Flächiger aus Faserstoffen bestehender Werkstoff und Verfahren zu dessen Herstellung
Die Erfindung betrifft einen flächigen Werkstoff aus einem Cellulose enthaltendem Faserstoff als Halb¬ stoff, insbesondere Papiere, Pappe oder Karton, wobei der Faserstoff durch Borax vorbehandelt worden ist und ein Verfahren zu dessen Herstellung.
Flächige aus einem Faserstoff bestehende Werkstoffe wie Papiere, Pappe oder Karton bestehen im Wesentli¬ chen aus einem Faserstoff als Halbstoff sowie aus Pa¬ pierhilfsmitteln. Bei dem Faserstoff als Halbstoff werden Holzstoff, Zellstoff und/oder Altpapier einge- setzt. Zur Herstellung dieses flächigen Werkstoffes wird dabei zuerst aus dem fasrigen Halbstoff durch Entwässerung der Faserstoffaufschwemmung auf einem Sieb ein Faserfilz gebildet. Der dabei entstehende Faserfilz wird dann anschließend verdichtet und ge- trocknet. Das Flächengewicht beträgt dabei im Allge-
meinen bis zu 225 g/m2. Bei Flächengewichten > 225 g/m2 spricht man von Pappe. Der Begriff Karton mit Flächengewichten von 150 bis 600 g/m2 umfasst dabei sowohl Papier als auch Pappesorten.
Derartige cellulosehaltige Werkstoffe werden in viel¬ fältiger Form als Büromaterial aber auch im Baugewer¬ be eingesetzt. Insbesondere im Baugewerbe besteht die Forderung, dass eingesetzte Werkstoffe flammenhemmen- de bzw. flammendämmende Eigenschaften besitzen. Diese Anforderungen werden gegenwärtig nur teilweise bzw. zum geringen Teil erfüllt. Gleichwohl besteht großes Interesse, celluloshaltige Stoffe, z.B. als Dämm- und Isoliermaterial einzusetzen, da als Ausgangsstoff Re- cycling-Materialien eingesetzt werden können und gute Isolationseigenschaften nachgewiesen werden können.
In der Literatur sind vielfältige Versuche bekannt, cellulosehaltige Werkstoffe durch Tränken oder Be- schichten zumindest schwer entflammbar zu gestalten.
Zusätze wie Ammoniumsulfat als flammenhemmendes Mate¬ rial sind inzwischen nicht mehr zugelassen, da unter Hitze giftige Zusätze freigesetzt werden und eine korrosive Wirkung der säurehaltigen Beiprodukte auf elektrische Leitungen besteht.
Unbedenklich ist dabei der Einsatz von Borverbindun¬ gen. So wird in der DE 195 16 186 ein Dämmmaterial mit Eigenschaften der Brandklasse Bl beschrieben, bei den cellulosehaltigen Ausgangsstoffen u.a. mit Borax- pentahydrat, Boraxdecahydrat, Borax-Polybor und/oder Borsäure versetzt wird. Die trockenen Fasern werden dabei durch Aufsprühen einer wässrigen Lösung von Bo- rax imprägniert und dann anschließend mit weiteren Bindemitteln versetzt.
Die Effizienz des Einsatzes von relativ teuren Zu¬ satzstoffen kann, erhöht werden, wenn, wie in der US 4,370,249 beschrieben, außer der Borverbindung, Talkum hinzugegeben wird. Talkum unterstützt nicht die Verbrennung. Der Gewichtsverlust bei Erhitzung entspricht dem Wasserverlust des Talkums, was die flammenhemmende Wirkung des Borax unterstützt. Zudem werden die hydrophoben Eigenschaften des cellulose- haltigen Werkstoffes verbessert.
