-
Verfahren zum Enthaaren von geweichten tierischen Häuten und Fellen
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Enthaaren von Häuten-und Fellen
unter Schonung der Haare, das insbesondere auch bei schweren Häuten angewendet werden
kann.
-
Die bei schweren Häuten, das sind solche Häute, die zu schweren Ledern,
insbesondere Sohlledern, verarbeitet werden, zumeist verwendeten stark angeschärften
Äscher bzw. reinen Schwefelnatriumfaßäscher hoher Konzentration weisen den Nachteil
auf, daß die für die Filzindustrie und für die Haargarnspinnerei wichtigen Haare
erheblich bzw. vollkommen - zerstört werden.
-
Gemäß der vorliegenden Erfindung werden die geweichten Häute und Felle
in einem alkalischen, an sich nicht enthaarend wirkenden Bad zwecks Heranbringung
von Alkali an die Haarwurzeln vorbehandelt. Hierauf wird, um das an den Haaren haftende
Alkali zu entfernen, kurz mit Wasser gespült, wobei das an den Haarwurzeln in der
Narbenschicht vorhandene Alkali aber nicht ausgewaschen wird. Anschließend werden
die Häute und Felle von der Haarseite mit Lösungen von Sulfhydraten oder Sulfiden
anges@chwödet, deren Konzentrationen bzw. PH-Werte so gewählt sind, daß sie erst
11 Verbindung mit dem an den Haarwurzeln vorhandenen Alkali haarzerstörend wirken.
.Zum Anschwöden können sowohl Lösungen als auch Pasten der Sulfhydrate bzw. Sulfide
verwendet werden.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren wird also in zwei Stufen durchgeführt,
und sein wesentliches Merkmal ist der differenzierte Angriff auf die Haarwurzeln.
Da die Hydrasulfidionen bzw. Sulfidion@en mit den Hydroxylionen des von der Haut
aufgenommenen Alkalis nur in den oberen Epidermisschichten zusammentreffen und dort
das epidermale Gewebe bzw. die Haarwurzeln zerstören,: wird vermieden, daß der übrige
Teil der Haut und besonders die Haare angegriffen werden; denn eine Zerstörung von
Haut und Haar findet immer nur dort statt, wo Hydroxylionen und Hydrosulfidi:onen
bzw. Sulfidionen gleichzeitig in
ausreichender Konzentration zur
Einwirkung gelangen. Das vorliegende Verfahren erlaubt es daher, schwere Häute ohne
Schädigung der Lederhaut in. kurzer Zeit zu lenthaaren und dabei gleichzeitig die
Haare m einer für die Weiterverarbeitung, insbesondere in der Filzfabrikation,'
geeigneten Beschaffenheit zu gewinnen.
-
Vor der A1kalibehandlung können die Häut in üblicher Weise geweicht
werden. Zweckmäßig ist aber eine Weiche unter Vexwendung von Anschärf- oder Netzmitteln.
Die Weichflüssigkeit kann beispielsweise o, i bis 0,50/00 Natronlauge und/oder o,2
bis o,50/00 Netzmittel, z. B. Sulfonate ho.chmiolekularer Fettalkohole, enthalten.
-
Die Alkalibehandlung wird in einem Bad, das Alkali oder Erdalkali
und gegebenenfalls noch puffernde Zusätze enthält, kurze Zeit bewirkt. Dabei können
die Häute entweder in die Lösung eingehängt oder damit im Faß bewegt werden. Als
geeignet für diese Behandlung haben sich beispielsweise o,5oloige Natronlauge :oder
eine Lösung, die 0,50/ü,
Natriumhydroxyd und o,25 bis o,5 oiä Soda enthält,
erwiesen; doch kann die Zusammensetzung und der pH-Wert des Behandlungsbades imierhalb
weiter Grenzen variiert werden. Eine Enthaarung oder Schädigung der Hautsubstanz
oder der Haare tritt bei dieser Behandlung nicht ein. Nachdem die Häute mindestens
bis zu den Haarwurzeln durchtränkt und alkalisch eingestellt sind, was zumeist nach
1/2 bis 2 Stunden der Fall ist, werden sie aus dem Bad herausgenommen und oberflächlich
abgespült, wodurch die Haare von der Hauptmenge des Alkalis befreit werden.
