Information empfängt und basierend auf dieser Eingangsgröße Lenkwinkelkompensationsinformationen bereitstellt. Basierend auf den Lenkwinkelkompensationsinformationen erfolgt eine Anpassung der Lenkwinkelsollinformationen und damit die Bildung der ersten Lenkwinkelinformationen. Insbesondere ist ein Subtraktionspunkt vorgesehen, der die Lenkwinkelsollinformationen und die Lenkwinkelkompensationsinformationen empfängt und als Subtraktionsergebnis die ersten Lenkwinkelinformationen ausgibt. Das Regelverhalten des Kompensationsregelkreises ist abhängig von zumindest einer Steuergröße veränderbar, wobei die Steuergröße eine Einflussgröße des menschlichen Fahrers auf die Lenkeinrichtung und/oder eine fahrsituationsabhängige Messgröße ist. Eine Einflussgröße des menschlichen Fahrers kann das Moment sein, das der Fahrer auf das Lenkrad des Fahrzeugs aufbringt. Die fahrsituationsabhängige Messgröße kann beispielsweise die Kurvenkrümmung, d.h. der Kehrwert des Kurvenradius, oder die Fahrzeuggeschwindigkeit sein.
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Der technische Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht darin, dass durch den überlagerten Kompensationsregelkreis basierend auf einer verfügbaren Information eine Regelungskompensation erreicht werden kann, die eine Verbesserung des Regelungsverhaltens ermöglicht und dabei insbesondere Oszillationen vermeidet und störende Einflüsse des integrierenden Regelungsanteils reduziert.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist die erste Reglereinheit ein PID-Regler oder die erste Reglereinheit weist einen PID-Regler auf. Das Regelverhalten eines PID-Reglers weist ein für die Lenkwinkelregelung vorteilhaftes Regelungsverhalten auf.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist die erste Reglereinheit eine in sich geschlossene Reglereinheit, die keine externe Schnittstelle aufweist, über die das Regelverhalten der ersten Reglereinheit anpassbar ist. In anderen Worten bildet die erste Reglereinheit eine sog. Blackbox, deren Regelverhalten extern nicht angepasst werden kann, so dass eine situationsabhängige Änderung des Regelverhaltens möglich wäre. Der der ersten Reglereinheit als unterlagerte Reglereinheit überlagerte Kompensationsregelkreis ermöglicht es aber, das Fehlen einer solchen Schnittstelle durch eine äußere Regelschleife zu kompensieren.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel stellt die erste Reglereinheit als Ansteuerinformation des Motors Sollmomentinformationen bereit. Die erste Reglereinheit empfängt die Regeldifferenz zwischen den ersten Lenkwinkelinformationen und dem Ist-Lenkwinkel als Eingangsinformation und setzt diese in eine Sollmomentinformation um, basierend auf der der Motor angesteuert wird. Der Motor enthält eine Motorregelung, die die Sollmomentinformation in ein Motormoment umsetzt.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist die Eingangsgröße des Rückführpfades des Kompensationsregelkreises eine Sollmomentinformation der ersten Reglereinheit, die Stromstärke des durch den Motor fließenden elektrischen momentenbildenden Stroms oder eine zu dieser Stromstärke proportionale Messinformation, beispielsweise der Spannungsabfall über einem vom Motorstrom durchflossenen Widerstand oder das elektrische Moment. Diese Eingangsgrößen sind auch bei in sich geschlossenen Reglereinheiten verfügbar, da es sich hierbei entweder um die Eingangsinformationen oder die Ausgangsinformationen der ersten Reglereinheit handelt, d.h. um Messsignale, die an den Eingangs- bzw. Ausgangsschnittstellen der ersten Reglereinheit erfassbar sind, oder um Messignale, die am elektrischen Motor der Lenkung verfügbar sind.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel weist der Kompensationsregelkreis, insbesondere der Rückführpfad dieses Kompensationsregelkreises, ein erstes Regelglied auf, das als schwellwertabhängige Totzone ausgebildet ist. Dadurch lässt sich ein Eingangsgrößen-Schwellwert einstellen, oberhalb und/oder unterhalb dem der Kompensationsregelkreis wirksam ist.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist das erste Regelglied dazu ausgebildet, eine Ausgangsgröße mit dem Wert 0 auszugeben, wenn dessen Eingangsgröße, insbesondere die Eingangsgröße des Rückführpfades des Kompensationsregelkreises, unterhalb eines Eingangsgrößen-Schwellwerts liegt.
