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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Betrieb einer Abgasnachbehandlungseinrichtung im Abgasstrang eines Kraftfahrzeugs mit Verbrennungsmotor, gemäß den Oberbegriffen der unabhängigen Patentansprüche.
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Verbrennungsmotoren erzeugen beim Betrieb häufig erhebliche Mengen von Stickoxiden (NOx, d. h. NO und NO2). Insbesondere bei in Kraftfahrzeugen eingesetzten Diesel- und Otto-Motoren liegen die Stickoxid-Mengen im Abgas in der Regel über den zulässigen Grenzwerten, so dass eine Abgasnachbehandlung zur Verringerung der NOx-Emissionen notwendig ist. Bei vielen Motoren erfolgt die Reduktion der Stickoxide durch die im Abgas enthaltenen nicht-oxidierten Bestandteile, nämlich durch Kohlenmonoxid (CO) und unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC), mit Hilfe eines Dreiwegekatalysators. Insbesondere bei Diesel- und Otto-Magermotoren steht dieses Verfahren jedoch nicht zur Verfügung, da durch den hohen Sauerstoffanteil im Abgas die Reduzierung von NOx nicht bzw. kaum erfolgt. Bei Magermotoren wird daher gemäß einem verbreiteten Verfahren ein NOx-Speicherkatalysator (Lean NOx Trap, LNT) eingesetzt, der die im Abgas des Verbrennungsmotors enthaltenen Stickoxide aufnimmt und speichert. Von Zeit zu Zeit erfolgt eine Regeneration des NOx-Speicherkatalysators, wofür ein Kraftstoffüberschuss in dem durch den NOx-Speicherkatalysator geleiteten Abgas erzeugt wird.
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Eine alternative oder zusätzlich einsetzbare Methode zur Stickoxidreduktion ist SCR-Abgasnachbehandlung, d. h. mit selektiver katalytischer Reduktion (engl. Selective Catalytic Reaction, SCR), mit der auch sehr strenge Normen für Schadstoffgrenzwerte bei Kraftfahrzeugen erfüllt werden können. SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtungen sind z. B. SCR-Katalysatoren und SCR-beschichtete Dieselpartikelfilter, SDPF genannt.
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Für selektive katalytische Reduktion wird dem Abgas Ammoniak (NH3) zugemischt, bei Kraftfahrzeug-Verbrennungsmotoren in Form einer AdBlue genannten wässrigen Harnstofflösung. Die Harnstoff-Zudosierung muss der aktuellen Stickoxidemission des Verbrennungsmotors entsprechen und erfolgt daher in Abhängigkeit von den aktuellen Betriebsbedingungen des Motors. Ist die Dosierung zu gering, wird zu wenig Stickoxid reduziert, um die Schadstoffgrenzwerte einzuhalten. Ist die Dosierung zu hoch, gelangt überschüssiges Ammoniak in das Abgas, was NH3-Schlupf genannt wird. Dies muss verhindert werden, da Ammoniak gesundheitsschädlich ist, schon in sehr kleinen Konzentrationen zu einer Geruchsbelästigung führt und ggf. nachgeschaltete Abgasnachbehandlungseinrichtungen beeinträchtigen kann. Bei höheren Temperaturen kann Ammoniak auch oxidieren und NOx bilden, was den Netto-NOx-Umwandlungswirkungsgrad vermindert.
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Aus der
US 2014 / 0 150 409 A1 und der
US 2011 / 0 202 253 A1 ist es bekannt, den NOx-Umwandlungswirkungsgrad einer SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung in einem fahrergesteuerten Kraftfahrzeug auf Basis von Motorparametern zu optimieren, und aus der
US 8 392 091 B2 ist es bekannt, eine derartige Optimierung auf Basis von Positions- und/oder Verkehrsdaten durchzuführen. Ferner ist es aus der
US 8 800 274 B2 bekannt, Motorparameter zu verändern, wenn NH
3-Schlupf auftritt.
