-
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Bremssystem für ein Kraftfahrzeug, das zwei elektromechanische Bremsdruckerzeugungsvorrichtungen zur Erzeugung von hydraulischem Bremsdruck in wenigstens zwei Radbremszylinder umfasst, wobei die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung als hydraulisches System ausgestaltet ist, mit einem ersten elektrischen Aktuator zum Betreiben wenigstens einer Pumpe und derart eingerichtet ist um eine fahrdynamische Regelung des Kraftfahrzeugs mittels gezielter radindividueller Druckmodulation in den wenigstens zwei Radbremszylindern zu ermöglichen, wobei die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung als Kolben-Zylinder-Vorrichtung ausgestaltet ist, mit wenigstens einem Kolben, welcher eine hydraulische Druckkammer begrenzt und mittels Betriebs eines zweiten elektrischen Aktuators derart verstellbar ist, um ein Volumen der hydraulischen Druckkammer zu verändern, wobei die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung und die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung seriell zueinander angeordnet sind, wobei die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung mittels jeweils einer direkten hydraulischen Verbindung mit den wenigstens zwei Radbremszylinder verbunden ist.
-
Stand der Technik
-
Heutige KFZ-Bremssysteme sind für eine Steuerung durch einen Fahrzeugführer mit ständigem hydraulischem Durchgriff auf die Bremskrafterzeugung am Rad ausgelegt. Bei Ausfall des Bremssystems ist dadurch gewährleistet, dass der Fahrer durch Betätigen des Bremspedals noch ausreichend Bremskraft auf die Räder des Fahrzeugs aufbringen kann.
-
Bekannt sind heute sog. gekoppelte Bremssysteme oder Hilfskraftbremssysteme wie z.B. iBooster und ESP. Des Weiteren sind entkoppelte Bremssysteme oder Fremdkraftbremssysteme wie IPB der Robert Bosch GmbH bekannt. Entkoppelte Bremssysteme sind in der Vollfunktion by-wire, d.h. dass der Fahrer keinen direkten Durchgriff hat (er tritt in einen Pedalgefühlsimulator ein). Allerdings sind auch diese Systeme so realisiert, dass im Backup nach wie vor ein hydraulischer Durchgriff gegeben ist. Aktuelle Fremdkraftbremsanalagen wie z.B. IPB sind nicht elektrisch redundant. Für deren Einsatz in hoch- und voll-autonome Fahrzeugen muss daher eine weitere hydraulische Einheit eingebaut werden, wie z.B. die RBU (Redundant Brake Unit). Bei Fahrzeugen mit einem hohen Automatisierungsgrad (also hochautomatisierte und autonome Fahrzeuge) kann der Fahrer mindestens für eine gewisse Reaktionszeit als Rückfallebene nicht herangezogen werden. Daher müssen alle sicherheitsrelevanten Systeme (wie Bremse, Lenkung etc.) redundant ausgeführt werden.
-
Offenbarung der Erfindung
-
Vorteilhaft ermöglicht hingegen das erfindungsgemäße Bremssystem eine modulare Bremssystemarchitektur, welche geeignet ist bei einem Übergang hin zu teil- und hochautomatisierte Fahrzeug sowie Elektrofahrzeugen geringe Bremssystemkosten für die gesamte Fahrzeugplattform zu ermöglichen und dabei ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten, um bspw. bremssystem-periphere Maßnahmen, wie ein redundantes Bordnetz zu vermeiden.
-
Ermöglicht wird dies gemäß der Erfindung durch die in den unabhängigen Patentansprüchen angegebenen Merkmale. Weitere Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand von Unteransprüchen.
-
Das erfindungsgemäße Bremssystem ist ein Bremssystem für ein Kraftfahrzeug umfassend zwei fahrerkraftunabhängige Bremsdruckerzeugungsvorrichtungen zur Erzeugung von hydraulischem Bremsdruck in wenigstens zwei Radbremszylinder, wobei die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung als hydraulisches System ausgestaltet ist, mit einem ersten elektrischen Aktuator zum Betreiben wenigstens einer Pumpe und derart eingerichtet ist um eine fahrdynamische Regelung des Kraftfahrzeugs mittels gezielter radindividueller Druckmodulation in den wenigstens zwei Radbremszylindern zu ermöglichen, wobei die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung als Kolben-Zylinder-Vorrichtung ausgestaltet ist, mit wenigstens einem Kolben, welcher eine hydraulische Druckkammer begrenzt und mittels Betriebs eines zweiten elektrischen Aktuators derart verstellbar ist um ein Volumen der hydraulischen Druckkammer zu verändern, wobei die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung und die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung seriell zueinander angeordnet sind, wobei die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung mittels jeweils einer direkten hydraulischen Verbindung mit den wenigstens zwei Radbremszylinder verbunden ist.
