Verfahren zum Reinigen von mit Schwefel- und Stickoxiden beladenen Rohgasen
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Reinigen von mit Schwefel- und Stickoxiden beladenen Rohgasen, bei dem die Rohgase mit einer sowohl ein Absorptionsmittel für die Schwefeloxide als auch Metallkomplexverbindungen, insbesondere Eisen-II-Komplexverbindungen, zur Absorption der Stickoxide enthaltenden Waschflüssigkeit in mindestens einer Waschstufe in Kontakt gebracht wird.
Zum Reinigen von mit Schwefet- und Stickoxiden beladenen Rohgasen sind sogenannte Naßverfahren bekannt geworden, bei denen die Rohgase mit Wasch¬ flüssigkeiten, die mit entsprechenden Absorptionsmitteln für die Schad¬ stoffe angereichert sind, in Kontakt gebracht wurden. Dabei eignen sich zur Absorption des SO« insbesondere lösliche Alkali- bzw. Erdalkaliver¬ bindungen. Beispielsweise entsteht bei der Verwendung von Calciumhydroxid zunächst in einer Zwischenstufe Calciumsulfit (CaSO,) bzw. Calciumhydrogen- sulfit (Ca(HSO^) ) , das unter Zufuhr von Sauerstoff zu Calciumsulfat (CaSO.) aufoxidiert und als stabiles Endprodukt (Gips) aus der Anlage abgezogen wird.
Zur Absorption von Stickoxiden ist bereits der Einsatz von metallischen Komplexverbindungen, wie insbesondere Eisen-II-Komplexverbindungen, be¬ kannt geworden. Dabei werden die Stickoxide zunächst in die Komplexver¬ bindungen eingelagert und dann im Zuge der Aufbereitung der Waschflüssig¬ keit als molekularer Stickstoff freigesetzt.
Nachteilig bei der Verwendung von Eisen-II-Komplexverbindungen ist die
2+ Neigung der Fe -Komplexe unter den normalen Absorptionsverbindungen zu Fe 3+-Komplexen zu oxidieren, wodurch sich das Absorptionsvermögen im
Hinblick auf die Stickoxide und somit der Wirkungsgrad der NO Λ-Abtren-
nung erheblich verschlechtert.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren der eingangs genannten Art zu entwickeln, das bei konstant hohem Wirkungsgrad eine wirtschaftliche Abtrennung von Schwefel- und Stickoxiden aus Rohgasen ermöglicht.
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß das Redoxpotential der Waschflüssigkeit negativ eingestellt wird.
Es hat sich gezeigt, daß bei negativem Redoxpotential sich das Absorptions¬ vermögen metallionenhaltiger Komplexverbindungen im Hinblick auf die Stick¬ oxide weitgehend stabilisiert. Bei der Verwendung von Eisenchelatkomplexen
2+ 3+ wird z.B. das Gleichgewicht der Oxidation der Fe -Ionen zu Fe -Ionen bzw.
3+ 2+ 2+ der Reduktion von Fe -Ionen zu Fe -Ionen erheblich zugunsten der Fe -
Bildung verschoben, wobei, wie sich gezeigt hat, gerade solche Eisen-II- Komplexverbindungen ein optimales Absorptionsvermögen gegenüber den Stick¬ oxiden aufweisen.
Zweckmäßigerweise werden dabei zur Auswaschung der Stickstoffverbindungen Komplexverbindungen eingesetzt, die in den komplexbildenden Anionen Carbon¬ säuregruppen bzw. deren Alkali- oder Erdalkalisalze enthalten, insbesondere solche Komplexe, in denen Aminocarbonsäuren bzw. deren Salze vorhanden sind, Ein wesentlicher Vertreter derartiger Chelatkomplexe geht von der Äthylen- diaminotetraessigsäure (EDTA) bzw. deren Alkali- oder Erdalkalisalzen aus.
Andere Vertreter dieser Klasse sind u.a. die Hydroxyäthyldiaminoäthylen- triessigsäure, Diäthylentriaminpentaessigsäure, Äthylendiamindi (0-hydroxy- phenyl)essigsäure, Diaminoäthyläthertetraessigsäure, Äthylenglycol- bis (aminoäthyläther)-tetraessigsäure, 1,2-Diaminocyclohexantetraessigsäure, Uramildiessigsäure, Hydroxyäthylnitrilodiessigsäure, Anilindieessigsäure und deren ein-, zwei- oder mehrbasische Alkali- oder Erdalkalisalze und andere Aminocarbonsalze.
Neben den schon erwähnten Carbonsäuren und Aminocarbonsäuren können aber auch andere organische Gruppen, vor allem stickstoffhaltige Komplexe als chelatkomplexbildende Anionen angewandt werden.