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Bei einer SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung müssen außerdem in vorgegebenen Intervallen Selbstdiagnosen (engl. On-Board Diagnostics; OBD) geführt werden, unter anderem zur Überwachung ihrer Wärmealterung, die den NOx-Umwandlungswirkungsgrad in Abhängigkeit von den Temperaturen, denen die SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung im Betrieb ausgesetzt ist, mit der Zeit kleiner werden lässt. Manche US-Emissionsschutzbehörden verlangen auch eine minimale Zahl von Überwachungsvorgängen über eine bestimmte Betriebszeit.
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Die
US 2014 / 0 331 752 A1 lehrt, dass SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtungen nur eingeschränkt überwacht werden können, während das Fahrzeug auf der Straße fährt, weil Reihenfolge, Timing und Kontrolle von Diagnoseprozeduren oft nicht ideal sind, und schlägt vor, Diagnosen durchzuführen, während das Fahrzeug stillsteht und der Verbrennungsmotor in einem geeigneten Arbeitspunkt läuft.
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Bei fahrergesteuerten Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor und SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung haben Fahrerbefehle in Form von Fahrpedalstellung und ggf. Gangwahl normalerweise Vorrang vor den Betriebsbedürfnissen der SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung, den NOx-Umwandlungswirkungsgrad zu optimieren, NH3-Schlupf zu minimieren und in vorgegebenen Intervallen Selbstdiagnosen durchzuführen. Dies schränkt die Möglichkeiten ein, die SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung in optimalen Arbeitsbereichen für die genannten Ziele zu halten. Außerdem geht eine aggressivere Fahrweise mit plötzlichen Änderungen der Temperatur und des Volumenstroms des in bzw. durch die Abgasnachbehandlungseinrichtung strömenden Abgases einher, was vorgeschriebene Diagnosen erschwert oder unzuverlässig oder sogar unmöglich macht.
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Aus der
US 7 621 120 B2 ist ein Verfahren zur Ansteuerung eines NOx-Speicherkatalysators und eines Partikelfilters zum Zwecke der Regeneration bei Fahrzeugen mit Hybridantrieb bekannt. Bei einem Fahrzeug mit Hybridantrieb sind ein Verbrennungsmotor und ein Elektromotor vorgesehen, deren Abtriebsmomente auf die Antriebsräder des Fahrzeugs leitbar sind. Der Elektromotor ist in der Lage, auch als Generator betrieben zu werden und kann somit auch Bremsmomente auf die Fahrzeugräder aufbringen. Bei dem bekannten Verfahren wird zur Herstellung eines geeigneten Betriebszustands des NOx-Speicherkatalysators, beispielsweise zum Zwecke der Regeneration, ein Betriebszustand des Verbrennungsmotors angepasst. Sofern das in diesem angepassten Betriebszustand des Verbrennungsmotors abgegebene Drehmoment nicht zu dem momentan vom Fahrer des Hybridfahrzeugs eingestellten Fahrwunsch passt, wird der Elektromotor als Motor betrieben, um gegebenenfalls zusätzliches Drehmoment an den Antriebsrädern des Fahrzeugs zur Verfügung zu stellen. Der Elektromotor kann im Bedarfsfall auch als Generator betrieben werden, so dass in dem für die Regeneration gewünschten Betriebszustand des Verbrennungsmotors abgegebenes Drehmoment auch in elektrische Energie zum Laden von Akkumulatoren des Hybridfahrzeugs umgewandelt werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der momentane Fahrwunsch des Fahrers des Hybridfahrzeugs ein gegenüber dem vom Verbrennungsmotor zur Verfügung gestellten Drehmoment geringeres Antriebsmoment der Antriebsräder abruft.
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Die
DE 101 58 480 C1 offenbart ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Betrieb einer Abgasnachbehandlungseinrichtung im Abgasstrang eines Kraftfahrzeugs mit Verbrennungsmotor, dessen Betrieb in Abhängigkeit von Bedürfnissen des Betriebs der Abgasnachbehandlungseinrichtung durchgeführt wird, wobei Betriebsparameter des Verbrennungsmotors in Abhängigkeit von Wahrscheinlichkeiten von Kenngrößen für dessen zukünftigen Betrieb eingestellt werden, um einen optimalen Wirkungsgrad der Abgasnachbehandlungseinrichtung bei gleichzeitig optimiertem Kraftstoffverbrauch zu erreichen.
