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Alkaloidhaltiges Insektenbekämpfungsmittel Als chemische Insektenbekämpfungsmittel
benutzt ma.'n neben. einer großen Anzahl anorganischer und organischer Gifte auch
Alkaloide bzw. alkaloidhaltige Pflanzenauszüge. Während die meisten chemischen Gifte
als Fraß- bzw. Atmungsgifte wirken, haben die Alkaloide in der Regel Nervengiftwirkung.
Diese spezifische Giftwirkung ist insofern von besonderer Bedeutung, als die zu
bekämpfenden Insekten während längerer -Zeiträume nicht fressen, so daß für diese
Zeit Fraßgifte völlig wirkungslos sind, während Nervengifte, wie die Alkaloide,
immer noch wirken. Außerdem sind die Alkaloide leicht erreichbar und anwendbar und
zeichnen sich vor allem gegenüber anorganischen Fraßgiften durch ihre praktische
Ungiftigkeit für insektenfressende Warmblüter, z. B. Vögel, aus.
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Diese Vorzüge der Alkaloide gegenüber anderen insekticid wirkenden
Mitteln sind die Ursache, daß man sich seit langem bemüht, ein wirklich hochwirksames
wirtschaftliches Insektenvertilgungsmittel auf Alkaloidgrundlage zu schaffen.
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So hat man z, B. versucht, die Alkaloide der Tabakpflanze, der Quassiarinde,
der Derriswurzel, des Pyrethrums und des Helleborus - für - die Insektenbekämpfung
nutzbar zu machen. Da die Anwendung der einzelnen Pflanzenextraikte keine befriedigenden
Ergeb-, nisse zeitigte, -ist man auch dazu übergegangen, Mischungen von. Alkaloiden
zu benutzen, um auf diese Weise eine Wirkungssteigerung zu erzielen.
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So ist z. B. eine Mischung aus Tabakextrakt, Ouassiarindenextrakt,
Kampfer und anderen organischen und, anorganischen Zusätzen als Insektenbekämpfungsmittel
vorgeschlagen worden. Ein anderes bekanntes Gemisch besteht aus einem Auszug aus
Tabak, Ouassia und Helleborus und Phenol. Auch Nikotin zusammen mit Derrisextrakt
sowie Pyrethrum zusammen mit Kampfer wurden schon als Insektenbekämpfungsmittel
benutzt.
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Der Erfolg dieser bekannten Mittel war jedoch wenig befriedigend;
sie töteten nämlich, soweit Einzelalkaloide verwendet wurden, widerstandsfähigere
Insekten. nur mangelhaft ab bzw. wirken sie nur dann ausreichend, wenn man sie in
sehr großen Mengen anwendet, so daß ihre praktische Brauchbarkeit aus wirtschaftlichen
Gründen in Frage gestellt ist. Das als Nervengift wirkende Alkaloid ruft z. B. bei
vielen Raupen zwar wohl Lähmungserscheinungen hervor, die Tiere bleiben jedoch an
den Pflanzen hängen und erholen sich zum großen Teil
wieder. Diese
Wirkung ist grundsätzlich dieselbe sowohl bei den bisher vorgeschlagenen Einzelalkaloiden
als auch bei den Mischungen. Bei letzteren zum mindesten für die Mehrzahl der mit
diesen Mischungen bekämpften Insekten. Die Wirkung .der Mischungen ist fast stets
nur um so viel größer, als es der entsprechend höheren Alkaloidkonzentration entspricht.
Der Erhöhung der Konzentration sind jedoch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sehr
enge Grenzen gesetzt.
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Dies gilt auch für Mischungen, wie sie den Gegenstand des älteren
Patents 671 r6-2 bilden. Dieses ältere Patent betrtfft ein Raupenbekämpfungsmittel,
das durch einen Gehalt an Mischungen von rotenon- und veratrinhaltigen. Drogen,
gekennzeichnet ist und an Stelle der Drogen die daraus gewonnenen Extrakte bzw.
deren wirksame Inhaltsstoffe enthalten kann, Ein Mittel gemäß dem älteren Patent
besteht z. B. aus einer ,Mischung von o,2 °/o Rotenon, 0,3 °/o Veratrin und
99,5 °/o Kaolin. Mischungen gemäß dem älteren Patent 671 162 sollen
nicht nach der vorliegenden Erfindung verwendet werden.
