-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Durchführung von Genotoxi(zi)tätstests von chemischen, biologischen und physikalischen Wirkstoffen bzw. Agenzien mit Hilfe von Zellkultursystemen proliferierender physiologisch aktiver Leberzellen.
-
Das Verfahren ist besonders geeignet für genotoxische Testung bereits bekannter sowie neuer Medikamente und Wirkstoffe sowie Kombinationen davon bei Mensch und Tier. Darüber hinaus eignet es sich, Chemikalien oder biologische Wirkstoffe in Lebensmitteln, Kosmetika, Textilien, Werkstoffen und sonstigen Materialien auf ihre genotoxische Wirkung bei Mensch und Tier zu testen.
-
In vielen Industriebranchen wie bspw. der Pharma-, Kosmetik-Lebensmittel- und Chemischen Industrie werden ständig neue Chemikalien und/oder biologische Wirkstoffe und Kombinationen davon entwickelt, deren mögliche gesundheitsgefährdende Effekte zumeist unbekannt sind. Dabei können sich völlig unterschiedliche Wirkungen bei Mensch oder Tier ergeben. Medikamente, Chemikalien oder biologische Wirkstoffe können beispielsweise, neben einer erwünschten Wirkung im Sinne einer Therapie, auch unerwünschte Nebenwirkungen wie Leberschädigung, Schädigung des Herzmuskels, Neurotoxizität oder Teratogenität entfalten. Dabei kann es zum Verlust von vielen Zellen eines Organs bis hin zu einer degenerativen Organerkrankung wie z. B. einem Herzversagen oder einer Leberschädigung kommen. Die Ursache dieser Toxizität kann in einer Schädigung oder Beeinflussung prinzipiell aller Kompartimente und Funktionen einer Zelle liegen, also bspw. in einer Schädigung der Zellmembranen, einer Beeinflussung von physiologischen Prozessen wie Zellatmung, intrazellulärer Transport, Signaltransduktion und Genexpression, um nur einige Bespiele zu nennen. Die Erfindung betrifft die direkte oder indirekte Wirkung von Agenzien auf die Erbsubstanz DNA in menschlichen oder tierischen Zellen und deren geeignete Testung, mittels so genannter Genotoxitätstests.
-
Die Bereitstellung von geeigneten Zellen zur Testung ist eine medizinische und diagnostische Herausforderung, insbesondere in der Entwicklung von in-vitro Zellsystemen einschließlich zugehöriger Zellkulturen.
-
Daher besteht ein großes Bedürfnis Zellkulturen/Zellsysteme zu etablieren, die möglichst ähnlich zu humanen Zellen sind, so dass eine valide in-vitro Genotoxität-Testung erfolgen kann.
-
Im Stand der Technik haben sich Zelllinien etabliert, dies sind Zellen, die sich auf entsprechendem Nährboden unbegrenzt fortpflanzen können und immortal sind. Bekannt sind insbesondere Tumorzellen oder tumorähnliche Zellen sowie HeLa-Zellen – Cervix-Karzinom Zelllinie, COS-Zellen, HEK-293 Zellen – Niere, Chinese Hamster Ovary (CHO) Zellen, HEp-2 – humane epitheliale Larynxkarzinom-Zelllinie u. v. a. Die Herstellung von solchen Zelllinien ist beispielsweise in
EP 833934 (Crucell) beschrieben. Solche Zelllinien werden beispielsweise zur Medikamententestung eingesetzt. Nachteilig an solchen Zelllinien sind jedoch die genetischen Veränderungen (solche wie Punktmutationen, Austausche von Chromosomenstücken (Rearrangements), Erhöhung der Kopienzahl von Genen (Genamplifikation) und sogar Veränderungen der Chromosomensätze (Aneuploidie)) sowie die Tumor-Eigenschaften infolge fehlender Kontaktinhibition, wodurch die Zellen zu In-vitro Wachstum auf Soft Agar Unterlagen befähigt sind. Tumorzellen haben zusätzlich eine durch Immortalsierung entstehende unbegrenzter Teilungsfähigkeit. Es ist bekannt, dass sich die Zellen solcher Zelllinien im Lauf der Kultivierung durch spontane Mutationen allmählich verändern und sich zu einer malignen Zellpopulation entwickeln können und genetisch instabil sind. Nach Erkenntnis der Erfinder tritt hierbei eine kritische Schwelle von angesammelten Mutationen schon nach etwa 60 Zellteilungen in der Kultur ein. Dies können Mutationen sein, die zur Aktivierung von Onkogenen oder Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen führen.
-
In einer Zellpopulation können sich daher solche Zellen durchsetzen, die aufgrund der angesammelten Mutationen eine erhöhte Zellteilungsaktivität haben. Dieser Selektionsprozess entspricht der Präkanzerose bei der Tumorentstehung;
zusätzlich haben die im Handel erhältlichen Zelllinien zumeist eine nicht bekannte Anzahl von Verdopplungen bereits hinter sich, falls sie nicht ohnehin von malignen Tumorzellen abstammen.
-
Ferner sind im Stand der Technik folgende Genotoxitätstests beschrieben:
Beim sogenannten Ames-Test (Ames et al., 1973a; Ames et al., 1973b) werden Bakterien, die durch Mutation z. B. Punktmutation in einem Gen nicht mehr in der Lage sind, eine bestimmte Aminosäure zu synthetisieren (auxotrophe Mutanten) auf einen diese Aminosäure nicht enthaltenden Nährboden (Agar) aufgebracht. Da diese Bakterien zur Fortexistenz auf diese Aminosäure angewiesen sind, würden sie absterben bzw. könnten sich nicht auf diesem Mangelmedium vermehren. Nun setzt man die Bakterien dem potentiellen Mutagen aus, indem man beispielsweise ein damit getränktes Filterpapier auf den Nährboden auflegt. Bilden sich nach dem anschließenden Bebrüten sogenannte Bakterien-Kolonien, so sind einzelne Bakterien gewachsen und haben die Fähigkeit zur Synthese der entsprechenden Aminosäure zurückerlangt. Es handelt sich hierbei um sogenannte Revertanten, bei denen die zur Auxotrophie führende Punktmutation in einem Gen rückgängig gemacht wurde.
-
Beim Chromosomen Aberrationstest werden die zu testenden Substanzen mit Zellen inkubiert. Nach einer definierten Inkubationszeit werden auftretende chromosomale Aberrationen z. B. durch Karyotypanalysen untersucht. Dies Verfahren erlaubt, eine Vielzahl von Chromosomenaberrationen sichtbar zu machen wie z. B. die Entstehung dizentrischer Chromosomen, Chromsomenbrüche und Schwesterchromosomenaustausche (Morita et al., 1989).
