-
Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zur Dekontamination von organisch
belasteten Abwässern aus
Kernkraftwerken, z. B. von Verdampferkonzentraten oder Ionenaustauscherharz-Konzentraten.
-
Beim
Betrieb der nuklearen Aufbereitungs- und Reinigungssysteme in Kernkraftanlagen
fallen flüssige
radioaktive Betriebsabfälle
in Form von Verdampferkonzentraten und Ionenaustauscherharz (Pulverharz)-Konzentraten
an. Die Abfallmengen werden zu mehr als 95% von nicht-radioaktiven
Bestandteilen bestimmt, müssen
jedoch im Gemisch mit den radioaktiven Isotopen entsorgt werden.
-
Beispielsweise
enthalten Verdampferkonzentrate in Abhängigkeit von ihrer Herkunft
(z.B. Siedewasser- oder Druckwasserreaktoren) einen hohen Feststoffanteil
(ca. 70 Gew.%, bezogen auf die Trockensubstanz) an Natriumsulfat
(Siedewasserreaktoren) bzw. einem Gemisch aus neutralen Borsäuresalzen
(Druckwasserreaktoren). Neben diesen Hauptinhaltsstoffen enthalten
alle Verdampferkonzentrate organische Komponenten (ca. 25 Gew.%,
bezogen auf die Trockensubstanz) wie Citronensäure, Tenside, Enzyme, Öle und geflockte
Wasch- und Dekontmittelrückständen als
nicht-radioaktive
Bestandteile. Maximal 5 Gew.%, bezogen auf die Trockensubstanz,
der Entsorgungsmenge machen radioaktive Nuklide aus, jedoch erhöht die Vermischung
dieses relativ geringen Anteils an Aktivitätsträgern mit den inaktiven Bestandteilen
die zu entsorgende radioaktive Abfallmenge um den Faktor 10 bis
20. Gleiches gilt für
die Pulverharz-Konzentrate, in denen geringe Mengen radioaktiver
Nuklide im organischen Grundgerüst
der Ionenaustauscherharze gebunden sind.
-
Gewöhnlich werden
diese Konzentrate nach mehrjähriger
Abklingzeit mit Trocknungsanlagen (z. B. ROBE-Anlagen) für die Zwischen-
oder Endlagerung konditioniert. Aufgrund der hohen Aktivitätswerte
müssen
die dabei entstehenden Trocknungsprodukte in teuren Gussbehältern oder
in anderen geeigneten Primär- und Abschirmverpackungen
verpackt werden, wodurch die Entsorgungskosten enorm gesteigert
werden.
-
Die
organischen Inhaltsstoffe der Abwasserkonzentrate sind Kohlenstoffverbindungen
unterschiedlicher Herkunft, insbesondere Dekontmittel und Komplexbildner.
Da der Anteil dieser organischen Inhaltsstoffe meist über 1 Gew.%,
bezogen auf die Trockensubstanz, liegt, wird die Endlagerfähigkeit der
getrockneten Konzentrate aufgrund unterstellter Brennbarkeit in
Frage gestellt. Die organischen Inhaltsstoffe führen außerdem immer wieder zu Konditionierungsproblemen,
da sie die Aushärtung
der Produkte zu monolithischen Salzblöcken verzögern oder vollständig verhindern.
-
Ein
spezielles Problem stellen die als Verkrustungsinhibitoren eingesetzten
Komplexbildner wie Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) und Nitrilotriessigsäure (NTA)
dar, mit denen ein Verstopfen der Heizrohre verhindert werden soll.
Diese Verkrustungsinhibitoren und andere Komplexbildner, die beispielsweise
in den eingesetzten Dekont- und Waschmitteln enthalten sind, komplexieren
jedoch nicht nur die für
die Verkrustungen der Heizrohre verantwortlichen Calciumionen, sondern
auch andere Metallionen wie Mangan, Zink oder Cobalt. Dies führt dazu, dass
diese in Form radioaktiver Nuklide vorliegenden Metallionen aus
ihren Komplexverbindungen nicht mehr mit Hilfe üblicher Fällungsreaktionen abgetrennt
werden können,
sondern in Lösung
verbleiben. Es stand bisher in der Praxis kein chemisches Verfahren
zur Verfügung,
diese Aktivitätsträger im weiteren
Aufbereitungsverfahren von den inaktiven Konzentratbestandteilen
zu trennen.
-
Zur
Aufbereitung von Pulverharzkonzentraten, die mit radioaktiven Nukliden
kontaminiert sind, ist aus der US-A-4 770 783 ein Verfahren bekannt, bei
dem die Pulverharzkonzentrate mit Wasserstoffperoxid, Sauerstoff
oder einer Mischung von konzentrierter Schwefelsäure und konzentrierter Salpetersäure oxidiert
werden, um flüchtige
Verbindungen und eine Lösung
von radioaktiven Metallionen zu bilden, aus der die Metalle durch
Zugabe von Hydroxid bei einem pH-Wert von mindestens 9 ausgefällt werden.