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Dadurch wird eine Deaktivierung des Kompensationsregelkreises bei geringen Eingangsgrößen möglich.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist der Schwellwert der Totzone, d.h. der Eingangsgrößen-Schwellwert, abhängig von der zumindest einen Steuergröße veränderbar. Dadurch lässt sich die Aktivierungsschwelle des Kompensationsregelkreises fahrsituationsabhängig bzw. fahrzustandsabhängig anpassen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist die Regelungseinrichtung dazu ausgebildet, den Schwellwert der Totzone basierend auf einer ersten mathematischen Funktion abhängig von der zumindest einen Steuergröße zu berechnen. Dadurch lässt sich die Wirkung der Steuergröße auf den Schwellwert der Totzone anpassen. Die erste mathematische Funktion kann beispielsweise eine monoton steigende oder eine monoton fallende Funktion sein. Für den Fall, dass mehrere Steuergrößen verwendet werden, kann die erste mathematische Funktion dazu ausgebildet sein, den Schwellwert basierend auf mehreren Steuergrößen als Eingangsgrößen zu berechnen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel weist der Kompensationsregelkreis, insbesondere der Rückführpfad des Kompensationsregelkreises, ein zweites Regelglied auf, das als Tiefpassfilter ausgebildet ist oder ein Tiefpassverhalten aufweist. Dadurch lassen sich hochfrequente Anteile der Eingangsgröße des Rückführpfades ausfiltern, so dass Oszillationen vermieden werden können und die niederfrequenten Anteile, d.h. die sich langsam ändernden Anteile der Eingangsgröße, die von dem integrierenden Regelungsteil stammen, werden bei der Kompensation stärker berücksichtigt.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist das zweite Regelglied ein PT1-Glied oder ein PT-Glied höherer Ordnung oder weist ein derartiges PT1-Glied bzw. PT-Glied höherer Ordnung auf.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist das Regelverhalten des zweiten Regelgliedes abhängig von der zumindest einen Steuergröße veränderbar. Dadurch lässt sich das Regelverhalten des Kompensationsregelkreises fahrsituationsabhängig bzw. fahrzustandsabhängig anpassen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist die Regelungseinrichtung dazu ausgebildet, das Regelverhalten des zweiten Regelgliedes basierend auf einer zweiten mathematischen Funktion abhängig von der zumindest einen Steuergröße zu berechnen. Dadurch lässt sich die Wirkung der Steuergröße auf das Regelverhalten des zweiten Regelgliedes anpassen. Die zweite mathematische Funktion kann beispielsweise eine monoton steigende oder monoton fallende Funktion sein. Für den Fall, dass mehrere Steuergrößen verwendet werden, kann die zweite mathematische Funktion dazu ausgebildet sein, eine Berechnung einer das Regelverhalten des zweiten Regelgliedes beeinflussenden Ausgangsgröße basierend auf mehreren Steuergrößen als Eingangsgrößen vorzunehmen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel weist der Kompensationsregelkreis, insbesondere der Rückführpfad des Kompensationsregelkreises, ein drittes Regelglied auf, das als Begrenzer ausgebildet ist. Dadurch lässt sich eine Begrenzung der Wirkung des Kompensationsregelkreises, insbesondere eine Begrenzung des Ausgangssignals des Rückführpfades des Kompensationsregelkreises erreichen, um aus Sicherheitsgründen eine zu hohe Rückkopplungswirkung zu vermeiden.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel weist der Begrenzer einen Schwellwert auf, ab dem eine Begrenzung der Amplitude des Ausgangssignals erfolgt. Der Schwellwert ist abhängig von der zumindest einen Steuergröße veränderbar. Dadurch lässt sich der Schwellwert des Begrenzers fahrsituationsabhängig bzw. fahrzustandsabhängig anpassen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel ist die Regelungseinrichtung dazu ausgebildet, den Schwellwert des dritten Regelgliedes basierend auf einer dritten mathematischen Funktion abhängig von der zumindest einen Steuergröße zu berechnen. Dadurch lässt sich die Wirkung der Steuergröße auf den Schwellwert des Begrenzers anpassen. Die dritte mathematische Funktion kann beispielsweise eine monoton steigende oder monoton fallende Funktion sein. Für den Fall, dass mehrere Steuergrößen verwendet werden, kann die dritte mathematische Funktion dazu ausgebildet sein, den Schwellwert basierend auf mehreren Steuergrößen als Eingangsgrößen zu berechnen.