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Es ist denkbar, das in der
DE 101 58 480 C1 offenbarte Verfahren statt in einem fahrergesteuerten Fahrzeug in einem zu autonomem Fahren fähigen Fahrzeug durchzuführen, wie es zum Beispiel in der
DE 39 12 353 A1 beschrieben ist und dessen Fahrprofil durch einen Algorithmus festgelegt wird. In diesem Fall wäre nichts anderes zu tun als einfach die Wahrscheinlichkeiten von Kenngrößen durchKenngrößen zu ersetzen, die sich aus dem festgelegten Fahrprofil ergeben.
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Die
DE 10 2009 052 713 A1 offenbart, eine Motorbelastung während des Aufwärmens eines Katalysators einzustellen, um dessen Erwärmen zu beschleunigen und dadurch Katalysatoranspringzeiten zu verringern.
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Die
DE 10 2014 216 217 A1 , welche nachveröffentlichter Stand der Technik gemäß § 3 (2) PatG ist, offenbart ein Verfahren mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1, wobei das Kraftfahrzeug ein zu autonomem Fahren fähiges Fahrzeug ist.
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Die
DE 10 2012 211 189 A1 offenbart eine GPS-basierte Fahrzeugdiagnose für abgasbeeinflussende Fahrzeugsysteme.
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Die
DE 10 2009 000 334 A1 offenbart ein Verfahren mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, Betriebsbedürfnisse von SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtungen in Kraftfahrzeugen noch besser erfüllen zu können.
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Diese Aufgabe wird gemäß der Erfindung durch ein Verfahren und eine Vorrichtung mit den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche gelöst.
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Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den abhängigen Patentansprüchen angegeben.
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Gemäß der Erfindung ist die Abgasnachbehandlungseinrichtung eine SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung, d. h. eine Abgasnachbehandlungseinrichtung mit selektiver katalytischer Reduktion, und das Kraftfahrzeug ist ein zu autonomem Fahren fähiges Fahrzeug, dessen Fahrprofil nicht durch den Fahrer, sondern durch einen Algorithmus festgelegt wird, wobei das Fahrprofil in Abhängigkeit von den Bedürfnissen des Betriebs der SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung festgelegt wird.
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Bei der Erfindung geschieht etwas anderes als das, was in einem zu autonomem Fahren fähigen Fahrzeug geschehen würde, bei dem das in der
DE 101 58 480 C1 offenbarte Verfahren durchgeführt wird. Es wird nicht der Betrieb des Verbrennungsmotors unter Berücksichtigung eines Fahrprofils an die Bedürfnisse der Abgasnachbehandlungseinrichtung angepasst, sondern das Fahrprofil selbst wird so angepasst, dass die Bedürfnisse erfüllt werden. Dies ermöglicht es, die besonderen Bedürfnisse von SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtungen besser zu erfüllen, welche höhere Ansprüche an bestimmte Betriebsbedingungen haben als z. B. Stickoxid-Speicherkatalysatoren.
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Gemäß der Erfindung ist das Kraftfahrzeug ein zu autonomem Fahren fähiges Fahrzeug. Darunter versteht man im Allgemeinen ein Kraftfahrzeug, das autonom gesteuert regulär auf öffentlichen Straßen fahren, um Personen und/oder Güter von einem Ort zu einem anderen zu befördern, ohne dass jemand irgendwelche Pedale, einen Gangwählhebel oder ein Lenkrad betätigen muss. Im Sinne der vorliegenden Erfindung soll das zu autonomem Fahren fähige Fahrzeug aber auch ein teilautonomes Kraftfahrzeug sein können, bei dem der Fahrer noch gewisse überwachende Funktionen hat und möglicherweise auch noch selbst lenkt oder zumindest korrigierende Lenkeingriffe vornehmen kann, da sich die vorliegende Erfindung auch für Kraftfahrzeuge eignet, bei denen es genügt, dass auf einer vorgegebenen Route Fahrpedal und Bremspedal sowie evtl. Kupplungspedal und Gangwähler unbetätigt bleiben.
