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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Radialschmieden eines Werkstücks von einem Ausgangszustand in einen Endzustand mittels einer Radialschmiedemaschine, umfassend um den Umfang des Werkstücks angeordnete Schmiedewerkzeuge, vorzugsweise vier Schmiedewerkzeuge, sowie eine Radialschmiedemaschine zur Durchführung eines solchen Verfahrens.
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Radialschmiedemaschinen sind dem Fachmann hinlänglich bekannt und weisen mehrere, normalerweise vier, Werkzeuge auf, welche üblicherweise gleichzeitig auf das Werkstück einwirken. Dadurch wird eine Breitung des Werkstücks nahezu vollständig vermieden, es kommt somit beim Radialschmiedevorgang üblicherweise nur zu einer Werkstücklängung bei der Umformung aus einem Ausgangszustand in einen Endzustand mit entsprechenden Geometrien.
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Wenn das Werkstück einmal über die gesamte Länge umgeformt ist, wird von einer Überschmiedung oder einem Stich gesprochen. Während eines Stichs wird das Werkstück durch mehrmaliges Einwirken der Werkzeuge umgeformt, ein Einwirken der Werkzeuge kann auch als Hub- oder Werkzeughub bezeichnet werden. Die gesamte Umformung des Werkstücks erfolgt in der Regel durch nacheinander ablaufende Stichfolgen in Form eines Stichplans. Ein Stichplan besteht somit aus mehreren Stichen und beschreibt die Entwicklung der Werkstückgeometrie vom Ausgangszustand zum gewünschten Endzustand.
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Grundsätzlich kann der Umformprozess auf einer Radialschmiedemaschine in zwei Umformarten unterteilt werden, nämlich einerseits das Umformen, bei dem das Werkstückgefüge derart ausgebildet wird, dass die geforderte Werkstückqualität bei möglichst hoher Produktivität eingestellt wird, und andererseits das sogenannte Schlichten, bei dem die Oberfläche entsprechend optimiert wird. Beim Schlichten von Rundquerschnitten wird üblicherweise ein kleiner Drehwinkel mit kleinem Werkstückvorschub verwendet, um eine möglichst glatte und ansprechende Oberfläche zu erhalten.
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In den in Rede stehenden Radialschmiedemaschinen sind eine Reihe von Schmiedestrategien oder Betriebsmodi bekannt, wie folgt:
- A) Die weitverbreitetste Strategie erfolgt so, dass die Werkstückumformung in einem Spiralschmiedemodus durchgeführt wird. Dabei wird das Werkstück nach jedem Werkzeughub um einen definierten Winkel gedreht und derart bewegt, dass im nachfolgenden Hub ein Bereich, der noch keine vollständige Umformung erfahren hat, mit Hilfe der Werkzeuge umgeformt wird. Somit wird im gesamten Stich eine vollständige Oberflächenüberdeckung des Werkstücks durch das Werkzeug erreicht. Bei diesem Spiralschmiedemodus ist die Bewegung, also der mögliche Vorschub, durch die maximale Werkzeuglänge sowie den Drehwinkel zur Drehung des Werkstücks begrenzt. Bei dieser Spiralschmiedestrategie sind immer alle, vorzugsweise vier, Schmiedewerkzeuge bei jedem Hub in Bewegung und nehmen somit an der Umformung teil und formen das Werkstück in gleicher Form um.
- B) Eine weitere bekannte Schmiedestrategie sieht vor, dass ebenfalls alle, vorzugsweise 4, Schmiedewerkzeuge bei jedem Hub das Werkstück umformen, jedoch erfolgt zwischen den Hüben keine Werkstückdrehung. Diese Strategie wird als Geradeausmodus bezeichnet und weist eine gewisse Ähnlichkeit mit den gängigen Schmiedeverfahren auf Freiformschmiedepressen auf. Durch den Verzicht der Werkstückdrehung nach einem Hub ist es möglich, den Vorschub im Vergleich zur Spiralschmiedestrategie zur vergrößern. Beim beispielsweise Schmieden eines Achtkantquerschnitts findet in diesem Stich somit keine vollständige Überschmiedung der Werkstückoberfläche statt.