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Gemäß einem weiteren Aspekt betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Regelung des Lenkwinkels eines Fahrzeugs mittels einer Reglungseinrichtung. Die Regelungseinrichtung umfasst eine erste Reglereinheit, deren Regelungsverhalten zumindest einen integrierenden Anteil hat. Die erste Reglereinheit empfängt die Regeldifferenz zwischen den ersten Lenkwinkelinformationen, die von Lenkwinkelsollinformationen abgeleitet sind, und einem Ist-Lenkwinkel und stellt Ansteuerinformationen für einen die Lenkung betätigenden Motor bereit. Zudem ist ein der ersten Reglereinheit überlagerter Kompensationsregelkreis vorgesehen, dessen Rückführpfad als Eingangsgröße Ansteuerinformationen des Motors, das Ausgangsmoment des Motors oder eine vom Ausgangsmoment des Motors abhängige Information empfängt und basierend auf dieser Eingangsgröße Lenkwinkelkompensationsinformationen bereitstellt. Basierend auf den Lenkwinkelkompensationsinformationen werden die Lenkwinkelsollinformationen angepasst und dabei die ersten Lenkwinkelinformationen gebildet. Insbesondere ergeben sich die ersten Lenkwinkelinformationen durch Subtraktion der Lenkwinkelkompensationsinformationen von den vom Fahrassistenzsystem bereitgestellten Lenkwinkelsollinformationen. Das Regelverhalten des Kompensationsregelkreises wird abhängig von zumindest einer Steuergröße verändert, wobei die Steuergröße eine Einflussgröße des menschlichen Fahrers auf die Lenkeinrichtung und/oder eine fahrsituationsabhängige Messgröße ist.
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Unter „überlagerter Regelkreis“ wird ein Regelkreis verstanden, der die Regelgröße einer unterlagerten Regelstrecke, d.h. einer hierarchisch gesehen unteren Regelungsstruktur beeinflusst. Der überlagerte Regelkreis kann insbesondere ein Signal oder eine Information der unterlagerten Regelstrecke verwenden, um dadurch das Regelverhalten der unterlagerten Regelstrecke zu beeinflussen.
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Die Ausdrücke „näherungsweise“, „im Wesentlichen“ oder „etwa“ bedeuten im Sinne der Erfindung Abweichungen vom jeweils exakten Wert um +/- 10%, bevorzugt um +/- 5% und/oder Abweichungen in Form von für die Funktion unbedeutenden Änderungen.
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Weiterbildungen, Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten der Erfindung ergeben sich auch aus der nachfolgenden Beschreibung von Ausführungsbeispielen und aus den Figuren. Dabei sind alle beschriebenen und/oder bildlich dargestellten Merkmale für sich oder in beliebiger Kombination grundsätzlich Gegenstand der Erfindung, unabhängig von ihrer Zusammenfassung in den Ansprüchen oder deren Rückbeziehung. Auch wird der Inhalt der Ansprüche zu einem Bestandteil der Beschreibung gemacht.
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Die Erfindung wird im Folgenden anhand der Figuren an Ausführungsbeispielen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 beispielhaft eine schematische Darstellung eines Regelkreises einer elektromechanischen Lenkung eines Fahrzeugs;
- 2 beispielhaft eine schematische Darstellung eines Regelkreises einer elektromechanischen Lenkung eines Fahrzeugs, der einen überlagerten Kompensationsregelkreis aufweist; und
- 3 beispielhaft und schematisch der Regelkreis gemäß 1, bei dem eine erste Reglereinheit als PID-Regler ausgebildet ist.
