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Verfahren zum gesteuerten chemischen Aufschluß von organischen Stoffen
und biologischen Geweben für therapeutische Zwecke Vorliegendes Verfahren wurde
entwickelt für eine besonders schonende Aufschließung von Organtrockensubstanzen.
Es werden dabei ganze Zellen und korpuskuläre Zellbestandteile (Kerne, Mitochondrien,
Mikrosomen) durch Dämpfe von chemischen Reagenzien im Vakuum oberflächlich mazeriert
und dadurch die Inhaltsstoffe in eine optimal wasserlösliche Form gebracht.
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Bei Anwendung der sonst üblichen Hydrolyseverfahren in feuchtem Milieu
ist eine so schonende Behandlung der Substrate nicht möglich, da hierbei auch autolytische
Vorgänge gleichzeitig mit ablaufen; es sei denn, daß man zusätzlich Fermentgifte
anwendet.
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Diese beeinträchtigen aber die biologische und therapeutische Wirkung.
Auch ist es bei den bisherigen Hydrolyseverfahren nicht zu vermeiden, daß die gewonnenen
Bruchstücke des Substrates untereinander in ungewollter Weise reagieren.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren, bei welchem die Substrate in
getrocknetem wie auch in noch nicht trockenem, jedoch eingefrorenem und pulverisiertem
Zustand eingesetzt werden, ist aber die Gefahr für solche ungewollte Reaktionen
beseitigt, und es brauchen deshalb auch keine Fermentgifte zugesetzt werden.
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Es wurde festgestellt, daß die nach dem beanspruchten Verfahren behandelten
Organsubstanzen, bezogen auf die Gewichtsmenge der Trockensubstanz, 240/0 wasserlösliches
Protein enthalten, während nach einer Veröffentlichung von H. S c h m i dt (Med.
Klinik, 1/1958, S. 20) in Frischgeweben, ebenfalls bezogen auf deren Trockengewicht,
nur 6,20/a und bei sogenannten »Trockenzellen« 3,1 °/o lösliches Protein enthalten
sind. Die beträchtliche Erhöhung der Löslichkeit der Proteine kann vielleicht dadurch
erklärt werden, daß die vorher unlöslichen makromolekularen Komplexe aus den korpuskulären
Zellbestandteilen aufgespalten werden unter Beibehaltung ihrer Eiweißnatur und wasserunlösliche
Proteine durch Salzbildung mit dem verwendeten chemischen Reagenz in wasserlösliche
Form gebracht werden. Es ist jedenfalls nunmehr möglich, die vorher unlöslichen
Zellbestandteile unmittelbar zur Resorption und biologischen Wirkung innerhalb der
Zellen zu bringen.
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Die bisherigen bekannten Methoden der Hydrolyse durch Einwirkung
von Flüssigkeiten besitzen darüber hinaus aber auch noch den Nachteil, daß die Reagenzien
nach getaner Wirkung durch andere chemischen Stoffe neutralisiert und die entstandenen
Salze dann durch Dialyse und andere eingreifende Verfahren beseitigt werden müssen,
wodurch ebenfalls unübersehbare Möglichkeiten einer ungewollten chemischen Beeinflussung
des Substrates gegeben sind. Auch lassen sich die gewünschten Vorgänge der Hydrolyse
oder
chemischen Beeinflussung des Substrates nicht in dem Maße quantitativ steuern
wie bei vorliegendem Verfahren. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn man für die
Hydrolyse die Reagenzien bei Normaldruck erhitzt, da dann die heißen Dämpfe eine
unkontrollierbare thermische Veränderung des Substrates hervorrufen.
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Vorliegendes Verfahren ist auch nicht zu vergleichen mit der Begasung
von Casein mit Ammoniak, wie es in Hager, Hdb. d. pharm. Praxis. ., unter »Casein«
beschrieben ist, weil dieses Reagenz einen bei atmosphärischem Druck unter der Normaltemperatur
liegenden Siedepunkt besitzt, so daß eine Kondensation des Reagenzes auf dem Substrat
für die Hydrolyse nur durch eine extreme Absenkung der Temperatur und Erhöhung des
Druckes möglich wird. Im übrigen handelt es sich dort auch nicht um eine Aufschließung
von korpuskulären makromolekularen Agglomeraten verschiedenartiger Stoffe, sondern
um die Beeinflussung einer einheitlichen chemischen Substanz.
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Zudem ist hier auch noch zu berücksichtigen, daß Ammoniak und in gleicher
Weise z. B. Chlorwasserstoffgas unter Normalbedingungen schon gasförmig sind, wodurch
nur eine oberflächliche Hydrolyse des Substrates bei ausreichender Einwirkungszeit
möglich ist. Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren tritt jedoch, wie bereits oben
erwähnt, eine umfassende Hydrolyse ein, weil das hohe Vakuum die Durchdringung des
Substrates mit den Reagenzien ermöglicht. Bei Reagenzien, die normalerweise schon
gasförmig sind, würde aber das Anlegen eines hohen Vakuums die Hydrolyse verhindern.