-
Hierunter ist zu verstehen, dass das Bremssystem zwei Druckerzeuger aufweist, welche unabhängig von einem Fahrer Hydraulikfluid verschieben, bzw. Druck aufbauen können. Die Fluidverschiebung, bzw. der Druckaufbau erfolgt dabei automatisiert. Dies erfolgt bspw. durch Elektromechanik, bspw. einem elektrischen Aktuator, bspw. einem Elektromotor.
-
Unter fahrerkraftunabhängiger Druckerzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass keine mechanische oder hydraulische Kopplung mit dem Fahrer vorliegt. D.h. es erfolgt bspw. keine gekoppelte Druckerzeugung in diesem Druckerzeuger durch den Elektromotor und das Bremspedal. In der praktischen Umsetzung ist beispielsweise die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung derart ausgestaltet, dass keine mechanische Durchgriffsmöglichkeit eines Fahrers auf den Kolben besteht. Ein Fahrerbremswunsch wird dabei bspw. durch einen Bremspedalwegsensor aufgenommen und durch elektronische Steuerung des elektrischen Aktuators umgesetzt, welcher wiederum den Kolben verstellt und damit Fluid verschiebt, bzw. Druck aufbaut. Die Druckerzeugung erfolgt in diesem Sinne abhängig von einem Fahrerbremswunsch, jedoch unabhängig von dem tatsächlich vom Fahrer erzeugten Druck, bzw. unabhängig von der Fahrerkraft. Darüber hinaus kann die Druckerzeugung auch automatisiert und unabhängig von einem Fahrerbremswunsch erfolgen, wenn bspw. in einem (teil-)automatisierten Fahrmodus die Notwendigkeit einer Bremsung festgestellt wird.
-
Bspw. besteht auch bei der ersten Bremsdruckerzeugungsvorrichtung keine mechanische Kopplung oder mechanische Durchgriffsmöglichkeit für den Fahrer. Die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung ist jedoch ausgebildet durch den Fahrer erzeugten Bremsdruck an die Radbremszylinder weiterzugeben. Hierbei kann diese nach Bedarf moduliert werden. Als Druckmodulation ist sowohl ein Aufbauen, ein Abbauen oder ein Halten von Bremsdruck zu verstehen. Mittels dieser Druckmodulation wird insbesondere die Fahrdynamik beeinflusst, insbesondere eine Fahrstabilitätsregelung (ESP) ausgeführt. Hierdurch wird eine Steuerung der Fahrzeugbewegung ermöglicht und ein Übersteuern und/oder Untersteuern des Fahrzeugs vermieden. Selbstverständlich kann auch eine Bremsschlupfregelung (ABS) dadurch erzielt werden. Die hydraulische Schaltung der ersten Bremsdruckerzeugungsvorrichtung kann derart ausgestaltet sein, dass eine X- als auch II-Aufteilung der Bremskreise vorliegt. Die Begrifflichkeiten Druckaufbaueinheit, Bremsdruckerzeugungsvorrichtung, Bremsdruckerzeuger und Druckerzeuger sollen gleichbedeutend verwendet werden.
-
Die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung ist als Hauptbremssystem und die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung als Sekundärbremssystem ausgestaltet. Das Haupt- und Sekundärbremssystem sind seriell (in Reihe) zueinander angeordnet, bzw. dergestalt miteinander hydraulisch gekoppelt. Hierbei ist die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung mit den Radbremszylindern verbunden, d.h. hydraulisch angebunden. Unter der beschriebenen direkten Verbindung ist zu verstehen, dass keine weiteren Druckerzeugungseinrichtungen dazwischen geschalten sind. Auch liegen keine Ventile zwischen der ersten Druckerzeugungsvorrichtung und den Radbremszylindern. Die Druckerzeugung bzw. Druckmodulation durch die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung wirkt über die hydraulische Verschaltung der ersten Bremsdruckerzeugungsvorrichtung auf alle Räder des Kraftfahrzeugs. Hierbei weist das Kraftfahrzeug insbesondere einen Radbremszylinder pro Rad auf. Die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung und die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung weisen wenigstens eine hydraulische Verbindungsmöglichkeit miteinander auf. Eine Verbindung kann bspw. mittels einem Trennventil hydraulisch gekoppelt und entkoppelt werden. So ist es möglich, dass bspw. die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung von den Radbremszylindern abgekoppelt wird.
