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Die Erfindung betrifft Wirkstoffe zur Verwendung in der Behandlung von Amyotropher Lateralsklerose (ALS), die Behandlung von ALS, Verfahren zur Diagnose und/oder Therapiekontrolle von ALS, sowie eine Zusammensetzung, einen Biochip und/oder einen Kit zur Diagnose und/oder Therapiekontrolle von ALS.
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Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) beruht auf einer unaufhaltsam und rasch fortschreitenden irreversiblen Lähmung der Muskulatur, da bestimmte Nervenzellen, die die Muskulatur steuern, degenerieren. Es wurden bisher über 50 klinische Behandlungsstudien durchgeführt, deren Therapiekonzepte sich allerdings überwiegend als unwirksam erwiesen.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, Wirkstoffe zur Behandlung von Amyotropher Lateralsklerose (ALS) anzugeben. Eine weitere Aufgabe der Erfindung ist es, ein Behandlungsverfahren von ALS anzugeben. Eine weitere Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren zur Diagnose und/oder Therapiekontrolle von ALS anzugeben. Eine weitere Aufgabe der Erfindung ist es, eine Zusammensetzung, einen Biochip und/oder einen Kit zur Diagnose und/oder Therapiekontrolle von ALS anzugeben.
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Die Aufgaben werden erfindungsgemäß durch die in den Ansprüchen 1 bis 13 angegebenen Wirkstoffe und Zusammensetzungen, ein Behandlungsverfahren gemäß Anspruch 14, ein Verfahren gemäß Anspruch 15 zum Identifizieren von Zellen, welche indikativ für Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) sind, sowie durch eine Zusammensetzung, einen Biochip und/oder einen Kit zum Durchführen dieses Verfahrens zum Identifizieren von Zellen, welche indikativ für Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) sind, gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen mit zweckmäßigen Weiterbildungen der Erfindung sind in den jeweiligen Unteransprüchen angegeben, wobei vorteilhafte Ausgestaltungen jedes Erfindungsaspekts als vorteilhafte Ausgestaltungen der jeweils anderen Erfindungsaspekte und umgekehrt anzusehen sind.
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Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft einen Antikörper und/oder Ligand, welcher mindestens eines aus der Gruppe CD16, CD8, STTP1, NeuN, Bax, Bcl2, CD11b, CD138, CD16A, CD29, CD2, CD45RA, CD49d, CD54, CD56, CD57, CD58, CD62L, CD3, HLADR, Immunglobulin G, MHCII, MHCI, SIRT1, RAC1, BMX, GAK, JNK2, MAPKK6, OTUB2, PRKAR2A, SMAD2, SMAD4 und STAP2 bindet, zur Verwendung bei der Behandlung von Amyotropher Lateralsklerose (ALS).
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Es hat sich als vorteilhaft gezeigt, wenn der Antikörper und/oder Ligand zwei, drei, vier, fünf oder mehr aus der Gruppe CD16, CD8, STTP1, NeuN, Bax, Bcl2, CD11b, CD138, CD16A, CD29, CD2, CD45RA, CD49d, CD54, CD56, CD57, CD58, CD62L, CD3, HLADR, Immunglobulin G, MHCII, MHCI, SIRT1, RAC1, BMX, GAK, JNK2, MAPKK6, OTUB2, PRKAR2A, SMAD2, SMAD4 und STAP2 bindet. Mit anderen Worten ist es vorgesehen, dass der Antikörper und/oder Ligand bi-, tri-, quad-, pent-, hex-, hept-, oct-, enn- oder multispezifisch ausgebildet ist. Die genannten Proteine bilden in unterschiedlichen Kombinationen überindividuelle und individuelle Cluster in ALS-spezifischen Zellen und können daher therapeutisch quervernetzt und damit blockiert werden, wodurch die ALS-spezifischen Zellen ihre Funktionalität einbüßen. Hierdurch wird eine besonders spezifische und damit nebenwirkungsarme oder sogar nebenwirkungsfreie Behandlung von ALS ermöglicht.
