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Verfahren zur Verlängerung der Resorptionszeit von eiweißartigem chirurgischem
Nähmaterial
Als eiweißartiges, chirurgisches Nähmaterial werden zur Zeit aus Schafdärmen
hergestelltes katgut und aus Sehnen oder tierischer Haut hergestellte Kollagenfäden
verwendet. Für die praktische Anwendung derartiger Fäden ist die Resorptionsdauer
von besonderer Bedeutung. Wird der Faden verhältnismäßig schnell resorbiert, so
besteht die Gefahr des Aufplatzens der Wunden; bei zu langsamer Resorption kommt
es vielfach zur Abstoßung der Fäden unter Bildung von Abszessen und Seromen.
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Das Katgut wird bei seiner Herstellung mit wäßrigen Jodlösungen behandelt,
wobei Jod chemisch und adsorptiv gebunden wird. Durch diese Bindung von Jod erzielt
man erfahrungsgemäß eine gewisse Verlängerung der Resorptionszeit. Um noch schwerer
resorbierbare Katgutfäden herzustellen, werden diese mit Chrom gegerbt. So sind
z. B. in den Vereinigten Staaten von Amerika schwach-, mittel- und starkchromierte
Katgutfäden gebräuchlich, welche je nach Art des Gewebes, in welchem genäht wird,
wahlweise zur Anwendung kommen.
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Kollagenfäden werden üblicherweise derart hergestellt, daß z. B. Rindersehnen
bei einer bestimmten Wasserstoffonenkonzentration aufgequollen werden und die gequollene,
homogenisierte, viskose Masse in Fäden übergeführt wird, was z. B. derart geschehen
kann, daß die viskose Masse zunächst in eine Folie übergeführt, diese nach Trocknen
in Bänder zerschnitten und letztere zu Fäden gedreht werden oder die viskose Masse
in einem Koergulationsbad zu Fasern ver-
sponnen wird und letztere
zu Fäden verdreht werden.
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Derartige Kollagenfäden werden mit Chrom gegerbt, da sie sonst viel
zu schnell resorbiert werden würden.
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Die Anwendung von Chromverbindungen zur Verlängerung der Resorptionszeit
von eiweißartigem, chirurgischem Nahtmaterial ist jedoch mit dem Nachteil verbunden,
daß eine körperfremde Substanz in den Organismus eingeführt wird, die nicht selten
vom Gewebe abgestoßen wird und Heilungsstörungen verursacht.
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Erfindungsgemäß erfolgt die Verlängerung der Resorptionszeit von eiweißartigem,
chirurgischem Nahtmaterial unter Verzieht auf Einführung körperfremder Substanzen
in den Faden, und zwar dadurch, daß der Eiweißstoff des Fadens einer Desaminierung
unterworfen wird. Wenn man Kollagen, das den Hauptbestandteil der Kollagenfäden
wie auch des Katguts bildet, hydrolysiert, so entstehen verschiedene Aminosäuren,
u. a. auch Arginin und Lysin, welch letzteres im Gegensatz zu Glykokoll, Alanin
usw, zwei Aminogruppen aufweist. Es ist bekannt, daß an der Peptidbindung im Eiweißmolekül
nur die α-Aminogruppe beteiligt ist, während die #-Aminogruppe nicht an den
Peptidbindungen teilnimmt, also im Eiweißmolekül noch als solches enthalten ist.
Diese reaktive Gruppe dürfte beim fermentativen Abbau der Eiweißstoffe eine rolle
spielen. Wenn diese freien Aminogruppen ganz oder teilweise entfernt werden, so
erfolgt der proteolytische Abbau wesentlich langsamer. Eine ähnliche Rolle dürfte
die #-guanidinogruppe des Arginins spielen.
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Die Entfernung dieser reaktiven Gruppen bzw. ihr Ersatz durch andere,
z. B. Hydroxylgruppen, ist durch die an sich bekannte Desaminierung möglich, die
z. B. in der Weise durchgeführt werden kann, daß man den Eiweißstoff mit salpetriger
Säure behandelt, wobei unter gleichzeitiger Abscheidung von Wasser und Stickstoff
eine Hydroxylgruppe an die Stelle der zu beseitigenden Aminogruppe tritt.
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An Stelle von salpetriger Säure, die ex tempore aus Natriumnitrit
und einer Säure oder durch Einleiten von Stickstofftrioxyd in Wasser erzeugt werden
kann, können z. B. auch Ester der salpetrigen Säure, wie z. B. tthylnitrit oder
Amylnitrit, verwendet werden.
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Alle diese Reaktionen werden zweckmäßig im Autoklaven unter Rühren
durchgeführt, denn die salpetrige Säure neigt dazu, sich unter Bildung von Stickoxyd
und Salpetersäure zu disproportionieren. Im geschlossenen System steht das Reaktionsgemisch
unter Stickoxyddruck, welcher der Zersetzung der salpetrigen Säure entgegenwirkt.
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Da durch die Behandlung mit salpetriger Säure sowohl die ursprünglich
bereits im Kollagenmolekül vorhandenen Hydroxylgruppen (Oxyprolin und Serin) sowie
die aus dem Lysin neu gebildeten Hydroxylgruppen mit salpetriger Säure verestert
werden können, empfiehlt es sich, nach der Behandlung mit salpetriger Säure eine
Behandlung des Gutes mit Wasser durchzuführen, um diese Gruppen wieder abzuspalten.
