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Verfahren zur Verminderung der Abbau-und Versprödungsneigung von
Polyolefinen Wird Polyäthylen im festen Zustand z. B. nach der Verarbeitung zu Formstücken,
wie Platten oder Rohren, oder in Losung längere Zeit in Gegenwart von Luft auf höhere
Temperatur, z. B. auf über 100° C, erhitzt, so erfolgt im Laufe von wenigen Tagen
ein starker Abbau der Molekülketten. Die Abbaugeschwindigketi steigt mit zunehmender
Temperatur sehr stark an. Der zeitliche Verlauf des Abbaues läßt sich durch Messen
der Schmelzviskosität, der spezifischen Viskosität der Lösung des Polyäthylens oder
des Molekulargewichtes verfolgen. Mit der Verrinerung der Moekülgröße ist eine Verschlechterung
der r anwendungsbechnischen Eigenschaften verknüpft ; vor allem nimmt die Versprödungstendenz
mit wachsendem Abbaugrad stark zu. Dadurch wird der GebrauchswertdesPolyäthylens
vermindert.
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Es ist bekannt, die Oxydationsempfindlichkeit durch den Zusatz gewisser
Substanzen, kurz Stabilisierungsnlittel genannt, z. B. von Mercaptoverbindungen
oder von basischen organischen Verbindungen, zu verringern. Die Wirkung solcher
Stabilisierungsmittel hält aber nur eine verhältnismäßig kurze Zeit an, und d besonders
für den Einsatz des Polyäthylens bei höllerer Temperatur ist die Stabilisierungswirkung
mit den bisher vorgeschlagenen Stabilisierungsmitteln für Dauerbeanspruchung noch
zu gering. Es besteht daher nach wie vor die Notwendigkeit, wirksamere Stabilisierungsmittel
zu fin. den.
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Es wurde nun gefunden, daß man die Abbau-und Versprödungsneigung
von Polyolefinen, insbesondere von Polväthylen, dadurch vermindern kann, daß man
dem Polyolefin eine Mischung aus aliphatischen geradl. ettigen oder verzweigten
Merkaptanen und basischen organischen Verbindungen, deren basische Wirkung so stark
ist, daß ihre wäßrigen. Lösungen phenolphthaleinalkalisch reagieren, zusetzt und
die so erhaltene Gesamtmischung kurzfristig auf mindestens 120°C erwärmt. Die Stabilisierungswirkung
liegt nur dann vor, wenn beide Komponenten, also die Merkaptane und die bas, ischen.
Stoffe, gleichzeitig vorhanden sind. Eine der beiden, Komponenten allein wirkt noch
nicht oder nur wenig stabilisieren d.
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Besonders vorteilha. ft läßt sich das erfindungsgemäße Verfahren bei
Polyäthylenen anwenden.
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Da die Verarbeitung des Polyäthylens zu Formstücken im allgemeinen
in offenen Vorrichtungen und oberhalb dessen Schmelzpunkt, der für Hoch. drucl<-polyäthylen
bei etwa 115°C und für die nach den Patentanmeldungen Z 3799 IV c/39 c, Z 3862 IV
c/39c, Z3882 IV c/39c, Z 3941 IV c/39c, Z 3942 IV c/39c (s. auch Angewandte Chemie,
Bd. 67, 1955, S. 541) hergestellten Niederdruckpolyolefine bei 125 bis 130°C liegt,
erfolgt, soll der Siedepunkt der Merkaptane und der basischen Stoße zur Vermeidung
von Ver-
dampfungsverl. u. sten entsprechend hoch sein, z. B. höher als 150°C.
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In den. obengenannten älteren, nicht zum Stande der Technik gehörenden
Vorschlägen ist beschrieben, daß man Athylen unter vergleichsweise milden Druck-und
Temperaturbedingungen mit Mischungen aus metallorganischen Verbindungen und Salzen.
der Elemente Ti, Zr, Hf, V, Nb, Cr. Mo, Wo, Th und U polymerisieren kann. Derartige
Polymerisate werden als Niederdruckpolyäthylen bezeichnet.
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Es kommen also als Merkaptane vor allem in Betracht : Heptyl-, Nonyl-,
Dodecyl-oder Hexadecylmerkaptan ; als basische Stoffe sind z. B. zu nennen : Aminoäthanol,
Triäthanolamin, Trihexylamin und Tribenzylamin.
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Bei Verwendung niedrigersiedender Substanzen muß gegebenenfalls in
geschlossenen Gefäßen, und unter Druck gearbeitet werden.
