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Verfahren zur Herstellung für Textilzwecke brauchbarer langstapeliger
Fasern aus Holz, Stroharten u. dgl. Die bis jetzt fast ausschließlich zu Geweben
verwendbaren Pflanzenfasern sind ihrer Herkunft nach entweder Bastfasern, wie Hanf,
Flachs, Jute und Nessel, oder es sind Samenhaare, wie z. B. Baumwolle. Mit den angegebenen
Fasern ist der Vorrat an faserliefernden Pflanzen durchaus nicht erschöpft, da bekanntlich
fast jede Pflanze Fasern erzeugt, deren sie zu ihrem Aufbau bedarf. Die meisten
dieser Fasern aber setzen ihrer mechanischen Verarbeitung zum Zwecke der Verwendung
als Textilprodukte erhebliche Schwierigkeiten entgegen, da einerseits ihre Längenmaße
wesentlich geringer sind, als zum Spinnen notwendig ist, anderseits die Isolierung
der Zellulosefasern durch chemische Prozesse nicht zu einem für Spinnzwecke verwendbaren
Faserstoff geführt hat.
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Zwei wichtige Zellulose enthaltende Naturprodukte, nämlich das Holz
und Stroharten, schalteten bisher für die Gewinnung von Spinngut fast vollständig
aus. _ Zwar hat man in letzter Zeit das Holz in Form von Zellulose zur Herstellung
eines Textilmaterials verarbeiten können, jedoch muß dabei berücksichtigt werden,
daß dieses Material, welches man Papiergarn nennt, fasertechnisch ganz anders geartet
ist als die bereits erwähnten, direkt verspinnbaren Fasern von Flachs, Jute, Baumwolle
usw.
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Es wurde nun gefunden, da.ß es bei geeigneter Behandlung gelingt,
auch aus Holz oder Strobarten einen zu Spinnzwecken brauchbaren Faserstoff zu gewinnen.
Es gelingt, aus beiden Stoffen eine langstapelige Faser zu erzielen, wenn man während
des Aufschließens eine parallele Lagerung des Faserstoffs beibehält, und zwar so
lange, b:s er der Spinnmaschine zwecks Gewinnung eines Fadens zugeführt wird.
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Ferner ist zu beachten, daß man, um auch vom chemischen Standpunkt
eine zarte Behandlung des Faserstoffs zu ermöglichen, das eigentliche Kochen nach
Möglichkeit einschränkt und durch ein längeres Quellen vor und nach dem Kochen die
Auflösung der inkrustierenden Stoffe anbahnt oder beendet. In allen Fällen jedoch
darf die gesamte Behandlung des Faserstoffs niemals bis zu seiner vollständigen
Auflösung oder Zerlegung getrieben werden, sondern darf nur kaum endgültig oder
eben gerade die Auflösung der inkrustierenden Bestandteile, und zwar nur der Längsverbände,
bewirken. Die bekanntlich die einzelnen kurzen Fasern der Holz- und Strohzellulose
in der Querrichtung abteilenden Trennungswände müssen dagegen sorgfältig erhalten
bleiben.
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Es hat sich herausgestellt, daß als Kochlauge eine reine wäßrige Schwefelnatriumlauge
am geeignetsten ist. Man hat zwar bereits bei der Zellulosegewinnung mit schwefelnatriumhaltigen
Kochlaugen gearbeitet, es ist jedoch bisher nicht erkannt worden, daß es mit Hilfe
einer reinen Schwefelnatriumlauge in Verbindung mit Vor- und Nachquellungen gelingt,
das Aufschließen von Holz oder Stroh derartig zu leiten, daß man einen
langstapeligen,
verspinnbaren Faserstoff erhält. Beim Stroh kann man natürlich auch die es inkrustierende
Kieselsäure durch vorherige Behandlung mit Flußsäure in bekannter Weise zur Auflösung
bringen, Hierdurch wird das Kochern ungemein etrleichtert und verkürzt.
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Das eigentliche Kochen kann in Fortfall kommen und durch eine länger
dauernde Erwärmung auf etwa Ioo ° ersetzt werden, wenn es sich darum handelt, weniger
aufgeschlossene Faserstoffe zu gewinnen, die als Ersatz für Hanf und Werg oder auch
für grobe Jute dienen sollen.
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Wichtig für die Durchführung des Verfahrens ist schließlich noch die
Form, in welcher der Rohstoff der Einwirkung der Laugen unterworfen wird. Es wurde
schon betont, daß die Fasern in paralleler Lage durch das Verfahren geführt werden
müssen; dieses ergibt sich beim Stroh ohne weiteres, wenn es in Form von Langstroh
angewendet wird. Das Holz bedarf jedoch einer besonderen Vorbereitung, und zwar
muß es in Form von Holzwolle zur Verwendung gelangen. Die Herstellung von Holzwolle
selbst ist bekannt. Sie darf jedoch nicht in gekräuseltem Zustand, wie sie als Packmaterial
Verwendung findet, zur Aufschließung kommen, sondern muß ebenso wie das Stroh in
möglichst paralleler Lagerung dem Köchen zugeführt werden.
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Es ist zwar schon versucht worden, Stroh durch Behandlung mit starker
Ätzalkalilauge aufzuschließen, indem man es der Länge nach durch die Badflüssigkeit
führt, jedoch wird hierdurch eine Kräuselung und nicht, wie im vorliegenden Falle,
in Verbindung mit bestimmten anderen Maßnahmen, die Erzielung eines langstapeligen
Faserstoffs angestrebt. Ebenso ist es bekannt, zum Zwecke der Entfernung von Gummi
aus verschiedenen Pflanzenfasern eine parallele Lagerung in einem spiralförmigen
Apparat vorzunehmen. Dort ist der Zweck jedoch durchaus von dem vorliegenden Verfahren
geschieden.
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Das mechanisch vorbereitete Fasergut wird sodann in leicht transportable
Behälter, die ein loses Aufeinanderschichten des Materials gestatten, etwa in Drahtkörbe,
gepackt und einem Durchtränken in Schwefelnatriumlauge von beispielsweise Io° Bé
unterworfen. Alsdann wird das Fasergut, immer in den Draht. körben befindlich, in
dieser Lauge kurze Zeit - etwa 2 Stunden - bei 3 bis 4 Atm. Druck gekocht, der"Druck
sodann abgestellt und das Gut einer Nacheinwirkung überlassen, während welcher man
sich durch Probenahme davon überzeugt, da.ß die inkrustierenden Stoffe genügend
entfernt sind. Ist diese Wirkung eingetreten, so wäscht man das immer in den Körben
befindliche Fasergut aus und führt es nach der Trocknung, die bei nicht zu hoher
Temperatur stattzufinden hat, dem normal aus der Verarbeitung der Baumwolle oder
der anderen genannten Fasern bekannten mechanischen Sp:nnprozeß zu.
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Das Vorweichen sowohl wie die Kochdauer, die Temperatur einerseits
und anderseits die ' Nachweichungszeit richten sich nach den für den jeweiligen
Zweck gewünschten Eigen-' schaften des Faserstoffs.
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Von den angegebenen Maßnahmen sind ein- . zelne bei .der Gewinnung
von Gespinstfasern bereits bekannt geworden. In seiner Gesamtheit und in der bestimmten
Reihenfolge der einzelnen Maßnahmen ist das vorliegende j Verfahren jedoch bisher
nicht ausgeführt worden.