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Pulver zum Abschießen von flügelstabilisierten Granaten aus flachgebohrten
Mörsern Die Erfindung bezieht sich auf Pulver zum Abschießen von flügelstabilisierten
Granaten aus flachgebohrten Mörsern.
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Die Zusammensetzung für diesen Zweck geeigneter Pulver ist stets schwierig
gewesen, da sich flügelstabilisierte Granaten schon in Bewegung setzen, wenn bei
Beginn der Entzündung des Pulvers ein verhältnismäßig geringer Druck auftritt. Während
bei rotationsstabilisierten Granaten der Abschuß erst erfolgt, wenn von dem entzündeten
Pulver ein Druck ausgeübt wird, der hinreicht, um die Züge aus den meistens aus
Kupfer hergestellten Ringen der Granate auszustanzen, ist bisher kein Mittel bekannt,
um bei flügelstabilisierten Granaten eine vorzeitige Bewegung der Granate zu verhindern.
Infolgedessen ist in die innerballistische Zeitintegrale eine gewisse Unbestimmtheit
eingeführt. Dazu sind die Druckverhältnisse, unter denen der Mörser optimale Streuungsergebnisse
haben soll, im Gegensatz zu den mit Zügen ausgestatteten Geschützen sehr verschieden.
Während eine Haubitze mit Druck zwischen 1300 und, 2600 ata arbeitet, ist bei. flachgebohrten
Mörsern mit Druckunterschieden zwischen 50 und 2000 ata zu rechnen.
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Es ist versucht worden, die Unbestimmtheit der Zeitintegrale dadurch
zu mindern, daß die fügelstabilisierten Granaten mit Hilfe einer Grundpatrone abgeschossen
werden, d. h. einer Ladung, deren Verbrennung in einer abgetrennten Vorkammer beginnt
und erst nach außen wirksam wird, wenn der erzeugte Druck hoch genug geworden ist,
um augenblicklich alle Austrittsöffnungen in den Wänden der Grundpatrone auszustanzen
und innerhalb eines kurzen Zeitraumes das Pulver in der Hauptkammer zu entzünden.
Damit ist aber die Schwierigkeit nicht beseitigt, sondern nur verschoben. Deren
die absolut gleichmäßige, stabile Verbrennung der Grundpulverladung in einer Vorkammer
mit großen Ausströmöffnungen zu sichern, stellt schon an sich ein derart unlösbares
Stabilitätsproblem dar, daß die Verwendung einer Grundpatrone praktisch höchstens
als ein Behelfsmittel angesehen werden kann.
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Das zweite Problem, nämlich ausgeglichene Druckverhältnisse herbeizuführen,
versuchte man zu lösen, indem man die Hauptpulvermasse in mehrere Zusatzladungen
von verschiedenen geometrischen Formen unterteilte. Dadurch sollten zur Förderung
einer guten und gleichmäßigen Verbrennung die Pulvergase in bestimmter Weise über
die Oberflächen der noch umverbrannten Pulverplättchen geleitet werden. Aber auch
hierdurch gelang es nicht, die oben beschriebenen Nachteile zu beheben, sondern
höchstens sie etwas abzuschwächen. Die Verbrennung des Pulvers blieb bei kleinem
Druck sehr unregelmäßig; sie verlief schnell an Stellen, an denen sich durch die
Turbulenz eine gewisse Anhäufung bildete, und langsam an Stellen, wo z. B. isolierte
Pulverplättchen gegen eine Wand geworfen wurden. Bei hohem Druck entsteht durch
tangentiale Bewegung der heißen Gase entlang der Ebenen von Pulverplättchen eine
sogenannte erosive Verbrennung, die leicht zu Resonanzerscheinungen führt, die sich
ungünstig auswirken und unter Umständen verursachen, daß der Mörser sogar unverbranntes-Pulver
-init der. Granate ausstößt.