-
Die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung (Hauptbremssystem) ist als sog. Plunger-System (Kolben-Zylinder-Vorrichtung) ausgeführt. Hierbei kann der Plunger vorteilhafterweise einkreisig ausgestaltet werden, da die durchgängige Zweikreisigkeit bei Ausfall des Hauptbremssystems durch den zweikreisigen mechanischen Durchgriff des Fahrers (zweikreisiger Tandemhauptbremszylinder) und das zweikreisige ESP gegeben ist. Dies ermöglicht deutliche Kostenvorteile gegenüber Ausführungen mit einen zweikreisigen Plunger durch Entfall des Schwimmkolben und eine einfache Anbindung des Aktuators. Alternativ sind auch zweikreisige Plunger-Systeme denkbar, um hohe Anforderungen an Sicherheit zu gewährleisten. Es sei erwähnt, dass auch eine als zweikreisiger Plunger ausgeführte zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung ein fahrerunabhängiger Bremsdruckerzeuger ist, d.h. keine mechanische Verbindung mit einem Bremspedal aufweist.
-
Durch die Verwendung des Plunger-Systems als Hauptbremssystem kann weiterhin eine optimale NVH-Performance im Vollsystem erzielt werden. Auch ermöglicht dies ein einfaches und genaues Monitoring und Regelung: wobei sowohl Lage als auch Volumen- und Druckaufbauinformation in Vergleich zu anderen Konzepten (wie bspw. der Pumpe) einfacher und genauer erfasst werden können. Durch Kombination und spezifische Anordnung der beiden unterschiedlichen Bremsdruckerzeugungsvorrichtungen kann auch eine sog. heiße Redundanz ermöglicht werden: Das ESP-System kann das Plunger-System bei spezifischen Funktionen unterstützen, bspw. bei HBB (Hydraulic Brake Boost) oder HBC (Hydraulic Boosterfailure Compensation). Bei einem Ausfall des Hauptbremssystems ist weiterhin sogar die volle ESP-Funktionalität mit Längs- und Querstabilisierung verfügbar.
-
Vorteilhaft kann hierdurch auch eine Verringerung der Bremssystemkosten für modulare Plattformen ermöglicht werden. So kann je nach Anforderungsausprägung für jede Fahrzeugvariante das günstigste Bremssystem verwendet werden. Insbesondere bei autonomen oder teilautonomen Fahrzeugen bietet ein derartiges System weitreichende Vorteile. So ermöglicht es bspw. eine aktive Pedalentkoppelung eine Fehlbetätigung des Fahrers wirkungslos zu machen und die aktive Bremsung davon unbeeinflusst weiter durchführen zu können. Auch könnte ein Bremskraftverstärker durch die vorgesehene Pedalentkopplung und separate Druckaufbaueinheit (zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung) ersetzt werden, das ESP kann unverändert weiterverwendet werden. Weiterhin weist die Erfindung ein geringeres Gewicht und Volumen gegenüber heutigen redundanten Bremssystemen auf, insbesondere bzgl. der besonders package-kritischen Komponenten an der Spritzwand. Weiterhin ist kein Volumenverblenden bei einer Rekuperation erforderlich und gegenüber einem komplett pedalgekoppelten System kann bei rein rekuperativen Bremsung der Druck aktiv auf null geregelt werden. Dadurch werden Restdrücke vermieden die die Rekuperationseffizienz reduzieren.
-
In einer vorteilhaften Ausführungsform des Bremssystems ist die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung über die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung mit den wenigstens zwei Radbremszylindern verbunden.