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Weitere Vorteile ergeben sich, wenn der Antikörper und/oder Ligand zumindest CD16, CD8 und STTP1 bindet. STTP1 bezeichnet hierbei das gegebenenfalls Patienten-spezifische Signalprotein (signal transduction protein 1, z. B. Kinase), welches die Signalkaskade, die sich von der Zelloberfläche zum Zellkern erstreckt, vermittelt und zusammen mit dem Modul „CD16a und CD8“ an der Oberfläche der Zelle koppelt, wo es mit CD16a und CD8kolokalisiert ist. STTP1 kann mit Hilfe der an sich bekannten MELK- und/oder ICM-Technik (Multi-Epitope-Ligand-Kartographie bzw. Imaging Cycler Mikroskopie) für den betreffenden Patienten individuell ermittelt bzw. überwacht werden.
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Es kann weiterhin vorgesehen sein, dass STTP1 wenigstens ein Protein aus der Gruppe RAC1, STAP2 und SMAD2 ist. Hierdurch können ALS-spezifische Protein-Cluster blockiert werden, die neben einem oder mehreren Zelloberflächenproteinen (z. B. CD8, CD16, CD45RA) zusätzlich mit einem oder mehreren Signalketten-Molekülen aus der Gruppe RAC1, STAP2 und/oder SMAD2 direkt assoziiert sind. RAC1 (Ras-related C3 botulinum toxin substrate 1) als Mitglied der RAC Subfamilie regelt eine Vielfalt von zellulären Ereignissen, einschließlich der Kontrolle des Zellwachstums, der Zytoskelett-Reorganisation und der Aktivierung von Proteinkinasen. STAP2 (Signal-transducing adaptor protein 2) und SMAD 2 (Mothers against decapentaplegic homolog 2) sind ebenfalls Teil der Signaltransduktionskette und regulieren die Signaltransduktion und Transkription zentraler Signalwege in ALS-spezifischen Zellen.
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Weitere Vorteile ergeben sich, wenn der Antikörper und/oder Ligand rekombinant, human oder de novo hergestellt ist.
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Weitere Vorteile ergeben sich, indem der Antikörper und/oder Ligand wenigstens ein variables Einzelkettenfragment (scFv) und/oder ein multivalentes Antikörperfragment (scFv Multimer) umfasst oder ist. Antikörperfragmente bieten den Vorteil einer hohen Bindungsaffinität bzw. -avidität und Spezifität für ein breites Spektrum an Zielstrukturen und Haptenen. Einzelkettenfragmente können zudem als Diabodies (60 kDa), Triabodies (90 kDa), Tetrabodies (120 kDa) etc. vernetzt bzw. exprimiert werden, wobei unterschiedliche Linkerlängen zwischen V-Domänen möglich sind. Ein besonderer Vorteil für die Behandlung von ALS ist zudem, dass Moleküle von 60–120 kDa die Penetration von ALS-spezifischen Zellen erhöhen und schnellere Clearance-Raten als die korrespondierenden Igs (150 kDa) besitzen.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung ist vorgesehen, dass der Antikörper und/oder Ligand ein Diabody, Triabody, Tetrabody, Pentabody, Hexabody, Heptabody oder Octabody ist. Dies erlaubt die Quervernetzung von zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben oder acht Zielstrukturen bzw. Zielproteinen, wobei die scFv Multimere besonders präzise und individuell an die gegebenenfalls patientenspezifische räumliche Anordnung der Zielepitope bestimmter kombinatorischer Proteincluster (CMPs) angepasst werden können. Die erhöhte Bindungswertigkeit von scFv-Multimeren führt zu einer besonders hohen Avidität.
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Ein zweiter Aspekt der Erfindung betrifft eine pharmazeutische Zusammensetzung zur Verwendung bei der Behandlung von Amyotropher Lateralsklerose (ALS), welche wenigstens einen Antikörper und/oder Ligand gemäß dem ersten Erfindungsaspekt umfasst. Zusätzlich zu einem oder mehreren Antikörpern und/oder Liganden gemäß dem ersten Erfindungsaspekt kann die pharmazeutische Zusammensetzung ein Salz oder Solvat davon und/oder einen oder mehrere aus pharmazeutisch annehmbaren Trägern, Verdünnungsstoffen und Exzipienten umfassen.