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Das Ziel der Erfindung ist darauf gerichtet, die oben beschriebenen
Nachteile durch Zusätze zu Pulvern zu beheben, welche bisher nicht bei flügelstabilisierten
Granaten Verwendung gefunden haben. Die Erfindung geht dabei von bekannten Pulvern
mit etwa 36 bis 44% Nitroglyzeringehalt und gegebenenfalls Zusätzen von 4 bis 14%
Hexogen aus und beruht auf einer neuen Theorie über die Verbrennung des Pulvers.
Die durch theoretische Überlegungen gefundenen Zusammensetzungen haben sich bei
der praktischen Erprobung sowohl für geringen als auch für hohen Druck bewährt.
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Diese theoretischen Überlegungen gründen sich auf die Beobachtung,
daß es in unmittelbarer Nähe der festen Pulverplättchen und innerhalb der Körnchen
keine echte Verbrennung gibt. Viehmehr schlägt eine Vielzahl von Atomen, Ionen,
Molekülen oder größeren Korpuskeln. mit hoher Energie gegen die Wand der Pulvermasse.
Diese Korpuskel können je nach ihrer Art und Energie: bis etwa 1/100
mm m die Pulvermasse eindringen. Wenn sie beim Aufprall eine genügend große
Energie haben, zerbrechen sie dabei
leicht eine oder mehrere lange
Nitratestermolekülketten. Die erforderliche Aufprallenergie ist natürlich um so
kleiner, je näher die Oberflächentemperatur der Pulverteilchen der Verpuffungstemperatur
liegt. Die Menge der eingeschlagenen Partikeln. kann als dem Gasdruck in grober
Annäherung proportional angenommen werden. Die Energie der Einzelpartikeln. kann
grob durch eine Differentiale der Gaußschen Wahrscheinlichkeitskurve dargestellt
worden. Zur besseren Erläuterung wird die schematische Abbildung einer Kurve gebracht,
bei der die Koordinaten die Menge (N) und die Energie (E) darstellen, während ein
Punkt (A) die mindestens erforderliche Spaltungsenergie angibt (Fig. 1).
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Jedes zerlegte Nitratestermolekiil gibt heiße Gase ab, da die Zerlegung
exothermis.ch verläuft. Die heißen Gase, die .aus der Masse mit einer im wesentliehen
vom Druck unabhängigen Geschwindigkeit ausströmen, nehmen von der Verbrennungsebene
eine erhebliche Energiemenge mit sich und senden nur wenige mit hoher Energie geladene
Moleküle zurück. Die ausströmenden Pulvergase reagieren dann weiter stark exothermisch
miteinander, in einer Weise, die die bekannte helle Flamme ergibt. Bei geringem
Druck und , Orgelrohrrezonanz kann auch ein Teil dieser späteren Reaktion ausbleiben.
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Bei Lagerang unter normalen Temperaturen braucht nur der Teil der
in der Fig.1 gezeigten Kurve in Betracht gezogen zu werden, der rechts von dem Punkt
A liegt. Da die Reaktion der Pulvermasse exothermisch und autokatalytisch ist, wird
zum Verzögern einer zu schnellen Zersetzung in bekannter Weise in das Pulver etwa
1% eines Stabilisators eingemischt. Vor langer Zeit wurde als Stabilisator Diphenylamin
verwendet, daß sich mit den bei der Zersetzung des Pulvers frei werdenden Stickstoffoxyden
verbindet und deren katalysatorische Wirkung verhindert. Da aber Diphenylamin ausgeprägt
exothermisch reagiert und eine Überhitzung des Pulvers bewirken kann, wird in den
letzten Jahrzehnten Diphenylamin durch Diäthylphenylcarbaaülamid oder Zentralit
ersetzt, da dieses eine geringere Erhitzung ergibt. Zum Vergleich werden nachfolgend
die chemischen Formeln für Diphenyiamin und Diäthylphenylcarbanilanüd angegeben.