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Es können auch Mischungen aus verschiedenen Merkaptanen bzw. au.
s verschiedenen. basischen Stoffen verwendet werden. Diese Möglichkeit kommt besonders
dann in Betracht, wenn es sich um die Verwendung technisch anfallender Gemische
aus Merkaptanen bzw. aus basischen Stoffen hand, elt. Auch die Anwesenheit von von
der Darstellung her noch vorhandenen Ausgangs-oder Nebenprodukten ist-abgesehen
von dem Verdünnungseffekt-ohne wesentlichen.
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Einfluß auf die Stabilisierungswirkung. Dadurch kann die Trennung
der technischen Gemische z. B. durch Destillieren vermieden werden.
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Die zur Stabilisierung z. B. des Polyäthylens erforderlichen Substanzmengen
hängen von der Oxydationsempfindlichkeit des zu stabilisierenden Polyäthylens ab.
Verhältnismäßig beständige Erzeugnisse
benötigen nur etwa 0, 1 %
Merkaptan, stark unbeständige dagegen bis zu 5"/e. Die Menge an basischem Zusatz
kann. fast immer kleiner als die des Merkaptans gehalten werden. Zweckmäßig wird
ein Zehn. tel bis zur Hälfte des Merkaptans, ausged. riickt in Gewichtsteilen, zugesetzt.
In besonderen Fällen, z. B. bei der Einarbeitung besonders sta, assoziierter Basen,
wie Triäthanolamin in das Polyäthylen, kann auch ein Überschuß an basischem Stoff
gegenüber der Menge an Merkaptan verwendet werden, damit an jeder Stelle des Gesamtgemisches
aus Polyäthylen, Merkaptan und basischer Verbin. dung trotz der starke Assoziation,
die zur Erzielung der Stabilisierungswirkung erforderliche Mindestmenge an basischem
Stoff vorhanden ist. Höhere Polyolefine, z. B. Polypropylen, benötigen im allgemeinen
eine höhere Menge an Stabilisierungsmittel als Polyäthylen.
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Die Einarbeitung der Stabilisierungsmittel in. die Polyolefine kann
auf verschiedene Weise ausgeführt werden. Am zweckmäßigsten geht man von dem pulverförmigen
Erzeugnis aus. Zwecks gleichmäßiger Verteilung der Stabilisierungsmittel in dem
Pulver wird das Gemenge einige Zeit in einer der üblichen Mischvorrichtungen, z.
B. in einer Kugelmühle, in einem Kneter, auf einer Walze od. dgl., innig gemischt.
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Wird die Mischung anschließend oberhalb des Schmelzpunktes des Polyolefins
durcli eine heizbare Strangpresse geschickt, so wird eine noch bessere gleichmäßige
Verteilung erzielt ; gleichzeitig fällt dabei das Polyolenn als bereits fertigstabil.
isiertes Granulat an. Man kann, aber auch die zuzusetzenden Substanzen in einem
gemeinsamen Lösungsmittel oder Lösungsmittelgemisch, z. B. in einem Kohlenwasserstoff,
einem Ester, Alkohol, Keton oder chlorierten Kohlenwasserstoff oder in einer beliebigen
Mischung dieser Lösungsmittel, lösen und das Polyolefinpulver mit dieser Lösung
vermischen. Nach der gleichmäßigen Verteilung folgt die Entfernung des Lösungsmittels
durch Verdunsten. Zur raschen Beseitigung des Lösungsmittels muß dessen Siedepunkt
möglichst tief liegen ; außerdem wird bei Verwendung eines tiefsiedenden Lösungsmittels
vermieden, daß die Stabilisierungsmittel beim Verdampfen des Lösungsmittels in merklicher
Menge verdampfen. Es kommen demnach besonders niedrigsiedende Benzinfraktionen,
Benzol, Methyl-und Athylacetat, Methanol, Äthanol.
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Aceton, Methylenchlorid oder Tetrachlorkohlenstoff als Lösungsmittel
in Betracht.
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Da es oft schwierig ist, ein Lösungsmittel zuf inden, das gleichzeitig
das Merkaptan und den basischen Bestandteil in ausreichender Menge löst, kann man
den einen oder beide Bestandteile des Stabilisierungsmittelpaares auch unter Zusatz
eines Emulgators in Wasser emulgieren und z. B. das Polyäthylen mit dieser wäßrigen
Aufschlämmung tränken. Ein solches System liegt z. B. bei der Emulsion von Dodecylmerkaptan
in na. tronalka. lischem seifenhaltigem Wasser vor. Zur guten Benetzung des Polyäthylens
wird der Emulsion zweckmäßigerweise ein wasserlösliches Benetzungsmittel für Polyäthylen,
z. B. Äthanol, zugesetzt. Nach der innigen Vermischung ist das Wasser und gegebenenfalls
das Benetzungsmittel durch Verdampfen wieder zu entfernen.