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Dabei hat es sich als vorteilhaft gezeigt, wenn die pharmazeutische Zusammensetzung wenigstens einen Antikörper und/oder Ligand, der CD8, CD16 sowie RAC1 bindet, und/oder wenigstens einen Antikörper und/oder Ligand, der CD8, CD16 sowie STAP2 und/oder SMAD2 bindet, umfasst. Hierdurch können entweder überindividuelle ALS-spezifische Targets (CD8/CD16/RAC1) oder individuelle ALS-spezifische Targets (CD8/CD16/STAP2, CD8/CD16/SMAD2, CD8/CD16/STAP2/SMAD2) adressiert und deaktiviert werden. Ebenso ist es natürlich möglich, sowohl die überindividuellen als auch die individuellen ALS-spezifischen Targets gleichzeitig oder im zeitlichen Abstand zueinander zu deaktivieren.
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Ein dritter Aspekt der Erfindung betrifft einen IgG-Inhibitor zur Verwendung bei der Behandlung von Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Ein Beispiel hierfür sind Antikörper gegen IgG und (gegebenenfalls rekombinantes) Streptokokken Protein G.
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Ein vierter Aspekt der Erfindung betrifft ein CD16-Ectodomain-Shedding-Molekül zur Verwendung bei der Behandlung von Amyotropher Lateralsklerose (ALS).
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Ein fünfter Aspekt der Erfindung betrifft einen Lamellipodien-Extensions- und/oder -Migrationshemmer zur Verwendung bei der Behandlung von Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Lamellipodien sind blattförmig dünne Pseudopodien am Vordersaum (Leitsaum) kriechender und sich ähnlich fortbewegender Zellen, worunter auch ALS-spezifische Zellen fallen. Ein Lamellipodium besteht aus einer dünnen Membranduplikatur, die einen dichten Rost parallel ausgerichteter Bündel aus Actinfilamenten umschließt. Mit ihren plus-Enden (Zuwachsseite) sind die Actinbündel am Vordersaum des Lamellipodiums in der Zell-Membran verankert und schieben diese durch stetigen Anbau weiterer Actinbausteine vorwärts, während sie am rückwärtigen Ende, ihrer minus-Seite, fortwährend wieder abgebaut werden. Hieraus resultiert eine der amöboiden Bewegung ähnliche Bewegung, bei der die Zelle eine polare Achse für die Wanderungsrichtung „vorne“ und „hinten“ definiert hat, welche sie alternativ wechseln kann. Durch die Hemmung der Ausbildung, Extension und/oder Migration dieser Lamellipodien bzw Lamellipodien-ähnlichen Strukturen können die Bewegungen der ALS-Zellen und insbesondere das Durchdringen der Blut-Hirn-Schranke durch diese ALS-Zellen unterbunden werden, wodurch der ALS-Krankheitsausbruch oder -fortschritt gestoppt wird. Beispiele für Lamellipodien-Extensions- und/oder -Migrationshemmer sind beispielsweise Verbindungen, die RAC1 und/oder SIRT1 blockieren bzw. ihre Expression verhindern. Der SIRT1 Inhibitor Nicotinamide (NAM) oder SIRT1 “small interfering RNAs” unterdrücken die Lamellipodien-Extension über den Platelet-derived growth factor (PDGF). Die Lamellipodien-Bildung durch RAC1 kann ebenfalls durch NAM blockiert werden.
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Ein sechster Aspekt der Erfindung betrifft einen Inhibitor des CD16-Gens (FCGR3A) und/oder des NeuN Gens (RBFOX3) zur Verwendung bei der Behandlung von Amyotropher Lateralsklerose (ALS).
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Ein siebter Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren zum Behandeln von Amyotropher Lateralsklerose (ALS), bei welchem einem Patienten eine pharmakologisch wirksame Dosis eines Antikörpers und/oder Liganden gemäß dem ersten Erfindungsaspekt und/oder einer pharmazeutischen Zusammensetzung gemäß dem zweiten Erfindungsaspekt und/oder eines IgG-Inhibitors gemäß dem dritten Erfindungsaspekt und/oder eines Lamellipodien-Extensions- und/oder -Migrationshemmers gemäß dem vierten Erfindungsaspekt und/oder eines CD16-Ectodomain-Shedding-Moleküls gemäß dem fünften Erfindungsaspekt und/oder eines Inhibitors des CD16-Gens (FCGR3A) und/oder des NeuN Gens (RBFOX3) gemäß dem sechsten Erfindungsaspekt verabreicht wird. Bevorzugt ist dabei eine systemische bzw. intravenöse Applizierung. Als mitumfasst ist zudem die Verabreichung eines Salzes, Solvats oder eines physiologisch funktionellen Derivats der genannten Wirkstoffe anzusehen.
