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Verfahren zur alleinigen Gewinnung von Phenol und Kresolen aus solchen
Urteerölen der Gasflammkohle, die Phenole aller Siedegrenzen enthalten. Die Urteeröle
der Gasflammkohlen enthalten bis zu 5o Prozent alkalilösliche Bestandteile, die
zum weitaus größten Teil zu den aromatischen Phenolen gehören. In Anlehnung an die
seit alters her gebräuchliche Aufarbeitung des Kokereiteers erhält man durch Extraktion
der Urteeröle mit wäßrigen Laugen ein sehr verwickelt zusammengesetztes Gemisch
von zahlreichen Homologen, unter denen die hochsiedenden Anteile stark überwiegen.
Die Trennung dieses Gemisches der rohen Urteerphenole bereitet noch ungleich größere
Schwierigkeiten als die Zerlegung der Kokereiteerphenole.
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Der größte Wert der Urteerphenole liegt, solange man noch keine technisch
befriedigende Verwertung für die hochsiedenden Homologen gefunden hat, einstweilen
in den niederen Anfangsgliedern dieser Reihe, dem Phenol und den Kresolen. Sie sind
wertvoll als Rohstoffe für die chemische Industrie, ferner als Desinfektionsmittel
sowie als Ausgangsstoffe für die Herstellung von synthetischen Harzen.
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Es wurde nun gefunden, daß man diese wertvollen Phenole, welche bis
etwa 205 '
sieden, aus den Urteerölen allein extrahieren kann, ohne den großen
Ballast der minderwertigen höheren Phenole mitzuverarbeiten. Das Verfahren besteht
darin, daß man einerseits, nach vorheriger Ermittlung des Gehaltes der zu verarbeitenden
Öle an Phenolen bis 2o5° Siedepunkt, die Alkalimengen, die zur Extraktion dienen
sollen, auf die zu extrahierenden tiefsiedenden Anteile allein bemißt oder unter
Umständen sogar unterhalb der theoretisch erforderlichen Menge bleibt und anderseits
die Lauge in größerer Verdünnung, als es bisher gebräuchlich war, beispielsweise
nur 5prozentig, in Anwendung bringt. Hierdurch werden nur die niedrig siedenden
Phenole in wasserlösliche Phenolate verwandelt, während die höher siedenden Phenole
in den Neutralölen gelöst bleiben. Da sich in diesen verdünnten Phenolatlaugen nur
sehr wenige Neutralöle auflösen, so kommt das lästige Klardampfen zugleich in Fortfall.
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Dieses Verfahren der teilweisen Extraktion der Urteerphenole bedeutet
gegenüber der bisher gebräuchlichen vollständigen Extraktion eine große Ersparnis
an Chemikalien, wie Alkalien und Säuren, sowie eine beträchtliche Verminderung der
Verluste, die durch die Wasserlöslichkeit der Phenole bedingt sind. Es erspart fernerhin
viel Arbeit und vereinfacht die Apparatur. Während man bei der vollständigen Extraktion
der Ur-
Leeröle ein sehr schwer trennbares Gemisch erhält, das nur
33 Prozent bis 2o5° siedende Anteile enthält, liefert die teilweise Extraktion nach
dem vorliegenden Verfahren ein Rohphenol, das bis zu 86 Prozent bis 2o5' siedende
Homologe aufweist. Es kann verhältnismäßig leicht, erforderlichenfalls nach den
bekannten Trennungsmethoden in Phenol und die drei isolierten Kresole zerlegt werden.
Die großen Vorteile, die ein solches Verfahren bietet, sind ohne weiteres ersichtlich.
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Es ist zwar bekannt, das in den Kokerei-und Gasanstaltsteeren enthaltene
Gemisch von sauren Ölen teilweise durch Auslaugen zu extrahieren, indessen hat man
hierbei immer nur Wert auf die Gewinnung von Carbolsäure, insbesondere in kristallisierter
Form, gelegt (vgl. Lunge-Köhler, Industrie des Steinkohlenteers, V. Aufs., S. 734
[I912], B e h r e n s , Dinglers Polytechnisches journal, Bd. 3o8, S.363, und Weißgerber,
Chemische Technologie des Steinkohlenteers, S. 9o [1923]). Demgegenüber wind bei
dem vorliegenden Verfahren zugleich auch das Gemisch der drei isomeren Kresole in
Verbindung mit der Carbolsäure durch Verwendung geeigneter Konzentrations- und Mengenverhältnisse
an Laugen gewonnen. Man erreicht also durch diese Arbeitsweise eine neue technische
Wirkung, da die Trennung der bis heute noch wenig erforschten wertlosen höheren
Homologen von den technisch verwertbaren niederen Gliedern der Urteerphenole in
einfacher und durchaus wirtschaftlicher Weise gelingt. Da über das Verhalten der
Kresole im Gemisch mit den hochsiedenden, fast wertlosen Urteerphenolen gegenüber
wäßrigen Alkalien bisher nichts bekannt geworden ist, konnte man den Erfolg des
vorliegenden Verfahrens nicht ohne weiteres voraussehen.