-
Broschinski und Kollegen berichten die Routine Genotoxizitätstestung von 776 chemischen Substanzen, wobei eine Kombination aus Bakteriellem Mutationstest (Ames Test) und Chromosomen Aberrationstest die beste Sensitivität zur Detektion klastogener Agenzien hatte (Broschinski et al., 1998).
-
Viele Agenzien entfalten erst eine genotoxische Wirkung in einem Tier oder beim Menschen, wenn diese durch Leberenzyme chemisch modifiziert werden. Differenzierte Hepatozyten, wie sie in einer intakten Leber vorliegen, verfügen in vivo über verschiedene Funktionen, welche für diese Biotransformation von Stoffen in der Nahrung, aber auch von Medikamenten oder Toxinen wichtig sind (Übersicht in (Elaut et al., 2006). Für die Biotransformation wichtig sind die Phase I Enzyme des Cytochrom P 450 Systems. Es gibt beim Menschen zahlreiche Isoenzyme wie CYP 1A1, CYP 1A2, CYP 2A6, CYP 2B6, CYP 2C8, CYP 2C9, CYP 2C19, CYP 2D6, CYP 2E1, CYP 3A4, CYP 3A5, CYP 3A7, CYP 4A11, die unterschiedliche Funktionen haben. Bei den Isoenyzme sind z. T. Polymorphismen bekannt, welche für die individuelle Variabilität in der lebertoxischen Wirkung von Medikamenten verantwortlich sein können. Es handelt sich bei den CYP 450 Enyzmen um Oxidoreduktasen, die einen oxidativen Abbau bzw. Metabolisierung zahlreicher Substanzen wie u. a. auch Arzneistoffe bewirken.
-
Neben den Phase I Enzymen existieren die Phase II Enzyme, z. B. die N-Acetyltransfereasen [NATs], sowie UDP-Glucoronyltransferasen und Sulfotransferasen.
-
Für die Beurteilung der möglichen Lebertoxizität von Wirkstoffkandidaten aber auch allgemein von Chemikalien ist die Funktionalität der CYP 450 Systeme, der Phase II Enzyme sowie weiterer Leberfunktionen von entscheidender Bedeutung. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird der Ames Test meistens in Kombination mit einer Biotransformation der zu testenden Substanz durch Leberenzyme durchgeführt. Dabei wird meist der sogenannte S9-Mix eingesetzt, welcher eine Mischung aus mehreren Leberenzymen zur Simulation einer Leber darstellt. Die Abkürzung ”S9” kommt von Supernatant (Überstand) und der Zentrifugation des Leberzellextraktes bei 9000 g.
-
So berichten De Flora et al., dass die Substanz Phenacetin nur dann im Ames Test positiv getestet wird, wenn eine Inkubation von Phenacetin mit der S9 Fraktion von Hamster Leber durchgeführt wird (De Flora S. et al., 1985). Auschließlich durch die in Leberzellen aktiven Enzyme wurde diese Substanz in eine im Ames Test detektierbare mutagene Form überführt. Eine weitere Möglichkeit zur Detektion von DNA-schädigenden Wirkungen von Agenzien ist der sogenannte Comet Assay, auch Einzelzellgelelektrophorese genannt (Singh et al., 1988). Das Prinzip des Comet Assays beruht darauf, dass in Agarose eingebettete Zellen lysiert werden. Die DNA der Zellen wird dann einem elektrischen Feld ausgesetzt. Wurde die DNA durch eine Substanz oder physikalische Einwirkung geschädigt, kann sie aus dem Zellkern austreten und zur Anode wandern, während ungeschädigte chromosomale DNA dies nicht kann. Unter dem UV-Mikroskop erscheinen die beschädigten Zellen, welche vorher mit Fluoreszenzfarbstoffen wie Ethidiumbromid angefärbt wurden, nun mit einem Schweif aus DNA Bruchstücken, der ihnen das Aussehen eines Kometen gibt. Die Länge des Kometenschweifs ist ein Maß für die DNA Schädigung. Der Comet Assay misst die Entstehung von DNA Strangbrüchen, erlaubt aber keine direkte Aussage über die zugrunde liegenden DNA Schäden.
-
Ein in den letzten Jahren zunehmend genutzter Genotoxizitätstest ist der sogenannte Mikronukleustest, mit dem sich zytogenetische Veränderungen wesentlich einfacher und schneller erfassen lassen als mit dem Chromosomenaberrationstest. Mikronuklei enthalten Bestandteile des Zellkernes, die wegen unterschiedlicher molekularer Ursachen (Chromsomenschädigung durch klastogene Einwirkungen, Schädigung der Chromosomensegregation durch aneugene Einwirkungen) nicht auf die Tochterzellkerne verteilt werden sondern als Chromatinpartikel im Zytoplasma erscheinen. Die Anzahl bzw. Häufigkeit von Mikronuklei ist ein Maß für genetische Instabilität von Zellen. Zur Neuentstehung von Mikronuklei ist im Allgemeinen eine Zellteilung notwendig. In Zellen, die durch Cytochalasin B eine Hemmung der Mitose haben, können neu durch Testbehandlungen entstandene Mikronuklei in binukleären Zellen quantifziert werden, während „alte” Mikronuklei, die den Background der Messung darstellen, in mononukleären Zellen bestimmt werden (Fenech and Morley, 1985).
-
Seit der Einführung dieser Technik werden Mikronuklei als biologische Indikatoren für Genotoxizität zunehmend untersucht. Dies liegt vor allem daran, dass die Mikronukleusauswertung im Gegensatz zur Auswertung der dizentrischen oder sonst wie aberranten Chromosomen relativ einfach und schnell ist. Darüber hinaus ist die Automatisierung der Zählung von Mikronuklei leichter durchführbar, als dies bei Chromosomenaberrationen oder beim Kometassay der Fall ist. Der Mikronukleustest wird häufig in in der Lungenfibroblastenlinie V79 des Chinesischen Hamsters oder in humanen Lymphozyten aus peripherem Blut durchgeführt. Bei vielen Untersuchungen werden üblicherweise verschiedene Tests kombiniert, um eine möglichst zuverlässige Aussage zu erhalten: so führen z. B. Rossi und Kollegen die Untersuchung einer möglichen Genotoxizität von Estrogenen sowohl mit dem Ames Test, dem Chromosomenaberrationstest als auch dem Mikronukleustest durch (Rossi et al., 2007).