Diphenylamin Diäthylphenylcarbanlamid |
H H H |
1 @ 1 |
N 11-C-11 H-C-H |
1 l |
0--0 H-C-H H-C-H |
/ |
N-C-N |
/ l1 |
O |
Der Grundgedanke der Erfindung ist dagegen, in das Pulver einen Zusatz in Form eines
Amins einzumischen, das mit noch größerer exothermisaher Wirkung mit den Zersetzungsprodukten
der Nitratesterketten reagiert als Diphenylamin. Die Einmischung eines solchen Zusatzes
ist bei dem aus verhältnismäßig dünnen Plättchen bestehenden Pulver für Mörser weniger
gefährlich als bei Pulver für Geschütze zum Abschießen rotationsstabilisierter Granaten,
das in größeren gebauten Ladungen auf Lager gehalten. wird. Außerdem kann die Menge
der residualen katalytischen Moleküle durch Beifügung geeigneter kleiner Zusatzstabilisatoren
noch geringer gehalten werden.
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Gemäß der Erfindung sind dem Pulver 2 bis 12% Parap>renylendiamin
zugesetzt, das exothermisch mit den Zersetzungsgasen des Pulvers reagiert und die
Wärmemenge in der Verbrennungsebene erhöht.
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Die Formel für Paraphenylendianun ist:
Zweckmäßig wird noch ein Zusatz von 4 bis 14% Hexogen (Hexamethylentetramintrinitrat)
beigefügt.
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Ein eingehendes Studium der Vorgänge beim tangentialen Vorbeiströmen
heißer Gase an einer Pulverebene ergibt, daß die mittlere Strömungsgeschwindigkeit
an der Grenze der Flammenzone quadratisch komponiert mit der wahrscheinlichen Geschwindigkeit
der Moleküle - wie sie aus der Fig. 1 zu ersehen ist - einen Wert ergibt, der praktisch
einer Verschiebung des Punktes A und der° ' Ag. l nach links entspricht. Ein Vergleich
der Zonen ä (C'-C", stabile Zone) und ß (B'-B", Zone erosiver Verbrennung) in der
Fig. 2 kann eine ungefähre Vorstellung davon geben, wie maul mit einem Additiv,
das die exothermische Zerfallsenergie länger in der Reaktionsebene festhält und
nicht mit den ausströmenden Zischgasen abgehen läßt, eine stabilere Reaktion durch
höhere Messetemperatur bei Niederdruck und gleichzeitig einen sehr erosionsfreien
Vorgang bei Hochdruck - und wäre es nur durch geringere Wärme der Zischgase - erreichen
kann (Zone a).
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In dem Bestraben, die Verbrennung noch weiter zu stabilisieren, sind
Versuche mit weiteren Zusätzen der Pulvermasse, wie Trinitrotolnen, gemacht worden.
Als besonders zweckmäßig haben sich Ni9xamine gor zeigt, die dieselbe Gruppe enthalten.
wie Diphenylenamfn. Kleine Zusätze vom. in die wässerige Suspension bei der sogenamnten
lösmittelfreien Pulverfertigung beseitigen die Gefahr; daß die Masse einem Sprengstoff
zu nahe kommt, der dazu neigt, daß in ihm eine Reaktion ohne Aufprall äußerer Korpuskeln
mit eigener innerer Energie sich fortzupflanzen sucht.
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Kleinere Zusätze von Graphit, Calciumsteamt, Ruß, Rizinusöl, Gummi
usw. können noch vorgesehen werden.
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Als Beispiel wird nachfolgend eine Pulverzusammensetzung nach der
Erfindung angegeben.
Beispiel |
Nitrozellulose (13) ..... ... ....... SO ± 4% |
Nitroglyzerin . . . . . . . . . . . . . . ...... 40
± 4 0% |
Paraphenylenäiamin . ... . . . . . . .. . 7 ± 5% |
Agatol, Zentralft (Diäthylphenyl- |
carbanüamid) oder anderer Stabi- |
lisator ........................ 0,8 ± 0,70% |
Hexogen (Hexamethylentetramin- |
trinitrat) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ±
3% |