Beschreibung
Verfahren und Bremsanlage zum Regeln des Bremsvorgangs bei einem Kraftfahrzeug
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Regeln des Bremsvorgangs bei einem Kraftfahrzeug und eine nach einem derartigen Verfahren arbeitende Bremsanlage. Bei einem solchen Verfahren werden Bremsbetätigungssignale in Radbremsdrücke umgesetzt, werden die Raddrehzahlen mindestens eines Teils der Räder an ein Steuergerät übermittelt, wird durch das Steuergerät aus den Raddrehzahlen ein Radschlupf berechnet und wird ein vorgegebener Wert für den Radschlupf eingestellt. Die Bremsbetätigungssignale werden entweder durch Betätigungen des Brems- pedals durch den Fahrer oder durch ein Steuergerät zur Fahrdynamik- oder Fahrstabilitätsregelung erzeugt.
Bekannte Antiblockiersysteme (beispielsweise EP 0 644 836 Bl) regeln den Bremsdruck der einzelnen Räder eines Kraftfahr- zeugs derart, daß ein Blockieren der Räder beim Bremsen verhindert und damit die Lenkfähigkeit des Kraftfahrzeugs erhalten bleibt, indem sie den Radbremsdruck an die jeweilige Haftung des Reifens auf der Fahrbahn anpassen. Dieses Anpassen erfolgt dadurch, daß mit Hilfe von Bremsdrucksteuerventilen beim Auftreten von unzulässig hohem Schlupf der auf die einzelnen Räder wirkende Bremsdruck intermittierend - und somit diskontinuierlich - abgesenkt und wieder erhöht wird.
Eine neuere Entwicklung stellen elektromotorisch betätigte Bremsanlagen - sogenannte EMB-Systeme - dar, die die Sicherheit und den Komfort des Betriebs von Kraftfahrzeugen verbessern und die sich insbesondere für den Einsatz von Fahrdynamikregel- und Fahrstabilitätssystemen, Traktionskontrollen, "intelligente" Fahrgeschwindigkeitsregler usw. eignen (siehe z. B. DE 198 13 194 C2) . Durch solche Bremsanlagen wird au-
ßerdem der erhebliche Aufwand für Hauptbremszylinder, Bremsdruckleitungen usw. herkömmlicher Bremssysteme stark verringert oder ganz vermieden.
Bekannt ist ein Verfahren zur Regelung des Schlupfes eines
Rades eines Fahrzeugs, das einen Schlupfistwert und eine erste Stellgröße nach Maßgabe eines Vergleiches zwischen dem Schlupfistwert und einem Schlupfsollwert zur Ansteuerung eines Bremsdruckes für das Rad ermittelt, wobei die erste Stellgröße auch nach Maßgabe des zeitlichen Verhaltens der Geschwindigkeit eines oder mehrerer Räder des Fahrzeugs ermittelt wird (DE 199 26 672 AI) . Zur Aufbereitung einer Ansteuergröße zur Ansteuerung eines Ventils bestimmt das Verfahren eine Minimalansteuergröße, vergleicht eine von einer Steuerung ermittelte Ansteuergröße mit der Minimalansteuergröße und verrechnet die Ansteuergröße mit früheren und/oder späteren Ansteuergrößen zu einer neuen Ansteuergröße, wenn die Ansteuergröße kleiner als die Minimalansteuergröße ist.
Bekannt ist auch ein Antiblockierregelsystem für ein Fahrzeugrad bekannt, bei dem die Radgeschwindigkeit und der Bremsdruck ermittelt und unter Zuhilfenahme einer Referenzgeschwindigkeit Schlupfistwerte gebildet werden, die zur Regelung des Bremsdrucks an der Radbremse ausgenutzt werden (DE 40 34 814 AI) . Dabei wechseln sich Regelphasen und Bremsdrucksteuerphasen ab, und während der Regelphasen wird aus dem Bremsdruck und der Radverzögerung laufend der Reibbeiwert ermittelt. In diesen Phasen wird jeweils der Maximalwert des Reibbeiwerts und zusätzlich der Schlupfwert bei Erreichen des maximalen Reibbeiwerts ermittelt. Aus dem Schlupfwert wird jeweils ein etwas kleinerer Sollschlupfwert gebildet, der in der folgenden Regelphase einem Schlupfregier als Sollschlupfwert vorgegeben wird. Bei Anwachsen des Radschlupfs wird während den Regelphasen über einen vorgegebenen Wert hinaus auf Bremsdrucksteuerung umgeschaltet, während der ein verminderter Bremsdruck eingestellt wird. Nach Absinken des Schlupfs unter den Wert wird ein erhöhter Bremsdruck einge-
stellt, und der Schlupfregier wird mit dem neuen Sollschlupf wirksam gemacht, wenn der Schlupf kleiner als ein Grenzwert wird.