-
Die
WO 2004/034013 beschreibt einen alternativen In-vitro Genotoxizitätsassay auf der Basis einer speziellen CHO-Zelllinie, welche das humane Chromosom 11 enthält. Diese hybride Zelllinie exprimiert das humanen CD59 Protein, welches auf der Zelloberfläche präsentiert wird. Durch Mutationen kann es zum Verlust der Präsentation auf der Oberfläche kommen, was über geeignete immunologische Nachweisverfahren detektiert werden kann.
-
Das Problem dieser Tests ist, dass sie bis heute nicht zuverlässig genug sind; darüber hinaus sind sie zeitaufwändig und teuer. In der Pharmaindustrie entstehen hohe Kosten für Genotoxizitätsassays. Nicht präzise vorhergesagte Genotoxizität machen nach Schätzungen des Cambridge Healthtech Advances Life Sciences Bericht vom Dezember 2004 ca. 30% der sogenannten Drug Failure Kosten aus.
-
Die US Patentanmeldung US 2008/0138820 A1 beschreibt einen Multiparameter Genotoxizitätsassay auf der Basis des Mikronukleustests. Dabei wird ein Konstrukt in eine Targetzelllinie eingebracht, welches ein Fusionsprotein aus einem Centromerprotein mit GFP konstitutiv exprimiert. Durch diese Fusion werden Mikronuklei detektierbar gemacht, welche aneugen entstanden sind. Auf einem zweiten Expressionskonstrukt befindet sich die kodierende Sequenz der Nitroreduktase, deren Enzymaktivität durch eine Fluoreszenzumwandlung des synthetischen Substrats CytoCy5S (GE Healthcare) detektierbar gemacht werden kann. Wenn die Nitroreduktase operativ mit einem Promotor verknüpft ist, welcher durch DNA Schädigung aktiviert wird (z. B. der GADD45a Promotor), dann können genotoxische Wirkungen detektierbar gemacht werden, die klastogen sind. Durch Hinzuziehen weitere zelluläre Parameter wie Proliferationsindex und Zyotoxizität kann ein für das jeweilige Zellsystem geeigneter Algorithmus für eine Mulitparameteranalyse potentiell genotoxischer Substanzen angewendet werden.
-
Es besteht jedoch ein großer Bedarf, geeignete Zellen für in-vitro Genotoxitätstests zu verwenden, die humanen Zellen sehr nahe kommen und eine vorteilhafte in-vitro Stabilität und metabolische Funktionalität aufweisen.
-
Insbesondere bei Genotoxitätstests besteht im Stand der Technik das Problem, dass bei Zelllinien der Metabolismus von humanen Hepatozyten nicht hinreichend berücksichtigt wird und daher die getesteten Agenzien „false-positive” oder gar falsche Ergebnisse in einer in-vitro Testung liefern.
-
Daher besteht die Aufgabe der vorliegenden Erfindung in der Bereitstellung geeigneter Hepatozyten zur Durchführung von in-vitro Genotoxitätstests.
-
Die Aufgabe wird durch den Anspruch 1 vollständig gelöst.
-
Proliferierende Hepatozyten weisen überraschender Weise folgende Vorteile auf:
Die physiologisch relevanten Eigenschaften der erfindungsgemäßen proliferierenden Hepatozyten sind dadurch spezifiziert, dass sie mindestens vier von mindestens sechs verschiedenen Phase I Enzymfunktionen auch während der proliferativen Phase verfügen, vorzugsweise ausgewählt aus der Gruppe CYP-1A2, -2C9, -2C19, -2D6, -2E1 und -3A4, die für ca. 90% sämtlicher oxidativen Metabolisierungen von Medikamenten verantwortlich sind (Arimoto, 2006), daher insbesondere auch mehr als 6 verschiedene Phase I Enzyme enthalten, insbesondere zehn verschiedene Phase I Enzyme enthalten, vorzugsweise CYP -1A1, -1A2, -2A6, -2B6, -2C8, -2C9, -2C19, -2D6, -2E1, -3A4, insbesondere dreizehn verschiedene Phase I Enzyme enthalten, insbesondere CYP -1A1, -1A2, -2A6, -2B6, -2C8, -2C9, -2C19, -2D6, -2E1, -3A4, -3A5, -3A7, -4A11.
-
Weiterhin wird vorteilhaft das Problem der „false positive” und falschen Ergebnisse im Stand der Technik vollständig gelöst, da diese proliferierende Hepatozyten:
- a. während der Proliferation aktive Phase I und II Aktivitäten aufweisen,
- b. in der Enzymausstattung signifikante Aktivitäten aufweisen, die in vivo Bedingungen entsprechen,
- c. Phase I Aktivitäten aufweist, die über mehrere Tage aufrecht erhalten bleibt,
- d. eine Enzymaktivität besitzt, welche mittels Reagenzien induzierbar ist,
- e. eine externe Metabolisierung mittels Mikrosomen folglich entfällt,
- f. „false positive” Ergebnisse durch reaktive Agenzien, die nicht zellgängig sind, erheblich reduziert sind,
- g. nach Aufnahme des Agens in die Zelle das Agens selbst als auch der entstehenden Metaboliten auf die DNA wirken können, und daher falsch negative Ergebnisse durch nicht adäquate Metabolisierung der Testsubstanz entfallen oder deutlich reduziert sind.
-
Die Anreicherung solcher geeigneter Hepatozyten wird z. B. in der
WO 2009030217 der Anmelderin beschrieben, die vorzugsweise aus primären Zellen erhalten werden können. Weiterhin können proliferierende Hepatozyten ebenfalls aus anderen Vorläuferzellen erhalten werden, wie Stammzellen, adulten Zellen und anderen differenzierbaren Zellen.
-
Unter dem Begriff „primäre Zellen” werden im Rahmen der Erfindung direkt aus Körperflüssigkeiten oder aus Körpergeweben gewonnene Explantate mit normalen, d. h. nicht entarteten Zellen, von vielzelligen Organismen, wie z. B. dem Menschen, Säugetieren bzw. geeigneten Donoren verstanden. Primäre Zellkulturen sind in Kultur genommene primäre Zellen bis zur ersten Passage. Primäre Zellen haben die natürlichen Differenzierungseigenschaften und sind mortal.
-
Um Zellen in-vitro aufrecht zu erhalten, muss ein Verfahren verwendet werden, welches die bei jeder Zellteilung auftretende Verkürzung der chromosomalen Telomere kompensiert. Eine Möglichkeit dazu ist die Verwendung der Telomerase (Harley, C. B. and B. Villeponteau. 1995. Telomeres and telomerase in aging and cancer. Curr. Opin. Genet. Dev. 5: 249–255.). Zellen, welche den Telomerverlust beispielsweise durch Telomerase kompensieren können, haben eine unbegrenzte Teilungsfähigkeit bzw. Immortalität. Dabei treten jedoch im Lauf der Zellteilungen nachteilig unvermeidlicherweise Mutationen auf, die früher oder später zur Krebsentstehung führen müssen.