- C) Eine bisher nur selten angewandte Schmiedestrategie für Radialschmiedemaschinen ist eine solche, bei der die vorliegenden Werkzeuge paarweise angesteuert werden. Hierbei werden sich gegenüberliegende Werkzeuge gemeinsam angesteuert und nehmen an der Umformung teil, andere Werkzeuge werden zu einem anderen Zeitpunkt oder mit einem anderen Zielmaß angesteuert. Diese Schmiedestrategie wird auch als Flachmodus bezeichnet. Im Flachmodus ist es ebenfalls möglich, dass ein Werkzeugpaar während des Stiches auf einem Zielmaß verbleibt und dem freien Werkstofffluss in lateraler Richtung, der durch das vollständig an der Umformung teilnehmende Werkzeugpaar hervorgerufen wird, zumindest begrenzt.
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Üblicherweise wird eine der drei oben genannten Schmiedestrategien für die Umformung eines Werkstücks angewendet. Nachdem die gewünschte Umformung erfolgt ist, erfolgt dann zur Sicherstellung einer ansprechenden Oberfläche üblicherweise noch ein Schlichtprozess mit einer um den Umfang des Werkstücks herum begrenzten Umformung zu einem Werkstück mit gewünschter Endgeometrie und gewünschter Oberflächenbeschaffenheit und gewünschtem Erscheinungsbild.
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Ausgehend von dem oben beschriebenen Stand der Technik war es eine Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zum Radialschmieden eines Werkstücks sowie eine Radialschmiedemaschine, die ausgelegt und eingerichtet ist, dieses Verfahren auszuführen, zur Verfügung zu stellen, die einen optimierten Stichplan und eine optimierte Werkstückbeschaffenheit ergeben.
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Diese Aufgabe wird im erfindungsgemäßen Sinne mit einem Verfahren, umfassend die Merkmale des Anspruchs 1, sowie einer Radialschmiedemaschine, umfassend die Merkmale des Anspruchs 10, gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind insbesondere in den abhängigen Ansprüchen dargelegt.
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Erfindungsgemäß wird ein Verfahren zum Radialschmieden eines Werkstücks von einem Ausgangszustand in einen Endzustand zur Verfügung gestellt, wobei das Radialschmieden vorzugsweise mehrfach einem Stichplan folgend von einem Ausgangszustand in einen Endzustand mittels einer Radialschmiedemaschine erfolgt, welche um den Umfang des Werkstücks angeordnete Schmiedewerkzeuge umfasst. Vorzugsweise sind vier Schmiedewerkzeuge um den Umfang des Werkstücks herum angeordnet. Die Radialschmiedemaschine ist so ausgelegt und eingerichtet, dass sie das Radialschmieden in mindestens drei Betriebsmodi ausführen kann, nämlich A) im Spiralmodus, B) im Geradeausmodus und C) im Flachmodus. Erfindungsgemäß erfolgt die Umformung des Werkstücks von einem Ausgangszustand zu einem Endzustand in einer Abfolge von Radialschmiedestichen, wobei wenigstens zwei der drei unterschiedlichen Betriebsmodi aufeinanderfolgend, d. h. unmittelbar und ohne Zwischenstich aufeinanderfolgend angewandt werden.
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Als Stich bezeichnet die Erfindung eine Abfolge von Umformungsvorgängen in einem vorher festgelegten Betriebsmodus über die gesamte Länge des Werkstücks oder zumindest eine vorgegebene Teillänge des Werkstücks. Erfindungsgemäß soll das Verfahren zum Radialschmieden wenigstens zwei unterschiedliche und aufeinander abfolgende Betriebsmodi umfassen, so beispielsweise einen ersten Stich im Spiralmodus, gefolgt von einem zweiten Stich im Geradeausmodus, gefolgt wiederum von einem dritten Stich im Spiralmodus, gegebenenfalls sich anschließend ein Flachmodus. Jede denkbare Kombination von Betriebsmodi bei der Stichabfolge ist vom Erfindungsgedanken umfasst, solange zwei aufeinander folgende Stiche unterschiedliche Betriebsmodi umsetzen. Dies bedeutet, dass auch Stichabfolgen vom Erfindungsgedanken umfasst sind, bei denen mehrere aufeinanderfolgende Stiche einen gleichen Betriebsmodus umsetzen, dann aber gefolgt von einem anderen Betriebsmodus. Gegebenenfalls und bevorzugt wird am Ende des Umformprozesses innerhalb des erfindungsgemäßen Verfahrens eine Oberflächenoptimierung durch einen Schlichtstich erreicht. Der Schlichtstich bleibt erfindungsgemäß als Umformoperation unberücksichtigt und stellt somit keinen eigenen Betriebsmodus dar.