Allgemein wird ein Zusatz von pulverisierter Borsäure
(H3BO3) und pulverisiertem Borax (Na2B4O7 5H2O) Natri- umteraboratpentahydrat, im Verhältnis 1:2 bis 1:4 ge- mixt, in der einschlägigen Industrie als bestes, aber teures Mittel für den Flammschutz von Cellulosepro- dukten eingeschätzt (vgl. US 6,025,027) . Als weitere Nachteile dieser festen Stoffe, die den trockenen Fa¬ sern zugesetzt werden, werden der Abrieb in den ent- sprechenden Mühlen und entsprechende Sicherheitsan¬ forderungen für den Staub gesehen.
In der US 6,025,027 wird dann auch versucht, die Zu¬ satzstoffe in flüssiger Form dem Prozess zuzuführen. Dazu wird Borax mit Alkalihydroxid behandelt, um ein Metaborat zu erzeugen. Das Metaborat wird auf die Fa¬ sern aufgesprüht. Anschließend wird das Metaborat durch Aufsprühen einer Säure zur Neutralisierung des alkalischen Materials behandelt.
Na2B4O7 - H2O + 2Na (OH) + 2H2O → 2Na2O . B2O3 . 4H2O
Na2O . B2O3 . 4H2O + H2SO4 → 2H3BO3 + Na2SO4 . 2H2O+H2
Einen kompletten Prozess (Aufsprühen auf Cellulose und anschließend Trocknen durch Heißluft) zur Her-
Stellung von cellulosehaltigen Bahnen beschreibt die US 5,534,301. Zur Vermeidung pulverförmiger Zuschlag¬ stoffe mit den oben genannten Nachteilen werden Zu¬ sätze aus einer Mischung von Ammoniumsulfat, Monoam- moniumphosphat, Diammoniumphosphat, Borsäure, Alumi¬ niumsulfat, Natriumtetraborat, Eisensulfat, Zinksul¬ fat in flüssiger Form vorgeschlagen, die bereits in früheren Schritten beschrieben worden sind.
U.a. kann auf eine Schrift US 2,386,471 bzw. AT 13783 von Herz bezogen werden, bei der eine wässrige feuer¬ feste Lösung bestehend aus Borax, Ammoniumphosphat und Ammoniumchlorid für die Imprägnierung verschiede¬ ner Materialien vorgeschlagen wird.
Aus dem Stand der Technik sind jedoch bisher keine flächigen Werkstoffe, insbesondere Papier, Karton oder Pappwerkstoffe bekannt, die eine hohe flammen¬ hemmende Wirkung besitzen, insbesondere Werkstoffe, die die Bedingungen der Brandklasse B1-A2 DIN4102 er¬ füllen. Es ist deshalb die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, entsprechende flächige Werkstoffe an¬ zugeben, die die Bedingungen nach der vorstehend er¬ wähnten Brandklasse erfüllen und ein Verfahren zur Herstellung dieser Werkstoffe anzugeben.
Die Aufgabe wird in Bezug auf die flächigen Werkstof¬ fe durch die Merkmale des Patentanspruchs 1 und in Bezug auf das Verfahren zur Herstellung durch die Merkmale des Anspruchs 6 gelöst. Die Unteransprüche zeigen vorteilhafte Weiterbildungen auf.
Erfindungsgemäß wird somit vorgeschlagen, dass der Cellulose enthaltende Faserstoff als Halbstoff, als wesentliche Komponente der flächigen Werkstoffe, durch ein spezielles Vorbehandlungsverfahren herge-
stellt wird. Gemäß der Erfindung wird der Halbstoff durch Tränken des Halbstoffes in einer gesättigten wässrigen Boraxlösung und anschließendem Trocknen so¬ wie Vermischen des so hergestellten Halbstoffes mit Borax erhalten. Wesentliches Element ist dabei, dass dem Halbstoff eine wässrige Boraxlösung zugesetzt wird, bei der durch Zusatz z.B. von Monoammoni- umphosphat die Sättigungsgrenze soweit erhöht worden ist, dass dem Halbstoff die bis zu fünffache Menge von Boraxassoziaten zugeführt werden kann. Die so hergestellten reaktiven Materialien erklären die hohe Brandbeständigkeit des Endproduktes. Der so herge¬ stellte Halbstoff wird dann in an und für sich be¬ kannten Verfahren zur Herstellung der flächigen Werk- Stoffe eingesetzt.
