-
Verfahren zur Gewinnung niedrigsiedender Kohlenwasserstoffe aus festem
kohlenstoffhaltigem Material Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung
niedrigsiedender Kohlenwasserstoffe aus den bei der Destillation, Verschwelung,
Verkokung oder ähnlichen Verarbeitung von festem kohlenstoffhaltigem Material entstehenden
Gasen und Dämpfen.
-
Es sind bereits verschiedene Verfahren bekannt, Kohlenwasserstoffe
von hohem Siedepunkt in solche von niedrigem Siedepunkt umzuwandeln. Unter anderem
kann diese Umwandlung durch Kracken oder Hydrieren oder durch Anwendung beider Verfahren
gemeinsam erfolgen. Als Ausgangsmaterial für diese Verfahren dienen im allgemeinen
Teere und ähnliche Produkte der Kohleverarbeitung. Dabei wird regelmäßig so verfahren,
daß man die Kohle destilliert, verschwelt oder sonstwie vergast, den Teer aus den
Destillationsgasen abscheidet und ihn dann der weiteren Verarbeitung zuführt, um
ihn in niedrigsiedende Kohlenwasserstoffe umzuwandeln.
-
Zweck vorliegender Erfindung ist die Gewinnung niedrigsiedender Kohlenwasserstoffe
von petroleumähnlichem Charakter aus festen kohlenstoffhaltigen Materialien, wie
Stein- und Braunkohle, Holz, Torf, Schiefer u. dgl., ohne daß dabei der Teer erst
abgeschieden wird. Das Verfahren besteht demgemäß im wesentlichen darin, daß die
durch Destillation, Verschwelung, Verkokung oder ähnliche Verarbeitung aus festen
kohlenstoffhaltigen Materialien entstehenden Gase und Dämpfe in Gegenwart von Wasserstoff
oder wasserstoffhaltigen Gasen ohne Kondensation des zu behandelnden Gemisches zunächst
über entschwefelnde Metalle oder Metalloxyde und alsdann, gleichfalls ohne Kondensation
des zu behandelnden Gemisches, über katalytisch hydrierend wirkende Metalle oder
Metalloxyde geleitet werden.
-
Es hat sich ergeben, da.ß man auf diese Weise sehr ökonomisch zu gutenAusbeuten
an niedrigsiedenden Kohlenwasserstoffen kommt. Liefert z. B. eine gewisse Menge
Braunkohle beim Verschwelen mit nachfolgender Kondensation der Schwelprodukte ioo
1 Teer von der Dichte etwa o,98, so liefert dieselbe Braunkohlenmenge, wenn man
die Destillationsgase ohne Zwischenkondensation direkt entschwefelt und danach hydriert,
etwa i2o 1 Petroleum von der Dichte etwa o,8. Die Ursache für dieses Verhalten kann
man vielleicht in dem Zustand der Kohlenwasserstoffdämpfe in den Destillations-
oder Schwelgasen sehen. Die Teerdämpfe befinden sich vor der Abkühlung in einem
labilen Zustand, in welchem die einzelnen Bestandteile noch verhältnismäßig reaktionsfähig
sind, da sich größere Molekülkomplexe (Polymerisation, Aggregation) noch nicht gebildet
haben. Bei der Kondensation der Teerdämpfe hingegen entstehen größere Molekülkomplexe,
deren Umwandlung, abgesehen von der Energie verbrauchenden Verdampfung, in niedrigsiedende
Kohlenwasserstoffe größere Schwierigkeiten macht. Die Benutzung dieses labilen Zustandes
der
Teerdämpfe bietet den weiteren Vorteil, daß man bei sehr viel tieferen Temperaturen
arbeiten kann, als es sonst bei derartigen Verfahren üblich ist.
-
Man hat zwar bereits vorgeschlagen, schwefelhaltige Rohöle, wie Erdöl,
zu destillieren und die Destillatdämpfe mit Wasserstoff gemischt zunächst über entschwefelnde
und dann über hydrierend wirkende Metalle zu leiten. Dabei handelte es sich aber
im wesentlichen um unzersetzt destillierende Rohöle und um die Verarbeitung der
bei der Behandlung flüssiger kohlenstoffhaltiger Materialien entstehenden Gase und
Dämpfe, also nicht um die Behandlung von Produkten, die bei ihrer Kondensation Teer
ergeben würden. Dasjenige Merkmal, auf das es beim vorliegenden Verfahren in erster
Linie ankommt, die Vermeidung einer Kondensation des Teers aus der Verarbeitung
der festen kohlenstoffhaltigen Materialien, und die dadurch bedingten großen Vorteile
können also bei jenem bekannten Verfahren gar nicht in Erscheinung treten.
-
Zur Ausübung des Verfahrens gemäß der Erfindung werden die Destillations-
oder Schwelprodukte in ihrer Gesamtheit, so wie sie aus der Retorte, der Schwelanlage,
dem Koksofen o. dgl. kommen; also das Gemisch von Gasen, Teerdämpfen und gegebenenfalls
Wasserdampf, ohne Kondensation unmittelbar in die Entschwefelungsanlage geleitet.
In manchen Fällen ist es zweckmäßig, den Destillationsgasen wasserstofthaltige Verbindungen,
z. B. Wasserdampf, Wassergas, Restgas aus früheren Abschnitten des Prozesses, oder
auch Wasserstoff zuzuführen, insbesondere, sofern die Gase und Dämpfe nicht bereits
ohnehin wasserstoffhaltig sind. Die aus der Entschwefelungsanlage austretenden Gase
und Dämpfe werden dann unmittelbar in die Hydrieranlage geleitet, wo sie der Einwirkung
von hydrierend wirkenden Metallen oder Metalloxyden ausgesetzt werden.