-
Zur in-vitro Aufrechterhaltung von humanen primären oder differenzierbaren Zellen können folgende Schritte durchgeführt werden:
Primäre oder differenzierbare Zellen werden
- a.) isoliert,
- b1.) mit mindestens einem Proliferationsgen oder dessen Genprodukt in die Zelle funktionell eingebracht wird
und/oder
- b2.) mit mindestens einem zellulären Faktor inaktiviert, der einen Zellteilungsarrest induziert,
und/oder
- b3.) transient immortalisiert
- c.) kultiviert und/oder passagiert.
-
Bevorzugt werden jedoch humane primäre Leberzellen als Ausgangsmaterial verwendet, die z. B. mittels Biopsie erhalten werden können.
-
Vorzugsweise können mehr als zehn zusätzliche Passagen im Vergleich zu primären Zellen, mehr als 20–60 zusätzliche Passagen, durchgeführt werden.
-
Erfindungsgemäß werden wie vorstehend proliferierende Hepatozyten erhalten, die hochgradig für die Durchführung von Genotoxitätstests geeignet sind.
-
Besonders vorteilhaft können Zellen erhalten werden, die keine Eigenschaften von Tumorzellen annehmen, insbesondere von malignen Tumorzellen, wie z. B. Wachstum in Soft Agar oder Tumorwachstum in vivo (das Anwachsen von Tumoren in Xenograft-Tiermodellen).
-
Die Kultivierung solcher Zellen erfolgt auf für den Fachmann bekannten Kulturmedien.
-
Im Rahmen dieser Erfindung ist ein Proliferationsgen ein solches, dass die Zellteilung verbessert und eine begrenzt erweiterte Zellteilungskapazität in der primären Zelle ermöglicht, wobei die Wahrscheinlichkeit von Zelltransformation oder Veränderungen der Differenzierungseigenschaften sehr stark reduziert wird im Vergleich zu den Zelllinien, die Stand der Technik sind. Erfindungsgemäß ist das Proliferationsgen vorzugsweise ausgewählt aus der Gruppe der viralen Proliferationsgenen: E6 und E7 von Papillomviren wie z. B. HPV (humanes Papillomvirus) und BPV (bovines Papillomvirus); das große und kleine TAg von Polyomaviren wie z. B. SV40, JK-Virus und BC-Virus; die Proteine E1A und E1B von Adenoviren, EBNA-Proteine von Epstein Barr Virus (EBV); sowie das Proliferationsgen von HTLV und Herpesvirus Saimiri und jeweils deren kodierenden Proteine bzw. deren Chimären oder ausgewählt aus der Gruppe der zellulären Proliferationsgene, insbesondere folgenden Klassen von Genen: myc, jun, ras, src, fyg, myb, E2F und Mdm2 und TERT (katalytische Untereinheit der Telomerase), vorzugsweise der humanen Telomerase hTERT).
-
Erfindungsgemäß bevorzugt sind jedoch virale Proliferationsgene, besonders bevorzugt sind E6 und E7 von HPV oder BPV. Dabei können Proliferationsgene von HPV-Typen verwendet werden, die in Zusammenhang mit malignen Erkrankungen stehen. Die bekanntesten Beispiele für „High Risk” Papillomviren sind HPV16 und HPV18. Weitere Beispiele der High Risk Gruppe sind HPV 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 68, 73 und 82. Es können aber auch die Proliferationsgene E6 und E7 von so genannten „low risk” HPVs verwendet werden. Bekannte Beispiele sind die HPV-Typen 6 und 11, weitere HPV Typen der Low-Risk Gruppe sind HPV 40, 42, 43, 44, 54, 61, 70, 72, und 81. Weiterhin können die entsprechenden Chimären oder chimäre Genprodukte beliebig kombiniert und eingesetzt werden.
-
Die Bedeutung der E6 Proteine im Zusammenhang mit Proliferationssteigerung sind vor allem in der Inaktivierung des p53 Weges sowie der Induktion der Telomerase zu sehen. Die Bedeutung der E7 Proteine im Zusammenhang mit Proliferationssteigerung sind vor allem in der Inaktivierung des pRB-Weges zu sehen. Im Zusammenhang der Erfindung können auch die Proliferationsgene verschiedener Serotypen einer Virusspezies oder verschiedener Virusspezies kombiniert werden oder sogar chimäre Proliferationsgene von verschiedenen Serotypen einer Virusspezies oder verschiedener Virusspezies hergestellt und eingesetzt werden. Z. B. kann eine E6 Domäne in einem chimären Gen z. B. von HPV 16 abstammen und eine andere von HPV 6. Selbstverständlich können die Proliferationsgene auch trunktiert sein oder einen oder mehrere Basenaustausche haben, ohne den Rahmen der Erfindung zu verlassen. Die oben erwähnten Proliferationsgene stellenbevorzugte Ausführungsformen dar und sollen die Erfindung nicht einschränken. Das Proliferationsgen kann ebenfalls Gegenstand einer synthetischen oder künstlich hergestellten Gensequenz sein.
-
Diese Faktoren werden in die Zielzellen, deren Zellteilungskapazität erweitert werden soll, „funktionell eingebracht” und hierbei können nicht abschließend folgende Gentransfersysteme verwendet werden: Transfer von Expressionskonstrukte der vorstehend genannten Genfunktionen in Zellen mit der klassischen Calzium-Phosphatmethode (Wigler, M. et al., 1977. Cell 11: 223–232), mit Lipofektion (Felgner, P. L. et al, 1987. Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A 84: 7413–7417), mit Elektroporation (Wolf, H. et al., 1994. Biophys. J. 66: 524–531), mit Mikroinjektion (Diacumakos, E. G. 1973. Methods Cell Biol. 7: 287–311), über Konjugate, welche über zelluläre Rezeptoren aufgenommen werden oder Rezeptor-unabhängig. Die vorstehend genannten Genfunktionen können auch über virale Vektoren in Zielzellen übertragen werden. Beispiele sind retrovirale Vektoren, AAV-Vektoren, Adenovirus-Vektoren und HSV-Vektoren, um nur einige Beispiele von Vektoren zu nennen (Übersicht über virale Vektoren in: Lundstrom, K. 2004. Technol. Cancer Res. Treat. 3: 467–477; Robbins, P. D. and S. C. Ghivizzani. 1998. Pharmacol. Ther. 80: 35–47). Der Begriff „funktionell eingebracht” umfasst insbesondere die Transfektion der Zielzellen mittels mindestens einem Proliferationsgen.