Dieses Verfahren hat den Nachteil, dass bei Verwendung von flüssigen Oxidationsmitteln
eine Volumenvergrößerung erfolgt,
d.h. die zu entsorgende Masse wird vergrößert. Außerdem tritt bei der dort beschriebenen
Oxidation unter stark alkalischen Bedingungen eine unerwünschte Schaumbildung
auf.
-
Aufgabe
der Erfindung war es daher, ein wirtschaftliches Verfahren zur Dekontamination
von organisch belasteten Abwässern
aus Kernkraftwerken, insbesondere Verdampferkonzentraten und Pulverharzkonzentraten,
bereitzustellen, das organische Verbindungen aus diesen Lösungen entfernt
und so eine effiziente und kostengünstige Trennung der radioaktiven
und inaktiven Bestandteile ermöglicht.
-
Gegenstand
der Erfindung ist ein Verfahren zur Dekontamination von organisch
belasteten Abwässern
aus Kernkraftwerken, das dadurch gekennzeichnet ist, dass man
- (a) das Abwasser bei einem pH-Wert von 1 bis
8 mit Ozon behandelt,
- (b) gegebenenfalls das ozonbehandelte Abwasser neutralisiert
und
- (c) enthaltende radioaktive Nuklide durch Ausfällung/Ausflockung
abtrennt.
-
Durch
die erfindungsgemäße Verfahrensweise
können
die gesamten organischen Inhaltsstoffe vor der Konditionierung der
Abwässer
oxidativ zu unschädlichem
Kohlendioxid abgebaut werden.
-
Durch
kontrollierten Eintrag von ozonhaltiger Luft in die zu dekontaminierenden
Abwasserkonzentrate lässt
sich der oxidative Abbau der vorhandenen organischen Inhaltsstoffe
steuern. Beispielsweise können
in einer Abbauphase I zunächst
die freien organischen Inhaltsstoffe abgebaut werden, wodurch bereits
eine Abfallminimierung in den Konzentraten um ca. 5–20%, bezogen
auf die Trockensubstanz, erzielbar ist.
-
Setzt
man die Ozonisierung über
diese Phase hinaus fort, kommt es in einer Abbauphase II auch zur
oxidativen Zerstörung
der eine Ausfällung
der Metallionen verhindernden Komplexe (speziell EDTA- und NTA-Komplexe)
bzw. zum Abbau des organischen Grundgerüstes des Ionenaustauscherharze. Die
freigesetzten Metallionen werden oxidiert und mineralisiert. Nach
dieser Abbauphase II ist die ursprüngliche Suspension frei von
Feststoffen und farblos klar. Die Abfallminimierung kann in der
Abbauphase II um weitere 5% auf ca. 25%, bezogen auf die Trockensubstanz,
gesteigert werden.
-
Die
Ozonierung wird gewöhnlich
bei einem pH-Wert von 1 bis 8, vorzugsweise 5 bis 7,5 und insbesondere
6 bis 7 durchgeführt.
Die Reaktionstemperatur liegt vorzugsweise bei Normaltemperatur (20–30°C). Die Ozonierung
kann bei Normaldruck oder erhöhtem
Druck durchgeführt
werden. Die Ozonierung unter Druck ermöglicht zwar eine höhere Effizienz,
jedoch ist eine mögliche
Peroxidbildung aus den vorhandenen organischen Strukturen zu berücksichtigen.
Pro Gramm Kohlenstoff in den organischen Inhaltsstoffen werden im
allgemeinen mindestens etwa 8 g Ozon zugeführt. Gute Ergebnisse wurden
in der Praxis mit etwa 100 g Ozon pro Liter Konzentrat in jeder
der Abbauphasen I und II erzielt. Zur Ozonerzeugung eignet sich
z. B. ein Ozonisator mit Sander-Ozonelektroden, die vorzugsweise
mit reinem Sauerstoff betrieben werden. Die Reaktionsgefäße sind
vorzugsweise aus Edelstahl, Glas oder Teflon gefertigt. Gummierungen
und Kunststoffe werden von Ozon angegriffen.
-
Die
Ozonierung erfolgt üblicherweise
bis zu einem TOC (total organic content) von < 500 mg C/kg Lösung, vorzugsweise < 250 mg C/kg Lösung. Der Endpunkt
des oxidativen Abbaus lässt
sich z. B. dadurch feststellen, dass sich der pH-Wert auf einem niedrigen
Niveau stabilisiert (z. B. pH 1–3).
Dies beruht darauf, dass beim oxidativen Abbau von EDTA oder anderen
Komplexbildnern mit Amingruppen Salpetersäure entsteht, so dass der pH
während
der Ozonolyse kontinuierlich bis auf einen Endpunkt abfällt. Eine
alternative Methode zur Endpunktsbestimmung ist die Zugabe von Mangan,
aus dem sich am Endpunkt des oxidativen Abbaus Permanganationen bilden,
welche die Lösung
violett färben.
-
In
Abhängigkeit
von den anschließend durchzuführenden
Fällungs-/Flockungsreaktionen kann
die ozonbehandelte Lösung
gegebenenfalls in Schritt (b) neutralisiert werden. Hierzu sind
geringe Mengen einer Base wie Natronlauge erforderlich, da keine
Puffersubstanzen mehr in der Lösung
vorhanden sind.