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Ein achter Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren zum Identifizieren von Zellen, welche indikativ für Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) sind, umfassend die Schritte Bereitstellen einer Zellprobe eines Patienten und Prüfen, ob die Zellprobe wenigstens eine Zelle enthält, welche NeuN und/oder CD16 umfasst, wobei der Patient unter ALS leidet, wenn die Zellprobe wenigstens eine Zelle enthält, welche NeuN und/oder CD16 enthält.
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Es hat sich als vorteilhaft gezeigt, wenn als Zellprobe eine Blutprobe und/oder eine Gewebeprobe des Patienten bereitgestellt wird. Vorzugsweise wird die Blutprobe zwischen 8 und 10 Uhr morgens entnommen, wobei der Patient nüchtern sein sollte.
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Weitere Vorteile ergeben sich, wenn geprüft wird, ob die Zellprobe wenigstens eine Zelle enthält, welche neben NeuN und/oder CD16 zusätzlich eines oder mehrere aus CD8, STTP1, Bax, Bcl2, CD11b, CD138, CD16A, CD29, CD2, CD45RA, CD49d, CD54, CD56, CD57, CD58, CD62L, CD3, HLADR, Immunglobulin G, MHCII, MHCI, SIRT1, RAC1, BMX, GAK, JNK2, MAPKK6, OTUB2, PRKAR2A, SMAD2, SMAD4 und STAP2 umfasst. Durch die Ermittlung der Kolokalisation und Anti-Kolokalisation können besonders präzise Aussagen über das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen einer ALS-Erkrankung getroffen werden.
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Weitere Vorteile ergeben sich, wenn zum Prüfen wenigstens eine Zusammensetzung, welche wenigstens einen Antikörper und/oder Ligand enthält, und/oder ein MELK- bzw. ICM-Verfahren (Multi-Epitop-Ligand Kartographie/Imaging Cycler Mikroskopie) und/oder ein Biochip und/oder ein Kit verwendet wird. Das MELK- bzw. ICM-Verfahren kann mit Hilfe einer an sich bekannten Vorrichtung durchgeführt werden, wie sie beispielsweise im Patent
EP 0810428 B1 und im
US-Patent 6,150,173 beschrieben ist.
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Ein neunter Aspekt der Erfindung betrifft eine Zusammensetzung und/oder einen Biochip und/oder ein Kit zur Verwendung in einem Verfahren gemäß des achten Erfindungsaspekts.
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Weitere Merkmale der Erfindung ergeben sich aus den Ansprüchen, den Figuren und der Figurenbeschreibung. Die vorstehend in der Beschreibung genannten Merkmale und Merkmalskombinationen, sowie die nachfolgend in der Figurenbeschreibung genannten und/oder in den Figuren alleine gezeigten Merkmale und Merkmalskombinationen sind nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen verwendbar, ohne den Rahmen der Erfindung zu verlassen. Es sind somit auch Ausführungen von der Erfindung als umfasst und offenbart anzusehen, die in den Figuren nicht explizit gezeigt und erläutert sind, jedoch durch separierte Merkmalskombinationen aus den erläuterten Ausführungen hervorgehen und erzeugbar sind. Es sind auch Ausführungen und Merkmalskombinationen als offenbart anzusehen, die somit nicht alle Merkmale eines ursprünglich formulierten unabhängigen Anspruchs aufweisen. Dabei zeigen:
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1a bis 1f verschiedene Toponomabbildungen ALS spezifischer, abnormer Zellen;
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2a bis 2f den Stufenprozess dieser abnormen Zellen, der zum ALS spezifischen Krankheitsbild führt; und
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3 verschiedene Strategien zur Behandlung von ALS.