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Eine Möglichkeit, für jeden vorkommenden Fall ein für eine bestimmte
Insektenart mit Sicherheit wirkendes Alkaloidi;ekämpfungsmittel herstellen zu können,
bestand bisher nicht.
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Da die Alkaloide infolge ihrer eingangs erwähnten hohen Vorzüge gegenüber
anderen insekticiden Stoffen ein besonders geeignetes Mittel zur Insektenbekämpfung
darstellen, liegt demnach in einer Verstärkung ihrer Wirkung auf eine wirtschaftlich
tragbare Weise ein starkes technisches Bedürfnis.
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Es wurde nun gefunden., daß das Versagen der bisher vorgeschlagenen
Alkaloidmischungen auf eine unzweckmäßige Zusammenstellung der Alkaloide zurückzuführen
ist und daß man Alkaloide auch in geringen, wirtschaftlich- tragbaren Mengen zur
roo°/oigen Abtötun g auch widerstandsfähiger, derbchitinisierter Insekten verwenden
kann, wenn man zwei ganz bestimmte Arten dieser Stoffe vereint zur Anwendung bringt.
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Es ist bekannt, daß eine Reihe organischer Kontaktgiftstoffe Lähmungserscheinungen
an den damit behandelten Insekten hervorruft, die bei ungenügender Giftmenge nicht
zum Tode führen, sondern eine Erholung der betreffenden Insekten gestatten. Ferner
kennt man organische Kontaktgiftstoffe, durch deren Berührung die Insekten in lebhafte
Krümmungen verfallen und sich in krampfartigen Zuständen winden, so daß sie sich
nicht mehr an den Pflanzenteilen zu halten vermögen und zu Boden fallen. Auch bei
diesen Giften führen die durch sie verursachten Krämpfe der Tiere nicht unbedingt
zum Tode, und es ist häufig beobachtet worden, daß sie sich nach den krampfartigen
Zuständen wieder erholten, die Pflanzen wieder erkletterten und ihr Zerstörungswerk
fortsetzten.
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Es wurde nun gefunden, daß man ein Kontaktmittel von sicher tödlich
wirkender Eigenschaft auch für sehr widerstandsfähige, derbchitinisierte Insekten
erhält, wenn man einen an sich bekannten, Lähmungen verursachenden organischen Kontaktgiftstoff
mit einem gleichfalls bekannten, Krümmungen und Krämpfe verursachenden organischen
Kontaktgiftstoff mischt. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Tatsache, daß
einer der Stoffe allein in einer Menge, die der Gesamtmenge der beiden -Stoffe in
dem hochwirksamen Gemisch entspricht, keine befriedigende Wirkung erzielt. Die gute
Wirkung der Mischung beruht also nicht auf einer einfachen Summierung der Wirkungen
der beiden Bestandteile. Diese überraschende. Wirkung ist vielmehr aus anderen Ursachen
zu erklären.
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Die durch den einen Giftstoff verursachte Lähmung dauert verhältnismäßig
lange Zeit an, so daß die davon betroffenen Insekten merklich geschwächt aus der
Lethargie erwachen und sich nur dann wieder vollständig zu erholen vermögen, wenn
sie unmittelbar nach dem Erwachen Gelegenheit haben, wieder Futter aufzunehmen.
Das ist aber dann der Fall, wenn nur das die Lähmung erzeugende Gift verwendet wurde,
da hierbei erfahrungsgemäß der größte Teil der Insekten auf den Pflanzen hängenbleibt.
War diesem Giftstoff jedoch ein anderer zugesetzt worden, bei dessen Berührung die
Insekten in krampfartige Krümmungen verfallen, so fallen sie alle ab, da ihnen die
lebhaften Krümmungen ein Festhalten unmöglich machen. Die kurze Zeit nach dem Krampf
einsetzende Lähmung hält dann die Tiere am Boden. fest. Falls sie wieder aus der
Lethargie erwachen, was jedoch nur dann der Fall ist, wenn sehr geringe Mengen des
die Lähmung erzeugenden Giftes angewandt worden sind, so können sie den zu ihrer
Nahrung führenden mehr oder weniger beträchtlichen Weg infolge Entkräftung und Nahrungsmangels
nicht mehr vollständig zurücklegen, so daß sie unterwegs absterben. Dieser Umstand
ist namentlich für die Forstinsektenbekämpfung von Bedeutung, da die herabgefallenen
Raupen hier Stämme von -2o bis 3o in zu erklettern haben, weshalb man in diesem
Falle auch mit sehr kleinen Mengen des die Lähmung erzeugenden Giftes arbeiten kann.