-
In
Schritt (c) werden vorhandene Aktivitätsträger durch chemische Fällungs/Flockungsreaktionen
ausgefällt,
soweit sie nicht von alleine als Metalloxide oder Metalloxidhydrate
ausfallen. Zur Abtrennung der radioaktiven Nuklide können die
in der analytischen Chemie bekannten Fällungsreaktionen herangezogen
werden. Mit Hexacyanoferrat-Salzen arbeitende Fällungs/Flockungsverfahren für kerntechnische
Anwendungen sind z. B. in
DE
1767999 und
DE 2422711 beschrieben.
-
Ein
anderes handelsübliches
Fällungsmittel für ein- und
zweiwertige Schwermetalle wie Ag, Cd, Cu, Hg, Ni, Co, Fe, Pb und
Zn ist TMT-15® von
Degussa (Trimercapto-s-triazin-trinatriumsalz).
Damit lassen sich die Metalle aus Komplexbildner-freien Abwässern bei
pH 7–10
ausfällen.
-
Cs-Nuklide
können
z. B. durch Zusatz von Natriumtetraphenylborat (Handelsname Kalignost) gefällt werden.
Um eine vollständige
Cs-Fällung
in der Praxis zu gewährleisten,
wird das Konzentrat vorzugsweise mit Cs-Trägerlösung bis zu einer Konzentration
von 10 ppm versetzt. Das Fällungsprodukt
ist mit dem TMT-15®-Niederschlag der Metallfällung gut filtrierbar
oder zentrifugierbar, so dass eine gemeinsame Co/Cs-Fällung durchgeführt werden
kann.
-
Die
Fällungsprodukte
und ausgefallenen Metalloxide und -oxidhydrate werden nach üblichen
physikalischen Trennverfahren, z. B. Dekantation, Zentrifugation
oder Ultrafiltration, abgetrennt. Die besten Dekontaminationserfolge
werden mit der Ultrafiltration erzielt. Die Ultrafiltration ermöglicht auch
die Abtrennung kolloidal vorliegender Radionuklide. Die hierbei
erreichten Dekontfaktoren liegen bei > 1000. Diese abgetrennte Feststoffphase
enthält
das gesamte Aktivitätsinventar
der behandelten flüssigen Betriebsabfälle und
macht nur noch etwa 5–10%,
bezogen auf die Trockensubstanz, der ursprünglichen Entsorgungsmenge aus.
Die relativ geringen Mengen der abgetrennten radioaktiven Fällungsprodukte können einer
langfristigen Abklinglagerung unterworfen werden, die die spätere Konditionierung
erleichtert.
-
Die
verbleibende abgereicherte Salzlösung enthält je nach
Herkunft als Hauptbestandteil Natriumsulfat bzw. Borsäuresalze.
Natriumsulfat kann in einem nachfolgenden Verfahrensschritt mittels
Kühlkristallisation
gemäß
DE 19913103 als inaktives
Salz abgetrennt werden. Borsäuresalze
können
analog dem in
DE 10156119 beschriebenen
Verfahren als inaktive Borsäure
aus den Verdampferkonzentraten abgetrennt werden. Alternativ können die
Salzlösungen
in herkömmlichen
Verdampfern aufkonzentriert und/oder mit gebräuchlichen Konditionierungsverfahren,
z. B. Infaßtrocknung,
ROBE-Anlage, FAVORIT-Anlage etc., behandelt werden.
-
Bei
der Ozonolyse von Pulverharzen entsteht eine Natriumsulfat-/Natriumnitrat-Lösung, die die Abfallmenge gegenüber dem
Stand der Technik um ca. 50% reduziert. Die Fällungsstufe (c) kann entfallen.
Im nachfolgenden Trocknungsschritt entweichen die beim Harzabbau
gebildeten anorganischen Säuren
als azeotropes Gemisch, das nicht radioaktiv ist. Durch Neutralisation
der in einem nachgeschalteten Wäscher
zurückgehaltenen
Säurelösung erhält man ein
Salz, das konventionell entsorgt werden kann.
-
Das
erfindungsgemäße Verfahren
ermöglicht
eine effiziente und kostengünstige
Trennung der radioaktiven und inaktiven Bestandteile von organisch
belasteten Abwässern
aus Kernkraftwerken, insbesondere Verdampferkonzentraten und Pulverharzkonzentraten.
Die hohe Reinheit der abgereicherten Salzlösung erleichtert die weitere
Behandlung/Konditionierung des Konzentrats. Die Dosisleistung für das Bedienungspersonal
der Konditionierungsanlage sowie Kontaminationsprobleme bei der Konditionierung
werden stark vermindert. Nach der Ozonierung ist das Konditionierungsprodukt
frei von organischen Bestandteilen und erfüllt damit das Endlagerungskriterium „Nichtbrennbarkeit". In Verbindung mit
den genannten Dekontaminationsverfarhen können die aus flüssigen radioaktiven
Betriebsabfällen
resultierenden und einem Endlager zuzuführenden Endlagermengen um bis
zu 95% verringert werden.