-
Hierunter wird verstanden, dass die Ausgestaltung und Anordnung der beiden Druckerzeuger derart ausgeführt ist, dass der erste Druckerzeuger eine Druckdurchleitung von dem zweiten Druckerzeuger zu den Radbremsen ermöglicht. Der erste Druckerzeuger bildet dabei (zumindest stückweise) die hydraulische Verbindung zwischen dem zweiten Druckerzeuger und den Radbremszylindern. Das Plunger-System drückt das Bremsfluid quasi durch das ESP-System. Selbstverständlich kann das ESP-System diesen Fluidfluss modulieren.
-
In einer möglichen Ausgestaltung ist die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung als ESP-Vorrichtung ausgestaltet, welche eine Mehrzahl von Ventilen, insbesondere 12 elektromagnetische Ventile, sowie wenigstens eine Speicherkammer, insbesondere 2 Speicherkammern, aufweist.
-
Hierunter wird verstanden, dass der erste Bremsdruckerzeuger eine vollständige ESP-Funktion ermöglicht. Bei einem PKW ist das ESP bspw. als zweikreisiges System ausgelegt mit je einem Niederdruckspeicher, einer Rückförderpumpe, zwei Ein- und Auslassventile und einem Druckhalteventil und Druckregelventil (USV) sowie einem Hochdruckschaltventil (HSV) pro Kreis. In vorteilhafter Weise wird als erster Bremsdruckerzeuger ein reguläres ESP-Modul eingesetzt. Die 1:1-Übernahme eines regulären ESP-Moduls ermöglicht über bereits existierenden Skaleneffekt sehr niedrige Gesamtsystemkosten und vermeidet doppelten, bzw. neuen Applikationsaufwand über alle Fahrzeugvarianten.
-
In einer bevorzugten Ausgestaltung umfasst das Bremssystem eine Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung, und insbesondere ist die Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung mittels mindestens einem ersten Trennventil mit der ersten Bremsdruckerzeugungsvorrichtung verbunden.
-
Als Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung ist bspw. ein Hauptbremszylinder oder Tandemhauptbremszylinder zu verstehen oder ein Vakuum-Booster (pneumatisch unterstützter Hauptbremszylinder) oder iBooster (elektromechanisch unterstützter/ angetriebener Hauptbremszylinder). Hierbei besteht ein direkter Durchgriff des Fahrers auf das Bremsfluid. So ermöglicht bspw. das Fußbremspedal eine direkte mechanische Kopplung mit dem Kolben, durch dessen Bewegung das Bremsfluid bewegt und Bremsdruck aufgebaut wird. Die Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung ist hydraulisch an den ersten Bremsdruckerzeuger angebunden. Weiterhin ist die Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung über den ersten Bremsdruckerzeuger mit den wenigstens zwei Radbremszylindern verbunden.
-
Das Plunger-System kann, separat vom Hauptbremszylinder, einen Hydraulikfluiddruck erzeugen, welcher über Fluidleitungen in denen jeweils ein Schaltventil angeordnet ist, flüssigkeitsbezogen mit dem Bremskreis der ersten Druckerzeugungsvorrichtung gekoppelt ist. Ebenfalls kann der Hauptbremszylinder, separat vom Plunger-System, einen Hydraulikfluiddruck erzeugen, welcher über Fluidleitungen in denen jeweils ein Schaltventil angeordnet ist, flüssigkeitsbezogen mit dem Bremskreis des ersten Druckerzeugers gekoppelt ist. Diese beiden Druckerzeuger stehen daher in einer parallelen Anordnung zueinander. Aufgrund der bestehenden Durchgriffsmöglichkeit des Fahrers auf die Radbremszylinder kann bspw. ein redundantes Bordnetz für die Steuerung der Aktuatoren entfallen.
-
Mittels einem Trennventil kann die hydraulische Anbindung des Hauptbremszylinders an die Radbremszylinder gekoppelt oder entkoppelt werden. Bspw. kann dafür ein stromlos offenes Trennventil verwendet werden. Dieser Druckkreis kann zweikreisig ausgelegt sein. Entsprechend sind zwei Trennventile vorzusehen - für jede Fluidleitung eines. Die Trennventile der Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung verhindert, dass ein vom dem zweiten Druckerzeuger erzeugter Druck - bzw. verschobenes Fluid - in die hydraulische Druckkammer des Hauptbremszylinders gelangt und ermöglicht damit, dass dieser, bzw. dieses, tatsächlich zu den Radbremszylindern geleitet wird.
