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Verfahren zur Herstellung mehrlagiger Textilstoffe aus Pflanzenfasern
Um stoffartige Flächengebilde herzustellen, ohne dazu einen Weh- bzw. Wirkvorgang
o. dgl. erforderlich zu machen, wurde bereits vorgeschlagen, ein aus irgendwelchen
Textilfasern bestehendes. Fließ mit einem Klebstoff bzw. mit Schweitzers Reagenz-bzw.
Cuprammonium zu behandeln, wobei im letzteren Fall die Fasern mehr oder weniger
weitgehend aufgelöst werden, um dann durch eine Presse fest zusammengepreßt zu werden.
Ein solches Flächengebilde besitzt jedoch in stoffartig dünner Schicht nicht die
erforderliche Reißfestigkeit, die eine weitgehende Anwendung ermöglicht. Allenfalls
lassen sich auf die angegebene Weise kartonähnliche Gebilde herstellen, die jedoch
nicht als Futter-und Vorhangstoffe u. dgl. verwendbar sind.
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Nach einem anderenVorschlagsollenWirkwaren nachträglich mit Alkali
oder Schwefelsäure behandelt werden, um das Eingehen beim Gebrauch zu verhindern.
Es blieb dabei unbekannt, wie man statt einer Nachbehandlung fertiger Waren gewebeartig
dünne, leicht biegsame und netzartige- Fadengebilde ohne Web- oder Wirkvorgang herstellen
kann.
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Ferner wurde in Erwägung gezogen, mehrlagige gewebeartige Textilstoffe
aus Pflanzenfasern dadurch herzustellen, daß man einzelne Fäden oder Gewebestreifen
kreuzweise unter Zwischenschaltung einer Klebstoffschicht übereinanderlegte. Dabei
machte der Klebstoff in jeder Stoffschicht ein sehr enges Nebeneinanderliegen der
Fäden erforderlich, so daß durchbrochene Stoffe auf diese «'eise nicht hergestellt
werden konnten. Außerdem fiel die Ware wegen der klebenden Zwischenschicht zu schwer
und dick aus. Sie war infolgedessen für viele Zwecke, wo man dünne und leichte Stoffe
wünschte, 'unbrauchbar. Der Klebstoff verdeckte im übrigen die Pflanzenfasern derart,
daß diese im fertigen Stoff nicht in ihrer ursprünglichen Eigenart zur Geltung kommen
konnten. Zur Verbindung der Fadenlagen diente dabei wohl ausschließlich Gummilösung,
die dem Stoffe außerdem jede Luftdurchlässigkeit nahm.
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Um die Nachteile der besprochenen Verfahren zu vermeiden, werden erfindungsgemäß
gesponnene oder gezwirnte Fäden, die in unverwebtem Zustande lagenweise übereinandergeschichtet
werden und in den sich berührenden Lagen winklig zueinander liegen, in ein Celluloselösebad
gebracht und dadurch an der Oberfläche gelöst, worauf die Fadenschichten durch Zusammenpressen
miteinander verbunden werden und die weitere Einwirkung des Lösemittels aufgehoben
wird.
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Bei einem solchen Verfahren werden die Fäden gewissermaßen mit sich
selbst als Folge des angegebenen Lösungsvorganges verbunden. Der fertige Stoff ist
frei von fremden Klebstoffen und daher nicht dicker, als es der Stärke der Fäden
entspricht. Dabei sind diese derart fest miteinander verbunden, daß sie sich kaum
ohne mechanische Zerstörung voneinander trennen lassen. Der Fadenabstand in den
einzelnen Schichten kann beliebig groß gehalten werden, so daß sich luftdurchlässige
und
durchbrochene Stoffe leicht herstellen lassen, insbesondere solche, die als Futter-
und Vorhangstoffe verwendbar sind.
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Wird als Celluloselösungsmittel Kupferoxydammoniaklösung verwendet,
so ist die dadurch bedingte Grünfärbung der Ware durch deren nachträgliche Behandlung
mit Säuren zu beseitigen. Bei Verwendung anderer Lösungsmittel können Verdunstungs-oder
Oxydationsvorgänge erforderlich werden. Dabei kann je nach Lage des Einzelfalles
die angegebene Nachbehandlung des Fadengebildes entweder restlos durchgeführt oder
vorzeitigabgebrochenwerden, umandere Behandlungsarten anschließen zu können.