Ein ebenfalls bekanntes Fahrdynamikregelungssystem weist einen übergeordneten Fahrdynamikrechner aufweist, dem ein Bremsenregler nachgeschaltet ist (DE 43 05 155 AI) . Dieser weist einen Kanal zur Regelung der Giergeschwindigkeit auf einen Sollwert und einen Kanal zur Begrenzung des Schwimmwinkels auf. Der Rechner gibt den Sollwert und den Grenzwert vor und bestimmt aufgrund der Fahrsituation, weicher Kanal wirksam ist. Beide Kanäle erzeugen ein Regelsignal, das über einen Regelverstärker mit Proportional- und Differentialanteil geleitet wird. Aus den entstehenden Signalanteilen wird ein Stellsignal gebildet, das zur Steuerung des Bremsdrucks an den Radbremsen benutzt wird, wobei die augenblickliche Fahrsituation in beiden Fällen in eine von mehreren Klassen eingeordnet wird und diese Einordnung mit zur Festlegung der Räder dient, an denen der Bremsdruck gesteuert wird.
Insbesondere im Rahmen einer Fahrdynamikregelung ist es erwünscht, ein Rad auf einen vorgegebenen Längsschlupfwert einzuregeln. Dieser kann durchaus auch jenseits des Haftmaximums des Reifens, also im instabilen Bereich der Haftreibungs- o- der μ-Kurve, liegen, um so die Seitenführung des Rades deutlich zu reduzieren. Herkömmliche PID-Regler, wie sie in bekannten ABS-Anlagen verwendet werden, können bei einer elektromotorisch betätigten Bremsen und vor allem jenseits des Haftmaximums Schwierigkeiten bereiten.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein Bremsregelverfahren und eine Bremsanlage zu schaffen, die auch bei EMB- Systemen ein einwandfreies Regeln von Kraftfahrzeugrädern auf vorgegebene Längsschlupfwerte, wie sie zum Beispiel bei einer Fahrdynamikregelung wünschenswert sind, ermöglicht. Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren nach An-
spruch 1 und eine Bremsanlage nach Anspruch 6 gelöst. Zweckmäßige Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprü- cheh niedergelegt. Der vorgegebene Wert für den Radschlupf wird durch eine P-Regelung und einen parallel dazu (zusätz- lieh) festgelegten Sollbremsdruck eingestellt.
Die Vorteile der Erfindung liegen insbesondere in dem geringen Aufwand, der für ihre praktische Anwendung erforderlich ist. Außerdem hat sich herausgestellt, dass mit ihr auch An- tiblockiersysteme merklich verbessert werden können.
Ausführungsbeispiele der Erfindung werden im folgenden anhand der Zeichnung erläutert. Es zeigen:
Figur 1 eine erfindungsgemäße elektrische Bremsanlage; Figur 2 den Verlauf des Haftreibungskoeffizienten eines
Kraftfahrzeugrades auf einer Fahrbahn in Längsrichtung als Funktion des Längsschlupfes, Figur 3 den Verlauf des Haftreibungskoeffizienten eines Kraftfahrzeugrades auf einer Fahrbahn in Querrichtung als Funktion des Längsschlupfes, Figur 4 Messergebnisse einer ersten Variante des erfindungsgemäßen Regelverfahrens, Figur 5 Messergebnisse einer zweiten Variante des erfin- dungsgemäßen Regelverfahrens, und
Figur 6 ein Ablaufdiagramm eines durch das Steuergerät der Bremsanlage nach Figur 1 abgearbeiteten Programms.