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Auch die Imprägnierungsverfahren, wie sie z. B. in der Histologie
und der Elektronenmikroskopie angewandt
werden, lassen sich mit
vorliegendem Verfahren nicht vergleichen. Dort erfolgt nämlich nach einer Vakuumtrocknung
die Imprägnierung ebenfalls durch Einwirkung heißer Dämpfe.
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Vorliegendes Verfahren hat aber auch keine Beziehungen zu den Vakuumtrocknungsmethoden,
denn bei diesen kommt es darauf an, ein möglichst gutes Vakuum zu erzeugen, während
bei vorliegendem Verfahren dessen Höhe auf den Dampfdruck des jeweils verwendeten
chemischen Reagenzes abgestimmt wird.
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Die Anpassung der Höhe des Vakuums an den Ablauf des chemischen Prozesses
ist hier also kennzeichnend.
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Für die Anwendung des beanspruchten Verfahrens ist die Differenz
des Dampfdruckes zwischen dem chemischen Reagenz und dem damit zu beeinflussenden
Substrat entscheidend. Der Dampfdruck des Reagenzes sollte dabei größer sein als
derjenige des Substrates.
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Dadurch findet das Verfahren seine Begrenzung, da hierfür Reagenzien
nicht in Betracht kommen, die keinen ausreichend hohen Dampf- oder Sättigung druck
besitzen. NaO H oder K OH beispielsweise sind dafür also ungeeignet.
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Ist der Dampfdruck erreicht, so verdampft so lange Substanz, als
der Dampf aus der Umgebung entfernt werden kann oder sich auf dem Substrat niederschlägt
bzw. dort durch chemische Reaktion gebunden wird.
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Auch der Dampfdruck des Reaktionsproduktes z. B. bei einer Salzbildung
von dem entstehenden Wasser muß hier berücksichtigt werden. Im Vergleich zum Wasser
beträgt z. B. der Dampfdruck des Diäthylamin bei -12,40C 35 mm Hg, bei 00 C 70 Torr,
bei 11,60 C 127,3 Torr und bei 20,70 C 194,4 Torr. Man kann damit also auch nicht
entwässerte gefrorene Substrate beeinflussen. Das gleiche gilt auch für wasserfreie
Ameisensäure, die bei 0° C einen Dampfdruck von 10,6 Torr und bei 100 C von 19,7
Torr besitzt. Hingegen kann ein wasserhaltiges Substrat auch in gefrorenem Zustand
von konz. Schwefelsäure bei wenigen Kältegraden nicht beeinflußt werden, weil diese
als 900/oige Säure bei 200 C nur einen Dampfdruck von 0,005 Torr besitzt. Um einen
Aufschluß des Substrates mit Schwefelsäure zu erzielen, muß der Dampfdruck des Substrates
also unter dem der Schwefelsäure liegen. Eine Beeinflussung eines auf 1000 C gefrorenen
Substrates, das nicht entwässert ist und bei dem der Dampfdruck 10-5 Torr beträgt,
durch den Dampf einer 900/obigen Schwefelsäure mit 200 C wäre indessen möglich.
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Durch Veränderung des Vakuums wie auch der Temperaturen von Substrat
und chemischem Reagenz lassen sich also das Verdampfen und Kondensieren beliebig
steuern. Wird das Vakuum erniedrigt, dann kondensieren die Dämpfe aus und lagern
sich auch auf dem Substrat ab. Das Substrat läßt sich also sowohl durch Dämpfe als
auch durch Kondensate beeinflussen.
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Wird nun das Vakuum wieder erhöht, so verdampft erneut das Hydrolysemittel.
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Auf diese Weise können die nicht verbrauchten Reagenzien aus dem
Substrat wieder entfernt und abgesaugt werden. Eine Neutralisierung ist hier also
nicht erforderlich. Zur vollkommenen Beseitigung ist es jedoch notwendig, daß aus
dem ursprünglichen Reservoir der Reagenzien keine weitere Verdampfung erfolgt. Dies
läßt sich verhindern, indem man nur eine bestimmte Menge der chemischen Reagenzien
benutzt, die während der chemischen Beeinflussung des Substrates vollkommen verdampft
wird, bzw. die Reagenzien abkühlt, so daß ihre Dampfdichte absinkt, wobei das Vakuum
dann diesen Druck nicht mehr erreichen darf, oder aber, indem man die chemischen
Reagenzien
in einem kommunizierenden Vakuumgefäß deponiert, das von dem Gefäß, in welchem sich
das zu verändernde Substrat befindet, abgeschlossen wird.