Als Beispiele hierfür seien genannt: Sthylendiamin, Diäthylentriamin, Triäthylentetra in, Tetraäthylenpentamin und höhere Polyäthylenamine; ferner 1,2-Diamine, wie Propylendiamin, Dipropylentria in usw., und 1,2-, 3,4-Tetramine, wie Butadientetramine usw.
Je nach der NO Λ-Konzentration in dem zu waschenden Rohgas liegt der Wert des negativen Redoxpotentials in der Regel unter -50 mV, vorzugsweise zwischen -100 mV und -300 mV.
Nach einem weiteren Merkmal der Erfindung erfolgt die Einstellung des ' negativen Redoxpotentials mittels eines Eisenreakters, in dem unter
3+ 2+ Freisetzung von Elektronen das Fe zu Fe reduziert wird. Der Eisen¬ reaktor kann im Bypass zur Waschstufe geschaltet sein, d.h. ein Teil der WaschfVüssigkeit wird aus der Waschstufe abgezogen, über den Eisen-
reaktor geführt und dann erneut in die Waschstufe eingespeist. Zur Ein¬ sparung zusätzlicher Pumpenergie kann es sich jedoch auch als zweckmäßig erweisen, den Eisenreaktor unmittelbar in die Waschstufe anzuordnen und dabei mit der zuströmenden Waschflüssigkeit zu beaufschlagen. Für einen derartigen Anwendungsfall besteht der Eisenreaktor dann vorteilhaft aus verschiedenen Schüttbettungen bzw. er wird als Stahlrohrbündel ausgebildet.
Eine weitere vorteilhafte Weiterbildung der Erfindung besteht darin, den Eisenreaktor als Metallgranulat-Wirbelbettreaktor auszubilden, wobei dieser entweder im Bypass zu der Waschstufe geschaltet wird,oder aber die Wasch¬ flüssigkeit im Sumpf der Waschstufe wird direkt mit metallischem.Eisen¬ oder Gußgranulat versetzt, das sehr 'preiswert auf dem Markt zu erhalten ist. Das Verwirbeln der Metallkugeln kann dabei mittels eines Drehkolben- gebläses, das rohgasseitig angeschlossen ist, bzw. mittels eines O^-armen Gases oder auch mittels eines Wasser-Gas-Gemisches erfolgen.
Die Reaktivierung eines derartigen Wirbelbettreaktors bereitet keine Schwierigkeiten, da in einfacher Weise rückständiges Eisen z. B. zusammen mit dem Gips ausgeschleust und durch frische Granulatkugeln ersetzt werden kann, ohne daß hierdurch der Betrieb der Anlage unterbrochen zu werden braucht.
Die Einstellung des negativen Redoxpotentials kann dadurch unterstützt werden in dem die Waschflüssigkeit innerhalb des Eisenreaktors zusätzlich einer Elek lyse unterzogen wird. Dabei ist die Behälterwandung entsprechend zu isolieren oder aus Kunststoff auszubilden, während dem jeweiligen Eisenkern die Funktio der Anode zukommt.
Gegebenenfalls kann das negative Redoxpotential ganz oder teilweise auch durch Zugabe geeigneter Reduktionsmittel zu der Waschflüssigkeit, wie z.B. Natriumdithionit, eingestellt werden.
Vorteilhafterweise wird der zur Einstellung des negativen Redoxpotentials behandelte Teil der Waschflüssigkeit vor dem Rest der Waschflüssigkeit erneut mit dem Rohgasstrom kontaktiert. Hierdurch kann der im Zuge der Auf¬ bereitung der Waschflüssigkeit freigesetzte Stickstoff zusammen mit dem Reingas unmittelbar aus der Anlage -abgezogen werden.
Insbesondere bei sehr hohem S02-Gehalt oder auch hohen SO-- und HCl-Gehalt des Rohgases kann es sich als zweckmäßig erweisen, der Waschstufe mit dem negativen Redoxpotential rohgasseitig eine Waschstufe mit positivem Redox¬ potential vorzuschalten, in der z.B. unter Verwendung einer wässrigen Kalk¬ hydrat- oder auch Kalksteinlösung als Basiswaschmittel bereits wesentliche Teile des S0? und, falls vorhanden, auch des HC1 ausgewaschen werden. Der vorgeschaltete Wäscher kann als Gegenstromwäscher oder als Gleichstrom¬ wäscher ausgebildet werden oder aber beide Waschstufen werden in einen ein¬ zigen ZweiStufenwäscher integriert.
Dabei erweist es sich als zweckmäßig, ständig einen Teil der beladenen Waschflüssigkeit aus der Waschstufe mit dem negativen Redoxpotential in die vorgeschaltete Waschstufe mit dem positiven Redoxpotential überzuführen, wo¬ durch die Oxidation des in der übergeführten Waschflüssigkeit noch vor¬ liegenden Sulfits bzw. Hydrogensulfits zu Sulfat bei dem erforderlichen positiven Redoxpotential ermöglicht wird.