Es ist aber wiederholt beobachtet worden, daß Raupen, welche nur mit
einem
einen krampfartigen Zustand erzeugenden Gift behandelt worden waren, sich sehr rasch
wieder erholten und fast ungeschwächt die 2o bis 30 m Stammlänge erfolgreich
zurücklegten, um ihr Zerstörungswerk in den Kronen wieder aufzunehmen.
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Der den Krampf erzeugende Giftstoff zwingt ferner die. Tiere zu den
lebhaftesten Krümmungen und Verrenkungen, wobei insbesondere bei Raupen ,die Segmente
weit auseinandergetriebenwerden und die sehr zarten, für das Eindringen von Fremdstoffen
besonders geeigneten Intersegmentalhäute zutage treten. Auf diese Weise wird der
Eintritt nicht nur des die Krämpfe,.sondern auch des :die Lähmung erzeugenden Giftstoffes
weit mehr gefördert, als wenn letzterer allein zur Anwendung gelangt, da auf diesen
die Tiere nicht durch Krümmungen reagieren und sich somit auch das Gift nicht selbst
in. den Körper hineinarbeiten können. So aber gelangen in den Körperdes Insektes
weit größere Giftmengen, so daß der kurze Zeit darauf einsetzenden Lähmung der Tod
folgt. Selbstverständlich- wird diese Wirkung noch von der eigentlichen Wirkung
des die Krämpfe erzeugenden Giftstoffes unterstützt.
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Das Merkmal der vorliegenden Erfindung liegt also darin, daß man zwei
ganz. bestimmte; durch ihre verschiedene Einzelwirkung gekennzeichnete Alkaloide
zu einem neuen Insektenbekämpfungsmittel mit bisher nicht erreichter und völlig
überraschender Wirkung mischt.
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Dabei ist von Bedeutung, daß von einer lähmungs- bzw. krampferzeugenden
Wirkung im allgemeinen nicht gesprochen werden kann, sondern daß sich äiese Einteilung
der Gifte nur auf die Reaktionen der jeweils mit ihnen bekämpften Insektengruppen
bezieht. So wurde beispielsweise gefunden, daß das Veratrin auf glatte Raupen (z.
B. Forleulenraupen) krampferzeugend wirkt, daß es jedoch bei behaarten Raupen (Nonnenraupen)
leichte Lähmungserscheinungen hervorruft. Andererseits wirkt z. B. Pyrethrin sowohl
auf glatte als auch auf behaarte Raupen krampferzeugend. Mischt man Pyrethrin mit
Veratrin und behandelt mit dieser Mischung glatte Raupen, so erzielt man eine Wirkung,
die lediglich der Summenwirkung der beiden Giftkomponenten gleichkommt. Wendet man
jedoch das gleiche Gemisch auf behaarte Raupen an, so wirkt es ganz im Sinne der
Erfindung lähmungserzeugend und krampferregend und damit tödlich: Die Herstellung
der Mittel geschieht durch Vermischen der entsprechenden Pflanzenauszüge. Der :Mischung
können gegebenenfalls inerte Träger-, Verschnitt-, Emulgier- und Haftstoffe zugesetzt
werden. Die so hergestellten Insektenbekämpfungsmittel können als Stäube- oder Spritzmittel
Verwendung finden.
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Die folgenden Versuchsergebnisse machen die hervorragende Wirkung
erfindungsgemäß hergestellter Schädlingsbekämpfungsmittel deutlich. .
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i. 20 fast erwachsene Larven :der Mehlmotte wurden mit auf ein inertes,
pulverförmiges Trägermaterial aufgebrachtem Imperatoriaextrakt dünn eingestäubt.
Nach insgesamt 6 Stunden zeigten 8 Tiere keinerlei Lebenszeichen mehr. Nach insgesamt
12 Stunden krochen 5 Tiere an der Wandung des Versuchsgefäßes umher und zeigten
keinerlei Schädigungen. Die erwähnten 8 Tiere gaben auch jetzt keine Lebenszeichen
mehr von sich, der Rest reagierte aber noch deutlich auf Reize.