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Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren kann eine Verbesserung der lokalen Formänderung und somit eine Verbesserung der Produktqualität erreicht werden. Ebenso kann eine Verkürzung der Prozesskette durch Verringerung von Vorschmiedeprozessen erreicht werden. Das erfindungsgemäße Verfahren erlaubt ein auf das Werkstück und dessen Werkstoffgüte optimal angepasstes Umformverfahren, insbesondere bei bestmöglicher Durchschmiedung des Werkstücks insgesamt und unter Berücksichtigung der Formänderungsverteilung innerhalb des Werkstücks.
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Bevorzugt wird, wenn die Anwendung und/oder die Reihenfolge der unterschiedlichen Betriebsmodi in Abhängigkeit vom Werkstoff des Werkstücks erfolgt. Vorteilhaft können hierbei die bei bestimmten Werkstoffen besonders zu berücksichtigenden Anforderungen bei Erstellung des Stichplans herangezogen werden. Insbesondere wird bevorzugt, wenn verschiedene Werkstoffe in Werkstoffklassen zusammengefasst werden können, die gegebenenfalls einer gleichen Abfolge von Betriebsmodi unterzogen werden können. Diese Werkstoffklassen sind beispielsweise: Kohlenstoffstähle, Vergütungsstähle, Schnellarbeitsstähle, Kaltarbeitsstähle, Warmarbeitsstähle, Rost- und Säurebeständige Stähle, Nickel-Basis-Legierungen, Hochwarmfeste Stähle und Titanlegierungen, um nur einige zu nennen. Für jede Werkstoffklasse können besondere Anforderungen hinsichtlich des Radialschmiedeverfahrens bestehen, die dann werkstoffabhängig Einfluss auf die Auswahl der Betriebsmodi und die Reihenfolge der anzuwendenden Betriebsmodi haben können.
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Bevorzugt wird in diesem Zusammenhang, wenn im Betriebsmodus des Spiralmodus ein Drehen des Werkstücks in einem vorab festgelegten Drehwinkel um seine Längsachse nach jedem Schmiedewerkzeughub erfolgt. Hierbei wird bevorzugt, wenn sämtliche Schmiedewerkzeuge an der Umformung vorzugsweise gleichmäßig teilnehmen.
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In einer ebenso bevorzugten Ausführungsform der Erfindung erfolgt beim Betriebsmodus des Geradeausmodus keinerlei Drehen des Werkstücks um seine Längsachse nach jedem Werkzeughub. Besonders bevorzugt wird in diesem Zusammenhang, wenn alle Schmiedewerkzeuge vorzugsweise gleichmäßig an der Umformung teilnehmen.
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In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindung erfolgt im Betriebsmodus des Flachmodus nur eine Umformung durch gegenüberliegend angeordnete Schmiedewerkzeuge, vorzugsweise von zwei einander gegenüberliegenden Schmiedewerkzeugen aus einer Gesamtanzahl von vier um den Umfang des Werkstücks angeordneten Schmiedewerkzeugen. Im Flachmodus können die an einer ersten Umformoperation nicht oder nur begrenzt teilnehmenden Werkzeuge zeitlich oder hinsichtlich des Umformmaßes anders als die oben beschriebenen und an der Umformung teilnehmenden Schmiedewerkzeuge angesteuert werden. Ebenso können die an der Umformung nicht teilnehmenden Schmiedewerkzeuge nur an das Werkstück heran angestellt werden, um eine seitliche Breitung des Werkstücks während des Radialschmiedevorgangs zumindest zu begrenzen und vorzugsweise gänzlich zu unterbinden. Schließlich können die an der Umformung nicht teilnehmenden Schmiedewerkzeuge selbstverständlich auch in einer Ausgangsposition verbleiben und zumindest zeitlich begrenzt keinen Kontakt zum Werkstück aufnehmen.