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Beispiel I 100 g feinpulverisiertes Trockenpulver aus Leber soll
durch Schwefelsäure im Vakuum aufgeschlossen werden.
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Das Trockenpulver wird verteilt auf einer Petrischale in einer Schichtdicke
von 0,5 cm in einen Exsikkator gebracht, der wahlweise mit einem Kältekondensator
über ein Pumpensystem für Hochvakuum, gleichzeitig aber auch mit einem kommunizierenden
Vakuumgefäß in Verbindung steht, das durch ein Ventil sich von dem Hauptexsikkator
absperren läßt.
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Es wird nun zunächst in das kommunizierende Vakuumgefäß konz. Schwefelsäure
bei Zimmertemperatur eingefüllt und das Verbindungsventil zum Exsikkator abgesperrt.
Um eine etwaige Restfeuchtigkeit durch hygroskopische Wirkung des Trockenpulvers
zu beseitigen, wird nun zunächst mit Hilfe des Kältekondensators, der mit Aceton-Kohlensäure-Schnee
unterkühlt wird, Wasser aus dem Gewebepulver sublimiert und anschließend unter Abschaltung
dieses Kondensators mit Hilfe eines Hochvakuumaggregates so lange abgesaugt, bis
der Druck im Exsikkator 10-4Torr erreicht. Danach wird das Ventil zu dem kommunizierenden
Gefäß geöffnet, so daß nun Schwefelsäure in dampfförmigem Zustand in den Exsikkator
eindringen kann.
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Das Vakuum fällt jetzt auf den Dampfdruck der Schwefelsäure ab. Nun
wird die Verbindung zum Rezipienten der Säure unterbrochen, vorher aber die kommunizierenden
Rezipienten von dem Pumpenaggregat getrennt. Durch Einblasen von Stickstoff in den
Exsikkator wird das Vakuum über dem Leberpulver nun geringgradig weiter verschlechtert.
Dadurch kondensiert der Schwefelsäure dampf der Leber.
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Nach einer gewissen Einwirkungszeit wird die Verbindung zum Pumpensystem
und zum Rezipienten für die Säure wieder geöffnet und nach Erreichen des Dampfdruckes
der Schwefelsäure der Vorgang zweimal wiederholt. Zum Schluß wird dann die Verbindung
zwischen den beiden kommunizierenden Gefäßen nichtwiederhergestellt, sondern lediglich
zwischen Exsikkator und dem Pumpensystem. Es wird nun so lange abgepumpt, bis alle
Schwefelsäure aus dem Exsikkator entfernt ist, die nicht chemisch zur Reaktion gekommen
ist. Auf diese Weise kann auch die Wasserstoffionenkonzentration des Trockenpulvers
aus Leber auf der sauren Seite beliebig verändert werden. Je intensiver und länger
die Absaugung erfolgt, um so mehr wird das PH neutral.
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Beispiel II 50 g tiefgefrorene, feinzerkleinerte Partikeln von frischer
Kalbsniere sollen unter Ausschluß von Sauerstoff durch Diäthylamin gesteuert, ehemisch
aufgeschlossen und dann getrocknet werden.
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Die Temperatur des tiefgefrorenen Nierensubstrates beträgt - 1800
C. Das Pulver wird in dünner Schicht auf einer Petrischale verteilt und in einen
Exsikkator gebracht, in welchem ein zweites Gefäß mit 10 ccm Diäthylamin ebenfalls
offen eingebracht wird. Das Diäthylamin hat eine Temperatur von 0° C. Während des
Vorganges der Beschickung steigt die Temperatur des Nierenpulvers auf - 1000 C.
Es wird nun durch ein leistungsfähiges Pumpensystem in dem Exsikkator ein Vakuum
erzeugt. Dieses erreicht 70 Torr, weil der Dampfdruck des Diäthylamins bei 0° C
70 Torr beträgt.
Nun wird die Verbindung zum Pumpensystem getrennt.
Durch Erhöhung der Temperatur des Diäthylamins verdampft dieses weiter. Das Gas
kommt zur Reaktion mit den gefrorenen Partikeln der Niere und wird dort verbraucht.
Nachdem nun die gesamte Menge des Diäthylamins auf diese Weise verdampft ist, wird
die Verbindung mit der Vakuumpumpe wiederhergestellt und zunächst über eine Kühlfalle
das Substrat entwässert und das restliche Diäthylamin abgesaugt. Zum Schluß wird
durch Vorschaltung einer Diffusionspumpe unter Umgehung der Kühlfalle die Resttrocknung
durchgeführt.