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Die innigste Verteilung der drei Komponenten Polyolenn, Merkaptan
und basische Substanz erhält man bei Verwendun einer das Polyolefin lösenden oder
wenigstens stark anquellenden Substanz. Hierfür kommen vor allem die das Polvolefin
bzw.-äthvlen bei erhöhter Temperatur lösenden aliphatischen und aromatischen Kohlenwasserstoffe
in Frage. Zum Beispiel
kann man Hochdruckpolyäthvlen bei gewöhnlichem Truck in siedendem
Benzol lösen; da Niederdruckpolyäthylen erst bei einer um 20 bis 30° C höheren Temperatur
löslich ist, muß die Lösung entweder unter Druck, z. B. bei 3 bis 5 atü bei Verwendung
von Benzol, erfolgen, oder es muß ein höhersiedendes Lösungsmittel, z. B. Xylol,
verwendet werden. Die Stabilisierungsmittel müssen in dem Lösungsmittel für Polyätllylen
nicht unbedingt löslich sein. Es ist lediglich notwendig, die Stabilisierungsmittel
durch sehr intensives Rühren, Kneten od. dgl. möglichst homogen in der Lösung des
Polyäthylens bzw. in der Paste aus dem starl gequollenen Polyäthylen und dem Qulellmittel
zu verteilen. Nach der Durchmischung ist das Lösungsmittel wieder zu entfernen,
z. B. durch Erhitzen der Mischung im Vakuum.
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Auch Granulat läßt sich grundsätzlich ähnlich wie das Pulver stabilisieren,
nur ist hier auf jeden Fall ein zweimaliger Durchgang des Gsmisches aus Polyäthylengranulat
und Stahilisierungsmittel durch eine Granuliermaschine zweckmäßig, damit eine innige
Verteilung der Stabilisierungsmittel erreicht wird.
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Unabhängig davon, in welcher Weise die Einarbeitung der Stabilisierungsmittel
z. B. in das Polyäthylen erfolgt, muß das Gemisch stets einige Minuten auf eine
Temperatur von mindestens 120°Cerhitztwerden.
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Erst dadurch werden die Stabilisierungsmittel wirksam, behalten ihre
Wirksamkeit dann aber auch nach dem Abkühlen auf tiefere Temperatur. Ein solches
Erhitzen erfolgt zwangsweise immer dann, wenn das Polyäthylen oberhalb seines Schmelzpunktes
zu Formstücken verarbeitet wird ; dieser Erhitzungsvorgang ist ausreichend, die
Stabilisierungsmittel wirksam werden zu lassen. Dagegen ist ein nicht erhitztes
Gemisch aus z. B. Polväthylenpulver und dem Stabilisierungsmittelpaar noch so unbestädig
wie das Ausgangspolyäthylen.
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Ein Nachteil der genannten Merkaptane ist ihr unangnehmer starker
Geruch. Auch die hergestellten Formstücke riechen noch einige Zeit nach Merkaptan,
bis der Überschuß an Merkaptan sich verfliichtigt hat.
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Durch Erhitzen des Granulats bzw. der Formstiicke im Luftstrom oder
im Vakuum auf z. B. 100° C werden die Proben schneller geruchsfrei. Für viele Zwecke,
z. B. für die Verwendung des Polväthylens zur Herstellung von Abwasserrohren oder
zur Kabelummantelung, sind die Nachteile des vorhandenen unangenehmen Geruches unbedeutend
im Vergleich zu der hier viel wichtigeren Notwendigkeit, den Abbau und die Versprödung
des Materials möglichst zu verhindern.
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Die Versuche zur Bestimmung des Abbauverhaltens von Polyäthylenproben
wurden meistens bei 120° C durchgeführt. Diese Temperatur liegt zwar schon sehr
nahe bei der Temperatur, bei der die Polyäthylensorten mit dem höchsten Schmelzpunkt
(125 bis 130° C) schmelzen, und kommt daher in der praktischen Verwendung selten
in Betracht. Die Versuchstemperatur wurde aber absichtlich so hoch gewählt, um den
Abbau unterextremenBedingungenzu untersuchen und dabei gleichzeitig die Versuchszeit
wesentlich abzukürzen. Als Polyäthylensore wurde meistens Niederdruckpolyäthylen
verwendet, da dessen Schmelzpunkt entsprechend hoch liegt. Die üblichen Hochdruckpolyäthylene
zeigen die gleiche Abbauerscheinung, doch kann bei diesen nicht unter gleich hohen
Temperaturen gearbeitet werden, da der Schmelzpunkt im allgemeinen unter 120° liegt.
