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Verfahren zur Gewinnung von Chlor und Alkalisulfat aus Alkalichlorid,
Schwefeltrioxyd und Luft. Es ist bekannt, daß durch die Einwirkung von Schwefeltrioxyd
auf Kochsalz Natriumsulfat entsteht und zugleich ein Gas entwickelt wird, das zu
äquivalenten Teilen aus Schwefeldioxyd und Chlor besteht (vgl. D e a c o n , brit.
Patent 1908 VOM 21. Juli 1871). Da das entwickelte Schwefeldioxyd, sobald
es mit Wasser in Berührung kommt, sich mit dem gleichzeitig entwickelten Chlor zu
Salzsäure und Schwefelsäure umsetzt, so war es notwendig, dieses Schwefeldioxyd
unmittelbar hinter der Kochsalzreaktionskammer fortlaufend zu entfernen. Da aber
bei der Reaktion nach D e a c o n immer wieder neben dem Chlor neues Schwefeldioxyd
entstand, so war das Verfahren sehr schwierig zu handhaben und konnte sich wegen
der minimalen Chlorkonzentration des Abgases, wie die Folgezeit zeigte, nicht durchsetzen.
Um nun eine vollkommenere Reaktion zu erhalten, wurde ein anderer Weg von A d o
1 f C 1 e m m eingeschlagen (vgl. Patent 115 25o vom 7. April 1899), der auf über
8oo° erhitztes Kochsalz Röstgase in Mischung mit Luft einwirken ließ. Damit das
Salz nicht schmolz, mußte ihm eine gewisse '.Menge von Ton, Gips, Kieselgur usw.
zugemischt werden. Es wurde in diesem Patent auch vorgeschlagen, Schwefeltrioxyd
in Mischung mit Luft auf über die normale Schmelztemperatur erhitztes Kochsalz einwirken
zu lassen. Eine praktische Bedeutung kommt dieser Angabe -jedoch nicht zu, weil
bei diesen Temperaturen das- Tri-Oxyd, wie man heute weiß, vollkommen in Dioxyd
und Sauerstoff dissoziiert ist, so .daß an der Reaktion also in jedem Falle Schwefeldioxyd,
Sauerstoff und Alkalichlprid beteiligt sind. Es zeigte sich indessen, daß auch dieses
Verfahren sich wirtschaftlich nicht durchführen ließ, weil die Kosten für die Aufrechterhaltung
der hohen Reaktionstemperatur von den billigen Reaktionsprodukten nicht getragen
werden konnten; zumal auch das gebildete Sulfat für viele Verwendungszwecke von
dem zugemischten Ton usw. durch Auflösen und Wiederauskristallisieren getrennt werden
mußte.
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Eingehende Versuche haben nun gezeigt, daß diese Verfahren deshalb
praktisch nicht durchführbar waren, weil sie sich nicht von der Anwesenheit des
Schwefeldioxyds freimachen konnten. Das Schwefeldioxyd verhindert bei Temperaturen
unterhalb 700°, auch wenn es nur in geringer Menge vorhanden ist, die Chlorentwicklung
fast vollkommen, so daß D e a c o n , der nach seiner Angabe immer nur äquivalente
Mengen von Chlor und Schwefeldioxyd im Abgas der ersten Reaktionskammer erhielt,
sich mit nur minimalen Chlorkonzentrationen begnügen mußte. C 1 e m m dagegen konnte
zwar mit steigenden Temperaturen, z. B. bei Kochsalz zwischen 8oo° und goo°, Chlorerhalten;
doch verdankt er dieses Chlor nicht, wie er meint, einer 'Einwirkung von aus Schwefeldioxyd
und Luft gebildetem Schwefeltrioxyd, das ja
hei diesen Temperaturen
fast vollkommen zu S02 -E- O .zerfallen ist, sondern einer direkten Einwirkung von
Schwefeldioxyd auf Kochsalz, wobei die Luft sich nur noch an Sekundärreaktionen
beteiligt. Das erhellt außer aus unseren Versuchen auch ohne weiteres daraus, daß
die Chlorabspaltung gerade durch steigende Temperaturen, also mit zunehmender Spaltung
von Schwefeltrioxyd in Schwefeldioxyd und Sauerstoff, begünstigt wird.
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Es ist ferner auch schon vorgeschlagen. worden, Schwefeldioxyd in
Mischung mit Luft bei höherer Temperatur auf Alkalichlorid einwirken zu lassen und
die Temperatur dabei so einzustellen, daß sie stets gerade noch unter dem Schmelzpunkt
des jeweils vorhandenen Salzgemisches bleibt. Dieses Verfahren ist aus dem Grunde
unwirtschaftlich, weil es zwar reines Sulfat, nicht aber reines Chlor zu liefern
vermag. Es gelingt unter den angegebenen Bedingungen nicht, die angewendete schweflige
Säure völlig umzusetzen. Es findet sich daher im abgehenden Gas stets ein Gemisch
von Schwefeldioxyd und Chlor, welche sich beim Zusammentreffen mit Wasser sofort
zu Schwefelsäure und Salzsäure, also zu minderwertigen Produkten, umsetzen. Eine
Trennung dieser beiden Gase in wirtschaftlicher Weise durchzuführen, ist praktisch
:unmöglich.