-
Eine Ausführungsform einer zur Ausübung des Verfahrens geeigneten
Vorrichtung ist in der Zeichnung schematisch veranschaulicht. Darin bezeichnen a
einen Wasserstoffgenerator, b einen Koksofen, c und c' Entschwefelungsanlagen, d
eine Hydrieranlage, e und e' Teerabscheider, f eine Kühlanlage, g einen Ölgaswäscher
mit Vorratsbehälter lt, i und i' Pumpen, L eine Anlage zur Erzeugung
von Schwefeltrioxyd; z bis 24 sind Ventile.
-
Die in dem Koksofen b aus einem geeigneten Ausgangsmaterial, wie z.
B. Braunkohle, unter Einwirkung des im Generator a erzeugten Wasserstoffs gebildeten
Gase und Dämpfe werden zum Zwecke der Entschwefelung durch die beheizbaren Kammern
c bzw. c' geschickt, die abwechselnd in Betrieb genommen werden. Diese bestehen
entweder aus entschwefelnd wirkenden Metallröhren, z. B. solchen aus Kupfer, Zinn,
Antimon o. dgl., oder es befinden sich in ihnen fein verteilte Metalle oder Metalloxyde,
durch die der sämtliche in den Gasen und Dämpfen enthaltene Schwefel gebunden wird.
Hierfür kommen insbesondere Kupfer oder Nickel in Frage, es können aber auch andere
Metalle, wie Eisen, Kobalt u. dgl., sowie geschmolzene Metalle, wie Blei, Zinn o.
dgl., dafür benutzt werden.
-
Sind die Metalle oder Metalloxyde der Entschwefelungsanlage, z. B.
c, in erheblichem Maße, etwa bis zu 75 °/o, in Schwefelmetalle umgewandelt worden,
so muß die Regenerierung erfolgen. Hierfür werden dann die aus dem Koksofen b kommenden
Gase in die zweite Entschwefelungskammer c' umgeleitet, während man die erste, nunmehr
aus dem Entschwefelungsbetrieb ausgeschaltete in geeigneter Weise, z. B. mittels
durchgeblasener Luft oder Sauerstoff, regeneriert, die durch die Pumpe i' und das
Ventil 24 zugeführt werden können. Ist dann die zweite Entschwefelungskammer c'
erschöpft, so wird der Strom der Gase und Dämpfe aus dem Koksofen b wieder auf die
erste Kammer c umgeschaltet, während die Kammer c' regeneriert wird, usf. Die durch
die Oxydation der Schwefelmetalle während der Regeneration erhaltenen S0,- haltigen
Gase können auf irgendeine bekannte Weise, beispielsweise in der Anlage r, auf Schwefeltrioxyd
oder aber auch auf Schwefel verarbeitet werden. Im letzteren Falle können sie durch
das Ventil 12 abgeleitet werden.
-
Die entschwefelten Gase und Dämpfe gelangen von der Entschwefelungsanlage
c bzw. c' in die heizbare Hydrieranlage d, in der fein verteilte, z. B. reduzierte
Metalle als Katalysatoren wirken. Als wirksame Metalle kommen hier in erster Linie
Nickel, Kobalt, Eisen u. dgl. in Frage. Das zu verwendende Metall richtet sich dabei
nach der Art der zu behandelnden Gase. In der Anlage d werden die aus der Entschwefelungsanlage
kommenden Gase und Dämpfe ohne Zwischenkondensation hydriert bzw., soweit eine Hydrierung
schon während der Entschwefelung stattgefunden hat, unter Umständen weiterhydriert.
Der für die Hydrierung erforderliche Wasserstoff stammt entweder aus dem Wasserstoffgenerator
a oder auch aus den durch die Destillation, Verschwelung, Verkokung o. dgl. gebildeten
Gasen und Dämpfen.
-
Nachdem die an sich bekannte Hydrierung in der Anlage d stattgefunden
hat, werden die Gase und Dämpfe durch Abkühlung kondensiert. In dem Teerabscheider
e wird dabei der schwerer flüchtige Anteil des Teers kondensiert, während im Kühler
f der leichter flüchtige Anteil abgeschieden wird und in e' die letzten Reste des
Teers zur Abscheidung gelangen. Die noch leichter flüchtigen Bestandteile werden
dann
im Ölwäscher g durch hochsiedendes Mineral- oder Teeröl, zweckmäßig im Gegenstrom,
ausgewaschen. Die entstandenen Leichtöle bestehen in der Hauptsache aus Petroleumkohlenwasserstoffen.
Außerdem erhält man noch Ammoniakwasser, das Alkohole, Ketone, Aldehyde, Pyridine
u. dgl. enthält. Das Restgas, welches noch kondensierbare Bestandteile enthält,
kann in an sich bekannter Weise, beispielsweise durch Überleiten über aktive Kohle,
noch weiterbehandelt werden.
-
Das Verfahren gemäß der Erfindung läßt sich leicht im Anschluß an
bestehende Kokereien und Gasanstalten ausführen. Die Anordnung der einzelnen Teile
kann so getroffen werden, daß die Wärme der Rauchgase bzw. des Koksofens zur Heizung
der Entschwefelungsanlage und der Hydrieranlage ausgenutzt wird.