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Bei einem derartigen Kraftfahrzeug ist es möglich, den autonomen Fahrbetrieb in Abhängigkeit von Bedürfnissen des Betriebs der Abgasnachbehandlungseinrichtung durchzuführen, weil im Gegensatz zu fahrergesteuerten Kraftfahrzeugen viel mehr Spielraum besteht, die Betriebsparameter des Verbrennungsmotors zu Gunsten der Bedürfnisse der SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung zu wählen.
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Insbesondere kann der Verbrennungsmotor während des autonomen Fahrbetriebs sowohl in Abhängigkeit von irgendwelchen rechnerisch erzeugten Fahrbefehlen zum Erreichen des Fahrziels entlang eines abzufahrenden Fahrweges, wie es bei autonomen Kraftfahrzeugen geschieht, als auch in Abhängigkeit von den Bedürfnissen der SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung betrieben werden. Die rechnerisch erzeugten Fahrbefehle können Drehzahl, Drehmoment und eingelegten Gang eines Getriebes des Verbrennungsmotors umfassen.
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Auf diese Weise kann ein Fahrprofil des autonom fahrenden Kraftfahrzeugs hinsichtlich eines oder mehrerer Fahrprofilparameter wie z. B. Fahrgeschwindigkeit und Gangstufe eines Getriebes derart angepasst werden, dass mindestens ein den Bedürfnissen der SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung entsprechender Betriebsparameter der SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung innerhalb eines Sollwertfensters liegt.
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Die Erfindung nutzt somit bewusst einen Freiheitsgrad zur Beeinflussung von Betriebsparametern der SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung, der bei einem autonom fahrenden Fahrzeug vorhanden ist. Erfindungsgemäß wurde erkannt, dass dieser Freiheitsgrad die Unabhängigkeit von einem vorgegebenen Fahrerwunsch ist. Mit dieser Erkenntnis ist es möglich, Einfluss auf das Fahrprofil des autonom fahrenden Fahrzeugs zu nehmen, ohne dass dies von den Insassen des autonom fahrenden Fahrzeugs als unangenehm oder unerwünscht empfunden wird. Hierdurch kann in einfacher und effektiver Art und Weise Einfluss auf die Betriebsparameter der SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung genommen werden, so dass entweder über längere Zeiträume optimale oder phasenweise bestimmte andere Bedingungen für deren Betrieb herrschen.
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In einer Ausführungsform der Erfindung umfassen die Betriebsbedürfnisse der Abgasnachbehandlungseinrichtung, ihren NOx-Umwandlungswirkungsgrad zu optimieren und NH3-Schlupf und NH3-Oxidation zu minimieren.
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Gemäß der Erfindung umfassen die Betriebsbedürfnisse der Abgasnachbehandlungseinrichtung, in vorgegebenen Intervallen eine Selbstdiagnose durchzuführen. Als Antwort auf eine Anforderung, die Wärmealterung der Abgasnachbehandlungseinrichtung zu diagnostizieren, werden der autonome Fahrbetrieb und der Betrieb des Verbrennungsmotors derart durchgeführt, dass sich die Temperatur und die Raumgeschwindigkeit des in bzw. durch die Abgasnachbehandlungseinrichtung strömenden Abgases während der Selbstdiagnose innerhalb vorgegebener Grenzen bewegen.
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Den vorgenannten Ausführungsformen ist gemeinsam, dass die Betriebsbedürfnisse der Abgasnachbehandlungseinrichtung umfassen, dass ein oder mehrere Betriebsparameter der Abgasnachbehandlungseinrichtung zumindest zeitweise in einem oder mehreren vorgegebenen Fenstern liegen, und dass der autonome Fahrbetrieb und der Betrieb des Verbrennungsmotors derart durchgeführt werden, dass die Betriebsparameter der Abgasnachbehandlungseinrichtung zumindest zeitweise in dem oder den Fenstern gehalten werden.