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2o fast erwachsene Larven der Mehlmotte wurden mit auf ein inertes,
pulverförmiges Trägermaterial aufgebrachtem Helleborusextrakt dünn eingestäubt.
Nach insgesamt 3 Stunden war Ruhe eingetreten, doch reagierten sämtliche Tiere noch
auf Reize. Nach insgesamt 4 Stunden, krochen 6 Tiere auf dem Boden des Versuchsgefäßes
umher, z von ihnen erreichten noch die Wand des Versuchsgefäßes. Von den übrigen
am Boden liegenden Larven reagierten 2 auf Reize nicht mehr. Nach insgesamt 6 Stunden
krochen i i Tiere in normaler Weise umher, 3 waren abgestorben; :die übrigen reagierten
deutlich auf Reize. , 2o fast erwachsene Larven der Mehlmotte wurden mit einem Gemisch
der in obigen Vergleichsversuchen verwandten imperatoria-und helleborushaltigen
Mittel dünn eingestäubt. Nach etwa 30 Minuten zeigten alle Tiere lebhafte
Krümmungen und Verrenkungen, doch trat schon nach Verlauf der i. Stunde Ruhe ein.
Nach einer weiteren Stunde reagierten lo Tiere nicht mehr auf Reize, während die
übrigen gereizt noch Lebenszeichen zeigten. Nach insgesamt 3 Stunden zeigten 16
Tiere keine Lebenszeichen mehr, während die restlichen 4 Tiere nur noch ganz schwach
auf Reize reagierten.
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Der letzte Versuch wurde wiederholt, nur mit dem Unterschied, daß
das genannte Gemisch mit 500/0 Talkum verschnitten wurde. Eine Einzelbeobachtung
unterblieb in diesem Falle; das erste Protokoll wurde erst nach Ablauf von 6 Stunden
aufgenommen. Hierbei ergab sich, daß 18 Tiere keinerlei Lebenszeichen mehr von sich
gaben, während :die beiden restlichen Tiere auf Berührungsreize hin nur noch mit
ganz schwachen Kontraktionen des Hauptmuskelschlauches reagierten.
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2. 20 3-Häuter-Seidenraupen wurden mit einem mit Cytisusextrakt imprägnierten"
inerten,
pulverförmigen Material dünn eingestäubt. Nach 6 Stunden zeigten 8 Raupen keinerlei
Lebenszeichen mehr: der Rest blieb apathisch am Boden, auf Berührungsreize noch
mehr oder weniger reagierend. Nach insgesamt 12 Stunden hat sich das Bild nur insofern
geändert, als j Raupen umher--kriechen und fressen.
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2o 3-Häuter-Seidenraupen wurden mit einem mit aus Croton tiglium gewonnenen
Crotonöl imprägnierten, inerten, pulverförmigen Material dünn eingestäubt. Die Krümmungen
und Verrenkungen sind noch bedeutend stärk=er als bei dem Helleborusextrakt. Nach
insgesamt 3 Stunden zeigen (> Tiere keine Lebenszeichen mehr. Die übrigen zeigen
hypertrophierte Berührungsreizreaktionen. Nach insgesamt 6 Stunden sind
13 Tiere tot, .4 kriechen an. der Wand des Versuchsgefäßes, die 3 letzten
liegen am Boden und reagieren deutlich auf Berührungsreize.
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2o Seidenraupen des 3. Stadiums wurden mit einem erfindungsgemäß hergestellten
Gemisch der genannten Stoffe, das mit 5o %
Talkum verschnitten wurde, dünn
eingestäubt. Fach insgesamt 6 Stunden sind sämtliche Raupen abgestorben.
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Die gleichen Ergebnisse erzielt man mit Mitteln aus Aloin oder Derriswurzel
in Mischung mit Helleborusextrakt oder Crotonöl.
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Insektenbekämpfungsmittel gemäß der Erfindung eignen sich zur Bekämpfung
aller fressenden und saugenden Insekten, wie Raupen, Afterraupen, Blattsauger, Pflanzenläuse,
Käferlarven oder Pflanzenmilben.