-
Die Expression der vorstehend genannten viralen oder zellulären Proliferationsgene kann durch starke oder schwache konstitutiven Promotoren kontrolliert werden, von Gewebespezifischen Promotoren, von induzierbaren Promotoren (
Meyer-Ficca, M. L. et al. 2004. Anal. Biochem. 334: 9–19) oder die Expressionskassetten können von spezifischen Sequenzen für molekulare Exzisionssysteme flankiert sein. Beispiele sind das Cre/Lox System (
US Patent 4,959,317 ), dessen Anwendung zur molekularen Entfernung der Expressionskonstrukte aus dem Genom der Zielzellen führt.
-
In einer weiteren Ausführungsform können die Genprodukte der Proliferationsgene ebenfalls direkt in die Zielzelle als solches oder mittels eines Fusionsproteins funktionell eingebracht werden. Vorzugsweise handelt es sich um Messenger-Proteine (Transport-Proteine), wie VP22, HIV TAT (
Suzuki et al., 277 J. Biol. Chem. 2437–2443 2002 and Futaki 245 Int. J. Pharmaceut. 1–7 (2002), (HIV) REV, Antennapedia Polypeptid (
WO 97/12912 and
WO 99/11809 ) oder Penetratin (
Derossi et al., 8 Trends Cell Biol., 84–87 (1998), Engrailed (
Gherbassi, D. & Simon, H. H. J. Neural Transm. Suppl 47–55 (2006),
Morgan, R. 580 FEBS Lett., 2531–2533 (2006),
Han, K. et al. 10 Mol. Cells 728–732 (2000)) oder Hoxa-5 (
Chatelin et al. 55 Mech. Dev. 111–117 (1996)), ein Polymer aus L-Arginin oder D-Arginin Aminosäureresten (
Can. Patent No. 2,094,658 ;
U. S. Pat. No. 4,701,521 ;
WO 98/52614 ), ein Polymer aus L-Lysin or D-Lysin Aminosäureresten (
Mai et al., 277 J. Biol. Chem. 30208–30218 (2002),
Park et al. 13 Mol. Cells 202–208 (2002),
Mi et al. 2 Mol. Ther. 339–347 (2000)), Transkriptionsfaktoren wie BETA2/neuro D, PDX-1 (
Noguchi and Matsumoto 60 Acta Med. Okayama 1-11, (2006),
Noguchi et al. 52 Diabetes 1732–1737 (2003),
Noguchi et al. 332 Biochem. Biophys. Res. Commun. 68–74 (2005)), Nuclear Localization Signal, (
Yoneda et al. 201 Exp. Cell Res. 313–320 (1992), Histone derived peptides (
Lundberg and Johansson 291 Biochem. Biophys. Res. Comm. 367–371 (2002)), ein Polymer aus kationischen Makromolekülen, FGF-1 und FGF-2, Lactoferrin u. a., wie einschlägig in der Literatur beschrieben.
-
Daher betrifft die Erfindung ebenfalls solche proliferierende Heptozytzen, die transient immortalisiert werden, vorzugsweise mittels i.) einem Polypeptid aufweisend eine Zell-Immortalisationsaktivität,
ii.) Polypeptid, dass telomerische DNA an chromosomalen Enden synthetisiert, oder jeweils ein Fusionspeptid davon, wobei das Fusionspeptid in einem ersten Teil aus einem Transport-Protein besteht, siehe oben.
-
Ein solches Polypeptid aufweisend eine Zell-Immortalisationsaktivität kann z. B. aus den vorstehend genannten viralen oder zellulären Proliferationsgenen erhalten werden. Weiterhin wird zur Herstellung solcher Polypeptide auf
EP 1175436 B1 verwiesen.
-
Ein solches Polypeptid, dass telomerische DNA an chromosomalen Enden synthetisiert, ist vorzugsweise ausgewählt aus der Gruppe Telomerase, Telomerase reverse Transkriptase (hTERT), p140, p105, p 48 und p 43. Weiterhin wird zur Herstellung solcher Polypeptide auf
EP 1175436 B1 verwiesen.
-
Im Rahmen dieser Erfindung wird unter „mit mindestens einem zellulären Faktor, der einen Zellteilungsarrest induziert, inaktiviert wird”, verstanden, dass z. B. Zellteilungsarrest im Zuge des Seneszenzprogramms aktiviert wird (Übersicht in: Ben Porath, I. and R. A. Weinberg. 2005. Int. J. Biochem. Cell Biol. 37: 961–976.) oder um denjenigen Zellteilungsarrest, der im Rahmen des Differenzierungsprogramms bei Zellen aktiviert wird. Beispielsweise ist bei Herzmuskelzellen bekannt, dass sie schon kurz nach der Geburt ihre Teilungsfähigkeit einstellen, was u. a. durch Expression von Zellzyklus-Inhibitoren wie p16, p21, p27 reguliert wird (Brooks, G., et al. 1998. Cardiovasc. Res. 39, 301–311; Flink, I. L. et al., 1998. J. Mol. Cell Cardiol. 30, 563–578; Walsh, K. and Perlman, H. 1997. Curr. Opin. Genet. Dev. 7, 597–602). Ähnliche Vorgänge treffen sicherlich auf die Mehrzahl aller primären Zelltypen zu. Eine Ausschaltung von Zellzyklusinhibitoren in differenzierten Zellen könnte somit bewirken, dass die Zellen wieder in die Proliferation gehen. Das trifft im Kontext der Erfindung auch auf weitere hier nicht erwähnte Zellzyklusinhibitorische Proteine zu.
-
Im Rahmen der Erfindung kann allgemein das für die Kontrolle des Zellzyklus wichtige Protein p53 sowie sämtliche an p53 direkt bindende Proteine, vorgeschaltete (nachfolgend upstream) und/oder nachgeschaltete (nachfolgend) downstream Faktoren dieses p53 Pathways ausgeschaltet werden, um das Ziel der erweiterten Zellteilungskapazität zu erreichen (übersicht über den p53 Pathway in: Giono, L. E. and J. J. Manfredi. 2006. J. Cell Physiol 209: 13–20; Farid, N. R. 2004. Cancer Treat. Res. 122: 149–164).