Weitere Erläuterungen zu dem erfindungsgemäßen Verfahren sind den in den Figuren 1 bis 3 schematisch dargestellten Ausführungsbeispielen zu ent¬ nehmen. Für gleiche Vorrichtungsteile werden dabei jeweils die gleichen Bezugsziffern verwendet.
Gemäß dem Ausführungsbeispiel nach Figur 1 wird das zu behandelnde, mit SO2, gegebenenfalls HCl,und NO/ beladene Rohgas über eine Rohgaszuführung 1 der im Gegenstrom betriebenen ersten Waschstufe 11 eines Zweistufen- wäschers zugeführt und dort bei positivem Redoxpotential mit einer Wasch- 'flüssigkeit, die aus einer Basislösung aus Kalkhydrat (CaCO«) oder auch Kalkstein (CaCO,) besteht in Kontakt gebracht.
Diese Waschflüssigkeit wird aus einem Behälter 7 mittels einer Pumpe 6 über im vorliegenden Falle zwei Düsenebenen in die Waschstufe 11 gefördert. Der Behälter 7 ist dabei als Oxidationsbehälter ausgebildet, in dem bei positivem Redoxpotential das in der Waschstufe 11 ausgewaschene Calcium- sulfit bzw. Calciumhydrogensulfit zu Calciumsulfat (Gips) oxidiert wird. Der feuchte Gips wird einschließlich des gegebenenfalls noch anfallenden Calciumchlorids über eine Leitung-8 aus der Anlage abgezogen und einer hier nicht dargestellten Aufbereitung zugeführt.
Das im Kopf der Waschstufe 11 anfallende und noch nahezu das gesamte NO und Restmengen SO- enthaltende Rohgas wird über ein Haubensystem einer weiteren Waschstufe 3 zugeführt und dort mit einer ein negatives Redox¬ potential aufweisenden weiteren Waschflüssigkeit gewaschen. Diese Wasch-
flüssigkeit besteht aus einer wässrigen Lösung aus z.B. Kalkhydrat, EDTA-Eisen-II-Chelat und gegebenenfalls Natriumdithionit. Das Redox¬ potential liegt je nach der NO -Belastung vorzugsweise zwischen -100 mV und -300 mV. Die über das Haubensystem gesammelte beladene Waschflüssig¬ keit wird einem Behälter 4 zugeführt, in dem z.B. in der vorbeschriebenen Art und Weise das gewünschte Redoxpotential eingestllt wird. Die ent¬ sprechend aufbereitete Waschflüssigkeit wird mittels einer Pumpe 5 und im vorliegenden Falle zwei Düsenebenen erneut in den oberen Bereich der Waschstufe 3 eingespeist. Gleichzeitig wird über eine Leitung 9 ein Teil der in dem Behälter 4 gesammelten Waschflüssigkeit in den Oxidationsbe- hälter 7 der Waschstufe 11 übergeführt. Dabei wird das aus der Wasch¬ stufe 3 mitgeführte Calciumsulfit bzw. -hydrogensulfit bei positivem Redoxpotential zu Sulfat oxidiert und ebenfalls über die Leitung 8 aus der Anlage abgezogen. Zur Aufrechterhaltung der Wasserbilanz kann dabei gleichzeitig eine entsprechende Flüssigkeitsmenge aus dem Behälter 7 in den Behälter 4 zurückgeführt werden.
Das gereinigte Rohgas wird nach Passieren eines Tropfenabscheidersystεms 10 über einen Auslaß 2 aus der Anlage abgezogen. Die Zuführung der Chemi¬ kalien für die Waschflüssigkeit der Waschstufe 11 erfolgt in den Behälter 7 bzw. für die Waschflüssigkeit der Waschstufe 11 in den Behälter 4.
Im Gegensatz zur Figur 1 ist in Figur 2 ein zweistufiger Wäscher dargestellt, bei dem sowohl die bei positivem Redoxpotential betriebene erste Waschstufe 1 als auch die bei negativem Redoxpotential betriebene zweite Waschstufe 3 im Gleichstrom betrieben werden.
Figur 3 schließlich zeigt eine weitere Ausführungsform,bei der die beiden Waschstufen 11 und 3 als voneinander räumlich getrennte Wäscher ausgebildet sind, wobei der Wäscher 11 im Gleichstrom und der Wäscher 3 im Gegenstrom betrieben wird. Das Tropfenabscheidersystem 10 ist dabei in dem gasführen¬ den Verbindungskanal zwischen den beiden Wäschern angeordnet. Das in Figur 3 dargestellte Wäschersystem, bei dem der Wäscher 3 selbstverständlich auch als Gegenstromwäscher bzw. der Wäscher 11 als Gleichstromwäscher ausgebildet sein kann, eignet sich insbesondere für Rohgase mit hohen SO-- und NO - Gehalten, z.B. hinter Schmelzkammerkesseln oder chemischen Prozessen.