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1 zeigt beispielhaft ein schematisches Blockdiagramm eines Regelkreises einer Lenkeinrichtung EPS mit elektromechanischem Antrieb, bei der ein programmgesteuerter elektrischer Motor die Lenkbewegungen des Fahrers unterstützt bzw. bei autonomen bzw. teilautonomen Fahren zumindest teilweise eigene Lenkbewegungen vornimmt.
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Im Blockschaltbild stellen der mit Ziffer 2 bezeichnete Block den Lenkwinkelregler, der mit Ziffer 3 bezeichnete Block den Motor und der mit dem Bezugszeichen 5 bezeichnete Block eine regelungstechnische Nachbildung der Lenkmechanik dar. Die Lenkmechanik bildet zusammen mit dem Motor 3 die elektromechanische Lenkeinrichtung EPS.
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Der Regelkreis erhält als Eingangsinformation beispielsweise den Solllenkwinkel φsoll, der beispielsweise von einem elektronischen Steuergerät, insbesondere einer eine autonome oder teilautonome Fahrfunktion steuernden Rechnereinheit bereitgestellt wird. Für den Solllenkwinkel φsoll wird hier auch der Begriff „Lenkwinkelsollinformation“ verwendet.
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Auf den Subtraktionspunkt des Regelkreises, an dem der Solllenkwinkel φsoll basierend auf dem Ist-Lenkwinkel φ modifiziert wird, folgend ist eine erste Reglereinheit 2 vorgesehen, die beispielsweise ein Sollstellmoment Tsoll bereitstellt. Die erste Reglereinheit 2 ist beispielsweise ein PID-Regler, wie er beispielhaft in 3 dargestellt ist. Insbesondere weist die erste Regeleinheit 2 einen integrierenden Anteil auf. Dies führt dazu, dass das Sollstellmoment kontinuierlich steigt, wenn sich eine Differenz zwischen Solllenkwinkel φsoll und Ist-Lenkwinkel φ einstellt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der menschliche Fahrer am Lenkrad über einen längeren Zeitraum einen anderen Lenkwinkel wählt als den Solllenkwinkel φsoll. Dadurch kommt es in unerwünschter Weise zu einer kontinuierlich steigenden Lenkkraft, die der Fahrer aufwenden muss, um den vom Solllenkwinkel φsoll abweichenden Lenkwinkel zu halten. Dies stellt für den Fahrer ein unnatürliches Fahrverhalten dar und wird daher als störend empfunden.
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Die erste Reglereinheit 2 ist beispielsweise eine in sich geschlossene oder gekapselte Reglereinheit, die keine Schnittstelle zur Zuführung von externen Steuersignalen ermöglicht, über die das Regelverhalten fahrzustandsabhängig und/oder situationsabhängig, insbesondere abhängig von Fahrbefehlen des menschlichen Fahrers beeinflusst werden könnte. Somit besteht an der ersten Reglereinheit 2 direkt keine Möglichkeit zur Kompensation des sich u.a. durch den integrierenden Anteil ergebenden, störenden Regelverhaltens.
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Die erste Regeleinheit 2 ist ausgangsseitig mit dem Motor 3 gekoppelt. Dies ist insbesondere ein elektrischer Stellmotor, der die Lenkkräfte für die mechanische Lenkung des Fahrzeugs bereitstellt. Der Motor 3 empfängt beispielsweise von der ersten Regeleinheit 2 ein Sollstellmoment Tsoll, das durch den Motor 3 in ein motorisches Lenkmoment TEPS umgesetzt wird. Das Lenkmoment TEPS ist dabei das tatsächliche Moment, das vom Motor 3 an die Lenkung übertragen wird. Das Lenkmoment TEPS kann entweder direkt gemessen werden oder ist aber indirekt über die Stromstärke des Stroms, der durch den Motor 3 fließt, bestimmbar, da eine direkte oder im Wesentlichen direkte Proportionalität zwischen der Stromstärke und dem motorisch erzeugten Lenkmoment TEPS besteht.