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Es wurde nun gefunden, daß die Einwirkung von Schwefeltrioxyd auf
Kochsalz .oder auch Chlorkalium technisch und wirtschaftlich eine Chlorgewinnung
gestattet, wenn man die Reaktion so leitet,-daß entgegen dem Deaconschen Verfahren
das Abgas neben Chlor kein Schwefeldioxyd enthält. Es ist dazu notwendig, daß einerseits
schon das mit dem Chlorid zur Reaktion kommende Gas praktisch frei ist von Schwefeldioxyd
und anderseits die Temperatur und die Apparatur so gewählt werden, daß eine Dissoziation
des Trioxyds in Dioxyd und Sauerstoff nicht statthat. Es eignen sich dazu z. B.
solche Gase, wie man sie durch Zersetzung von Oleum gewinnen kann oder wie sie für
die Darstellung von Oleum in größtem Maßstabe technisch dargestellt werden. Die
Temperatur, bei der das Schwefeltrioxyd auf die Alkalichläride einwirken kann, liegt
zwischen 300° und 6oo° C. Die zu wählende Temperatur hängt dabei wesentlich von
der benutzten Apparatur ab. Man kann sogar noch bei tieferer Temperatur arbeiten,
wenn man die Reaktion zwischen Salz und Trioxyd, die eine exotherme Reaktion ist,
durch geeignete Kontaktkörper beschleunigt. Über 6oo° C zu arbeiten, ist unzweckmäßig,
weil dann zu einem gewissen Zeitpunkt, bei Kochsalz z. B. bei 6Eaa°, wenn .etwa.
65 a%o desselben- zu Sulfat umgesetzt sind, ein Schmelzen der ganzen Masse stattfindet,
so daß ein weiteres Fortschreiten der Reaktion fast gänzlich verhindert wird.
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Beispiel. 5 0 t Chloillatrium werden in analoger Weise wie
bei dem bekannten Hargreaves Sulfat-Salzsäure-Verfahren zu kleinen porösen Briketts
geformt und in gußeisernen Zylindern (mit etwa 51i2 m Durchmesser) aufgeschichtet.
Die Zylinder, welche geschlossen sind und oben Gaszuführungs- und unten Gasableitungsrohre
enthalten, werden hintereinandergeschaltet, so daß die zugeleiteten Schwefeltrioxydgase
infolge der Reaktion finit dem Salz immer ärmer an Trioxyd und. immer reicher an
Chlor werden. Das Schwefeltrioxyd wird in bekannter Weise nach dem Kontaktverfahren
erzeugt und muß praktisch frei von Schwefeldioxyd sein. Das durch Luft und Stickstoff
- verdünnte, etwa 6- bis 7prozentige Schwefeltrioxydgas wird unter Ausnutzung der
Kiesofenwärme so weit vorgewärmt, daß es in .den ersten Zylinder mit etwa 500` eintritt.
Infolge der positiven Reaktionswärme steigt dort die Temperatur etwas, und die Gase
treten wenig heißer in den zweiten Zylinder ein. Durch Abnahme des Trioxydgehälts
im Reaktionsgas wird indessen die Reaktionswärme allmählich kleiner. Hierdurch kann
zur Aufrechterhaltung der Reaktionstemperatur von etwa ¢0o° C in den letzten Zylindern
eine geringe Zusatzerwärmung notwendig werden, die durch eine Außenheizung in einer
entsprechenden Ummauerung der Zylinder leicht erreicht wird. Sobald das Chlorid
im ersten Zylinder völlig zu Sulfat umgesetzt ist, wird dieser Zylinder außer Betrieb
gesetzt, mit neuen Salzbriketts beschickt und durch entsprechende Umleitung der
Gase als letzter Zylinder wieder in Betrieb genommen. Das aus. dem letzten Zylinder
austretende Gas ist praktisch frei von Schwefeltrioxyd und enthält das Chlor in
etwa derselben (6 bis 7 Volumprozent) Konzentration wie das Trioxyd im Eintrittsgas.
Das Chlor kann in bekannter Weise zu Chlorkalk, Bleichflüssigkeiten oder anderen
Zwecken verwendet werden. i Zylinder von 50 t Salz liefert etwa 61 t Sulfat
und etwa 30 t Chlor bzw. etwa 85 t Chlorkalk. Das Sulfat ist sehr rein, absolut
trocken -und eisenfrei und daher für alle Zwecke, insbesondere z. B. für Spiegelglasfabrikation,
hervorragend geA-ignet.
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Statt der oben angeführten Arbeitsweise in Zylindern können auch andere
Anordnungen getroffen werden. So .kann man in manchen Fällen z: B. auch Drehrohröfen
mit Vorteil für die -Chlor- und Stdfatgewinnung nach obigem- Verfahren verwenden,