-
Nunmehr werden die Häute unit einer Lösung eines Sulfhydrats oder
Sulfids behandelt, deren Konzentration und bzw. oder pH-Wert so gewählt ist, daß
sie für sich allein bei kurzer Einwirkung auf die mit Alkali vorbehandelte Haut
nicht enthaarend oder haarzerstörend wirkt.
-
Für die Sulfhydratlösung finden Konzentrationen von i bis 2%, für
die Sulfidlösung solche von o,5 bis i % Verwendung.
-
Sowohl bezüglich der Arbeitsweise in der ersten als auch in der zweiten
Stufe ist darauf hinzuweisen, daß Konzentration und Temperatur der Lösungen sowie
Dauer der Behandlung aufeinander abgestimmt werden. Bei höheren Temperaturen kann
man arbeiten, wenn man die Dauer der Behandlungszeit entsprechend verkürzt. Bei
längeren Biehandlungszeiten oder bei Anwendung hoher Arbeitstemperaturen können
niedrigkonzentrierte Lösungen Anwendung finden.
-
Der die Sulfhydrate bzw. Sulfide enthaltenden, von der Haarseite aus
zur Anwendung gebrachten Schwöde können als indifferente Verdickungsmittel geeignete
Zusätze, wie Stärke, Benbonit, Leim o. dgl., zugesetzt werden. Es werden Lösungen
von Natrium-oder Calciumsulfhydratoder von Ammonsulfid, die gegebenenfalls noch
puffernde Zusätze enthalten können, hierzu verwendet. Die Anwendung von Verdickungsmitteln,
wie Stärke u. dgl., bei der Schwöde hat, abgesehen davon, daß sich die Schwöde besser
auftragen läßt, den Vorzug, daß das von der Haut aufgenommene Alkali weniger leicht
in die Haare eindringt.
-
Die in der zweiten Stufe des Verfahrens angewendeten Hydrosulfid-
bzw. Sulfidionen wirken in Gegenwart der an den Haarwurzeln verbliebenen Alkalireste
zerstörend auf die Haarwurzeln, so, daß die Häute rasch haarlässig, werden und schon
nach i/2 bis 2 Stunden ohne Schwierigkeit enthaart werden können. Dabei lassen sich
auch die Grundhaare mühQlois entfernen, und die Blößen werden in normalem, nicht
geschwollenem Zustand gewonnen. Die Haare werden dann durch Waschen von den Hydrosulfiden
bzw. Sulfiden befreit und fallen in sehr guter Beschaffenheit an. ° Es empfiehlt
sich, nach Eintritt der Haarlockerung die Enthaarung sofort vorzunelnnen und Blöße
und Haare weiterzuverarbeiten, um eine Schädigung von Haut und Haar zu vermeiden.
-
Bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens hat sich der
Zusatz von Netzmitteln als sehr zweckmäßig erwiesen. Diese Netzmittel können bei
der Weiche, bei dem Alkalibad und bei .den aus Sulfhydraten bzw. Sulfiden bestehenden
Bädern bzw. Schwöden zur Anwendung gebracht werden. Als Netzmittel leommen in Betracht
aU-phatische und aromatische Sulfosäuren, Schwefelsäureester hochmolekularer Fettalkohole,
Amine, wie Triäthanolamin, Äthylendiamin, Hexamethylentetramin, Pyridin, quaternäre
Amm,oniumbasen usw. Diese Netzmittel werden bei der Alkali- und Sulfhydratbehandlung
in Konzentrationen von etwa i bis 2% angewendet.
-
Das neue Verfahren kann mit Erfolg auch bei. Fellen und leichten Häuten
angewendet werden, insbesondere in solchen Fällen, in denen eine besondere Schonung
der Hautsubstanz erreicht werden. soll.