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Es folgt eine Beschreibung von Ausführungsbeispielen anhand der Zeichnungen. Darin zeigen:
- 1 eine mögliche Anordnung eines SCR-Katalysators im Abgasstrang eines turbogeladenen Verbrennungsmotors;
- 2 die Temperaturabhängigkeit des NH3-Schlupfes eines SCR-Katalysators; und
- 3 Temperaturabhängigkeiten des NOx-Umwandlungswirkungsgrades eines SCR-Katalysators für unterschiedliche Raumgeschwindigkeiten und Alterungsgrade.
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1 zeigt eine mögliche Anordnung eines SCR-Katalysators 1 im Abgasstrang eines Verbrennungsmotors 2, der insbesondere ein Diesel- oder Ottomotor mit einen Abgasturbolader sein kann, dessen Turbine 3 vor dem SCR-Katalysator 1 im Abgasströmungsweg liegt. Stromaufwärts und/oder stromabwärts des SCR-Katalysators 1 können weitere Abgasnachbehandlungseinrichtungen angeordnet sein, und der SCR-Katalysator 1 kann auch in einen Dieselpartikelfilter integriert sein (SDPF). Der SCR-Katalysator 1 kann an einer relativ wahlfreien Stelle entlang des Abgasstrangs angeordnet sein. Je näher er am Verbrennungsmotor 2 liegt und je weniger zusätzliche Abgasnachbehandlungseinrichtungen dazwischen angeordnet sind, desto direkter wird die Temperatur des SCR-Katalysators 1 durch Änderungen der Betriebsbedingungen des Verbrennungsmotors 1 beeinflusst.
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In der folgenden Beschreibung von Betriebsverfahren, die für derartige SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtungen vorgesehen sind, die in einem zu autonomem Fahren fähigen Kraftfahrzeug eingebaut sind, wird statt der Begriffe SCR-Katalysator, SDPF oder sonstige SCR-Abgasnachbehandlungseinrichtung übergreifend der Begriff SCR-System verwendet. Soweit speziell der Begriff SCR-Katalysator verwendet wird, können sich die entsprechenden Ausführungen auch auf andere SCR-Systeme beziehen.
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In einem ersten Ausführungsbeispiel werden virtuelle Fahrereingaben, nämlich Fahrbefehle der Fahrsteuerung des zu autonomem Fahren fähigen Kraftfahrzeugs, welche entsprechende menschliche Fahrereingaben ersetzen, dazu verwendet, mit Hilfe der virtuellen Fahrereingaben die Betriebsbedingungen eines SCR-Systems dahingehend zu optimieren, dass der NOx-Umwandlungswirkungsgrad verbessert und außerdem NH3-Schlupf und Oxidation minimiert werden.
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Bei SCR-Systemen besteht die Herausforderung, den NOx-Umwandlungswirkungsgrad bei minimalem NH3-Schlupf zu optimieren. Ein SCR-System speichert Ammoniak, das durch einen stromaufwärtigen Ammoniakinjektor injiziert wird (aktive SCR).
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Und wird ein NOx-Speicherkatalysator stromaufwärts des SCR-System verwendet, kann Regeneration des NOx-Speicherkatalysators eine größere Menge Ammoniak erzeugen, die dann im SCR-System gespeichert wird (passive SCR).
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Idealerweise wandelt das im SCR-System gespeicherte NH3 alle Stickoxide im Abgas in N2 um, wobei die Stickoxide vom Verbrennungsmotor herrühren oder in einer stromaufwärtigen Abgasnachbehandlungseinrichtung vorübergehend gespeichert und desorbiert oder darin erzeugt werden können.
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Die Funktionsfähigkeit des SCR-Systems unterliegt u. a. folgenden Einschränkungen:
- 1. Der Betrieb des SCR-Systems einschließlich des NOx-Umwandlungswirkungsgrades hängt von seinen Betriebsbedingungen Temperatur und Raumgeschwindigkeit, welche einen auf das Katalysatorvolumen normierten Volumenstrom bzw. eine reziproke Verweilzeit des Abgases im SCR-Systems darstellt, und auch von der Ammoniakbeladung des SCR-Systems ab.
