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Verfahren zum Stabilisieren von Cyanhydrinen Es ist bekannt, die an
sich unbeständigen, zu Zerfall oder Polymerisation neigenden Cyanhydrine durch Zusatz
von Säuren zu stabilisieren. Bei manchen Cyanhydrinen, z. B. bei Acetaldehydcyanhydrin,
gelingt dies durch einfachen Zusatz von Schwefelsäure in ausreichendem Maße, bei
anderen hingegen, z. B. heim Formaldehydcyanhydrin, vermochte keiner der bisher
als Stabilisator verwendeten Stoffe, wie Phosphorsäure, Jod, Schwefelsäure und andere,
die Polymerisation des Nitrils, z. B. beim Destillieren, mit auch nur einiger Sicherheit
zu verhinderst.
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Es wurde nun gefunden, daß organische Säuren, wie Monochloressigsäure,
Dichloressigsäure, Bromessigsäure, Thioglykolsäure, Chlorpropionsäure, Milchsäure,
a-Oxyisol>uttersäure, Benzolsulfonsäure. Sulfanilsäure und andere, hervorragende
Stabilisatoren für zersetzliche Cyanhydrine sind. Es handelt sich um organische
Säuren mittlerer Stärke, deren Dissoziationskonstanten größenordnungsmäßig zwischen
io 2 und io-5 liegen. Stärkere Säuren, z. B. Trichloressigsäure, mit einer Dissoziationskonstante
von 2- io-1 haben keine ausreichende stabilisierende Wirkung, ebensowenig wie schwache
Säuren, z. B. Phenol, mit einer Dissoziationskonstante von i,3- io 1°. Die Grenze
ist für besonders leicht zersetzliche Cyanhydrine wie Formaldehydcyanhydrin etwas
enger als für beständige Cyanhydrine. So stabilisiert Crotonsäure mit einer Dissoziationskonstante
von 2'I0-5 Acetoncyanhydrin ausgezeichnet, während die Zersetzung von Formaldehydcyanhydrin
bei der Destillation durch einen Zusatz von Crotonsäure nicht mehr verhindert wird.
Es genügen bereits geringe
Zusätze von höchstens einigen Prozenten,
in vielen Fällen unter i % der Säuren, um eine ausgezeichnete Stabilisierung zu
erreichen.
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Für die Destillation unstabiler Cyanhydrine ist es notwendig, daß
die stabilisierende Wirkung der zugesetzten Säure nicht nur in dem zu destillierenden
Rohprodukt zur Geltung kommt, sondern auch in der Dampfphase und im Destillat erhalten
bleibt. Man wählt also als Stabilisator bei der Destillation eine organische Säure,
die gleichmäßig mit dem Cyanhydrin überdestilliert, so daß in Destillat und Rückstand
stets die etwa gleiche Stabilisatormenge aufrechterhalten bleibt. An Stelle der-Säuren
selbst kann man naturgemäß auch solche Stoffe zusetzen, die unter den jeweiligen
Reaktionsbedingungen organische Säuren entsprechend der Erfindung bilden, z. B.
Salze der beschriebenen Säuren und Mineralsäure oder-Säurechloride.
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Es kann vorteilhaft sein, mehrere Säuren der gekennzeichneten Art
gleichzeitig dem zu stabilisierenden Gemisch zuzugeben, z. B. dann, wenn ein solches
destilliert werden soll und eine der zugesetzten Säuren wirksamer im Rohprodukt,
eine weitere jedoch besser im Destillat stabilisiert. Die erfindungsgemäß anzuwendende
Gruppe von Verbindungen besitzt ganz allgemein stabilisierende Wirkung für Cyanhydrine;
graduelle Unterschiede in der Wirksamkeit erfordern urfiter Umständen Auswahl der
Säuren nach Maßgabe der jeweiligen Bedingungen. Dabei vermögen die schwächsten der
genannten Säuren, wie oben gezeigt, manche Cyanhydrine noch zu stabilisieren, während
sie für andere bereits wirkungslos sind.
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Die erfindungsgemäße Stabilisierung der Cyanhydrine ist von erheblicher
praktischer Bedeutung. Sie erlaubt die Herstellung, Handhabung, Stapelung und Verarbeitung
auch größerer Mengen bisher wegen ihrer Unbeständigkeit praktisch nicht verwendeter
oder rein zugänglicher Cyanhydrine, insbesondere des Formaldehydcyanhydrins. Die
Stabilisierung ist so vollkommen, daß man diese Verbindungen auch als Lösungsmittel
für die Durchführung von Lösungspolymerisationen von Vinylverbindungen, bei denen
sie lange Zeit höheren Temperaturen ausgesetzt sind, ohne daß eine Zersetzung eintritt,
oder als Lösungsmittel für Trockenspinnverfahren, anwenden kann.
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Beispiel i Die durch Einleiten von Cyanwasserstoff in wäßrige Formaldehydlösung
erhaltene Lösung von Formaldehydcyanhydrin wird mit 1,50/0 Monochloressigsäure,
bezogen auf die in der Lösung vorhandene Menge von Formaldehydcyanhydrin, versetzt
und im Vakuum destilliert. Nachdem Wasser und ein Vorlauf abgetrieben sind, geht
bei 98° / io mm wasserklares, Monochloressigsäure enthaltendes Nitril über, wobei
1,5 bis 2% als brauner Sirup zurückbleiben. Bei nochmaligem Destillieren des Nitrils
geht dieses, ohne einen Rückstand zu hinterlassen, über. Beispiel 2 Ein auf gleiche
Weise wie im Beispiel i erhaltenes wäßriges Rohprodukt wird nach Zusatz von i,8o/o
Thioglykolsäure aufgearbeitet. Man erhält völlig farbloses Formaldehydcyanhydrin,
ohne daß nennenswerte Mengen durch Polymerisation verloren gehen. In beiden Fällen
geht die stabilisierende Säure wegen der nahe beieinanderliegenden Siedepunkte mit
dem Cyanhydrin über. Beispiel 3 Die wäßrige Lösung von Formaldehydcyanhydrin wird
mit 2,z0/0 7oo/oiger Milchsäure versetzt. Durch Destillation läßt sich das Nitril
isolieren. Es hinterbleibt praktisch kein Rückstand an polymerem Formaldehydcyanhydrin.
Beispiel Acetoncyanhydrin wird im Vakuum ohne Zusatz eines Stabilisators destilliert.
Es tritt starke Zersetzung unter Bildung von Aceton und Blausäure ein. Führt man
die Destillation in Gegenwart von 0,5% Sulfanilsäure aus, so erfolgt die Destillation
ohne jede Zersetzung.