-
Es sind zahlreiche Verfahren zum Enthaaren von Häuten und Fellen unter
Schonung der Haare und Wolle bekannt, bei denen die geweichten Rohhäute ini Einbadverfahren
unter Verwendung von Alkalien, Erdalkalien sowie Sulfiden enthaart werden. Auch
zweistufige Enthaarungsverfahren wurden bereits in Vorschlag gebracht. Bei keinem
dieser
bekannten Verfahren wird jedoch von dem Grundgedanken des
erfindungsgemäßen Verfahrens, dem differenzierten Angriff auf die Haarwurzeln, Gebrauch
gemacht.
-
Im folgenden soll das neue Verfahren an Hand von einigen Beispielen
näher erläutert werden, ohne daß eine Beschränkung der Erfindung auf die in den
Beispielen angegebenen Konzentrationen, Behandlungszeiten usw. beabsichtigt ist.
Beispiel i Die, wie üblich, gegebenenfalls unter Verwendung von A.nscbärf- oder
Netzmitteln geweichten Häute werden 2 Stunden in einer Lösung behandelt, die 5 g
Ätznatron, 2,5 g Soda und io g Fettalkoholsulfonat je Liter Wasser enthält. Nach
kurzem Abspritzen der Häute von der Haarseite ,aus trägt man eine i o/oige Lösung
vorn Natriumsulfhydrat auf dieselbe auf, die, mit Indikatoren gemessien, ein pH
von io,o bis i i,o aufweist. Nach etwa 2 Stunden sind die Häute gut haarlässig.
-
Beispiel 2 Die wie in Beispiel i geweichten Häute werden mit einer
Lösung, die 6 g Ätznatron und 5- 3-naphthalinsulfosaures Natrium je Liter
Wasser enthält, behandelt. Durch kurzes Spülen der Häute werden die Haare alkalifrei
gewaschen. Hierauf gibt man eine Paste, die aus 1,5 Gewichtsteilen Natriumsulfhydrat,
i Gewichtsteil naphthalinsulfosaurem Natrium und i o bis 15 Gewichtsteilen
Kieselgur und 82,5 bis 87,5 Gemrichtsteilen Wasser besteht (das pH der Lösung ist,
mit Indikator gemessen, etwa io,o bis i i,o), auf die Häute von der Haarseite. Nach
etwa 2 Stunden sind sie gut haarlässig. Beispiel 3 Wie üblich geweichte Rindshäute
werden 1/. Stunde in eine Lösung gehängt, die 5 g Ätznatron und 5 g calc. Soda je
Liter Wasser enthält. Die so, vorbehandelte Haut wird @oberflächlich gut abgespült,
so daß das Alkali aus den Haaren entfernt ist, und dann von der Haarseite mit einem
Schwödebrei bestrichen, der aus 3 Gewichtsteilen Stärke und etwa i Gewichtsteil
N atriumhy drosulfid und 96 Gewichtsteilen Wasser besteht. Nach einer Einwirkungszeit
von 1/4 bis 1/ 9 Stunde lassen sich Haare und Grundhaare mühelos ent-fernen.
Die Blößen können ja nach der Art des herzustellenden Leders noch einer Nachbehandlung
im Schwelläscher unterworfen werden. Die Haare werden, um die anhaftende Sch%vöde
zu beseitigen, gewaschen und fallen in sehr guter Beschaffenheit an. Mitunter sind
sie so, gut erhalten, daß sie zur Erzielung einer ausreichenden Filz- und Walkfähigkeit
einer Nachbehandlung mit Kalk .oder geeigneten Alkalien unterworfen werden müssen.
Beispiel q. Als Vorbehandlungsbad dient eine Lösung, die 5 g. Na O H und 2o ccm
Pyridin im Liter enthält. Als Schwöde wird eine Paste, be-
stehend aus 2 Gewichtsteilen
Calciumsulfhydrat, 7 Gewichtsteilen Bentonit und 9 i Gewichtsteilen Wasser, verwendet.
Die Behandlung geschieht in gleicher Weise wie unter Beispiel 3.