-
Im Rahmen der Erfindung kann allgemein das für die Kontrolle des Zellzyklus wichtige Protein p16/INK4a sowie sämtliche an p16/INK4a direkt bindende Proteine, vorgeschaltete (nachfolgend upstream) und/oder nachgeschaltete (nachfolgend) downstream Faktoren dieses p16 Pathways ausgeschaltet werden, um das Ziel der erweiterten Zellteilungskapazität zu erreichen (Übersicht über den p16/INK4a Pathway in: Shapiro, G. I. et al., 2000. Cell Biochem. Biophys. 33: 189–197)
-
Im Rahmen der Erfindung kann allgemein das für die Kontrolle des Zellzyklus wichtige Protein pRb bzw. die anderen Mitglieder der pRb-Familie (z. B. p107, p130) sowie sämtliche an Mitglieder der pRb-Familie direkt bindende Proteine, vorgeschaltete (nachfolgend upstream) und/oder nachgeschaltete (nachfolgend) downstream Faktoren dieses pRb Pathways ausgeschaltet werden, um das Ziel der erweiterten Zellteilungskapazität zu erreichen (übersicht über den pRb Pathway in: Godefroy, N. et al. 2006. Apoptosis. 11: 659–661; Seville, L. L. et al. 2005. Curr. Cancer Drug Targets. 5: 159–170).
-
Die Inaktivierung zellulärer Faktoren wie z. B. p53, pRB, p16 etc. kann z. B. durch Expression dominant negativer Mutanten der entsprechenden Faktoren erfolgen (Herskowitz, I. 1987. Nature 329: 219–222; Küpper, J. H., et al. 1995. Biochimie 77: 450–455), durch Inhibition der Genexpression dieser Faktoren mithilfe von antisense Olignukleotiden (Zon, G. 1990. Ann. N. Y. Acad. Sci. 616: 161–172), RNAi Molekülen (Aagaard, L. and J. J. Rossi. 2007. Adv. Drug Deliv. Rev. 59: 75–86; Chakraborty, C. 2007. Curr. Drug Targets. 8: 469–482), Morpholinos (Angerer, L. M. and R. C. Angerer. 2004. Methods Cell Biol. 74: 699–711), Ribozymen (Sioud, M. and P. O. Iversen. 2005. Curr. Drug Targets. 6: 647–653) oder durch Gen-Knockout (Le, Y. and B. Sauer. 2000. Methods Mol. Biol. 136: 477–485; Yamamura, K. 1999. Prog. Exp. Tumor Res. 35: 13–24). Diese Verfahren sind dem Fachmann bekannt und in der Literatur vielfach beschrieben. Die Inaktivierung kann auch durch die Wirkung spezifischer Antikörpern erfolgen (z. B. single chain Antikörper, intra bodies etc.; Übersicht in: Leath, C. A., III, et al. 2004. Int. J. Oncol. 24: 765–771; Stocks, M. R. 2004. Drug Discov. Today 9: 960–966). Die Inaktivierung kann auch durch Verwendung von chemischen Inhibitoren der zellulären Faktoren erfolgen, beispielsweise durch Verwendung von Kinase Inhibitoren.
-
Ein Beispiel für einen Kinase-Inhibitor ist die Substanz Imatinib (Glivec®). Dadurch wird eine Reduktion der Zellproliferation erreicht. Imatinib ist ein spezifischer Hemmstoff, der die Aktivität der Tyrosinkinase ABL in erkrankten Zellen blockiert und damit eine krankhaft gesteigerte Vermehrung mutierten Blutstammzellen unterdrückt.
-
Die Erfindung betrifft daher in einer bevorzugten Ausführungsform ebenfalls ein Verfahren zum Herstellen eines Assays, umfassend die folgenden Schritte:
- a.) Bereitstellen eines Trägermaterials,
- b.) Immobilisieren oder Fixieren von proliferierenden Hepatozyten auf diesem Trägermaterial und
-
In Kontakt bringen dieser Zelle aus b.) mit einem Agens und Bestimmung des Genotoxität des Agens.
-
Im Rahmen dieser Erfindung bedeutet Agens ein beliebiger Stoff, wie z. B. zugelassene oder in Entwicklung befindliche Medikamente und Medikamentenkandidaten sowie deren Vorläufer; allgemein Chemikalien; biologische Wirkstoffe, d. h. von Zellen erzeugte Moleküle wie z. B. Proteine, die natürlicherweise genauso oder in Abwandlung in Organismen oder Viren vorkommen oder dort gebildet werden können; auch unter physikalische Einwirkungen wie elektromagnetische Strahlung, Wärme, Kälte, Schall etc. Eine Wirkung eines solchen Agens ist nicht abschließend die Erzeugung von DNA-Schäden wie Nukleotid-Oxidationen, Deaminierungen, Basenverluste, Strangbrüche, Addukte, DNA-DNA-Crosslinks. Agenzien, die DNA Brüche bewirken, werden als klastogen bezeichnet. Eine indirekte genatoxische Wirkung eines Agens ist bspw. die Schädigung des Spindelfaserapparats, der für die Trennung von Chromosomen bzw. Schwesterchromatiden notwendig ist und wobei es infolge der Schädigung bspw. zu Chromosomenbrüchen oder unregelmäßige Chromosomenverteilungen auf die Tochterzellen bei der Zellteilung kommen kann. Agenzien, welche die Chromsomenverteilung beeinflussen, werden als aneugen bezeichnet.
-
Durch diese genatoxischen Wirkungen von einem oder mehreren Agenzien kommt es zu einer Veränderung des Erbgutes einer Zelle, was verbunden sein kann, aber nicht muss, mit einer unmittelbaren Toxizität, die zum Absterben der Zelle führt. Andererseits kann sich eine Veränderung des Erbgutes in einer veränderten Genaktivität auswirken, die zu einem veränderten Metabolismus der Zelle führt.
-
Der Nachweis eines positiven Ereignisses zur Bestimmung der Genotoxität kann mit einem Nachweisreagenz im weitesten Sinne erfolgen, z. B. mittels einem fluoresenzmarkiertem Antikörper oder dergleichen. Zu nennen sind hier insbesondere dazu geeignete bioanalytische Verfahren, wie zum Beispiel Immunhistochemie, Antikörperarrays, Luminex/Luminol, ELISA, Immunfluoreszenz, Radioimmunoassays.
-
Der Begriff ”fester Träger” umfasst Ausführungen wie einen Filter, eine Membran, ein magnetisches Kügelchen, ein Silizium-Wafer, Glas, Kunststoff, Metall, ein Chip, ein massenspektrometrisches Target oder eine Matrix aus z. B. Proteinen oder anderweitige Matrices wie z. B. PEG etc.