- 2. Bei höheren Temperaturen oxidiert Ammoniak und kann NOx bilden, was den NOx-Umwandlungswirkungsgrad vermindert.
- 3. Bei höheren Temperaturen und/oder und Raumgeschwindigkeiten desorbiert gespeichertes Ammoniak aus dem SCR-System, was zu unerwünschtem NH3-Schlupf führt.
- 4. Ein SCR-System ist nur oberhalb einer Anspringtemperatur funktionsfähig; darunter ist der NOx-Umwandlungswirkungsgrad vernachlässigbar.
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Eine Betriebsart autonomes Fahren erlaubt es, die Betriebsbedingungen des Verbrennungsmotors und folglich die Betriebsbedingungen Temperatur und Raumgeschwindigkeit des SCR-Systems zu beeinflussen.
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Wenn ein zu autonomem Fahren fähiges Kraftfahrzeug in seiner Betriebsart autonomes Fahren ist, wird das Fahrprofil nicht mehr durch den Fahrer festgelegt, sondern durch einen Algorithmus. Dieser Algorithmus umfasst hier, den Betrieb des SCR-Systems zu optimieren.
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Während der Betriebsart „autonomes Fahrern“ können Drehzahl und Last des Verbrennungsmotors durch die folgenden Größen gesteuert werden:
- 1. Der genaue Sollwert der Fahrzeuggeschwindigkeit, der die vom Motor zu liefernde Leistung und auch die in das Abgas abgegebene Wärme beeinflusst.
- 2. Die Gangwahl, die die Kombination von Motordrehzahl und Motorlast für ein gegebenes Fahrzeuggeschwindigkeits- und Straßenprofil beeinflusst. Diese Kombination kann im Hinblick auf eine benötigte Leistung an den Rädern optimiert werden, indem zwischen einer Kombination niedrigere Motordrehzahl und höhere Motorlast und einer Kombination höhere Motordrehzahl und niedrigere Motorlast gewählt wird. Dabei hat eine Erniedrigung oder Erhöhung des Drehmoments des Verbrennungsmotors direkten Einfluss auf die Temperatur im SCR-System, und der Abgasvolumenstrom kann durch Ändern der Abgasrückführungseinstellungen und der Zylinderfüllung mit der Motorlast beeinflusst werden. Außerdem hat eine Änderung der Motordrehzahl direkten Einfluss auf den Abgasvolumenstrom.
- 3. Die Stärke von Beschleunigungen und Verzögerungen.
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Diese Freiheit kann genutzt werden, um den Betrieb des SCR-Systems zu optimieren, nämlich
- 1) das SCR-System im optimalen Betriebsfenster für NOx-Umwandlung zu halten;
- 2) NH3-Oxidation zu minimieren (z. B. Begrenzen von Lastspitzen des Verbrennungsmotors z. B. bei Beschleunigungen) oder z. B. Steuern von Beschleunigungen derart, dass sie sanft und gleichmäßig stattfinden;
- 3) NH3-Schlupf zu begrenzen; und
- 4) das Aufwärmen des Katalysators auf seine Anspringtemperatur zu unterstützen.
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Reaktionen, die im SCR-System stattfinden können, sind:
- Umwandlung: 4NO + 4NH3 + O2 → 4N2 + 6H2O 2NO2 + 4NH3 + O2 → 3N2 + 6H2O NO + NO2 + 2NH3 → 2N2 + 3H2O
- Oxidation: 4NH3 + 3O2 → 2N2 + 6H2O
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Diese Reaktion wird bei höheren Temperaturen relevant.
- Ammoniak-Schlupf: NH3 + * → NH3* (Adsorption, temperaturunempfindlich) NH3* → NH3 * (Desorption, temperaturempfindlich)
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Die Desorptionsreaktion wird bei höheren Temperaturen relevant. Desorption kann zu NH3-Schlupf bei höheren Temperaturen führen, insbesondere bei großem Massenstrom.