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In 1 ist mit dem Bezugszeichen 5 die mechanische Lenkung bezeichnet, die als Regelungsmodell schematisch dargestellt ist. Das Regelungsmodell der mechanischen Lenkung 5 kann beispielsweise als IT1-Glied nachgebildet werden. Es enthält zunächst einen Differenzpunkt, dem das motorisch erzeugte Lenkmoment TEPS, die Störgröße dL und eine interne Rückführgröße, hier die erste Ableitung des Lenkwinkels φ̇ multipliziert mit der Reibung d zugeführt wird.
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Die Störgröße dL kann jegliche externe Störgröße sein (Spurrille, Fahrbahnneigung, Querkräfte durch Kurvenfahrt, Zusatzmomente die durch Lenkunterstützungsfunktionen der EPS vom Motor generiert werden etc.) und/oder das vom menschlichen Fahrer über eine Lenkbewegung am Lenkrad aufgebrachte Lenkmoment.
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Die Ausgangsgröße des Regelkreises ist der Ist-Lenkwinkel φ, die an den vor dem Eingang der ersten Reglereinheit 2 liegenden Differenzpunkt rückgeführt ist.
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Durch den integrierenden Anteil in der Lenkwinkelregelung wird die Störgröße d
L kompensiert. Dies führt zu einem Aufbau des integrierenden Anteils. Für das motorische Lenkmoment T
EPS ergibt sich aufgrund der angenommen IT
1-Struktur:
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Aus Formel 1 ist ersichtlich, dass sich die zum Aufbau des integrierenden Anteiles führende Störgröße dL auch im motorisch erzeugten Lenkmoment TEPS widerspiegelt. D.h. die Rückführung des motorisch erzeugten Lenkmoments TEPS ist geeignet, den Aufbau des integrierenden Anteils in der ersten Reglereinheit 2 zu kompensieren.
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Alternativ hierzu ist es auch möglich, anstelle des oder zusätzlich zu dem motorisch erzeugten Lenkmoments TEPS das Sollstellmoment Tsoll als rückzuführende Größe zu verwenden, denn auch das Sollstellmoment Tsoll enthält Informationen über den sich aufbauenden integrierenden Anteil. Dies ist insbesondere dann von Vorteil, wenn zumindest zeitweise keine Informationen über das aktuelle motorisch erzeugte Lenkmoments TEPS vorhanden sind.
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Für den Regelkreis gemäß
1 in Verbindung mit
3 ergibt sich demnach folgende Übertragungsfunktion:
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2 zeigt eine Regelungseinrichtung 1, bei der der in 1 gezeigte Regelkreis von einem Kompensationsregelkreis mit einem Rückführpfad 4 überlagert ist, um eine die störenden Effekte der Lenkwinkelregelung auch dann mildern oder verhindern zu können, wenn aufgrund fehlender Einflussmöglichkeiten dies an der ersten Reglereinheit 2 nicht direkt möglich ist.
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Dem Rückführpfad 4 des Kompensationsregelkreises wird im gezeigten Ausführungsbeispiel das motorisch erzeugte Lenkmoment TEPS als Eingangsgröße zugeführt. Alternativ hierzu kann auch, wie zuvor ausgeführt, das Sollstellmoment Tsoll als Eingangsgröße verwendet werden. Als Ausgangsgröße stellt der Rückführpfad des Kompensationsregelkreises Lenkwinkelkompensationsinformationen bereit. Diese werden einem Subtraktionspunkt zugeführt, so dass aus den Lenkwinkelsollinformationen φsoll durch Subtraktion der Lenkwinkelkompensationsinformationen die ersten Lenkwinkelinformationen φ'soll, auch kompensierte Lenkwinkelsollinformationen genannt, entstehen. Diese ersten Lenkwinkelinformationen φ'soll dienen dann wiederum als Eingangsinformation für den Regelkreis der Lenkeinrichtung EPS.
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Der Rückführpfad 4 des Kompensationsregelkreises kann eine oder mehrere Regelglieder enthalten, mittels denen unterschiedliche Regelungsfunktionen vollzogen werden. Es versteht sich, dass auch komplexere Regelungsstrukturen verwendet werden können, die die Funktionalität mehrerer Regelglieder in einem physikalischen Regler abbilden.