Eine Bremsanlage 1 (Figur 1) für ein Kraftfahrzeug MV mit vier Rädern 2 schließt vier Bremsen 3 ein, die je eine Bremsscheibe 4 und eine Betätigungsvorrichtung in Gestalt eines Radbremsaktuators 5, im folgenden auch als Aktuator bezeichnet, aufweisen. Die Aktuatoren 5 sind an je einem zugehörigen Bremssattel 6 befestigt. Sie enthalten jeweils einen nicht dargestellten Drucksensor. In der Nähe der starr mit dem Rad
2 verbundenen Bremsscheibe 4 ist jeweils ein Raddrehzahlsensor 7 angeordnet.
Ein zentrales elektronisches Steuergerät 8 enthält einen ers- ten Rechner 9, der die Grundbremsfunktion steuert, sowie einen zweiten Rechner 10, der Zusatzbremsfunktionen, wie ABS, Fahrdynamikregelung usw. steuert. Das Steuergerät 8 ist durch Signal- und Steuerleitungen 11, die in der Zeichnung durch eine gestrichelte Linie angedeutet sind, mit den genannten Sensoren und Aktuatoren verbunden.
Ein Lenkrad 12 weist einen Lenkwinkelsensor auf, dessen Signale über Signalleitungen 16 an das Steuergerät 8 übermittelt werden. Ein Bremspedal 14 weist einen oder mehrere Sensoren, zum Beispiel Weg- und Drucksensoren, auf, die ebenfalls mit dem Steuergerät 8 durch eine der Signalleitungen 16 verbunden sind. Diese Sensoren sind nicht dargestellt, da sie allgemein bekannt sind und die Zeichnung unübersichtlich machen würden.
Das Kraftfahrzeug MV ist schließlich mit einem Giergeschwindigkeitssensor 18 und einem Querbeschleunigungssensor 19 versehen, die über Signalleitungen 20 mit dem Steuergerät 8 verbunden sind. Diese letzten beiden Sensoren können im Falle, dass die Erfindung nur bei einem ABS-System angewendet wird, entfallen.
Das Steuergerät 8 wertet die über die Signalleitungen 11, 16 und 20 empfangenen Signale aus und erzeugt daraufhin in einer noch zu beschreibenden Weise Steuersignale für jede einzelne der Bremsen 3 des Kraftfahrzeugs MV.
Aus Figur 2 ist das typische Verhalten eines Kraftfahrzeugreifens auf einer Fahrbahn dargestellt. Sogenannte μ-Schlupf-Kurven geben die zwischen dem Reifen und der Fahrbahn in Längs- oder Fahrtrichtung durch Reibung
übertragbare Kraft in Abhängigkeit von dem Längsschlupf wieder, und zwar für verschiedene Schräglaufwinkel = 0°, 2°, 4°, ..., 14°. Mit μ wird bekanntlich der Haftreibungskoeffizient zwischen Rad und Fahrbahn bezeichnet.
Die dargestellten Kurven zeigen ein je nach Schräglaufwinkel des Reifens ausgeprägtes Maximum bei etwa 10 % Schlupf. Wird durch starkes Bremsen dieses Maximum überschritten, so wird der Reifen auf der instabilen Seite der μ-Schlupf-Kurve be- trieben und es kommt (ohne sofortige Bremsdruckreduktion) zum Blockieren des Rades. Eine übliche ABS-Anlage würde versuchen, möglichst das Maximum auszunutzen.
Soll jedoch auch das Fahrverhalten beeinflusst werden, wie es zum Beispiel bei einer Fahrdynamikregelung notwendig ist um ein Schleudern oder Ausbrechen eines Kraftfahrzeugs zu verhindern, so kann durch das Einstellen eines noch größeren Längsschlupfes die Seitenführungskraft gezielt verkleinert werden. Dies ist aus Figur 3 ersichtlich. Um das Fahrverhal- ten derart beeinflussen zu können ist allerdings eine Bremsdruck- oder Bremskraftregelung nötig, die in diesem Schlupfbereich zuverlässig arbeitet. Ausdrücke wie Bremsdruck und Bremskraft, Bremszuspannkraft und dergleichen sind im Rahmen der Erfindung gleich bedeutend, da sich ihre Werte an einer Radbremse nur durch einen konstanten Faktor unterscheiden.