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Ob im übrigen die miteinander zu verbindender. Fäden unmittelbar von
Spulen gezogen oder zunächst durch einen Schervorgang an sich bekannter Art zu einem
Kettbaum aufgewickelt werden, bleibt der Ausführung im Einzelfall überlassen.
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Auf die angegebene Weise lassen sich außer den üblichen Textilfasern
auch minderwertige Fasern, z. B. Hanf, Jute und Schilf, ver-= arbeiten, wodurch
diesen Faserarten ein neues Anwendungsgebiet erschlossen wird.
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Die Zuführung des Celluloselösungsmittels kann durch Aufstreichen,
Aufspritzen, Walzen o. dgl. erreicht werden. Um den Fäden vor der Einwirkung des
Lösungsmittels einen ausreichenden Zusammenhalt zu geben, ist es angängig, sie durch
Quernähte miteinander zu vereinigen. Statt der Kupferoxydammoniaklösung sind zur
Lösung der Fasern auch Schwefelsäure, Salzsäure, Essigsäure, Salpetersäure, Natronlauge,
Schwefelkohlenstoff, Chlorzink u. dgl. geeignet, kurz alle diejenigen Chemikalien,
die zur Herstellung von Kunstseide, Glanzstoff, Viscose-, Acetatseide, Chardonnetseide
u. dgl. Verwendung finden. Vorzugsweise ist jedoch eine Kupferoxydammoniaklösung
zu benutzen, die in an sich bekannter Weise aus Kupferoxydhydrat und konzentriertem
Ammoniak hergestellt ist und nicht aus Kupfersulfat oder anderen Kupferverbindungen.
Die beste Lösung erhält man durch Einwirken von Ammoniak auf feine Kupferspäne.
Bei der Durchleitung der Fadenkette durch das Celluloselösungsmittel ist darauf
zu achten, daß letzteres die Fäden von allen Seiten bespülen kann und nicht etwa
nur auf eine der beiden Seiten der Fadenkette zur Wirkung kommt, wie es der Fall
wäre, wenn man die Kette um einen Zylinder herumleiten würde, der in die Kupferoxydammoniaklösung
eintaucht. Es ist daher besser, die Kettfäden durch die Lösung über mehrere Walzen
zu leiten, zwischen denen die Lösung beidseitig an die Fadenkette herantreten kann.
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,Nach dem Durchgang durch die Kupferoxydammonialclösung wird die überschüssige
Flüssigkeit durch Preßwalzen, die mit regelbarer Kraft aneinandergedrückt werden,
abgequetscht und dabei zugleich die Fadenkette zu einer dünnen Schicht zusammengedrückt,
wodurch die Fäden in engste Berührung miteinander gelangen. Dies ist um so wichtiger,
als bei dem Durchgang der Fadenkette durch die Kupferoxydammoniaklösung ein oberflächliches
Aufweichen bzw. Auflösen der Fäden erfolgt und durch das Zusammenpressen die Klebkraft
der aufgeweichten Schichten zur Geltung gebracht, also eine nachhaltige, innige
Verbindung der Fäden untereinander herbeigeführt wird.
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Nach dem Preßvorgang wird die Fadenkette durch einen mit Schwefelsäure
gefüllten Trog hindurchgeführt. Dabei muß jedoch. die Schwefelsäure so lange auf
die Fadenkette zur Einwirkung gelangen, daß die durch die Kupferoxydammoniaklösung
verursachte Grünfärbung der Fadenkette völlig verschwindet. Die chemischen Voigänge,
die diese Farbenänderung bedingen, sind bekannt. Für diesen Vorgang empfiehlt es
sich, gekühlte Schwefelsäure mit einer Temperatur von i o bis 15' C und 5o bis 51'
Be zu verwenden.