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Das Verfahren nach Patent 386 598 betrifft, wie Titel sowie Patentanspruch
besagen, das Ausziehen der Phenole aus Urteerölen, und zwar, wie aus der Beschreibung
folgt, in erster Linie die Gewinnung möglichst phenolarmer Neutralöle. Wenn auch
aus dem Beispiel e der Beschreibung des Patents hervorgeht, daß mit wäßrigen Laugen
gearbeitet wird, so verfolgt das geschützte Verfahren damit doch nur den Zweck,
möglichst viel Phenole, also auch die höher siedenden Homologen, zu extrahieren,
wobei es von der an sich nicht neuen Beobachtung Gebrauch macht, daß auch die Phenolate
an Stelle freien Alkalis zur Lösung der Teersäuren bis zu einem gewissen Grade Verwendung
finden können. Allerdings ist diese Lösungsfähigkeit der Phenolate den in Kohlenwasserstoffgemischen
enthaltenen freien Phenolen gegenüber nicht von allgemeiner Gültigkeit, sondern
trifft nur bei verhältnismäßig größeren Konzentrationen zu. Aus diesem Grunde wird
nach dem Beispiel 1 des genannten Patents sehr konzentrierte Natronlauge verwendet.
Zugleich lösen sich bei einer solchen Arbeitsweise aber auch gewisse Neutralölmengen
in der wäßrigen Schicht auf, die durch Wasserdampfdestillation vor der Abscheidung
der Phenole entfernt werden müssen. Demgegenüber unterscheidet sich das vorliegende
Verfahren von demjenigen des Patents 386 598 dadurch, daß es mit verdünnten Laugen
arbeitet, wodurch die höheren wertlosen Homologen in den Teerölen zurückbleiben
und auf diesem Wege die alleinige Gewinnung der niederen. Phenole bis 2o5' Siedepunkt
gestatten, ohne daß ein Klardampfen erforderlich ist.
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Wenn F. Fischer und W. Gluud (Gesammelte Abhandlung zur Kenntnis der
Kohle, Bd. IV, S.211 [192o]) die Ansicht äußern, daß die Extraktion der Urteerphenole
mit Hilfe wäßriger Alkalien im allgemeinen unwirtschaftlich ist, so kann man dieser
Auffassung im Hinblick auf den erforderlichen Aufwand an Chemikalien einerseits
und die Schwierigkeiten einer. technischen Verwertungsmöglichkeit der erhaltenen
Produkte anderseits durchaus beistimmen. Völlig anders liegen dagegen die Verhältnisse,
wenn man gemäß dem vorliegenden Verfahren unter Ersparung von 70 Prozent
der Chemikalien nur diejenigen Produkte gewinnt, für welche eine günstige Absatzmöglichkeit
besteht. Durch Ausfällung der Phenolatlaugen mit Kohlensäure und anschließendeKaustifizierung
kann die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens in an sich bekannter Weise noch weiter
erhöht werden.
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Beispiel s.
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1 ooo kg Urteenöl aus Gasflammkohle vom Siedepunkt 17o bis 36o°, das
45 Prozent saure öle und davon 33 Prozent - 15o kg Phenole bis zum Siedepunkt 2&5'
enthält, wird in einem Spitzkessel mit 15o kg Natronlauge von 40° Be und goo kg
Wasser versetzt und einige Zeit kräftig verrührt. Nach mehrstündigem Absitzen trennt
man die beiden Schichten, klärt die Phenolatlauge durch ein Sand- oder Koksfilter
und behandelt sie im Gegenstrom mit Kohlensäure. Die abgeschiedenen sauren Öle (16o
kg) werden entwässert und mit Hilfe einer Kolonne fraktioniert. Man erhält 78 Prozent
einer bis 2o5' siedenden Phenolfraktion und 22 Prozent einer bis 217° siedenden
zweiten Fraktion. Während die erste aus Phenol und o-, m-, p-Kresol besteht, enthält
die zweite hauptsächlich isomere Xylenole. Die Natriumcarbonatlösung, die noch etwas
Phenol und Kresole gelöst enthält,
wird nach der Kaustifizierung
zu einem neuen Arbeitsgange verwendet.
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Beispiel e.
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' iooo kg Urteeröl aus Gasflammkohle vom Siedepunkt 17o bis 25o°,
das 48 Prozent saure Öle vom Siedepunkt i8o bis 26o° enthält, von denen die Hälfte
bis 2o5° sieden, «erden in gleicher Weise, wie es im Beispiel i beschrieben ist,
mit einem Gemisch von 24o kg Natronlauge von 40° Be und i 5oo kg Wasser extrahiert.
Man erhält 25okg Rohphenole, von welchen nach der Trocknung 86 Prozent bis 2o5°
und der Rest bis 2i3° sieden.