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Mechanismen der ALS im Toponom und Therapieoptionen
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Synopsis des ALS-Toponoms: Analysen der Zelloberflächen von Immunzellen des Blutes haben gezeigt, dass bei ALS ein spezifisches abnormes Toponom vorkommt. Wesentliches Merkmal ist die Existenz von aberranten T-Lymphozyten, die neben dem CD8-Rezeptor auch den CD16-Rezeptorkomplex exprimieren. Exakt dieselben Zellformen finden sich im morphologisch gut erhaltenen ALS postmortem Gewebe innerhalb von postkapillären Venolen der spinalen Pyramidenbahn (1a, b; Box). Detaillierte 3D Toponomauflösung zeigt, dass diese Zellen den CD16-Komplex (1, Pfeil 1) exprimieren, polarisiert sind und eine „leading edge“ mit CD3 positiver Membran zeigen, die durch die Endothelzellschicht des Blutgefäßes dringt (1c; Pfeil 2), während CD3 positive Vesikel intrazellulär zu der „leading edge“ transportiert werden (1c; Box). Einzelne Vesikel enthalten Komplexe aus CD8/CD16 (1d, e, f). Diese CD8/CD16-Komplexe sind durch „forward transport“ für die Transmigration dieser Zellen durch die Endothelzellschicht via „vesicle budding“ in der Zelloberfläche erforderlich, um als Teil eines abnormen „homing codes“ (Referenzcodes) die Transmigration voranzutreiben. CD16 wird auch als Fc region receptor III-A bzw. FcγIII bezeichnet. Nach der Transmigration wird dieser Komplex degradiert, da CD8 positive T-Zellen im Parenchym der Pyramidenbahn den CD16-Komplex nicht aufweisen. Stattdessen finden sie sich als einzelne Zellen zwischen den myelinisierten Neuronen (2a, CD8 + CD16-blaue Zelle). Stärkere 3D-Vergrößerung dieser Zelle weist einen Zellfortsatz auf, der tief in die Oberfläche eines morphologisch intakten Axons eingedrungen ist (2b, Box; 2c: Vergrößerung der Box: Stern = morphologisch intakter Axonkörper). Dieser Zellfortsatz exprimiert CD3 und CD8 (2; Pfeile 1, 2). Eine geometrisch exakte 3D-Berechnung ergibt den Zellfortsatz in 2f (Pfeil 3) und das Axon in 2f (mit Stern markiert). Ein ähnlicher Zellfortsatz findet sich ausgehend von derselben Zelle in 2d (untere Bildhälfte): Hier hat der Zellfortsatz (rot) offensichtlich die intakte Myelinscheide (weiß) durchdrungen. Zum Vergleich hierzu zeigt 2e eine intakte Myelinscheide.
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Zusammenfassend: CD16 ist notwendig, um das abnorme „homing“ aberranter CD8 Zellen in die Pyramidenbahn zu steuern. Wenn dieser homing-Prozess abgeschlossen ist, degradieren (verlieren) die Zellen den CD16-Komplex, wandern dann als CD8 + CD16-Zellen zwischen den myelinisierten Neuronen, dringen durch die Myelinscheiden und axotomieren Neurone. Dieser Prozess ist offensichtlich primär autonom, da die Zellen nie im Kontext mit Zell“debris“, also Zeichen primärer neuronaler Degradation beobachtet werden. Die Zellen spielen daher eine primäre pathogenetische Rolle. Diese Interpretation wird gestützt durch die Tatsache, dass die Herunterregulierung von CD16 zu einem Stopp der Krankheitsprogression führt: wenn CD16 nicht mehr wie in 1f zur Verfügung steht, kann der endotheliale homing-Vorgang nicht mehr ausgeführt werden. Ein Teil der (sporadischen) ALS kann daher als Krankheit des Immunzelltoponoms beschrieben werden, das mittels eines hochselektiven „homing codes“ die ALS-spezifischen Pyramidenbahn-Läsionen (Axotomie) generiert. Viele genetische Befunde und Proteinaggregationen, die bei ALS beschrieben wurden, sind auch bei experimenteller Axotomie beschrieben worden, so dass die Immunzelltoponom-vermittelte Axotomie diese Befunde erklärt.
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Koepressionsmuster
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Die invasiven Zellen gemäß 1c koexprimieren weiterhin folgende Moleküle:
Bax, Bcl2, CD11b, CD138, CD16A, CD29, CD2, CD45RA, CD49d, CD54, CD56, CD57, CD58, CD62L, CD8, HLADR, Immunglobulin G, MHCII, MHCI, NeuN, SIRT1, RAC1, BMX, GAK, JNK2, MAPKK6, OTUB2, PRKAR2A, SMAD2, SMAD4 und STAP2.