Es hat sich nun überraschenderweise gezeigt, dass ein Papier, Karton oder Pappewerkstoff, der mit einem derartigen Halbstoff hergestellt worden ist, die Be- dingungen nach der Brandklasse B1-A2 DIN4102 erfüllt.
Wie die Anmelderin zeigen konnte wird durch die spe¬ zifische Vorbehandlung erreicht, dass die Adsorbtion der Boraxmoleküle nicht nur physikalisch, d.h. durch Einlagerung von Boraxmolekülen zwischen den Makro- fibrillen erfolgt, sondern zum erheblichen Anteil auch chemisch durch Bindung an die zugänglichen Hydroxylgruppen der Glukosemoleküle in den amorphen Bereichen der Mikrofibrillen. Die Boraxmoleküle bil- den auf diese Weise eine monomolekulare Schicht, die die Fasern umhüllen. Erst danach bilden sich auch Einlagerungen zwischen den Makrofibrillen. Es ist eine Besonderheit, dass die chemischen Bindungskräfte bedeutend stärker sind als die physikalischen Bin- dungskräfte. Die Umhüllung der Mikrofibrillen ist al¬ so besonders intensiv und als Schutz der Faser wirk-
sam. Voraussetzung für das Eingehen chemischer Bin¬ dungen des Borax mit den Hydroxylgruppen der Zellulo¬ se ist nun ein relativer Mangel an freien Wassermole¬ külen, da Wasser bevorzugt Wasserstoffbrücken zu den Glukosemolekülen bildet. Die Situation kann am besten durch eine Konkurrenz von Bindungen mit den freien Hydroxylgruppen der Glukosemoleküle beschrieben wer¬ den. Durch die erfindungsgemäße Erhöhung der Sätti¬ gungsgrenze der Boraxlösung werden gezielt chemische Verbindungen des Borax mit den Glukosemolekülen ge¬ fördert. Mit diesem Wirkmechanismus besteht ein qua¬ litativer Unterschied zu den bekannten Verfahren der Behandlung von Zellulose mit Borax. Beim Aufsprühen mit wässriger Boraxlösung, bei der sich die Konzent- ration des Borax innerhalb der Löslichkeitsgrenze von Borax in reinem Wasser befindet, selbst wenn diese Ammoniumphosphat enthält, erfolgt lediglich eine Durchfeuchtung der Fasern mit Wasser. Nach dem Trock¬ nen kristallisiert das Borax aus und haftet physika- lisch auf der Faseroberfläche. Wird das Borax in fes¬ ter Form zugeführt, erreicht man ein ähnliches Ergeb¬ nis, die Kristalle haften in den Makrofibrillen. In diesen beiden Fällen wird das Borax physikalisch ad¬ sorbiert .
Durch die chemische Adsorbtion des Borax in die EIe- mentarfibrillen der Zellulose werden offensichtlich die überragenden Eigenschaften des erfindungsgemäßen Werkstoffes erreicht. Die Erhöhung der Sättigungs- grenze von Borax in wässriger Lösung kann durch ver¬ schiedene Zusätze erhöht werden. Es hat sich dabei gezeigt, dass durch Zusatz von Monoammoniumphosphat die Sättigungsgrenze soweit erhöht werden kann, dass letztlich eine Einbringung von Borax mit über 20 % Feststoffanteil in den Pappe- und Papiermassen er¬ reicht wird, wodurch die extrem gute hohe Feuerbe-
ständigkeit realisiert wird.