-
In einer alternativen Weiterbildung ist in einem ersten Zustand eine hydraulische Verbindung zwischen der Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung und den wenigstens zwei Radbremszylinder ausgebildet sowie in einem zweiten Zustand eine hydraulische Verbindung zwischen der Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung und einem Bremsgefühlsimulator ausgebildet.
-
Hierunter wird verstanden, dass das System ermöglicht, den Fahrer hydraulisch in den Bremsvorgang einzukoppeln oder davon abzukoppeln. Im eingekoppelten (ersten) Zustand besteht die Möglichkeit eines mechanisch-hydraulischen Fahrerdurchgriff auf die Radbremszylinder. Im entkoppelten (zweiten) Zustand hat der Fahrer keinen Durchgriff und tritt lediglich in einen Bremsgefühlsimulator. Der Fahrer wird dabei über Ventile aktiv vom Bremssystem abgekoppelt und das erforderliche Pedalgefühl über einen Simulator erzeugt. Man kann das System daher als aktiv pedalendkoppelbares System bezeichnen.
-
In einer vorteilhaften Ausgestaltung ist die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung mittels mindestens einem zweiten Trennventil mit der ersten Bremsdruckerzeugungsvorrichtung verbunden.
-
Hierunter wird verstanden, dass der zweite Druckerzeuger mittels einem Trennventil von dem ersten Druckerzeuger abkoppelbar ist. Bei einem zweikreisigen System sind entsprechend zwei Trennventile vorgesehen. Die Trennventile sind dem zweiten Druckerzeuger zugeordnet. Es handelt sich also nicht um dieselben Trennventilen wie bei der Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung. Die Trennventile des zweiten Druckerzeugers verhindert jedoch in analoger Weise, dass ein vom Fahrer erzeugter Druck - bzw. ein verschobenes Fluid - in die hydraulische Druckkammer des zweiten Druckerzeugers gelangt und ermöglicht damit, dass dieser, bzw. dieses, tatsächlich zu den Radbremszylindern geleitet wird.
-
In einer möglichen Ausführung ist das Bremssystem als geschlossenes Bremssystem ausgestaltet.
-
Hierunter wird verstanden, dass das Gesamtbremssystem als geschlossenes System ausgeführt ist. D.h. die Bremsflüssigkeit wird im ABS-Fall über die Auslassventile in den Niederdruckspeicher, bzw. die Speicherkammer abgelassen und über die Rückförderpumpe des Sekundärsystems wieder in den Bremskreis oberhalb der Einlassventile zurückgeführt. Vorteilhaft ist in einem geschlossenen System damit kein Nachschnüffeln (Replenishment) des Hauptbremssystems (Plunger-System) notwendig. Aufgrund des Wegfalls der Druckhaltephase im Replenishment-Fall, kann damit eine Funktionsreduzierung und Performance-Benefit erzielt werden.
-
In einer bevorzugten Weiterbildung werden die erste und zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung jeweils von einem separaten Steuergerät angesteuert werden.
-
Hierunter wird verstanden, dass die elektrischen Aktuatoren des jeweiligen Druckerzeugers von jeweils einem Steuergerät angesteuert werden. Beide Steuergeräte sind vorteilhafterweise an ein Bordnetz angeschlossen.
-
In einer alternativen Ausführungsform sind die Steuergeräte an unterschiedliche Bordnetze angeschlossen sind. Hierdurch ergibt sich eine Steigerung der Systemsicherheit.
-
In einer alternativen Ausgestaltung weist das Bremssystem mehrere bauliche Einheiten auf, wobei eine erste bauliche Einheit die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung umfasst; sowie eine zweite bauliche Einheit die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung und das wenigstens zweite Trennventil und die Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung und das wenigstens erste Trennventil und den Bremsgefühlsimulator umfasst.
-
Vorteilhaft ermöglicht das sogenannte 2-Box Design eine hohe Modularität und Flexibilität bei der geometrischen Integration in das Gesamtfahrzeug.
-
In einer bevorzugten Ausführungsform weist das Bremssystem mehrere bauliche Einheiten auf, wobei eine erste bauliche Einheit die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung umfasst; sowie eine zweite bauliche Einheit die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung und das wenigstens zweite Trennventil umfasst; sowie eine dritte bauliche Einheit die Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung und das wenigstens erste Trennventil und den Bremsgefühlsimulator umfasst.