Ein in dem Rechner 10 enthaltener Regler 21 - und damit das erfindungsgemäße Regelverfahren - weist einen P-Anteil (d. h. der Regler 21 ist als Proportionalregler ausgebildet) und wahlweise auch einen D-Anteil auf (der Regler 21 ist außerdem ein Differentialregler) . Auf ein Integrieren der Regelabweichung, wie es bei einem herkömmlichen I-Regler (Integralregler) stattfindet, wird hier verzichtet. An Stelle eines vollständigen Verzichts kann wahlweise auch ein sehr geringer I- Anteil beibehalten bleiben. Durch diesen Verzicht wird die
Regelstabilitat vergrößert, da ein um π/2 gegenüber der Regelabweichung phasenverzogerter I-Anteil nicht vorhanden ist.
Durch den nicht vorhandenen I-Anteil wäre, wenn keine weite- ren Maßnahmen getroffen wurden, mit einer inakzeptabel großen stationären Regelabweichung zu rechnen. Daher erfolgt zeitlich parallel zu der PD-Regelung eine Solldruckanforderung, die unter Berücksichtigung des momentan von dem Rad auf die Fahrbahnoberflache übertragenen Momentes Momentan bestimmt wird. Diese zusatzliche Solldruckanforderung stellt einen
Durchgriff auf die Bremsbetatigung dar, sie überlagert sozusagen die Regelung des Radschlupfes. Die Solldruckanforderung kann auch noch von weiteren Betriebsgroßen oder Messwerten abhangig gemacht werden. Änderungen an ihr dürfen stetig oder unstetig erfolgen.
Der Wert Mmoιtιentan wird vorzugsweise aus der Drehmomentenbilanz an dem Rad bestimmt. In die Gleichung gehen ein das von der Bremse verursachte Bremsmoment Bremsr die Radbeschleunigungen ω sowie die Radtragheiten Θ . Es können auch noch das durch den Antrieb eingebrachte Drehmoment sowie dessen anteilige Trägheit mit einbezogen werden. Im einfachsten Fall lautet die Gleichung:
momentan = -MBremse + ώ • Θ ( I )
Dem hiermit berechneten Wert Mmomentan kann eine entsprechende Zuspannkraft oder Bremsdruck zugeordnet werden, die ein dem Wert Mmornent genau entgegengerichtetes Bremsmoment verursacht. Konnte dieser Druck ohne Zeitverzogerung und unendlich genau eingestellt werden, wurde das Rad ohne weitere Drehzahlanderungen in seinem Zustand verharren.
Mit dieser Zuspannkraft wird hier die Bremsregelung ergänzt, indem durch sie der sonst übliche I-Anteil der Regelung
direkt ersetzt wird, oder aber indem mit ihr eine zusätzliche
Solldruckanforderung als Ersatzwert an Stelle eines I-Anteils berechnet wird.
Die Art und Weise, wie Korrekturen an dieser zusätzlichen Solldruckanforderung erfolgen sollen, kann insbesondere noch abhängig gemacht werden von der Regelabweichung und von Vergleichen zwischen dem Momentanmoment Mmomentan und den derzeitigen Bremsmomentanforderungen durch die Regelung.
Es werden nun zwei Varianten des erfindungsgemäßen Verfahrens erläutert, die besonders geeignet sind, einen Reifen vor allem jenseits des Haftmaximums auf einen bestimmten Sollschlupfwert Ssoii zu regeln, wobei sSoιι grundsätzlich zwischen null und eins entsprechend 0% und 100% liegen kann. Die ersten Verfahrensschritte beider Varianten unterscheiden sich nicht .
