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Verfahren zur Herstellung von entlignifizierten Holzwerkstoffen Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von entlignifizierten Holzwerkstoffen
durch Behandeln von weitflächigen, dünnen, z. B. r bis 2 mm dicken Holzfurnieren
mit mittels Essigsäure angesäuerten, wässerigen Natriumchloritlösungen bei erhöhter
Temperatur. Das Verfahren ist dazu bestimmt, Holz in einen Werkstoff umzuwandeln,
der gegenüber dem Ausgangsmaterial verbesserte mechanische Eigenschaften besitzt.
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Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, das Holz, sei es Laub- oder
Nadelholz, einer chemischen Behandlung mit einem Oxydationsmittel zu unterziehen,
um das Lignin, mit Ausnahme desjenigen, welches wahrscheinlich an die Hemi-Cellulosen
und gegebenenfalls an die Cellulose selbst gebunden ist, zu zerstören, wobei aber
die a-, ß- und y-Cellulosen ebenso wie die Hemi-Cellulosen geschont werden müssen.
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Als für die Zwecke der Entlignifizierung verwendbare Oxydationsmittel
sind gegebenenfalls mit Essigsäure angesäuerte Lösungen von Natriumchlorit bzw.
Chlordioxyd bekannt. Die Entlignifizierung bereitete indessen, wenn sie eine praktisch
völlige
Entlignifizierung zum Ziel hatte, erhebliche Schwierigkeiten.
G. Jayme (Cellulosechemie, 20, 19493, S. 43) konnte wenigstens bei Mikrotomschnitten
mit einer Stärke von q.o bis 8o Mikron eine solche Entlignifizierung erreichen,
indem er diese Holzmikrotomschnitte zunächst mit einem Methanol-Benzol-Gemisch extrahierte
und dann einer mehrstündigen Behandlung mit einer durch Essigsäure angesäuerten
Natriumchloritlösung bei erhöhten Temperaturen unterwarf. Die praktisch völlige
Entlignifizierung von größeren und stärkeren Holzstücken schien bislang jedoch -
unter für die technische Durchführung einigermaßen erträglichen Arbeits-, insbesondere
Zeitbedingungen - nicht möglich.
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Es ist nunmehr überraschenderweise gelungen, ein Verfahren zu entwickeln,
welches es erlaubt, bei weitflächigen, dünnen, z. B. i bis 2 mm dicken Holzfurnieren
bei erhöhten Temperaturen mittels essigsauren wäßrigen Natriumchloritlösungen in
bedeutend kürzerer Zeit als bei den bekannten Verfahren eine bedeutend höhere Entlignifizierung
als dort zu erzielen, wenn die Furniere einer Behandlung mit einer wäßrigen Natriumchloritlösung
unterworfen werden, deren Ansäuerung mittels Essigsäure in der Weise gesteuert wird,
daß ihr pH-Wert anfänglich etwa 6 bei ungefähr go° C beträgt und während der Behandlung
allmählich durch aufeinanderfolgende und regelmäßige Zusätze an Essigsäure auf einen
Mindestwert von etwa 3,5 herabgesetzt wird, wonach das so behandelte Holz mit kaltem
Wasser gewaschen, schließlich getrocknet wird.
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Mit Vorteil kann man auch so vorgehen, daß man die Behandlung jeweils
mit frischen Natriumchloritlösungen mehrmals durchführt, wobei zwischen den einzelnen
Behandlungen und nach der letzten Behandlung eine Auswaschung mit 5o bis ioo°C heißem
Wasser erfolgt.
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Auf diese Weise gelingt es auch in technisch befriedigender Weise
eine völlige Entlignifizierung zu erreichen.
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Es ist zwar bereits bekannt, mit Lösungen von Natriumchlorit beim
erfolgenden Aufschluß von Holz eine Steuerung des p11-Wertes der Behandlungslösung
vorzunehmen (insbesondere Sohn und Reiff: »Der Papierfabrikant«, 1942, Heft z/2,
S. iff.). Diese bekannten Steuerungen erfolgen jedoch alle nach dem Prinzip der
Anfangseinwirkung der Reaktionslösung mit niedrigen p11-Werten von z. B. 2 bis q.
und Steigerung der pH-Werte mit fortlaufender Einwirkung auf z. B. q. bis 6.
