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Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur Führung eines Radsatzes im Fahrwerk eines Schienenfahrzeuges, wobei der Radsatz eine Radsatzwelle, zwei Räder und zwei Radsatzlagergehäuse, in denen die Radsatzwelle gelagert ist, aufweist, mindestens ein Radsatzlagergehäuse mittels mindestens eines federnden Elementes mit dem Fahrwerk des Schienenfahrzeuges verbunden ist und das Fahrwerk des Schienenfahrzeuges eine Anordnung von Gleitflächen aufweist, welche ein solches Radsatzlagergehäuse in vertikaler Richtung führen.
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Die Führungsvorrichtungen für die Radsätze von Schienenfahrzeugen sollen eine ausreichend gute Bewegungsmöglichkeit der Radsätze insbesondere bei Kurvenfahrten gewährleisten. Sie dienen dazu, die Eigenbewegung der Radsätze zu kontrollieren und hohe Amplituden in diesen Eigenbewegungen zu begrenzen bzw. auszuschließen. In der Regel besteht der Radsatz eines Schienenfahrzeuges aus zwei Spurkranzrädern, welche mit einer starren Radsatzwelle bzw. -achse verbunden sind. Diese Starrheit der Radsatzwelle impliziert zwangsläufig eine identische Drehgeschwindigkeit beider Spurkranzräder. Beim Durchfahren einer Kurve muss das äußere Rad eines jeden Radsatzes aber eine längere Distanz durchlaufen als das innere Rad. Somit wäre ein solcher Radsatz bei Kurvendurchfahrten einem erheblichen Schlupf unterworfen. Um dies zu vermeiden, wird die lastaufnehmende Oberfläche der Spurkranzräder konisch ausgebildet, so dass der Raddurchmesser in Richtung der Mittellinie des Schienengleises anwächst. Durch die Konizität der Laufflächen können unterschiedliche Radgeschwindigkeiten ausgeglichen werden. Wenn ein Radsatz eine Kurve durchfährt, trifft die Tangentialrichtung der Räder mit der Tangentialrichtung der Kurve zusammen, so dass die Räder radial zum Außenradius der Kurve hin gezwungen werden. Dies bedingt eine Querverschiebung der Räder bzw. des Radsatzes weg von der Spurmitte und nach außen in Richtung der Kurventangente. In Folge dieser Querverschiebung wächst der Radumfang des äußeren Rades in Folge von dessen konisch ausgeführter Lauffläche an. Der Radumfang des kurveninneren Rades nimmt entsprechend ab. Auf diese Weise können die unterschiedlichen Laufstrecken der Räder eines starren Radsatzes bei der Kurvendurchfahrt ausgeglichen und Schlupferscheinungen beim Abrollen der Räder auf den Schienen vermieden werden. Gleichwohl ist es erforderlich, dass die Radsätze radial zur Kurve ausgerichtet bleiben. Für solche Radsatz-Führungsvorrichtungen, bei denen die Radsatzlagergehäuse mittels federnder Elemente mit dem Fahrwerk des Schienenfahrzeuges verbunden sind, resultiert hieraus die Anforderung, dass diese federnden Elemente eine möglichst geringe Federsteifigkeit aufweisen.
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Allerdings würde eine solche geringe Federsteifigkeit bei dem sich außerhalb der Kurvendurchfahrten aufgrund der Laufflächen-Konizität einstellenden freien Sinuslauf des Radsatzes zu hohen Anlaufwinkeln der Spurkranzräder gegen die Schienenköpfe führen, was aus Gründen einer stabilen Fahrdynamik und wegen des damit verbundenen hohen Verschleißes und der latenten Gefahr des Aufkletterns eines Spurkranzes auf den Schienenkopf bzw. des Entgleisens des Schienenfahrzeuges wiederum unerwünscht ist. Somit ergeben sich Anforderungen, die auf eine möglichst steife Auslegung der genannten federnden Elemente abzielen.
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Diesem offenkundigen Widerspruch zwischen einer möglichst geringen und einer möglichst hohen Federsteifigkeit wird nach dem Stand der Technik meist durch die Verwendung von passiven Dämpfungselementen begegnet. Es sind auch Ansätze bekannt, bei denen ein aktives Ansteuern der Radsatzführungsvorrichtungen erfolgt.
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Allerdings sind alle diese Lösungen konstruktiv aufwändig. Insbesondere bei Güterwagen konnten sich derartige Lösungsansätze wegen des damit verbundenen hohen Investitionsaufwandes und des wartungsintensiven Betriebes bislang nicht durchsetzen.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine nach dem Gattungsbegriff des Patentanspruches 1 ausgeführte Vorrichtung zur Führung eines Radsatzes im Fahrwerk eines Schienenfahrzeuges bereitzustellen, welche die divergierenden und widersprüchlich anmutenden Anforderungen an die Steifigkeiten der federnden Lagerung auf konstruktiv einfache Weise lösen.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe in Verbindung mit dem Oberbegriff des Patentanspruches 1 dadurch gelöst, dass die mit den Gleitflächen kontaktierbaren Außenflächen des Radsatzlagergehäuses eine sich entlang der Längsachse des mindestens einen federnden Elementes in Ausfeder-Richtung verjüngende Kontur sowie die Gleitflächen einen sich in derselben Ausfeder-Richtung verjüngenden freien Abstand zueinander aufweisen.