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2 zeigt Messwerte des NH3-Schlupfes eines SCR-Katalysators für verschiedene Katalysatortemperaturen, welche bei einem reinen SCR-Katalysator im Wesentlichen der Eintrittstemperatur des Abgases entsprechen. Bei höheren Temperaturen wächst der NH3-Schlupf aufgrund von Desorption erheblich. Bei niedrigeren Temperaturen gibt es aber kaum NH3-Schlupf, so dass dieser durch die oben geschilderten Einflussnahmen vermieden werden kann.
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In einem zweiten Ausführungsbeispiel werden die virtuellen Fahrereingaben in dem autonom fahrenden Kraftfahrzeug verwendet, um die Diagnose eines SCR-Systems zu optimieren.
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Mit dem zweiten Ausführungsbeispiel wird die Schwierigkeit behoben, SCR-Katalysatoren in Abgasnachbehandlungseinrichtungen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorschriften zu überwachen. Die Überwachungsmethoden müssen sog. IUPR-Requirements (In-Use Performance Requirements; Leistungsanforderungen während des Gebrauchs) erfüllen, welche eine minimales Maß an Überwachungsereignissen während des realen Fahrzeuggebrauchs durch den Benutzter spezifizieren. Diese Anforderungen sind mit den bekannten Überwachungsmethoden schwer zu erfüllen.
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Die Schwierigkeit besteht darin, dass das Verhalten und die Leistung eines SCR-Katalysators stark von seinen Betriebsbedingungen abhängt, hauptsächlich der Temperatur und der Raumgeschwindigkeit. So ist für unterschiedliche Überwachungsmethoden die Fähigkeit, unterschiedliche Alterungszustände des SCR-Katalysators voneinander zu unterscheiden, nicht über alle Betriebsbedingungen hinweg gleichförmig, oder es gibt nur ein schmales Fenster von Betriebsbedingungen, in denen mit maximaler Zuverlässigkeit zwischen einem frischem, gesunden SCR-Katalysator und einem gealterten, nicht mehr ausreichend funktionsfähigen SCR-Katalysator unterschieden werden kann.
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Um die Robustheit der Überwachung zu gewährleisten, werden Bedingungen festgelegt, unter denen eine Überwachung durchgeführt wird. Dies begrenzt die Erkennung von unzureichendem Betriebsverhalten oder unzureichender Leistung des SCR-Katalysators auf ein Fenster von Betriebsbedingungen, unter denen diese Erkennung und eine gute Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Betriebsverhalten oder Leistungen robust ist.
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In der Praxis hängen die Betriebsbedingungen des SCR-Katalysators stark vom Fahrprofil und eingelegten Gang ab, welche letztlich die Motordrehzahl und das Drehmoment bestimmen, wie im Zusammenhang mit dem ersten Ausführungsbeispiel erläutert.
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Wenn das zu autonomem Fahren fähige Kraftfahrzeug in der Betriebsart autonomes Fahren ist, können die Motordrehzahl und das Drehmoment des Verbrennungsmotors dahingehend gesteuert werden, dass die Betriebsbedingungen des SCR-Katalysators in einem Betriebsfenster liegen, das eine optimale Erkennung von unzureichendem Betriebsverhalten oder unzureichender Leistung des SCR-Katalysators erlaubt. Insbesondere wird hier das Betriebsfenster im Hinblick auf optimale Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Alterungszuständen optimiert, doch kann die in diesem Zusammenhang beschriebene Überwachungsmethode auch zur Optimierung von anderen Diagnosen eines SCR-Katalysators oder sonstigen SCR-Systems eines Verbrennungsmotors in einem zu autonomem Fahren fähigen Kraftfahrzeug angewendet werden.
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Ähnlich wie im ersten Ausführungsbeispiel erfolgt die Steuerung der Motordrehzahl und Last des Verbrennungsmotors nach einem Algorithmus, der z. B. auf das Fahrzeuggeschwindigkeitsprofil einwirkt (Beschleunigungen, Verzögerungen, exakte Dauerzustandsgeschwindigkeit) und Gangwahl. Das Fahrprofil wird nicht mehr durch den Fahrer festgelegt, sondern ebenso wie im ersten Ausführungsbeispiel durch einen Algorithmus, der in diesem zweiten Ausführungsbeispiel dahingehend erweitert wird, SCR-Diagnosen zu optimieren.