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Bevorzugt wird das erfindungsgemäße Verfahren mit einer Steuerungseinrichtung durchgeführt, die dazu ausgelegt und eingerichtet ist, eine für das Werkstück optimale Stichabfolge zu berechnen und dann der Radialschmiedemaschine so vorzugeben, dass die optimale Stichabfolge durchgeführt wird. Besonders bevorzugt wird in diesem Zusammenhang, wenn die Ansteuerung der Radialschmiedemaschine auf Basis eines Stichplanberechnungsprogramms ausgeführt wird, welches eine optimale Stichabfolge unter Berücksichtigung der optimalen Schmiedestrategien erzeugt. Vorzugsweise wird neben der Start- und Endgeometrie des Werkstücks auch die Starttemperatur, beispielsweise die Ofentemperatur, und besonders bevorzugt auch die Werkstoffgüte vorgegeben. Das Technologieprogramm kann dann unter Verwendung aller möglichen Schmiedestrategien die beste Stichabfolge berechnen. Besonders bevorzugt wird, wenn die Zwischenabmessungen nach jedem Werkzeughub sowie die Schmiedestrategie derart berechnet werden, dass die beste Formänderungsverteilung am Ende der Stichabfolge erreicht wird. Dies kann beispielsweise durch Vergleich der Formänderungsverteilung zum Prozessende unter Berechnung aller möglicher Kombinationen von Stichabfolgen sowie Stichen unterschiedlicher Betriebsmodi erfolgen. Die Auslegung der Schmiedestrategie erfolgt insbesondere bevorzugt unter Berücksichtigung der Anlagenkraft sowie der verfügbaren Werkzeuggeometrien.
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Ein für derartige Zwecke besonders geeignetes Technologieprogramm zur Stichplanberechnung stellt das Comforge® Technologiepaket dar, dass mit dem Daten allen industriell relevanten Werkstoffen alle Voraussetzungen besitzt, die entsprechenden Schmiedepläne zu berechnen. Durch Comforge® steht den Anlagenbetreibern eine umfassende Datenbank für störungsfreie und technologisch bewährte Schmiedeprozesse zur Verfügung. Besonders bevorzugt wird, wenn ein Automationssystem alle Anlagenbauteile, Steuerungseinrichtungen und Sensoren überwacht und steuert. Hierdurch kann bei geeigneter Anwendung des Comforge® Technologiepakets der Ablauf des Schmiedens vom Start bis zum Ende die Geometrie der Umformung, die dabei einwirkenden Kräfte und zu beachtenden Temperaturen sowie die Zeit für jeden Stich für den gesamten Schmiededurchgang vorberechnet und modelliert werden.
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Gemäß einem zweiten Aspekt der vorliegenden Erfindung wird eine Radialschmiedemaschine zur Durchführung des Verfahrens gemäß dem ersten Aspekt der Erfindung zur Verfügung gestellt. Erfindungsgemäß ist die Radialschmiedemaschine mit einer Steuerungseinrichtung versehen, die dazu ausgelegt und eingerichtet ist, die Ansteuerung der Radialschmiedemaschine auf Basis eines Stichplanberechnungsprogramms auszuführen. Dieses Stichplanberechnungsprogramm berücksichtigt bevorzugt die Start- und gewünschte Endgeometrie sowie die Starttemperatur des Radialschmiedevorgangs sowie die Werkstoffgüte des Werkstücks selbst.
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Besonders bevorzugt wird in diesem Zusammenhang, wenn das Stichplanberechnungsprogramm auch Zwischenabmessungen des Werkstücks mit dem Ziel einer optimalen Formänderungsverteilung am Werkstück berücksichtigt.
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Gemäß der Erfindung wird dem Anlagenbetreiber ein Verfahren sowie eine hierfür vorgesehene Radialschmiedemaschine zur Verfügung gestellt, die in der Lage sind, eine optimale Umformung des Werkstücks angepasst auf die Werkstoffgüte und unter Anwendung einer Abfolge von vergleichsweise leicht beherrschbaren Prozessen zu ermöglichen.