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Die Kernidee der Erfindung basiert darauf, die unterschiedlichen Beladungszustände eines Schienenfahrzeuges zur Änderung der Steifigkeit der Radsatzführungsvorrichtung auszunutzen. Das vertikale Spiel der Radsatzführung in Bezug auf das Fahrwerk des Schienenfahrzeuges ist gemäß der Erfindung durch die Ein- bzw. Ausfederung des federnden Elementes unter dem Einfluss unterschiedlicher Fahrzeugmassen bzw. unterschiedlicher Zuladungs-Zustände variierbar und somit sind unterschiedliche Steifigkeiten in Längs- aber auch in Querrichtung erzeugbar.
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Die von der Gesamtheit aller Gleitflächen gebildete Kontur bzw. Hüllkurve entspricht dabei der Außenkontur des Radsatzlagergehäuses. Die Gesamtmasse des Schienenfahrzeuges erreicht im leeren Beladungszustand ein Minimum, im Zustand der größtmöglichen Zuladung ein Maximum. Dabei soll gemäß der Erfindung die maximale Reibfläche zwischen den Gleitflächen des Fahrwerkes und dem Radsatzlagergehäuse nur dann zum Eingriff kommen, wenn das Schienenfahrzeug die geringste Gesamtmasse aufweist (also beispielsweise unbeladen ist) und sich das Radsatzlagergehäuse im Zustand der maximalen Ausfederung in Bezug auf das Fahrwerk des Schienenfahrzeuges befindet. Auf diese Weise wird bei gattungsgemäßen Schienenfahrzeugen, die wegen geringer oder fehlender Zuladung eine geringe Gesamtmasse aufweisen, die Steifigkeit der Radsatzführung erhöht und damit die Gefahr hoher Anlaufwinkel der Spurkranzräder gegen die Schienen verringert. Bei schweren Fahrzeugen mit hoher Gesamtmasse hingegen befindet sich das Radsatzlagergehäuse im Zustand der minimalen Ausfederung (bzw. maximalen Einfederung) in Bezug auf das Fahrwerk des Schienenfahrzeuges Der Reibkontakt zwischen den Gleitflächen des Fahrwerkes und dem Radsatzlagergehäuse ist nur noch minimal bzw. gänzlich aufgehoben. Die Steifigkeit der Radsatzführung wird auf diese Weise verringert und damit die radiale Einstellbarkeit der Radsätze bei Kurvendurchfahrten verbessert. Das Problem zu hoher Anlaufwinkel zwischen Spurkranzrad und Schiene besteht bei Schienenfahrzeugen mit hoher Gesamtmasse in der Regel ohnehin nicht, da schon allein die höheren Massen stabilisierend wirken und die Amplituden des Sinuslaufes eines Radsatzes dämpfen.
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Das erfinderische Konzept ist dabei sowohl bei Einzelachslaufwerken wie auch bei Drehgestell-Laufwerken anwendbar. Ein besonders günstiger Anwendungsbereich eröffnet sich bei innengelagerten Drehgestellen. Optional kann durch eine zusätzliche Federung in der Sekundärstufe (also zwischen Drehgestellrahmen und Fahrzeugrahmen) eine in der Primärstufe erfindungsgemäß ausgeführte Federung noch feinstufiger adaptieren.
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Die Reibpaarung kann zusätzlich durch geeignete Auswahl der Oberflächentexturen bzw. Belagsmaterialien beider Reibflächen beeinflusst werden.
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Gemäß einer ersten Ausführungsvariante der Erfindung ist das Radsatzlagergehäuse in Form eines Kegelstumpfes ausgeführt, an dessen größerer Grundfläche das federnde Element angreift. Sofern es sich um einen in Bezug auf seine Längsachse rotationssymmetrischen Kegelstumpf handelt, weisen lotrechte Ebenen durch den Kegelstumpf kreisförmige Schnitte bzw. Außenkonturen auf. In diesem Sonderfall ergäbe sich wegen der in Fahrzeuglängs- und -querrichtung symmetrischen Geometrien ein Verhältnis von Quer- zu Längssteifigkeit von 1:1.
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Eine hierzu alternative Ausführungsvariante sieht vor, dass das Radsatzlagergehäuse in Form eines Pyramidenstumpfes ausgeführt ist, an dessen größerer Grundfläche das federnde Element angreift. Die Gleitflächen sind dann hierzu korrespondierend in Form mindestens zweier zueinander angewinkelter Wangen ausgeführt. Im Gegensatz zur konischen Ausführung in Form eines Kegelstumpfes ermöglicht diese Ausführungsvariante die Einstellung unterschiedlicher Steifigkeitsverhältnisse in Quer- bzw. in Längsrichtung des Schienenfahrzeuges. Eine in beiden Richtungen identische Steifigkeit würde nur dann erreicht werden, wenn die Gleitflächen jeweils identische Winkel in Bezug auf die Quer- bzw. Längsachse des Schienenfahrzeuges aufweisen. Durch Variation des Anstellwinkels kann das Verhältnis von Quer- zu Längssteifigkeit verändert werden.