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Der Molekülabbau wurde durch Messung der reduzierten Viskosität #red
= #spez/c (in mit 0,1% Phenylß
-naphthylamin stabilisiertem Tetrahydronaphthalin
als Lösungsmittel bei 120°C für die Konzentration c = 0, 5 g Polyäthylen in 100
cm3 Lösung) bestimmt.
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Zur Ermittlung der mit dem Abbau verknüpften Versprödung wurden aus
den Polyäthylenproben durch Pressen von Pulver oder Granulat unter 300 atü bei 150°
C 0, 5 mm dicke Platten hergestellt. Die Platten wurden auf 120° C erhitzt und täglich
auf ihre Versprödung nach dem Handbiegetest (Verbiegen der Platte um etwa 30 bis
40° mit der Hand) geprüft.
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Stark sprödeProbenbrechendabei sofort ausNeinander, während nicht
spröde Proben z. B. bis zu 180° gebogen werden können, ohne daß ein Bruch erfolgt.
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Beispiel 1 a) 20 g Polyäthylen und 20 cm3 p-Xylol werden 10 Minuten
auf 140° C erhitzt ; anschließend wird das p-Xylor durch 6stündiges Erhitzen auf
100° C im Stickstoffstrom verdampft. Die reduzierte Viskosität #red dieser Probe
beträgt 2, 65. Nach 9tägigem Erhitzen auf 100°C bettägt 3red nur noch 2, 20. Nach
2tägigem Erhitzen auf 120°C ist #red sogra auf 1, 81 abgefallen. Eine Probe des
gleichen Materials wird unter den gleichen Bedingungen bereits spröde. b) Wird der
im Beispiel 1, a) genannten Mischung 1°/o Dodecylmerkaptan, bezogen auf Polyäthylen,
zugesetzt, die Mischung durch Rühren homogenisiert und schließlich getrocknet, so
fällt die Viskosität der so vorbehandelten Probe anfangs zwar weniger stark ab,
z. B. auf 2, 21 nach 2tägigem Erhitzen auf 120° C, beim weiteren Erhitzen aber wieder
stärker. Beim Versprödungsversuch bricht die Platte nach 4tägigem Erhitzen. c) Zu
der Mischung von Beispiel 1, a) werden 1 °/o Dodecylmerkaptan und 0,2% Äthanolamin,
je bezogen auf Polyäthylen, nach der im Beispiel 1, b) beschriel) enen Arbeitsweise
zugesetzt. Nach 9tägigem Lagern bei 100° C ist überhaupt keine und nach 50tägigem
Lagern bei 120° C eine Viskositätsabnahme von nur 6% festzustellen. d) Die im Beispiel
1, c) angegebene Mischung wird statt auf 140° C nur auf 115°C erhitzt. Die Stabilität
ist nur unwesentlich besser als die des Ausgangspolyäthylens.
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Beispiel 2 a) Das Granulat einer Polyäthylenprobe, die etwas oxydationsempfindlicher
als die in den Beispielen 1, a)
bis 1, d) verwandte ist, wird auf 120° C erhitzt.
Nach 24 Stunden ist #red um 40% abgefallen. b) In eine Lösung von 2 g Tribenzylamin
in 200 cm3 einer Benzinfraktion des Siedebereichs 60 bis 80° C werden 300 g Polyäthylen
der gleichen Sorte wie im Beispiel 2, a) eingerührt. Das Benzin wird bei 20° C im
Vakuum verdampft und das aminhaltige Polyäthylen bei 170° C auf einer Strangpresse
zu Granulat verarbeitet. Das Granulat verhält sich beim Erhitzen genauso wie das
Ausgangsprodukt des vorigen Beispiels 2, a). c) Werden der im Beispiel 2, b) genannten
Losung von Tribenzylamin in der Benzinfraktion noch 3 g Dodecylmerkaptan zugesetzt
und im übrigen weitergearbeitet, wie im Beispiel 2, b) angegeben, so fällt 'q, nach
Stägigem Erhitzen auf 120° C um nur 10 °/o.
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Beispiel 3 a) Die reduzierte Viskosität r des Granulats einer weiteren
Polyäthylenprobe sinkt nach 3tägigem Erhitzen auf 120° C von 2, 97 bis 1, 53. Die
Probe ist nach 4tägigem Lagern bei 120°C spröde geworden. b) Werden dem gleichen
Polyäthvlen, wie im Beispiel 3, a) verwendet, aber in der im Beispiel 2, c) genannten
Weise 0, 6°/o Hexadecylmerkaptan und 0, 2"/o Triäthanolamin, beide gelöst, in der
100fachen Menge Aceton, zugesetzt, so nimmt die reduzierte Viskosität gred des daraus
hergestellten Granulats nach 40 Tagen bei 120°C um 5 ouzo ab, und die Probe ist
nach dieser Zeit immer noch biegsam.