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Demgegenüber beschreitet das erfindungsgemäße Verfahren den umgekehrten
Weg, indem es die Anfangseinwirkung auf weitflächige Holzfurniere mit Säurelösungen,
die bei go°C einen pFI-Wert von etwa 6 aufweisen, beginnt und im Verlauf der fortschreitenden
Einwirkung den p11-Wert der Reaktionslösung durch allmähliche Zugaben von Essigsäure
auf einen pH-Wert von 3,5 herabsetzt.
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Es war in keiner Weise aber vorhersehbar, daß die erfindungsgemäße
Arbeitsweise zu Produkten mit besseren Zugfestigkeiten als die nach den bekannten
Verfahren hergestellten Holzwerkstoffe führen würde. Es war vielmehr das Gegenteil
zu erwarten, nämlich daß mit der Zunahme der Wasserstoffionenkonzen tration eine
weitgehende Hydrolyse der Cellulose uni dadurch eine Verschlechterung der Festigkeit
de; behandelten Holzes eintreten würde.
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Versuche, bei welchen die Entlignifizierung an Hanc des Gewichtsverlustes
bestimmt wurde, haben gezeigt, daß nach dem bekannten Steuerungsverfahren vor Sohn
und Reiff a. a. 0. nach einer Verfahrensdauer von 31'/, Stunden die Gewichtsverluste
18,2 bzw, 210/, betragen. Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren beträgt der Gewichtsverlust
nach einer Verfahrensdauer von 15 Stunden und 40 Minuten 25 °/o.
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Dies bedeutet, daß nach dem erfindungsgemäßen Verfahren bei nur halb
so großer Behandlungszeit eine um etwa 25 bis 30 °/o stärkere Entlignifizierung
als bei dem bekannten Verfahren erzielt wird.
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Darüber hinaus weisen die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellten
Holzwerkstoffe eine Zugfestigkeit von über 162 kg/ml auf gegenüber den nach dem
bekannten Verfahren bei doppelter Verfahrensdauer hergestellten Produkten mit einer
Zugfestigkeit von etwa 148 bis 151 kg/m2.
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Es war in keiner Weise vorhersehbar, daß das erfindungsgemäße Verfahren
derartige Effekte zur Folge haben könnte.
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Das sich aus der erfindungsgemäßen Behandlung ergebende Produkt wird
durch die Zellstoffstruktur des Holzes gebildet, in welcher die Fasern ihre natürliche
Kohäsion bewahrt haben und in welcher durch die Zerstörung des Lignins und durch
das Herauslösen der löslichen Bestandteile, wie z. B. natürliche Harze, Hohlräume
geschaffen worden sind. Bei Nadelhölzern hat die Behandlung außerdem den Zweck,
auch die Luftpunktierungen der Tracheiden zu zerstören, so daß zwischen den nebeneinanderliegenden
»Röhren« bzw. Gefäßen, welche diese Holzart bilden, eine Verbindung geschaffen wird.
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Das Behandlungsbad wirkt, wie die obigen Ergebnisse zeigen, nur auf
das Lignin ein und bewirkt keine Änderung, noch weniger eine Zerstörung der Cellulosen
und Hemi-Cellulosen des Holzes. Diese überraschende Wirkung des Entlignifizierungsmittels
ist wohl darauf zurückzuführen, daß durch die bestimmte erfindungsgemäße Verfahrensweise
eine fortschreitende Entwicklung des Chlordioxyds in Abhängigkeit von dem Ansteigen
der Temperatur und dem Eindringen der Lösung in das Innere der Furniere stattfindet.
