-
Verfahren zur Herstellung eines desaggregierten, das Komplementsystem
nicht beeinflussenden Gammaglobulins Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren
zur Herstellung eines desaggregierten Gammaglobuhnpräparates, das im Gegensatz zu
der bisher aus menschlichem Blutplasma isolierten Gammaglobulinfraktion das Komplementsystem
nicht zu inaktivieren vermag. Das nach dem beanspruchten Verfahren gewonnene Gammaglobulinpräparat
kann intravenös angewandt werden.
-
Antikörperhaltige Gammaglobulinpräparate aus menschlischem Plasma
werden bisher intramuskulär injiziert. Die schlechte Verträglichkeit der derzeitigen,
nach verschiedenen Verfahren hergestellten Präparate steht ihrer intravenösen Anwendung
entgegen. Bei der intravenösen Verabreichung solcher Präparate werden schwerste
Nebenerscheinungen wie Blutdruckabfall, Temperaturanstieg, Kreislaufstörungen u.
dgl. beobachtet. Andererseits wird die intravenöse Anwendung von Gammaglobulin angestrebt,
weil sie eine Beschleunigung des Wirkungseintritts der im Gammaglobulin enthaltenen
Antikörper, eine bessere Ausnutzung des verabreichten Gammaglobulins und eine rationellere
Dosierung des Präparates gewährleistet.
-
Es wurde nun ein Verfahren zur Herstellung eines desaggregierten,
das Komplementsystem nicht beeinflussenden Gammaglobulins gefunden, das dadurch
gekennzeichnet ist, daß man die auf bekannte Weise, z. B. durch Ammonsulfatfällung
oder Alkoholfällung gewonnene Gammaglobulinfraktion des Serums bei einem pH-Wert
von 1,5 bis 5,5 und einer Temperatur von 0 bis 50° C 2 Stunden bis 2 Tage lang mit
Pepsin, z. B. mit 25 000 bis 200 000 Einheiten Pepsin pro 100 g zu spaltendem Eiweiß,
unter laufender Kontrolle der antikomplementären Wirkung und bis zur Beseitigung
der Komplement inaktivierenden Wirkung behandelt, das so gewonnene desaggregierte
Gammaglobulin auf bekannte Weise, z. B. durch fraktionierte Fällung mit Neutralsalzen
oder organischen Lösungsmitteln oder durch Ultrafiltration, von niedermolekularen
Spaltprodukten abtrennt, sterilfiltriert und gegebenenfalls gefriertrocknet.
-
Das nach dem vorliegenden Verfahren hergestellte, desaggregierte Gammaglobulin
kann ohne Nebenreaktionen intravenös angewandt werden und bietet dabei die oben
angeführten Vorteile. Die gute intravenöse Verträglichkeit des neuen erfindungsgemäß
erhaltenen Gammaglobulinpräparates beruht auf seiner Toleranz gegenüber dem Komplementsystem.
-
Es ist bekannt, daß Gammaglobuline verschiedener Herkunft Komplement,
besonders aber den Komplementfaktor C' l des Human- und Meerschweinchenserums,
inaktivieren. Diese Eigenschaft besitzt schon die auf schonende Weise, z. B. durch
präparative Elektrophorese oder durch DEAE-Zellulose-Chromatographie erhältliche
Hauptfraktion des antikörperhaltigen Gammaglobulins mit der Sedimentationskonstante
S = 7. In noch stärkerem Maße besitzen diese Eigenschaften solche Gammaglobulinpräparate,
die auf 40 bis 50° C erhitzt wurden und deren Eigenschaft, Komplement zu inaktivieren,
mit der in der Ultrazentrifuge nach der Erhitzung der Gammaglobuline nachgewiesenen
Aggregation parallel geht. Auch bei der Aufarbeitung oder beim Lagern von Gammaglobulinen
entstehen Aggregationsprodukte, deren Sedimentationskonstante in der Ultrazentrifuge
S = 9 beträgt. Am stärksten wird aber das Komplement durch das zum Gammaglobulinkomponentensystem
gehörende Gamma-Makroglobulin mit der Sedimentationskonstante von S = 19 und höher
als 19 inaktiviert.
-
Es wird heute allgemein angenommen, daß das Komplementsystem die Ursache
immunpathologischer Folgereaktionen einer Antigen-Ant'ikörperbindungsreaktion ist.
Dabei werden enzymatisch Substanzen freigelegt, die zu anaphylaktischen Reaktionen
führen. Es war daher zu vermuten, daß Antikörper, die das Komplementsystem unbeeinflußt
lassen, nicht zu den erwähnten Nebenreaktionen führen. Tatsächlich trifft dies für
das nach dem vorliegenden Verfahren hergestellte, desaggregierte, antikörperhaltige
Gammaglobulin zu. Es kann, wie bereits erwähnt, ohne störende Nebenreaktionen gefahrlos
intravenös angewandt werden.