-
Das sogenannte 3-Box Design erhöht weiter die Modularität und Flexibilität bei der geometrischen Integration in das Gesamtfahrzeug. Dadurch ergeben sich insbesondere Packaging-Vorteile (da eine kleinere Box an der Spritzwand positioniert und die Box des zweiten Druckerzeugers beliebig positioniert werden kann) sowie NVH-Vorteile (da die Box des zweiten Druckerzeugers mit dessen Motor nicht mehr an der Spritzwand positioniert ist und damit ein optimierter (besserer/gedämpfter/länger) Schallübertragungspfad erzielt werden kann).
-
Erfindungsgemäß ist weiterhin ein Verfahren zum Betreiben eines wie zuvor beschriebenen Bremssystems eines Fahrzeugs, wobei das Bremssystem zumindest zeitweise in einem der folgenden Modi betrieben wird:
- - in einem ersten Modus wird der Hauptbremszylinder hydraulisch von den Radbremszylindern entkoppelt und ein Bremsdruck in den Radbremszylindern wird mittels zumindest der zweiten Bremsdruckerzeugungsvorrichtung erzeugt und die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung führt eine radindividuelle Bremsdruckmodulation aus;
- - in einem zweiten Modus wird der Hauptbremszylinder hydraulisch von den Radbremszylindern entkoppelt und ein Bremsdruck in den Radbremszylindern wird mittels zumindest der ersten Bremsdruckerzeugungsvorrichtung erzeugt und die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung führt eine radindividuelle Bremsdruckmodulation aus;
- - in einem dritten Modus wird der Hauptbremszylinder hydraulisch an die Radbremszylinder angekoppelt und ein Bremsdruck in den Radbremszylindern wird mittels zumindest des Hauptbremszylinders erzeugt und die erste Bremsdruckerzeugungsvorrichtung führt eine radindividuelle Bremsdruckmodulation und/oder Bremskraftverstärkung (HBC) aus.
-
Ausführungsformen
-
Es ist darauf hinzuweisen, dass die in der Beschreibung einzeln aufgeführten Merkmale in beliebiger, technisch sinnvoller Weise miteinander kombiniert werden können und weitere Ausgestaltungen der Erfindung aufzeigen. Weitere Merkmale und Zweckmäßigkeit der Erfindung ergeben sich aus der Beschreibung von Ausführungsbeispielen anhand der beigefügten Figuren.
-
Von den Figuren zeigt:
- 1 eine mögliche erste Umsetzung des erfinderischen Bremssystems; und
- 2 eine mögliche alternative Umsetzung des erfinderischen Bremssystems; und
- 3 eine mögliche weitere alternative Umsetzung des erfinderischen Bremssystems; und
- 4 eine Darstellung möglicher Verfahrensschritte.
-
1 zeigt eine schematische Darstellung einer möglichen ersten Umsetzung des erfinderischen Bremssystems 19. Hierbei ist die erste Druckerzeugungsvorrichtung 1 als hydraulisches ESP-System ausgestaltet. Das ESP-System ist als eine bauliche Einheit 18a ausgebildet. Diese Einheit umfasst neben dem elektrischen Aktuator 5 auch die Pumpen 6 sowie Ventile 11 (Hochdruckschaltventile sowie Umschaltventile, Einlassventile, Auslassventile), sowie die Speicherkammern 12. Hierbei handelt es sich um ein klassisches ESP-System dessen Funktionsweise bekannt ist. Das ESP-System weist zwei hydraulische Verbindungen in Richtung des Hauptbremszylinders 13, bzw. der zweiten Bremsdruckerzeugungsvorrichtung 2 auf sowie 4 hydraulische Verbindungen in Richtung der Radbremszylinder 4a, 4b, 4c, 4d.
-
Die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung 2 ist als Plunger-System 7 ausgebildet. Ein elektrischer Aktuator 10 verstellt dabei einen Kolben 8, welcher eine hydraulische Druckkammer 9 begrenzt. Durch die Verstellung wird Hydraulikfluid aus der Druckkammer gepresst oder eingesaugt. Trennventile 16 ermöglichen eine Ankopplung und eine Abkopplung der zweiten Bremsdruckerzeugungsvorrichtung an das Bremssystem des ersten Druckerzeugers.