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Nach dem Verlassen des Schwefelsäurebades ist die Kette durch mehrere
mit Wasser gefüllte Gefäße hindurchzuführen, um alle Säurereste aus dem Fadengebilde
zu entfernen. Schließlich ist letzteres zu trocknen, was in bekannter Weise geschehen
kann. Es empfiehlt sich, das Fadengebilde vor dem vollständigen Trocknen, also in
noch etwas feuchtem Zustande, zu kalandern, wodurch roch ein festerer Schluß erzielt
wird. Wenn man einen Gaufrierkalanderr benutzt, so werden außerdem bestimmte Effekte,
z. B. Webeffekte oder beliebige andere Muster, eingepreßt, die dauerhaft sind, so
daß mit dem Fadengebilde jeder weitere Veredelungsprozeß vorgenommen werden kann.
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Das beschriebene Verfahren kann in mannigfachster Weise abgeändert
werden, wenn man, besondere Wirkungen erzielen will. Insbesondere können der Kupferoxydammoniaklösung
Kolloide zugesetzt werden, z. B. Ole, Fette, Stärke, Leim, Gummi, Tannin, Metalloxyde,
Pflanzenschleime, z. B. solche aus Jahannisbrotkernen. Guinmitragent, Dextrin, Harzen,
Gelatine, Eiweißstoffen, Cellulose o. dgl., um dem herzustellenden Flächengebilde
entweder einen härteren oder einen weicheren Griff zu geben und gleichzeitig den
Einfluß der genannten Lösungsmittel zu mildern, soweit dies nicht schon durch stärkere
oder schwächere Einstellung der Lösungsmittel ermöglicht ist. Solche Kolloide können
auch vor der Einwirkung der Kupferoxydammoniaklösung zur Wirkung gebracht
werden,
indem die Fadenkette einer Vorbehandlung mit den genannten Kolloiden unterworfen
wird.
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Nach der Einwirkung der Kupferoxydammoniaklösung könnte man die Fadenkette
einer Zwischentrocknung unterwerfen, damit dann die Säure intensiver, aber in kürzerer
Zeit zur Wirkung gelangt.
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Die Säurebehandlung ist entbehrlich, wenn die grüne Färbung des Fadengebildes
nicht als störend empfunden wird, wodurch das erläuterte Verfahren vereinfacht und
verbilligt sowie die Dauer seiner -Durchführung verkürzt wird.
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Die Einwirkung der Säure läßt sich im übrigen in der mannigfachsten
Weise verändern. Man könnte verdünnte oder konzentrierte Säuren bei Tagestemperatur
oder gekühlt verwenden. Man kann auch verschiedene Säurebäder nacheinander auf die
Fadenkette einwirken lassen, wobei die nacheinander zur Anwendung kommenden Bäder
verschiedene Konzentration und Temperatur besitzen könnten. Auch dem Säurebad lassen
sich weich machende Mittel, z. B. Öle, Fette o. dgl., zusetzen. Man könnte auch
zwischen die Behandlung der Kette mit der KupferoXydammoniaklösung und dem Säurebad
einen Öl- oder Fettprozeß einschalten.
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In der gleichen Weise, wie es oben ausführlich in bezug auf eine Fadenkette
geschildert ist, könnte man auch Fadenschichten unter Zwischenschaltung von Watte-
oder Papierschichten miteinander verbinden, wobei die zwischen die Fäden oder Gewebe
eingefügte Watte- oder Papierschicht beim Durchgang durch das Lösungsmittel, z.
B. eine Kupferoxydammoniaklösung, aufgelöst und dann als Klebmittel zur Verbindung
der beiden angrenzenden Fadengebilde dienen würde.
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Die auf die angegebene Weise hergestellten Fadengebilde können mannigfache
Anwendung finden. Insbesondere lassen sich diese mit Vorteil 'als Überzüge verwenden,
z. B. für Bucheinbände, Wandbekleidungen, Kofferbezüge. Ein anderes Anwendungsgebiet
sind die Futterstoffe, insbesondere dort, wo man von dem Futter eine gewisse Steifigkeit
und Festigkeit, womöglich auch Wetterbeständigkeit fordert. Dies trifft insbesondere
für Anzug- und Hutfutter zu. Bei Verarbeitung geeigneter Grundstoffe können die
neuen Flächengebilde auch als Strohhutersatz und zur Herstellung von Kragen benutzt
werden.