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Versuche haben ergeben, daß durch Anwendung von an sich bekannten
Desaminierungsverfahren auf eiweißartiges, chirurgisches nahtmaterial eine erhebliche
Verlängerung der Resorptionszeit ohne Inkaufnahme irgendwelcher Nachtele erzielt
werden kann und daß es möglich ist, durch Variation der Maßnahmen, z. B. mit Bezug
auf Konzentration und behandlungsdauer, die Resorptionszeit der erfindungsgemäß
behandelten Fäden in gewünschter Weise abzustufen. Diese Behandlungsweise hat weiterhin
den Vorteil, daß die Bakterien einschließlich der Sporenbildner durch die salpetrige
Säure restlos abgetötet werden.
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Bei Katgut kann man die Desaminierung entweder mit den Darmbändern
durchführen oder auch den fertigen Faden der desaminierenden Behandlung unterwerfen.
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Bei Kollagenfäden kann man das zerkleinerte Ausgangsmaterial (Sehnen,
Haut) oder die daraus hergestellte viskose Kollagenlösung oder die bei Weiterbehandlung
derselben entstehenden Gebilde, wie Folien, Bänder, Fäden, der Desaminierung unterwerfen.
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Die erfindungsgemäß behandelten Fäden werden von dem Gewebe besser
vertragen als die chromgegerbten Fäden, da keine körperfremden Stoffe in den Organismus
eingeführt werden. Außerdem sind sie viel geschmeidiger als die chromgegerbten Fäden,
weil die Chromgerbung zu Vernetzungen zwischen den Kollagenketten führt. Durch die
Desaminierung werden nicht nur keine neuen Vernetzungen geschaffen, sondern die
an sich schon in Kollagenketten vorhandenen Vernetzungen, die den Charakter von
Salzbrücken zwischen den Aminogruppen des Lysins und den Karboxylgruppen der Glutaminsäure
haben, aufgehoben, da ja die Aminogruppen des Lysins abgebaut werden.
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Das vorliegende Verfahren kann auch in Kombination mit anderen die
Resorptionszeit verlängernden Verfahren angewendet werden. So kann man z. B. partiell
desaminierte Fäden noch einer gerbenden Nachbehandlung oder Vorbehandlung mit Mitteln,
wie Chromverbindungen und/oder Formaldehyd unterwerfen. Hierdurch gelingt es, die
Einführung unerwünschter Fremdstoffe in das Gewebe so weitgehend herabzusetzen,
daß störende nebenwirkungen vermieden werden.
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Beisiele 1. Eine Menge Rindersehnen, die etwa 1 kg Trockensubstanz
(Kollagen) entspricht, wird mit Wasser unter Bildung von etwa 60 1 Masse aufgeschwemmt.
Das Gemisch wird im Rührautoklaven mit einer Lösung von 700 g Natriumnitrit in 51
Wasser und 660 g Essigsäure versetzt. Die Mischung wird nun bei Raumtemperatur etwa
16 Stunden gerührt und anschließend durch Zentrifugieren oder Abtropfenlassen auf
einem Filtertuch und anschließendes Auswaschen mit reinem bzw. destilliertem Wasser
von Salzen gereinigt. Hiernach wird mit Salzsäure auf das Quellungsoptimum (pH etwa
2,5) eingestellt, die Masse auf einem Walzenstuhl homogenisiert, dann mit Wasser
verdünnt und in üblicher Weise zu einer folie gegossen, die nach Trocknung durch
Zerlegen in Bänder und Verdrehen derselben auf Kollagenfäden verarbeitet werden.
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2. Katgutfäden oder aus Bändern gedrehte Kollagenfäden werden auf
Glaszylinder aufgespult und in iener wäßrigen Lösung von folgender Zusammensetzung:
Natriumnitrit 40,0 g, Essigsäure (wasserfrei) 36,6 g, destilliertes Wasser 923,4
g, bei Zimmertemperatur
6 bis 24 Stunden lang durch Drehen oder
Schütteln in Bewegung gehalten. Anschließend werden die Fäden gewässert und in üblicher
Weise weiter behandelt.
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3. Etwa 1 cm breite Kollagenfolien oder Darmbänder werden aufgewickelt
und in der Behandlungsflüssigkeit gemäß Beispiel 2 bei Raumtemperatur 6 bis 24 Stunden
lang durch Maßnahmen, wie Drehen oder Schütteln, in Bewegung gehalten. Anschließend
werden die Bänder gewässert und in üblicher Weise zu Fäden verdreht.
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4.Eine etwa 1%ige wäßrige Kollagenlösung wird mit der gleichen Menge
der in Beispiel 2 beschriebenen sauren Behandlungsflüssigeit versetzt und die Mischung
6 bis 24 Stunden bei Raumtemperatur, z. B. durch Schütteln oder durch Rühren, im
Autoklaven in Bewegung gehalten. Die bei Zusatz der Nitritlösung ausgefallene breiige
Kollagenmasse wird sorgfältig mit Wasser gewaschen, mit Wasser aufgeschwemmt, mittels
Salzsäure auf die Wasserstoffionenkonzentration des Quellungsoptimums eingestellt
und maschinell homogenisiert. Die homogene Flüssigkeit wird in üblicher Weise auf
ein glattes Band gegossen, das einen Trockenkanal durchläuft. Die hierbei entstehende
Kollagenfolie wird zu etwa 1 cm breiten Bändern geschnitten und in Wasser zu einem
Faden verdreht. Die Fadenbildung kann auch in einem Chrombad durchgeführt werden.
In diesem Fall wird der Faden auf einer Trommel getrocknet und anschließend mittels
schwefeliger Säure reduziert.
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5. Eine auf einen pH-Wert von etwa 3,2 eingestellte etwa 1%ige wäßrige
Kollagenlösung wird mit 1/20 ihres Gewichts an Äthylnitrit versetzt und 6 bis 24
Stunden lang kräftig gerührt. Anschließend wird die Masse in üblicher Weise in eine
Folie übergeführt und diese auf Fäden verarbeitet.