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NeuN (Fox-3, Rbfox3, oder Hexaribonucleotid Bindeprotein-3) ist ein neuronales, nukleäres Antigen, das normalerweise als Biomarker für Neurone verwendet wird.
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Die nukleäre Koexpression von NeuN und CD49d, sowie die cytoplasmatische Ex pression von Immunglobulin G (IgG) zusammen mit den CD16 tragenden Vesikeln aus 1d–f) und die Zelloberflächenexpression von CD8 und CD3 zeigen, dass diese Zelle einen abnormen Differenzierungsstatus aufweist: Eine Zelle mit Merkmalen einer T Zelle (CD3, CD8), einer neuronalen Zelle (NeuN im Zellkern), eines Monozyten (CD16) und eines B Lymphocyten (IgG).
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Proteine, die teilweise patientenspezifisch, das heißt mit individuell unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit bzw. Häufigkeit mit CD8 und/oder CD16 in ALS-indikativen Zellen kolokalisiert sind, sind in Tabelle 1 angegeben. Alle diese Proteine stellen damit einzeln oder in Kombination mit CD8 und/oder CD16 therapeutische Zielstrukturen (Targets) dar, da ein Ausschalten dieser Proteine – beispielsweise durch entsprechende Antikörper/Liganden und/oder gentechnische Verfahren – zu einem Zusammenbruch des intrazellulären Informationsflusses und damit zum Funktionsverlust der aberranten Zellen führt. Tabelle 1
Protein | Offizielles Symbol | Offizieller Name |
BMX | [BMX] | BMX non-receptor tyrosine kinase |
GAK | [GAK] | cyclin G associated kinase |
JNK2 | [MAPK9] | mitogen-activated protein kinase 9 |
MAPKK6 | [MAP2K6] | mitogen-activated protein kinase kinase 6 |
OTUB2 | [OTUB2] | OTU deubiquitinase, ubiquitin aldehyde binding 2 |
PRKAR2A | [PRKAR2A] | protein kinase cAMP-dependent type II regulatory subunit alpha |
RAC1 | [RAC1] | ras-related C3 botulinum toxin substrate 1 (rho family, small GTP binding protein Rac1) |
SMAD2 | [SMAD2] | SMAD family member 2 |
SMAD4 | [SMAD4] | SMAD family member 4 |
STAP2 | [STAP2] | signal transducing adaptor family member 2 |
SIRT1 | [SIRT1] | nicotinamide adenine dinucleotide-dependent protein deacetylase |
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Die Zelle aus 2c, f), die wie oben begründet nach Invasion der Zelle aus 1 einen CD16 negativen Phänotyp exprimiert, bleibt positiv für NeuN.
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Bedeutung: Die oben beschriebene invasive Zelle ist als ALS-spezifische Zelle mit den oben genannten Merkmalen im Blut oder in Gewebeproben durch räumliche Toponomanalyse detektierbar. Da deren Invasionsverhalten in die Pyramidenbahn wie oben dargelegt bekannt ist und da ferner bekannt ist, dass die Zelle offenbar durch Phänotyp switching (CD16-) zu einer NeuN positiven T Zelle transformiert, die Neu rone axotomiert, läßt die Detektion von Zellen des CD16/CD8 Phänotyps aus 1c auf den Prozess der Axotomie schliessen. Daraus folgt, dass die Zellinvasion der Zelle aus 1c durch molekulare Blockierung oder Lyse therapeutisch verhindert werden muss, um die Axotomie zu verhindern und das Fortschreiten der ALS zu stoppen.