Es wird die Regelabweichung Δ bestimmt, indem die Differenz zwischen der Radgeschwindigkeit vRa und deren Sollwert gebildet wird:
Δ = [ (1 - Ss0ιι) * VFahrzeug] ~ VRad (II)
Auf diese Regelabweichung wirkt in beiden Fällen ein Propor- tional-Differential-Regler, kurz PD-Regler, der einen Reglersolldruck PRegier berechnet , der sich aus Summe von P-Anteil Pproportionai und D-Anteil PDifferentxai berechnet :
DRegler — PDifferentxai + PProportional (III)
Es wird vorausgesetzt, daß das Bremsmoment MBrese und der Bremsdruck p (oder die entsprechende Zuspannkraft der Bremse) über einen Proportionalitätsfaktor k zusammenhängen:
^Bremse = p * k (wobei p > 0 und k<0) (IV)
Damit wird ein Druck Pmomentan errechnet, der den momentanen Schlupfzustand beibehalten würde, d.h. zu einer verschwindenden Raddrehzahlableitung führen würde, beruhend auf der Gleichung (I) :
1 1
Pmomentan = ' Mmomentan = " (~ MBremse + • θ) ( V )
Zweckmäßigerweise wird Pmomentan gefiltert, da die Werte der Raddrehzahlableitungen verrauscht sind.
Nun unterscheiden sich die zwei Varianten A) und B) des Re- gelverfahrens .
A) In einer ersten, einfacheren Variante des Bremsregelverfahrens wird der an der Bremse einzustellende Solldruck psoii als Summe von Pmomentan und einer Reglervorgabe pRegier bestimmt:
Psoll — Pmomentan + PRegler (VI)
Der Momentanwert des Drucks pm0mentan wird hier kontinuierlich näherungsweise ermittelt oder geschätzt.
Das Messergebnis dieser Variante A) ist aus Figur 4 ersichtlich, in der der zeitliche Verlauf der Radgeschwindigkeit, der Referenzgeschwindigkeit des Kraftfahrzeugs G, des Ist- Bremsdrucks und des Soll-Bremsdrucks dargestellt sind.
B) In einer zweiten Variante des Bremsregelverfahrens wird ein Korrekturdruck pKθrrektur in vorgegebenen Fahrsituationen gesetzt oder integrativ nachgeführt. Dazu wird bei Überschreiten einer Schlupfschwelle (zum Beispiel 10%) ein Start-
wert für den Korrekturdruck Pkorrektur_start festgelegt , indem in diesem Moment Pkorrektur_start mit Pmomentan gleichgesetzt wird . Da¬ durch wird schnell ein sinnvoller Startwert festgelegt :
Pkorrektur Start = Pmomentan (VII)
Anschließend wird der Wert integrativ nachgeführt, wenn vorgegebene Bedingungen erfüllt sind. Der Wert soll nur dann erhöht (oder erniedrigt) werden, wenn das Rad sich um einen Mindestbetrag Δmιndest zu schnell (beziehungsweise zu langsam) dreht und der derzeitige Drucksollwert ohne Berücksichtigung des (nur dämpfenden) D-Anteils nicht ausreichen würde, das Rad zu verlangsamen (beziehungsweise zu beschleunigen) . Geeignete Bedingungen hierfür sind nachfolgend in mathemati- scher Darstellung angegeben. Das entstehende Integral wird mit einem wählbaren Faktor Ki gewichtet :
Pkorrektur = Pkorrektur_Start ~*~ ' " J IPmomentan " (Pkorrektur " " P Proportional >i * ( VI I I )
wobei die Integration nur unter der Bedingung weitergeführt wird:
Δ > ' Ammdest & Pmomentan — ( Pkorrektur "•" PProportional ) — 0 OCter : Δ < — Δmαnciest & Pmomentan — ( Pkorrektur ' PProportional — 0
(wobei gilt: Δmιndest > 0)
Die meiste Zeit wird Pkorrektur also, bei erfindungsgemäßer Funktion des Verfahrens, konstant gehalten werden.
Der Solldruck ist nun: Psoll = Pkorrektur + PRegler ( IX )
Der Momentanwert des Drucks Pmomentan wird hier situationsbedingt näherungsweise ermittelt oder geschätzt.
Die Messergebnisse dieser Variante B) sind aus Figur 5 ersichtlich, in der ebenfalls der zeitliche Verlauf der Radgeschwindigkeit, der Referenzgeschwindigkeit, des Ist- Bremsdrucks und des Soll-Bremsdrucks dargestellt sind.