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Im gezeigten Ausführungsbeispiel sind drei Regelglieder 4.1, 4.2, 4.3 vorgesehen. Es versteht sich, dass dies rein beispielhaft ist und auch mehr oder weniger Regelungslieder vorgesehen sein können.
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Das erste Regelglied 4.1 ist beispielsweise als Totzone ausgebildet, d.h. es wird erst dann ein Ausgangssignal abweichend von Null ausgegeben, wenn das Eingangssignal des ersten Regelglieds 4.1 einen Schwellwert über- bzw. unterschritten hat. Nach Überschreiten des Schwellwerts kann ein linearer Zusammenhang zwischen der Eingangsinformation und der Ausgangsinformation bestehen. Durch das erste Regelglied 4.1 lässt sich damit festlegen, ab welcher Schwelle der Kompensationsregelkreis aktiv werden soll.
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Der Schwellwert des ersten Regelglieds 4.1 kann veränderbar sein, und zwar vorzugsweise abhängig von einer oder mehreren Steuergrößen s.
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Die zumindest eine Steuergröße s kann dabei entweder direkt an das erste Regelglied 4.1 als Eingangsgröße übertragen werden oder kann über eine erste mathematische Funktion f1(s) in eine von der Steuergröße s abhängige Steuerinformation umgesetzt werden, die dann an das erste Regelglied 4.1 zur Veränderung des Schwellwerts übertragen wird.
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Der Rückführpfad 4 des Kompensationsregelkreises kann ein weiteres, zweites Regelglied 4.2 aufweisen, das vorzugsweise als Eingangsinformation die Ausgangsinformation des ersten Regelglieds 4.1 empfängt. Das zweite Regelglied 4.2 weist eine Übertragungsfunktion GT auf, die beispielsweise ein Tiefpassverhalten aufweist. Beispielsweise kann das zweite Regelglied 4.2 als PT1-Glied oder als PTx-Glied höherer Ordnung (d.h. x ∈ {2, 3, 4, ..}) ausgebildet sein. Auch andere Regelungsfunktionen mit Tiefpassverhalten sind grundsätzlich denkbar. Durch das Tiefpassverhalten werden Anteile oberhalb einer Grenzfrequenz herausgefiltert. Dadurch kommen niederfrequente Anteile, d.h. langsame Änderungen des Lenkwinkels stärker zum Tragen, so dass damit die Ursache für die sich durch den integrierenden Anteil ergebenden anwachsenden Sollstellmomente rückgekoppelt und dadurch ein natürlicheres Lenkverhalten erreicht wird. Alternativ können beispielsweise auch andere Übertragungsfunktionen verwendet werden, beispielsweise solche, die aus Standard Auslegungsverfahren entstehen, wie z.B. Pol- Nullstellenkompensation, Zustandsregler, etc.
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Das Regelverhalten des zweiten Regelgliedes 4.2 kann veränderbar sein, und zwar vorzugsweise wiederum abhängig von einer oder mehreren Steuergrößen s.
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Die zumindest eine Steuergröße s kann dabei entweder direkt an das zweite Regelglied 4.2 als Eingangsgröße übertragen werden oder kann über eine zweite mathematische Funktion f2(s) in eine von der Steuergröße s abhängige Steuerinformation umgesetzt werden, die dann an das zweite Regelglied 4.2 zur Veränderung der Regeleigenschaften übertragen wird.
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Der Rückführpfad 4 des Kompensationsregelkreises kann ein weiteres, drittes Regelglied 4.3 aufweisen, das vorzugsweise als Eingangsinformation die Ausgangsinformation des zweiten Regelglieds 4.2 empfängt. Das dritte Regelglied 4.3 kann beispielsweise als Begrenzer, auch als Saturation-Glied bezeichnet, ausgebildet sein. Der Begrenzer dient vorzugsweise dazu, die Amplitude der Rückführungsinformation (insbesondere das Ausgangssignal des zweiten Regelglieds 4.2) zu beschränken, um aus Sicherheitsgründen zu hohe Rückführwerte zu vermeiden.