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Bei einer bekannten Methode, einen SCR-Katalysator zu überwachen, wird der NOx-Umwandlungswirkungsgrad während der Aufwärmphase evaluiert. Mit zunehmender Alterung verschiebt sich die Anspringtemperatur eines SCR-Katalysators in Richtung auf höhere Temperaturen, was einen späteren Start der NOx-Umwandlung bedeutet. Dieses Phänomen kann in der Phase nach einem Kaltstart evaluiert werden.
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Eine andere bekannte Methode, einen SCR-Katalysator zu überwachen, ist das Evaluieren des NOx-Umwandlungswirkungsgrades nach dem Anspringen des SCR-Katalysators. 3 veranschaulicht, dass bei einem typischen SCR-Katalysator das Unterscheidungsvermögen für den Alterungsgrad bei höheren Raumgeschwindigkeiten (SV; Space Velocity) besser ist. Hohe Raumgeschwindigkeiten könnten in der Betriebsart autonomes Fahren z. B. durch Verzögern des Hochschaltens in einen höheren Gang begünstigt werden.
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Während der Betriebsart autonomes Fahrern können die Motordrehzahl und Motorlast durch dieselben Größen 1. bis 3. gesteuert werden, wie oben im ersten Ausführungsbeispiel angegeben.
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Diese Freiheit wird im zweiten Ausführungsbeispiel genutzt, um die Betriebsbedingungen des SCR-Katalysators dahingehend zu steuern, dass Diagnose in einem Fenster von optimalen Betriebsbedingungen möglich ist.
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3 zeigt, wie sich der NOx-Umwandlungswirkungsgrad mit den Betriebsbedingungen ändert. Es sind Kurven für hohe und niedrige Raumgeschwindigkeit und hohe und niedrige Alterungsgrade in Anhängigkeit von der Temperatur gezeigt.
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Wie man aus 3 erkennt, besteht in einem breiten Temperaturfenster A ein gutes Unterscheidungsvermögen zwischen einem frischen und einem gealterten SCR-Katalysator besonders bei höheren Raumgeschwindigkeiten bzw. Volumenströmen. Im Temperaturfenster A ist der NOx-Umwandlungswirkungsgrad eines frischen SCR-Katalysators allgemein hoch, was normalerweise zu größeren absoluten Differenzen zu einem gealterten SCR-Katalysator führt, was die Unterscheidung zwischen Alterungszuständen erleichtert.
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Alternativ besteht auch ein gewisses derartiges Unterscheidungsvermögen bei niedrigeren Raumgeschwindigkeiten in einem schmaleren Temperaturfenster B.
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Eine weitere vorteilhafte Anwendung der mit einem autonomen Kraftfahrzeug gewonnenen Freiheit, die Betriebsbedingungen des SCR-Katalysators zu steuern, ist, die Dauerzustandsgeschwindigkeit in Hinblick auf optimale Betriebsbedingungen zu beeinflussen. Zum Beispiel, wenn in einem Streckenabschnitt 120 km/h erlaubt sind, könnte auf zwischen 100 km/h und 120 km/h optimiert werden.
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Außerdem könnte die Gangwahl optimiert werden, um die Motordrehzahl in Richtung auf hohe Abgasvolumenströme zu beeinflussen, was die Unterscheidung zwischen Alterungszuständen verbessert.
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Das Unterscheidungsvermögen und irgendwelche Schwellwertmodelle leiden häufig unter aggressiven Fahrprofilen, die zu plötzlichen Änderungen der Temperatur und des Volumenstroms des SCR-Katalysators führen, was die Vorhersage des Phänomens schwieriger macht und die Auswertung der Überwachung weniger robust macht. Aufgrund der gewonnenen Freiheit können Beschleunigungen und Verzögerungen gleichmäßiger gemacht werden, um plötzliche Änderungen der Temperatur und des Volumenstroms zu beseitigen, z. B. während der Aufwärmphase des SCR-Katalysators.