Aus stofflicher Sicht umfasst die Erfindung beim er¬ findungsgemäßen Werkstoff alle fasrigen cellulosehal- 5. tigen Halbstoffe, die an und für sich aus dem Stand der Technik bekannt sind. Üblicherweise werden hier Holzstoffe, Zellstoffe und/oder Altpapier als Aus¬ gangsmaterialien eingesetzt.
0 Der Werkstoff nach der Erfindung kann selbstverständ¬ lich wie an und für sich aus dem Stand der Technik bekannt noch Papierhilfsmittel wie Füllstoffe, Farb¬ stoffe, Bindemittel, optische Aufheller Retentions- mittel und/oder De-Inking-Chemikalien enthalten. Bei 5 den Farbstoffen sind solche geeignet, die zur Einfär- bung der Massen oder zur Oberflächenfärbung in Streichmassen einsetzbar sind. Geeignete Bindemittel sind Stärke, Casein und andere Proteine, Kunststoff- dispersionen oder Harzleime. Bei den optischen Auf- 0 heilern handelt es sich um solche, die üblicherweise zur Erhöhung des Weisgrades führen. Retentionsmittel sind Aluminiumsulfat, synthetische und kationische Stoffe. Die angesprochenen De-Inking-Chemikalien die¬ nen zur Aufbereitung von Altpapier, diverse weitere 5 Stoffe, wie z.B. Netzmittel, Entschäumer, Konservie¬ rungsmittel usw. können weiterhin zugesetzt werden.
Die Erfindung betrifft weiterhin ein Verfahren zur Herstellung des vorstehend beschriebenen flächigen 0 Werkstoffes.
Erfindungsgemäß wird dabei von einem an und für sich üblichen Prozess zur Herstellung von Papieren, Pappe und Karton ausgegangen. Derartige Werkstoffe werden 5 üblicherweise durch Entwässerung einer Faserstoffauf¬ schwemmung des Halbstoffes auf einem Sieb gebildet.
Der dabei entstehende Faserfilz wird anschließend verdichtet und getrocknet. Erfindungsgemäß wird nun vorgeschlagen, dass der eingesetzte Halbstoff in eine wässrige gesättigte Boraxlösung eingetaucht wird. Als Boraxlösung wird dabei bevorzugt eine Lösung von Bo- raxdecahydrat verwendet werden. Vorteilhafterweise wird dabei so vorgegangen, dass die gesättigte Borax¬ lösung zu Beginn mit den trockenen Fasern in Kontakt gebracht wird. Zur Verbesserung des Aufnahmeprozesses der gesättigten wässrigen Boraxlösung in die Fasern schließt sich dann ein mindestens 20-minütiger Mahl-, Knet-, und/oder Mischvorgang, bevorzugt in einem Pul¬ per, an. Im Pulper wird dabei die Masse in ständiger Bewegung gehalten.
Es ist weiterhin vorteilhaft, wenn anschließend eine Reduzierung der Stoffdichte in mehreren Stufen von 18 % Festgehalt auf unter 0,4 % vorgenommen wird. Die Trocknung des fasrigen Halbstoffes erfolgt bevorzugt in Etagen- oder Bandtrocknern in mehreren unter¬ schiedlichen Temperaturstufen. Beste Ergebnisse bei der Entstehung des Kristallgitters werden erreicht, wenn mit drei Trockenstufen im Bereich von 115 bis 145 0C, bevorzugt mit der Temperaturfolge 125 0C, 138,5 0C und 123 0C gearbeitet wird. Es ist dabei darauf zu achten, dass die Temperatur keinesfalls über 142 0C steigt. Dadurch entsteht nämlich eine un¬ erwünschte Blasenbildung. Es hat sich weiterhin als günstig erwiesen, wenn der so vorbehandelte getrock- nete fasrige Halbstoff anschließend noch einer mehr¬ tägigen Lagerung, bevorzugt einer dreitägigen Lage¬ rung an Luft bei ca. 10 bis 35 0C unterzogen wird.