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Der beschriebene Zwei-Stufenprozess (Homing aberranter „NeuN“ positiver Blutzellen in die Pyramidenbahn, deren Transformation in „NeuN“ positive T Zellen, die die Oberflächen von Nervenzellen verletzen) stellt eine Verletzung grundlegender Regeln der Kooperation von Zellen verschiedener Keimblätter dar: Diese Regeln beru hen in intakten Systemen darauf, dass Zellen aus verschiedenen Keimblättern die Regel der Nicht-Verletzung der gegenseitigen Zelloberflächen befolgen. Im Fall der ALS verletzen die transformierten T-Zell-artigen Zellen (Keimblatt Mesenchym) die Oberflächen von Neuronen (Keimblatt Ektoderm). Dadurch kommt es zu einer physischen transzellulären Vernetzung der beiden Keimblattfunktionen mit der Folge der Unterbrechung der Nervenbahnen zu der Willkürmuskulatur. Die Tatsache der Expression von „NeuN“ im Zellkern der agierenden Zellen (Immunzellen in der Zirkulation und nach Invasion in das Nervensystem der Pyramidenbahn) bedeutet, dass diese Zellen einem Programm aberranter neuronaler Stammzellen folgen, da NeuN unter physiologischen Bedingungen nur in Neuronen exprimiert wird. Damit kann NeuN als Marker für das Vorliegen ALS-verursachender Zellen, das heißt zur Diagnose der ALS verwendet werden.
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Um das molekulare „Programm“ dieser aberranten Zellen zu blockieren, das heißt als Therapiemaßnahme zum Behandeln eines Patienten, der unter ALS leidet, bieten sich verschiedene molekulare Verfahren an, die Zellen in der Blutzirkulation, die das Leitprotein CD16 exprimieren, bereits vor deren transendothelialer Invasion therapeutisch zu modifizieren. Weitere Therapiemöglichkeiten, die einzeln oder in beliebiger Kombination durchgeführt werden können, sind in 3 gezeigt und umfassen:
- 1. Gabe von Molekülen (Antikörper/Liganden), die IgG (1/3) binden und/oder blockieren/inhibieren bzw. den physiologischen Mechanismus der IgG-vermittelten Aktivierung von CD16 blockieren/inhibieren. Ein Beispiel hierfür sind Antikörper gegen IgG und (gegebenenfalls rekombinantes) Streptokokken Protein G;
- 2. Therapeutische Blockierung (z. B. durch Quervernetzung/cross-linking) des ALS-spezifischen Clusters CD16a + CD8 + STTP1, beispielsweise mittels wenigstens eines bi-, tri- oder multispezifischen Antikörpers (rekombinant, human, de novo etc.). STTP1 bezeichnet hierbei das gegebenenfalls Patientenspezifische Signalprotein (signal transduction protein 1, z. B. Kinase), welches die vom Zellkern ausgehende Signalkaskade vermittelt und zusammen mit dem Modul „CD16a und CD8“ an der Oberfläche der Zelle gekoppelt bzw. mit CD16a und CD8 und kolokalisiert ist. STTP1 kann mit Hilfe der an sich bekannten MELK- und/oder ICM-Technik (Multi-Epitope-Ligand-Kartographie bzw. Imaging Cycler Mikroskopie) für den betreffenden Patienten individuell ermittelt bzw. kontrolliert werden. STTP1 kann beispielsweise ein oder mehrere Proteine aus der Gruppe RAC1, STAP2 und/oder SMAD2 und/oder ein anderes Protein aus der Signaltransduktionskette von ALS-Zellen sein. Ein entsprechender Antikörper, beispielsweise ein trispezifischer Anti-CD16a-CD8-STTP1-Antikörper, kann dann ebenfalls über an sich bekannte Herstellungsverfahren hergestellt und zur Therapie des betreffenden Patienten verwendet werden. Da ein solcher trispezifischer Antikörper eine extrem hohe Selektivität für abnorme, ALS-spezifische Zellen aufweist, ist eine solche Behandlung besonders nebenwirkungsarm;
- 3. Gabe von Molekülen, die die proteolytische Abtrennung der extrazellulären CD16-Domänen (Ektodomänen) bewirken (sog. Shedding, bzw. Ectodomain-Shedding). Ein Beispiel hierfür ist die Gabe von Adam17 (Metallopeptidase Domäne 17), das auch TACE (tumor necrosis factor-α-converting enzyme) genannt wird. Adam17 ist ein 70-kDa Enzym, das zur ADAM Proteinfamilie von Disintegrinen und Metalloproteasen gehört. Adam17 bzw. das jeweilige CD16-Shedding-fähige Molekül kann optional mit einem mono-, bi-, tri- oder multispezifischen Antikörper (siehe Punkt 2) gekoppelt sein bzw. werden, um seine Spezifität vorteilhaft zu erhöhen;
- 4. Gabe wenigstens eines mono-, bi-, tri- oder multi-spezifischen Anti-CD16 Antikörpers (rekombinant, human, de novo etc.);
- 5. Gabe wenigstens eines mono-, bi-, tri- oder multi-spezifischen Anti-NeuN Antikörpers (rekombinant, human, de novo etc.) und/oder
- 6. Gabe von Molekülen, die das CD16-Gen (FCGR3A) und/oder das NeuN Gen blockieren.