Der Wirkungsunterschied verschiedener
Gammaglobufnpräparate und des erfindungsgemäß hergestellten, desaggregierten Gammaglobulins
ist zwar schon durch Gesamtkomplementbestimmungen nachweisbar, jedoch wird er deutlicher
erkennbar, wenn man Einzelkomplementfaktoren, insbesondere den Komplementfaktor
C'1 nach der von Fritzsche, Fischer, Schwick und Schultze in Klinische Wochenschrift,
36, S..100 (1958), angegebenen Methode bestimmt. Zweckmäßig wird so vorgegangen,
daß 1 ml Meerschweinchenserum (Komplement) mit einer bestimmten Menge Gammaglobulin,
z. B. 5 mg bei 37° C im Wasserbad irrkubiert wird und aus diesem Testansatz nach
1 Stunde, 3 Stunden und 5 Stunden Proben zur Bestimmung der Komplementfaktorenaktivität
entnommen werden.
-
Beispiel 1 501 menschliches Serum werden mit destilliertem
Wasser auf 851 verdünnt, auf den pH-Wert 7,0 eingestellt und mit gesättigter Ammoniumsulfatlösung
bis zu 45111o Sättigung versetzt. Die Fällung, d. h. die Gammaglobulinrohfraktion,
wird durch Zentrifugation isoliert, in destilliertem Wasser gelöst und auf 701 aufgefüllt.
Nach der Ermittlung der komplementinaktivierenden Wirkung (vgl. Tabelle 1) wird
die Lösung mit Essigsäure auf den pH-Wert 4,0 eingestellt. Hierauf werden pro 100
g zu spaltendes Eiweiß 90 000 Einheiten. Pepsin zugesetzt, und die Lösung wird bei
40° C 24 Stunden lang dessen proteolytisaher Einwirkung unterworfen. Eine Probe
des Reaktionsgemisches wird filtriert, das Filtrat auf den pH-Wert 7,0 eingestellt
und erneut auf Komplement inaktivierende Wirkung geprüft (vgl. Tabelle 1). Die Hauptmenge
des Reaktionsgemisches wird nunmehr wie die Probe aufgearbeitet und durch Ultrafiltration
von niedermolekularen Spaltprodukten befreit. Nach einer Sterilfiltration wird der
Eiweißgehalt auf 5,0'°/o eingestellt.
-
Die Ausbeute beträgt 41 einer 5 b/oigen Lösung von desaggregiertem
Gammaglobulin, d. h. etwa 7511/o der im Serum vorhandenen, nunmehr das Komplementsystem
nicht beeinflussenden Gammaglobuline. Wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht,
inaktiviert das desaggregierte Gammaglobulin nicht das Komplementsystem.
-
Erläuterung zur Tabelle 1 Die in Tabelle 1 angeführten Untersuchungsergebnisse
lassen erkennen, daß die geprüfte Gammaglobulinrohfraktion in Starkem Maße Komplement
inaktiviert. Hierbei hängt die Inaktivierung des Komplements von der Inkubationszeit
ab. Den stärksten Einfluß hat die Gammaglobulinrohfraktion auf den Komplementfaktor
C1 und C'4. Aus der Tabelle geht weiter hervor, daß das desaggregierte Gammaglobulin
praktisch keine Komplement inaktivierende Wirkung mehr besitzt und daß die Prüfungsergebnisse
bei der dem Versuchsansatz entnommenen Probe und der aufgearbeiteten Hauptmenge
gut übereinstimmen.
Tabelle 1 |
°% Komplementinaktivierung (37° C)* |
C, 1 C2 C'3 C 4 |
lh 3h 5h Ih 1 3h 1 5h Ih [ 3h
1 5h Ih 3h 5h |
i |
1 ml Meerschweinehenserum |
(Komplement) |
-f- 0,1 ml = 5 mg Gammaglo- |
bulin Rohfraktion ....... 17 65 80 15 30 38 10 25 36
20 37 60 |
-I- 0,1 ml = 5 mg desaggregier- |
tes Gammaglobulin (Probe) 0 0 7 0 0 0 0 0 0 0 3 5 |
0,1 ml = 5 mg desaggregier- |
tes Gammaglobulin (Haupt- |
menge) .................. 0 0 4 0 0 0 0 0 0 0 0 0 |
* C 1, C'2, C 3 und C' 4 sind verschiedene Komplementfaktoren
des Meerschweinchenserums. |
Ih, 3h und 5h sind Einwirkungszeiten in Studen (h). |
Beispiel 2 101 einer 1611/oigen Lösung von nach dem Verfahren von J. Horejsi und
R. Smetana (vgl. Act. med. Scand., 155, S. 65 [1956]) mittels 2-Äthoxy-6,9-diamono-acridin
gewonnenem Gammaglobulin werden. mit physiologischer Kochsalzlösung auf 1001 verdünnt,
mit Essigsäure auf den pH-Wert 5,0 eingestellt, pro 100 g Eiweiß mit 160 000 Einheiten
Pepsind versetzt und 36 Stunden bei 40° C dessen proteolytischer Einwirkung unterworfen.