-
In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der erfindungsgemäßen Anordnung (synonym: Array) entspricht diese einem Gitter, dass die Größenordnung einer Mikrotiterplatte (96 Wells, 384 Wells oder mehr), eines Silizium-Wafers, eines Chips, eines massenspektrometrischen Targets oder einer Matrix besitzt.
-
Das Trägermaterial (Matrix) kann in der Form von sphärischen, unaggregierten Partikeln, sog. Beads, Fasern oder einer Membran vorliegen, wobei eine Porosität der Matrix die Oberfläche erhöht. Die Porosität kann beispielsweise in üblicher Weise durch Zugabe von Porenbildnern, wie Cyclohexanol oder 1-Dodecanol zu der Reaktionsmischung der Suspensionspolymerisation erreicht werden.
-
Beispiele:
-
Beispiel 1: Induktion der CYP3A4-Aktivität von proliferierenden Hepatozyten
-
Zunächst werden proliferierbare Hepatozyten hergestellt, indem primäre humane Hepatozyten mit dem in der
WO 2009030217 A2 beschriebenen Verfahren behandelt werden.
-
Um die metabolische Kapazität der in dieser Erfindung beschriebenen proliferierenden Hepatozyten zu untersuchen, wurde die Induktion der CYP3A4 Aktivität bei verschiedenen Verdopplungszahlen (PD 23, 32 und 36) gemessen. Dazu wurden die Zellen in einer Dichte von 2,3 × 104 Zellen/cm2 auf Kollagen beschichteten Zellkulturgefäßen eingesät und 4 Tage kultiviert. Anschließend wurden die Zellen für drei Tage täglich mit Rifampicin (20 μM) behandelt bevor die CYP3A4 Aktivität mittels Lumineszens-basierten P450-Glo Assay (Promega) gemessen wurde. Die x-fache Induktion (Mittelwert ± Standardabweichung, n = 3) wurde berechnet als CYP3A4-Aktivität (in RLU/s/well) der Rifampicin behandelten Zellen dividiert durch CYP3A4-Aktivität der Kontrollzellen.
-
Die CYP3A4-Aktivität der proliferierenden Hepatozyten konnte bei allen drei getesteten Verdopplungszeiten induziert werden (1). Die Induktion war für alle untersuchten Verdopplungszeiten ähnlich und erfüllt die FDA-Kriterien für die CYP3A4 Induktion in humanen Hepatozyten (d. h. größer als 4-fach).
-
Beispiel 2: Korrekte Identifikation von Positiv- und Negativsubstanzen für Genotoxizitätstests.
-
Um die Eignung der in dem Patent beschriebenen vermehrbaren Hepatozyten in Bezug auf Genotoxizitätstests zu überprüfen, wurden die Zellen mit Substanzen behandelt, die als Positiv- bzw. Negativsubstanzen für Genotoxizität gelten. Die Genotoxizität wurde über den Anteil an induzierten Mikrokernen gegenüber der Kontrolle durch einen FACS-Assay quantifiziert. Im Einzelnen wurden die Positivsubstanzen Mitomycin C (MMC) und Cyclophosphamid (CPA) und die Negativsubstanz Curcurmin getestet. CPA muss zunächst metabolisiert werden um genotoxisch zu wirken und wird im bislang verwendeten Mikronukleustest mit V79 Zellen ausschließlich erkannt wenn die Substanz zuvor mit einem CYP-Enzym-Extrakt (S9-Mix) umgesetzt wurde. Curcurmin wird in den Standard-Genotoxizitätstests, die auf Nagerzelllinien basieren, als falsch positiv klassifiziert.
-
Die in dieser Erfindung beschriebenen proliferierenden Hepatozyten wurden in einer Dichte von 3000 Zellen/cm2 auf Kollagen beschichteten Zellkulturgefäßen ausplattiert und mit den o. g. Substanzen in verschiedenen Konzentrationen behandelt. Im Rahmen der regulatorischen Testung nach OECD wurde bis zu einer Zytotoxizität von 50% geprüft, die für jede Substanz zuvor über eine MTT-Viabilitätsbestimmung ermittelt wurde. Da die Teilungsgeschwindigkeit der Leberzellen mit 48 h niedriger als bei der Zelllinie V79 liegt, wurden längere Inkubations- und Erholungszeiträume für die Behandlungen (jeweils angegeben) gewählt.
-
Für MMC und CPA ergab sich eine Dosis-Wirkungsbeziehung der Mikrokernbildung, so dass diese Substanzen als eindeutig positiv erkannt wurden (2 und 3). Die korrekt identifizierte Genotoxizität von CPA bestätigt die metabolische Kompetenz der Zellen.
-
Curcurmin dagegen induzierte keine vermehrte Mikrokernbildung und wurde daher korrekt als Negativsubstanz eingeordnet (4).
-
Literaturliste
-
-
Agarwal, M. L., Taylor, W. R., Chernov, M. V., Chernova, O. B. and Stark, G. R. (1998)
- Ames, B. N., Durston, W. E., Yamasaki, E., and Lee, F. D. (1973a). Carcinogens are mutagens: a simple test system combining liver homogenates for activation and bacteria for detection. Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A 70, 2281–2285.
- Ames, B. N., Lee, F. D., and Durston, W. E. (1973b). An improved bacterial test system for the detection and classification of mutagens and carcinogens. Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A 70, 782–786.
- Arimoto, R. (2006). Computational models for predicting interactions with cytochrome p450 enzyme. Curr. Top. Med. Chem. 6, 1609–1618.
- Broschinski, L., Madle, S., and Hensel, C. (1998). Genotoxicity tests for new chemicals in Germany: routine in vitro testsystems. Mutat. Res. 418, 121–129.
- De Flora S., Russo, P., Pala, M., Fassina, G., Zunino, A., Bennicelli, C., Zanacchi, P., Camoirano, A., and Parodi, S. (1985). Assay of phenacetin genotoxicity using in vitro and in vivo test systems. J. Toxicol. Environ. Health 16, 355–377.
- Elaut, G., Henkens, T., Papeleu, P., Snykers, S., Vinken, M., Vanhaecke, T., and Rogiers, V. (2006). Molecular mechanisms underlying the dedifferentiation process of isolated hepatocytes and their cultures. Curr. Drug Metab 7, 629–660.
- Fenech, M. and Morley, A. A. (1985). Measurement of micronuclei in lymphocytes. Mutat. Res. 147, 29–36.
- Gomez-Lechon, M. J., Donato, M. T., Castell, J. V., and Jover, R. (2004). Human hepatocytes in primary culture: the choice to investigate drug metabolism in man. Curr. Drug Metab 5, 443–462.