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Nach einer besonders bevorzugten Ausführungsform wird eine auf den
px-Wert von etwa 6 angesäuerte Natriumchloritlösung mit einer Höchstkonzentration
entsprechend 2o g Chlorit je Liter und 2 g Natriumchlorit j e Gramm trockenes Holz
verwendet.
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Als Beispiel wird nachstehend eine geeignete Ausführungsform des erfindungsgemäßen
Verfahrens bei einem Furnier von fo/fo mm Stärke aus Fichtenholz (Picea excelsa)
angegeben.
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Das Furnier wird in eine wässerige Lösung von Natriumchlorit eingetaucht,
die mit Essigsäure angesäuert wurde, um einen Anfangs-px-Wert von etwa 6 einzustellen.
Die Konzentration der Chloritlösung hängt von der Sprödigkeit des Holzes und von
seiner Stärke ab; sie kann bis zu 2o g Chlorit je Liter betragen
mit
einem »Chloritindex« von 2, d. h. der Zahl, welche das Gewicht des Chlorits in Gramm
lufttrockenem, unbehandeltem Holz darstellt.
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Für ein Fichtenholzfurnier von io/io mm Stärke ist eine Konzentration
von io g erforderlich.
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Die Behandlung wird bei Atmosphärendruck und bei einer Badtemperatur
von etwa go°C ausgeführt. Im Verlauf der Behandlung wird der p11-Wert durch aufeinanderfolgend
und regelmäßig zugesetzte Mengen von Essigsäure allmählich bis auf einen Mindestwert
von 3,5 eingestellt. Wenn der p"-Wert der Lösung auf 3,5 gefallen ist, was der für
das erfindungsgemäße Verfahren zweckmäßigsten unteren Grenze entspricht, bleibt
das Furnier noch ungefähr 2 Stunden bis zur Erschöpfung des Cl 0, in dem
Bade, wird dann herausgenommen und je nach dem Zustand seiner Kohäsion mit fast
siedendem Wasser (8o bis ioo°C) oder heißem Wasser (5o bis 6o°C) gespült. Auf dieses
Spülen kann eine Waschung mit kaltem Wasser folgen.
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Ist nach dieser Behandlung der gewünschte Entlignifizierungsgrad nicht
erreicht worden, so wird das Holz in einem zweiten, dem ersten Bade völlig gleichen
Bade behandelt. Anschließend wird es herausgenommen, um wie nach der Behandlung
im ersten Bade gewaschen, gespült und gegebenenfalls getrocknet zu werden.
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Der Grad der Entlignifizierung wird durch Wiegen des wie angegeben
behandelten, gewaschenen Holzes ermittelt. Da der Ligningehalt 29 oder 30 % des
Gewichtes des lufttrockenen, unbehandelten Holzes entspricht, kann man behaupten,
eine fast völlige Entlignifizierung vorgenommen zu haben, wenn das behandelte und
gewaschene Holz einen Gewichtsverlust von 28 bis 2g °/o aufweist (wovon i bis 2
% auf das Herauslösen der in Wasser löslichen Stoffe entfallen). Die Differenz von
3 bis 4% Lignin, die im Holz zurückbleibt, entspricht derjenigen Ligninmenge, welche
wahrscheinlich an die Cellulose und an die Hemi-Cellulosen gebunden ist und welche
man bewahrt bzw. beibehält, um nicht die Kohäsion der cellulosehaltigen Elemente
zu zerstören.
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Nach erfolgter Entlignifizierung ist es zweckmäßig, eine letzte, längere
Waschung des Cellulosegerüstes mit kaltem Wasser vorzunehmen, um möglichst alle
im Holz verbliebenen Reagenzien zu entfernen wie auch die Rückstände der natürlichen
Bestandteile des Holzes, soweit sie in Wasser löslich sind (Harz, Pektin usw.) oder
durch das Natriumchlorit in eine lösliche Form übergeführt wurden. Schließlich folgt
auf diese letzte Waschung ein Trockenvorgang.