Die weitere Aufarbeitung erfolgt wie im Beispiel 1.
-
Die Ausbeute beträgt 191 einer 5b/oigen Lösung von desaggregiertem
Gammaglobulin (Prüfungen Tabelle 2), entsprechend etwa 6011/o des im Ausgangsmaterial
befindlichen Gammaglobulins.
Tabelle 2 |
°/o Komplementinaktivierung nach 3 Stunden (37° C) |
C'1 C'2 C'3 I C'4 |
1 ml Meerschweinchenserum |
-f- 0,1 ml = 5 mg Gammaglobulin-Ausgangsmaterial
... 80 42 40 65 |
-I- 0,1 ml = 5 mg desaggregiertes Gammaglobulin .....
0 0 0 0 |
Beispiel 3 101 einer 16n/oigen Lösung von nach dem Verfahren von
H. E. Schultze, M. Schönenberger und H. D. Matheka, Behringwerke-Mitteilungen, 26,
S.21 (1952), hergestelltem Gammaglobulin werden wie im Beispiel 2 aufgearbeitet.
Die Ausbeute beträgt
19,51 einer 5n/oigen Lösung von desaggregiertem Gammaglobuhn
(Prüfung Tabelle 3) entsprechend etwa 60°/o des im Ausgangsmaterial befindlichen
Gammaglobulins.
Tabelle 3 |
% Komplementinaktivierung nach 3 Stunden (37° C) |
C'1 I C'2 ! C'3 C'4 |
1 ml Meerschweinchenserum |
0.1 ml = 5 mg Gammaglobulin-Ausgangsmaterial ... 65
38 35 50 |
-- 0,1 ml = 5 m desa re 'ertes Gamma obulin
..... 0 0 0 I 0 |
Beispiel 4 101 einer 16n/oigen Lösung von nach dem Verfahren von E. J. C o hn und
Mitarbeiter (J. Amer. Chem. Soc., 68, S.459 [1946]) durch Fraktionierung mit Alkohol
gewonnenem Gammaglobulin werden mit physiologischer Kochsalzlösung auf 701 verdünnt,
mit Essigsäure auf den pH-Wert 4,5 eingestellt, pro 100 g Eiweiß mit 200 000 Einheiten
Pepsin versetzt und 24 Stunden lang bei 40° C dessen proteolytischer Einwirkung
unterworfen. Die weitere Aufarbeitung erfolgte wie im Beispiel 2.
-
Die Ausbeute beträgt 20,51 einer 5n/oigen Lösung von desaggregiertem
Gammaglobuhn (Prüfung Tabelle 4), entsprechend etwa 64% des im Ausgangsmaterial
befindlichen Gammaglobulins.
Tabelle 4 |
°/o Komplementinaktivierung nach 3 Stunden (37° C) |
C'1 I C'2 I C'3 C'4 |
1 ml Meerschweinchenserum |
+ 0,1 ml = 5 mg Gammaglobulin-Ausgangsmaterial ... 75
i 42 39 67 |
-- 0.1 ml = 5 mg desaggregiertes Gammaglobulin .....
2 ( 0 0 1 |
Beispiel 5 101 16'°/oige, nach dem Verfahren von H. E. Schultze, M. Schönenberger
und H. D. Mat h e k a, Behringwerk-Mitteilungen, 26, S. 21 (1952), hergestellte
Gammaglobulinlösungwerden mit physiologische.r Kochsalzlösung auf 80
1 verdünnt,
mit Essigsäure auf den pH-Wert 4,5 eingestellt, mit 120 000 Einheiten Pepsin pro
100 g Eiweiß versetzt und 28 Stunden bei 40° C zur Reaktion gebracht. Das Reaktionsgemisch
wird filtriert, auf den pH-Wert 7,0 eingestellt und durch Ultrafiltration von niedermolekularen
Anteilen befreit. Nach einer Sterilfiltration wird die Gammaglobulinlösung (521
2 n/oige Lösung) an der Gefriertrocknungs-Apparatur lyophilisiert.
-
Ausbeute- 1,48 kg Trockenprodukt -mit 70,3 °/o desaggregiertem Gammaglobulin
(Rest NaCl), somit 65 % Ausbeute an Gammaglobulin. Prüfung auf Komplementbeeinflussung
in Tabelle 5.
Tabelle 5 |
% Komplementinaktivierung nach 3 Stunden (37° C) |
C'1 I C'2 I C'3 I C'4 |
1 ml Meerschweinchenserum |
5 mg Gammaglobulin Ausgangsmaterial . . . . . . . . . . : .
. . 65 38 35 50 |
5 mg desaggregiertes Gammaglobulin vor Lyophilisierung 0 0
0 0 |
5 mg desaggregiertes Gammaglobulin nach Lyophilisie- |
rung ......................................... 0 0 0 0 |