- Anmerkung: Der D-Anteil ist in den Verfahrensvarianten A) und B) gleich groß eingestellt. Der P-Anteil ist in Variante A) etwas kleiner gewählt als in Variante B) , da hier die Ü- berhöhung der Reibwertkurve bereits durch die Rückführung der momentan übertragenen Momente kompensiert wird, d.h. die
Reibwertkurve wird simultan „vermessen" und in den Solldruck eingerechnet .
Abschließend kann festgestellt werden, dass die Erfindung ein Bremssystem mit Durchgriff darstellt, das parallel zu einem an sich bekannten Regler, zum Beispiel einem PD-Regler, arbeitet, um eine wirksame Radschlupfregelung durchzuführen. Neu ist einerseits, daß ein derartiges Verfahren zur Radschlupfregelung herangezogen wird, und andererseits, dass ge- eignete Werte für den Durchgriff aus der Momentenbilanz am Rad bestimmt werden.
Das aus Figur 6 ersichtliche Ablaufdiagramm eines durch das Steuergerät 8 der Bremsanlage 1 abgearbeiteten Programms weist folgende Programmschritte auf:
Sl: Es werden folgende Sensorgrößen in dem Steuergerät 8 ausgewertet: Raddrehzahlen und Bremsdrücke, gegebenenfalls auch Lenkwinkel, Giergeschwindigkeit und Querbeschleuni- gung.
S2: Es wird die gewünschte Radgeschwindigkeit und die Regelabweichung berechnet. S3: Es wird abgefragt, ob das Rad überbremst werden soll. Ist das Ergebnis „ja", dann folgt Schritt S4, ist das Ergeb- nis „nein", dann folgt ein Sprung zu Schritt S6.
S4: Es wird abgefragt, ob der Schlupf größer als das Haftmaximum ist. Ist das Ergebnis „ja", dann folgt Schritt S5, ist das Ergebnis „nein", dann folgt ein Sprung zu Schritt S6. S5: Es wird das von dem Untergrund auf das Rad übertragene Drehmoment aus der Momentenbilanz am Rad berechnet. S6: Es wird an abweichender Regelalgorithmus, insbesondere ein zeitabhängiger, zum Beispiel ein integrierender, Regelalgorithmus abgearbeitet (Erläuterung hierzu nach dem Ende des Programms) . Danach erfolgt ein Sprung zu Schritt S9. S7: Es wird eine das von dem Untergrund auf das Rad übertragene Drehmoment kompensierende Brems-Zuspannkraft (Betätigungskraft) berechnet. S8: Zu dieser Brems-Zuspannkraft wird eine zusätzliche Brems- Zuspannkraft addiert, die durch den PD-Regler 21 ermittelt worden ist. S9: Die sich daraus für die einzelnen Räder ergebenden Solldruckwerte werden an die zugehörigen Radbremsaktuatoren ausgegeben.
S10: Daraufhin erfolgt die Reaktion des Kraftfahrzeugs.
Der in Schritt S6 erwähnte abweichende Regelalgorithmus kann, in dem Fall, dass das Rad nicht überbremst werden soll, ein herkömmlicher ABS-Algorithmus ein. Soll das Rad hingegen ü- berbremst werden, ist es aber tatsächlich noch nicht oder nicht mehr überbremst, bewirkt der Regelalgorithmus in S6, dass der Solldruck zügig derart erhöht wird, dass das Rad wie gewünscht überbremst wird. Die Solldruckerhöhung wird zum Beispiel in Abhängigkeit von der verstrichenen Zeit oder von dem beobachteten Radverhalten berechnet. Bekannte Brems- und ABS-Algorithmen sind allgemein zeitabhängig, wohingegen das erfindungsgemäße Verfahren in der Überbremsphase auch ohne eine Zeitabhängigkeit funktioniert.
Ein Programmdurchlauf ist damit beendet. Das Programm wird bei jedem Bremsvorgang oder jeder Fahrdynamikregelung laufend erneut abgearbeitet. Es ergibt bei unterschiedlichen Fahrbahnbeschaffenheiten optimierte Bremswirkungen und verhindert falls erforderlich ein Ausbrechen oder Schleudern des Kraftfahrzeugs bei kritischen Fahrsituationen in wirksamer Weise.