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Gemäß einer sinnvollen Weiterentwicklung der Erfindung ist vorgesehen, dass die Gleitflächen auf einer gegen das Fahrwerk abfedernden Zwischenebene aufgebracht sind. Die Zwischenebene ist bevorzugt schichtartig aufgebaut.
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Alternativ hierzu können aber auch die mit den Gleitflächen kontaktierbaren Außenflächen auf einer gegen das Radsatzlagergehäuse abfedernden Zwischenebene aufgebracht sein.
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Der Erfindungsgedanke wird in nachfolgenden Figuren verdeutlicht. Es zeigen:
- 1 steife Führungsvorrichtung im leeren Zustand des Schienenfahrzeuges
- 2 weiche Führungsvorrichtung im beladenen Zustand des Schienenfahrzeuges
- 3 Draufsicht entlang einer Schnittebene A-A (2)
- 4 steife Führungsvorrichtung im leeren Zustand des Schienenfahrzeuges; mit zusätzlicher federnder Zwischenebene
- 5 weiche Führungsvorrichtung im beladenen Zustand des Schienenfahrzeuges; mit zusätzlicher federnder Zwischenebene
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In 1 ist die Führungsvorrichtung im leeren Zustand des Schienenfahrzeuges dargestellt. Auf den Radsätzen des Schienenfahrzeuges ruht die geringstmögliche Last. Das Radsatzlagergehäuse (1) befindet sich in einer Position mit maximal ausgelenktem Federelement (5). Die Außenflächen (2) des Radsatzlagergehäuses (1) sind mit einem maximalen Flächenanteil im Reibkontakt mit den Gleitflächen (4), welche im hier gezeigten Beispiel Bestandteile eines Drehgestellrahmens (3) sind. Der in 1 sichtbare Spalt ist in Realität geschlossen und dient hier nur der besseren Darstellbarkeit. Die Führungsvorrichtung befindet sich im Zustand maximaler Steifigkeit sowohl in Quer- als auch in Längsrichtung des Schienenfahrzeuges (jeweils in Bezug auf die Fahrzeuglängsachse).
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In 2 ist die Führungsvorrichtung im beladenen Zustand des Schienenfahrzeuges dargestellt. Auf den Radsätzen des Schienenfahrzeuges ruht die maximale Last. Das Radsatzlagergehäuse (1) befindet sich in einer Position mit maximal eingefedertem bzw. minimal ausgelenktem Federelement (5). Die Außenflächen (2) des Radsatzlagergehäuses (1) weisen nur noch einen geringstmöglichen bzw. gar keinen Reibkontakt mit den Gleitflächen (4) auf. Auch in 2 ist der Spalt zwischen beiden Flächen zum Zwecke der prinzipiellen Veranschaulichung stark übertrieben dargestellt. Die Führungsvorrichtung befindet sich im Zustand minimaler Steifigkeit sowohl in Quer- als auch in Längsrichtung des Schienenfahrzeuges (jeweils in Bezug auf die Fahrzeuglängsachse).
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3 zeigt die Führungsvorrichtung aus 2 in einem Querschnitt längs der Schnittlinie A-A. Hier wird sichtbar, dass das Radsatzlagergehäuse (1) nicht in Form eines Kegelstumpfes ausgeführt ist, sondern eine viel-eckige (hier z.B. sechseckige) Außenkontur aufweist. Im Zuge der konkreten Ausgestaltung der Außenkontur des Radsatzlagergehäuses kann durch Variation des Anstellwinkels der Außenflächen (2) in Bezug zur Fahrzeuglängs- bzw. querrichtung das Verhältnis von Quer- zu Längssteifigkeit variiert werden.
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Die Darstellungen in den 4 und 5 korrespondieren mit den Darstellungen in den 1 und 2 dahingehend, dass in beiden eine erfindungsgemäße Führungsvorrichtung im leeren (4) bzw. beladenen (5) Zustand des Schienenfahrzeuges dargestellt ist. Ergänzend hierzu wird eine Ausführungsvariante gezeigt, wonach die Gleitflächen (4) auf einer gegen das Fahrwerk abfedernden Zwischenschicht (7) aufgebracht sind. Die hierzu alternativ Ausführungsvariante, bei der die Außenflächen auf einer gegen das Radsatzlagergehäuse abfedernden Zwischenebene aufgebracht sind, ist hier nicht bildlich dargestellt.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Radsatz-Lagergehäuse
- 2
- Außenfläche des Radsatz-Lagergehäuses (1)
- 3
- Drehgestellrahmen
- 4
- Gleitfläche
- 5
- federndes Element; Federelement
- 6
- Radsatzwelle
- 7
- abfedernde Zwischenschicht; abfedernde Zwischenebene
- 8
- Längsachse des federnden Elementes (5)