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Das dritte Regelglied 4.3 weist vorzugsweise einen Schwellwert auf, ab dem eine Amplitudenbegrenzung erfolgt. Dieser Schwellwert kann veränderbar sein, und zwar vorzugsweise abhängig von einer oder mehreren Steuergrößen s.
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Die zumindest eine Steuergröße s kann dabei entweder direkt an das dritte Regelglied 4.1 als Eingangsgröße übertragen werden oder kann über eine dritte mathematische Funktion f3(s) in eine von der Steuergröße s abhängige Steuerinformation umgesetzt werden, die dann an das dritte Regelglied 4.3 zur Veränderung des Schwellwerts übertragen wird.
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Als erste bis dritte mathematische Funktionen f1(s) bis f3(s) können eine oder mehrere monoton steigende oder fallende Funktionen verwendet werden, die den Einfluss des zumindest einen Steuergröße s auf das jeweilige Regelglied 4.1 bis 4.3 beeinflussen. Abweichend von den genannten monoton steigenden oder fallenden Funktionen können auch andere Funktionstypen verwendet werden, beispielsweise quadratische Funktionen.
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Im Falle, dass mehrere unterschiedliche Steuergrößen s verwendet werden, können die mathematischen Funktionen f1(s) bis f3(s) auch mehrere Funktionsteile aufweisen, wobei jeweils eine Steuergröße s als Eingangsgröße für einen Funktionsteil verwendet wird und dadurch das Gesamtergebnis der jeweiligen mathematischen Funktion f1(s) bis f3(s) durch mehrere Steuergrößen beeinflussbar ist.
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Als Steuergröße s können eine oder mehrere der nachfolgend genannten Informationen verwendet werden:
- - Das vom menschlichen Fahrer auf das Lenkrad aufgebrachte Lenkmoment. Damit kann beispielsweise mit steigendem Lenkmoment des menschlichen Fahrers die Breite der Totzone verkleinert werden, um dadurch zu vermeiden, dass der Fahrer von der ersten Reglereinheit 2 als Störung ausgeregelt wird.
- - Die Lenkwinkelgeschwindigkeit, d.h. die Geschwindigkeit, mit der der Lenkwinkel geändert wird, um mit steigender Lenkwinkelgeschwindigkeit den Schwellwert der Totzone, d.h. die die Breite der Totzone, zu verkleinern und optional die Verstärkung der Übertragungsfunktion GT des zweiten Regelglieds 4.2 zu erhöhen und so ein Überschwingen auf Grund des zu stark aufgeladenen I-Anteils zu vermeiden.
- - Die Kurvenkrümmung (d.h. der Kehrwert des Kurvenradius der gefahrenen Kurve), um mit sinkender Kurvenkrümmung den Schwellwert der Totzone, d.h. die Breite der Totzone, zu verkleinern und so Oszillationen zu vermeiden.
- - Die Fahrzeuggeschwindigkeit, um die Adaptionen der Regelglieder 4.1 bis 4.3 zumindest teilweise geschwindigkeitsabhängig machen zu können.
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Die Erfindung wurde voranstehend an Ausführungsbeispielen beschrieben. Es versteht sich, dass zahlreiche Änderungen sowie Abwandlungen möglich sind, ohne dass dadurch der durch die Patentansprüche definierte Schutzbereich verlassen wird.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Regelungseinrichtung
- 2
- erste Reglereinheit
- 3
- Motor
- 4
- Rückführpfad des Kompensationsregelkreises
- 4.1
- erstes Regelglied
- 4.2
- zweites Regelglied
- 4.3
- drittes Regelglied
- 5
- mechanische Lenkung
- d
- Reibung
- dL
- Störgröße
- EPS
- Lenkeinrichtung
- f1
- erste mathematische Funktion
- f2
- zweite mathematische Funktion
- f3
- dritte mathematische Funktion
- s
- Steuergröße
- TEPS
- motorisches Lenkmoment
- Tsoll
- Sollstellmoment
- φkomp
- Lenkwinkelkompensationsinformationen
- φsoll
- Solllenkwinkelinformation
- φ'soll
- erste Lenkwinkelinformation
- φ
- Ist-Lenkwinkel