- 7. Gabe von Lamellipodien-Extensions- und/oder -Migrationshemmern, um die Migration der ALS-Zellen und die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke zu unterbinden.
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Die oben genannten Verbindungen (Arzneimittel) können grundsätzlich einzeln oder in beliebiger Kombination verabreicht werden. Weiterhin können die genannten Verbindungen als pharmazeutische Zusammensetzung zusammen mit weiteren pharmazeutischen Stoffen und/oder Hilfsmitteln vorliegen. Die Galenik ist in an sich bekannter Weise anzupassen bzw. zu wählen. Weiterhin kann vorgesehen sein, dass das oder die Arzneimittel einmal oder mehrmals verabreicht wird bzw. werden. Ebenso kann vorgesehen sein, dass eine pharmazeutisch wirksame Dosis auf einmal oder auf zwei oder mehr Teildosen verteilt verabreicht wird. Die Therapie sollte durch regelmäßige Kontrolle überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Die Therapiekontrolle kann beispielsweise mit Hilfe des vorstehend beschriebenen Diagnose-Verfahrens durchgeführt werden. Bei erfolgreicher Therapie können üblicherweise signifikant weniger oder vorzugsweise keine abnormen ALS-spezifischen Zellen (siehe oben) mehr in der Zellprobe des betreffenden Patienten festgestellt werden.
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Generell ergeben sich damit zahlreiche ALS-spezifische überindividuelle und/oder indivduelle thereutische Optionen. Eine überindividuelle Therapie kann auf die ALS-spezifischen Oberflächenproteine (CDs) bzw. Oberflächenproteincluster gerichtet sein, die quervernetzt, inhibiert oder anderweitig blockiert werden. Zusätzlich können gegebenenfalls zentrale Signalketten-Moleküle von ALS-Zellen quervernetzt, inhibiert oder anderweitig blockiert werden. Beispielsweise können die Zelloberflächenproteine CD8/CD16A/CD45RA gegebenenfalls zusammen mit dem Signalketten-Molekül RAC1 blockiert werden, da diese ausschließlich in ALS-Zellen direkt assoziiert vorkommen. Eine solche Therapie kann beispielsweise mit Hilfe von bi-, tri- und/oder tetraspezifischen Antikörpern bzw. durch entsprechende variable Einzelkettenfragmenten (scFv) oder multivalente Antikörperfragmente (scFv Multimere), das heißt durch sogenannte Diabodies, Triabodies oder Tetrabodies erfolgen.
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Als individuelle Targets, die alternativ oder zusätzlich zu dem vorstehend bezeichneten ALS spezifischen Cluster therapeutisch adressiert werden können, umfassen individuelle Cluster von CD16/CD8 mit den Molekülen STAP2 und/oder SMAD2 sowie gegebenenfalls Kombinationen der in Tabelle 1 bezeichneten Moleküle zusammen mit dem CD8/CD16 Cluster oder auch als isolierte Cluster ohne CD8/CD16. Auch diese Cluster können mit Hilfe von gegebenenfalls multispezifischen Antikörpern und/oder Antikörperfragmenten ausgeschaltet werden.
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Die in den Unterlagen angegebenen Parameterwerte zur Definition von Prozess- und Messbedingungen für die Charakterisierung von spezifischen Eigenschaften des Erfindungsgegenstands sind auch im Rahmen von Abweichungen – beispielsweise aufgrund von Messfehlern, Systemfehlern, Einwaagefehlern, DIN-Toleranzen und dergleichen – als vom Rahmen der Erfindung mitumfasst anzusehen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 0810428 B1 [0022]
- US 6150173 [0022]