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Erfahrungsgemäß wurde festgestellt, daß die Gesamtdauer der chemischen
Behandlung in den aufeinanderfolgenden Bädern je nach der Art des Holzes zwischen
12 und 15 Stunden schwankt, während die Zeitdauer für das Tränken und die Waschungen
mit heißem Wasser höchstens 31/2 Stunden beträgt.
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Nach der chemischen Behandlung liegt das Holz in Form eines schwammartigen
Skeletts vor, das einen Grad der Kohäsion beibehalten hat, welcher die intakt gebliebenen
und noch die gleiche Richtung und Lage wie in dem ursprünglichen Holz einnehmenden
Cellulosefasern daran hindert, sich voneinander zu lösen, wobei die Fasern in der
Masse der kohärenten skelettartigen Struktur leere Kanäle mit entkrusteten Wänden
bilden.
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Da gewisse Holzbestandteile entfernt wurden, könnte man annehmen,
daß das entlignifizierte Holz alle seine mechanischen Eigenschaften verloren hat.
Die Ergebnisse der im Zusammenhang mit der Erfindung ausgeführten Versuche zeigen
überraschenderweise, daß das Gegenteil der Fall ist, d. h. zum Beispiel die Zugfestigkeit
mit zunehmender Entlignifizierung wesentlich ansteigt. Wohl hat die kohärente Masse
der cellulosehaltigen Fasern einen großen Teil der ursprünglichen Druckfestigkeit
infolge der Zerstörung des Lignins verloren, aber dafür hat die Zugfestigkeit des
Produktes zugenommen, und zwar um etwa 6o °/o gegenüber dem unbehandelten Holz.
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Die durch die erfindungsgemäße Behandlung zu einem Celluloseskelett
umgewandelten Furniere haben - wie bereits erwähnt - infolge der Entfernung des
Lignins nur noch eine geringe Druckfestigkeit.
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Um diesem Mangel abzuhelfen, kann dieses Skelett mit einem Füllstoff
imprägniert werden, welcher der Art der Beanspruchungen angepaßt ist, die der neue
Werkstoff auszuhalten hat.
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Die Imprägnierung kann mit einem hitzehärtbaren Harz vorgenommen werden,
welches gegenüber Druck einen höheren Widerstand besitzt als das Lignin, z. B. Melamin-Formaldehyd-Harz,
so daß man bei Imprägnierung des Celluloseskeletts mit diesem Harz einen neuen Werkstoff
erhält, dessen Druck- und Zugfestigkeit höher sind als' die des Holzes vor der Behandlung.
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Dabei kann die Imprägnierung nach allen an sich bekannten Verfahren
erfolgen, z. B. mittels Vakuum und Druck, Leimen, osmotischer Diffusion usw.
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Das nach der Imprägnierung und die Polymerisation des Harzes erhaltene
Endprodukt besitzt mechanische Eigenschaften, welche denen des nicht behandelten
Holzes überlegen sind.
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Versuche haben gezeigt, daß während ein Probestab aus nicht behandeltem
Fichtenholz nur eine Zugbruchlast von goo kg/cm' aushielt, ein Probestab aus gemäß
der vorliegenden Erfindung behandeltem Fichtenholz, bei einer Entlignifizierung
entsprechend einem Gewichtsverlust an Holz in der Größenordnung von 28 bis 29 0/0,
eine Bruttobruchlast in der Größenordnung von i2oo bis 13oo kg/cm2, auf den ursprünglichen
Querschnitt bezogen, aushielt, was, auf den durch Trocknung nach der Behandlung
geschrumpften bzw. eingeschnürten Querschnitt bezogen, einer Bruchlast von etwa
2ooo kg/cm2 entspricht.
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Der gleiche Probestab, durch Melamin-Formaldehyd-Harz imprägniert,
bei einem Imprägniermittelgehalt von 15 0/0, auf das Gewicht des behandelten Holzes
bezogen, bewahrt praktisch die Zugfestigkeit des behandelten Probestabes, während
die Druckfestigkeit desselben höher ist als diejenige des behandelten, aber noch
nicht imprägnierten Holzes.