-
Die zweite Bremsdruckerzeugungsvorrichtung 2 ist in einer baulichen Einheit 18b zusammen mit der Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung 3 ausgestaltet. Diese umfasst den Hauptbremszylinder 13 sowie einen Bremsgefühlsimulator 15. Trennventile 14 ermöglichen eine Ankopplung und eine Abkopplung der Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung an das Bremssystem des ersten Druckerzeugers. Ebenfalls ist der Hauptbremszylinder über ein Trennventil mit dem Bremsgefühlsimulator 15 verbunden. Bei Betätigung des Bremspedals durch den Fahrer werden durch elektrische Ansteuerung im oben dargestellten Hauptbremssystem (MainSystem) die beiden Trennventile 14 im Fahrerpfad geschlossen und die Trennventile im Simulator- und Plungerpfad 16 geöffnet. Dadurch wird der Fahrer vom Bremssystem entkoppelt und verschiebt Bremsflüssigkeitsvolumen nur in den Pedalgefühlsimulator 15, so dass er eine ihm bekannte Weg und Kraftrückwirkung erfährt. Das MainSystem stellt über das Plunger-System 7 entsprechend des ermittelten Fahrerbremswunsches den benötigten hydraulischen Druck zur Verzögerung des Fahrzeuges ein. Bekannte Fahrzeugstabilisierungsfunktionen (ESP, TCS, ABS, ...) und ggf. Zusatzfunktionen werden wie bekannt vom ESP-System des ersten Druckerzeugers 1 radindividuell umgesetzt. Zur Ansteuerung der Aktuatoren 5, bzw. 10, sind zwei Steuergeräte 17a, bzw. 17b vorgesehen.
-
Führt das Fahrzeug eine autonome Bremsung aus und untersagt das übergeordnete Koordinierungssystem die Umsetzung des Fahrerbremswunsches (z.B. Kinder spielen in einem autonom fahrenden Fahrzeug und betätigen ggf. auch ungewollt das Bremspedal) führt die Pedalbetätigung des „Fahrers“ zu keiner Erhöhung der Fahrzeugverzögerung und das Bremssystem kann aufgrund der aktiven Pedalentkopplung weiter unabhängig den geforderten Bremsdruck des übergeordnete Koordinierungssystem zur Fahrzeugverzögerung stellen. Bei Ausfall des Pedalentkopplungssystems ist der Fahrer durch die stromlose Stellung der Ventile 14 mechanisch/hydraulisch direkt an die Foundation gekoppelt und sowohl der Pedalgefühlsimulator 15 wie auch das Plunger-System 7 sind abgekoppelt, d.h. der Fahrer kann über die aufgebrachte Pedalkraft mit vorhandener hydraulische Übersetzung direkt Bremskraft an den Rädern des Fahrzeuges aufbauen.
-
2 zeigt eine alternative Umsetzung des erfinderischen Bremssystems 19. Im Unterschied zu der zuerst beschriebenen Umsetzung umfasst das Plunger-System hier einen zweikreisigen Plunger. Das heißt, es sind zwei hydraulische Druckkammern 9 ausgebildet. Weiterhin bestehen 2 Kolben 8, welche durch den Aktuator 10 verstellt werden können.
-
3 zeigt eine weitere alternative Umsetzung des erfinderischen Bremssystems 19. Im Unterschied zu der zuerst beschriebenen Umsetzung in 1 bestehen nun drei bauliche Einheiten. Die ersten bauliche Einheit 18a umfasst unverändert den ersten Bremsdruckerzeuger 1 mit dem ESP-System. Die zweite bauliche Einheit 18b umfasst den zweiten Bremsdruckerzeuger 2 (dargestellt in der einkreisigen Umsetzung des Plunger-Systems, jedoch natürlich auch in der zweikreisigen Umsetzung denkbar). Die bauliche Einheit 18c umfasst nun die Fahrerbremsdruckerzeugungsvorrichtung 3 mit dem Hauptbremszylinder 13 und dem Bremsgefühlsimulator und den dazugehörigen Trennventilen.
-
In 4 ist eine Darstellung der Verfahrensschritte einer Ausführungsform der Erfindung gezeigt. Hierbei erfolgt in einem ersten Schritt S1 der Start des Verfahrens. In einem zweiten Schritt S2 erfolgt ein Betreiben des Bremssystems in einem ausgewählten Modus. In einem letzten Schritt S3 wird das Verfahren beendet.