-
Hewitt et al (2007). Primary hepatocytes: current understanding of the regulation of metabolic enzymes and transporter proteins, and pharmaceutical practice for the use of hepatocytes in metabolism, enzyme induction, transporter, clearance, and hepatotoxicity studies. Drug Metab., 39, 159–234
- Kirkland D, Aardema N, Henderson L, Müller L. Evaluation of the ability of a battery of three in vitro genotoxicity tests to discriminate rodent carcinogens and noncarcinogens I. Sensitivity, specificity and relative predictivity. Mutat Res. 2005 Jul 4; 584(1–2): 1–256.
- Mathijs, K., Brauers, K. J., Jennen, D. G., Lizarraga, D., Kleinjans, J. C., and van Delft, J. H. (2010). Gene expression profiling in primary mouse hepatocytes discriminates true from false-positive genotoxic compounds. Mutagenesis.
- Morita, T., Watanabe, Y., Takeda, K., and Okumura, K. (1989). Effects of pH in the in vitro chromosomal aberration test. Mutat. Res. 225, 55–60.
- Rossi, D., Aiello, V., Mazzoni, L., Sensi, A., and Calzolari, E. (2007). In vitro short-term test evaluation of catecholestrogens genotoxicity. J. Steroid Biochem. Mol. Biol. 105, 98–105.
- Singh, N. P., McCoy, M. T., Tice, R. R., and Schneider, E. L. (1988). A simple technique for quantitation of low levels of DNA damage in individual cells. Exp. Cell Res. 175, 184–191.
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- EP 833934 [0006]
- WO 2004/034013 [0017]
- WO 2009030217 [0026]
- US 4959317 [0039]
- WO 97/12912 [0040]
- WO 99/11809 [0040]
- CA 2094658 [0040]
- US 4701521 [0040]
- WO 98/52614 [0040]
- EP 1175436 B1 [0042, 0043]
- WO 2009030217 A2 [0058]
-
Zitierte Nicht-Patentliteratur
-
- Ames et al., 1973a [0008]
- Ames et al., 1973b [0008]
- Morita et al., 1989 [0009]
- Broschinski et al., 1998 [0010]
- Elaut et al., 2006 [0011]
- De Flora S. et al., 1985 [0014]
- Singh et al., 1988 [0014]
- Fenech and Morley, 1985 [0015]
- Rossi et al., 2007 [0016]
- Harley, C. B. and B. Villeponteau. 1995. Telomeres and telomerase in aging and cancer. Curr. Opin. Genet. Dev. 5: 249–255. [0028]
- Wigler, M. et al., 1977. Cell 11: 223–232 [0038]
- Felgner, P. L. et al, 1987. Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A 84: 7413–7417 [0038]
- Wolf, H. et al., 1994. Biophys. J. 66: 524–531 [0038]
- Diacumakos, E. G. 1973. Methods Cell Biol. 7: 287–311 [0038]
- Lundstrom, K. 2004. Technol. Cancer Res. Treat. 3: 467–477 [0038]
- Robbins, P. D. and S. C. Ghivizzani. 1998. Pharmacol. Ther. 80: 35–47 [0038]
- Meyer-Ficca, M. L. et al. 2004. Anal. Biochem. 334: 9–19 [0039]
- Suzuki et al., 277 J. Biol. Chem. 2437–2443 2002 and Futaki 245 Int. J. Pharmaceut. 1–7 (2002) [0040]
- Derossi et al., 8 Trends Cell Biol., 84–87 (1998) [0040]
- Gherbassi, D. & Simon, H. H. J. Neural Transm. Suppl 47–55 (2006) [0040]
- Morgan, R. 580 FEBS Lett., 2531–2533 (2006) [0040]
- Han, K. et al. 10 Mol. Cells 728–732 (2000) [0040]
- Chatelin et al. 55 Mech. Dev. 111–117 (1996) [0040]
- Mai et al., 277 J. Biol. Chem. 30208–30218 (2002) [0040]
- Park et al. 13 Mol. Cells 202–208 (2002) [0040]
- Mi et al. 2 Mol. Ther. 339–347 (2000) [0040]
- Noguchi and Matsumoto 60 Acta Med. Okayama 1-11, (2006) [0040]
- Noguchi et al. 52 Diabetes 1732–1737 (2003) [0040]
- Noguchi et al. 332 Biochem. Biophys. Res. Commun. 68–74 (2005) [0040]
- Yoneda et al. 201 Exp. Cell Res. 313–320 (1992) [0040]
- Lundberg and Johansson 291 Biochem. Biophys. Res. Comm. 367–371 (2002) [0040]
- Ben Porath, I. and R. A. Weinberg. 2005. Int. J. Biochem. Cell Biol. 37: 961–976 [0044]
- Brooks, G., et al. 1998. Cardiovasc. Res. 39, 301–311 [0044]
- Flink, I. L. et al., 1998. J. Mol. Cell Cardiol. 30, 563–578 [0044]
- Walsh, K. and Perlman, H. 1997. Curr. Opin. Genet. Dev. 7, 597–602 [0044]
- Giono, L. E. and J. J. Manfredi. 2006. J. Cell Physiol 209: 13–20 [0045]
- Farid, N. R. 2004. Cancer Treat. Res. 122: 149–164 [0045]
- Shapiro, G. I. et al., 2000. Cell Biochem. Biophys. 33: 189–197 [0046]
- Godefroy, N. et al. 2006. Apoptosis. 11: 659–661 [0047]
- Seville, L. L. et al. 2005. Curr. Cancer Drug Targets. 5: 159–170 [0047]
- Herskowitz, I. 1987. Nature 329: 219–222 [0048]
- Küpper, J. H., et al. 1995. Biochimie 77: 450–455 [0048]
- Zon, G. 1990. Ann. N. Y. Acad. Sci. 616: 161–172 [0048]
- Aagaard, L. and J. J. Rossi. 2007. Adv. Drug Deliv. Rev. 59: 75–86 [0048]
- Chakraborty, C. 2007. Curr. Drug Targets. 8: 469–482 [0048]
- Angerer, L. M. and R. C. Angerer. 2004. Methods Cell Biol. 74: 699–711 [0048]
- Sioud, M. and P. O. Iversen. 2005. Curr. Drug Targets. 6: 647–653 [0048]
- Le, Y. and B. Sauer. 2000. Methods Mol. Biol. 136: 477–485 [0048]
- Yamamura, K. 1999. Prog. Exp. Tumor Res. 35: 13–24 [0048]
- Leath, C. A., III, et al. 2004. Int. J. Oncol. 24: 765–771 [0048]
- Stocks, M. R. 2004. Drug Discov. Today 9: 960–966 [0048]