Verfahren zur schonenden Gewinnung von primären Glykosiden aus solche enthaltenden Pflanzen. Es ist bekannt, dass die industrielle Ge winnung von herzaktiven Glykosiden aus solche enthaltenden Pflanzen auf erhebliche Schwierigkeiten stösst, sobald an die Reinheit und physiologische Wirksamkeit der Glyko- side hohe und spezielle Ansprüche gestellt werden.
Die hohe Hydrolysenempfindlichkeit der herzaktiven Olykoside bewirkt, dass leicht minderwertige oder unbeständige Präparate erhalten werden, sofern die Darstellung unter den Bedingungen erfolgt, wie sie beim Arbei ten im technischen Massstab vernünftiger weise gewählt würden.
Die therapeutisch sehr geschätzten und wertvollen primären Glyko- side, die allein die guten Löslichkeitseigen schaften und zugleich die guten Verträglich- keiten und geschmeidige Dosierungsmöglichkeit besitzen, wie sie die heutige Therapie benö tigt, können noch nicht auf einfache und rasche Weise in einer Reinheit gewonnen wer den, die allen heutigen Ansprüchen genügt.
Die primären herzaktiven Glykoside unter liegen bekanntlich leicht einer fermentativen Spaltung, wobei sekundäre Glykoside entste hen, die insbesondere eine zum Teil sehr schlechte Löslichkeit aufweisen, ganz abge sehen von der schlechteren Verträglichkeit usw. Die meisten primären Glykoside sind von Natur aus amorph (erinnert sei beispielsweise an die grosse Gruppe der Digitalis purpurea und der Digitalis Thapsi), was eine sehr er hebliche Schwierigkeit. in deren Reindarstel- lung zur Folge hat.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass der Grossteil der verunreini genden Ballaststoffe ebenfalls amorph und in den Löslichkeiten den primären Gly kosiden sehr ähnlich sein kann. Es bleiben somit nur differenzierende Fällungsoperationen-und zum Teil Aussehüttelungen und Extraktionen mit differenzierenden Lösungsmitteln übrig, um Endprodukte zu erhalten, die im besten Falle als gereinigte Rohglykoside bezeichnet werden können. Eine Reinigung vermittels differen zierender Adsorbtion, z.
B. vermittels Chro- matographie, gelingt nur unvollkommen, da gewisse Ballaststoffe überhaupt nicht selek tiv adsorbiert werden, obschon die Glykoside unter sich ein befriedigendes selektives Ver halten zeigen würden. Es kann keine Rede davon sein, dass es bis heute gelungen sei, die amorphen primären herzaktiven Glykoside in reiner. Form in technischem Massstab herzu stellen.
Es ist somit nicht verwunderlich, dass gerade infolge eines Gehaltes an Ballaststof fen, die sich mit vernünftigen Mitteln. nicht oder nur schwer und unter Verlusten abschei den lassen, die meisten wässerigen Präparate von primären und amorphen Herzglykosiden nach einiger Zeit an Wirksamkeit verlieren, sich trüben usw. Da die primären Glykoside wegen ihren ausgezeichneten therapeutischen Eigenschaften immer sehr gesucht sind, muss es als Mangel empfunden werden, dass heute noch kein Gewinnungsverfahren bekannt ist, das in einfacher Weise die Herstellung von reinen, primären Glykosiden in technischem Massstab ermöglicht.
Es ist bekannt, dass es z. B. bei Digitalis purpurea noch unvollständig abgeklärt ist, welche wichtige Rolle die zahlreichen Neben. glykoside therapeutisch spielen, die, in gerin gen Mengen vorkommend, als Aktivatoren und Wirkungsvermittler der Hauptglykoside Digi- toxin, Gitoxin oder deren Primär-Glykoside- verbindimgen auftreten können.
Bei Anwen- dLng der bis heute üblichen Isolierungsver- fahren zur Gewinnung von herzaktiven Stof fen gehen sie entweder zum grösseren Teil verloren oder aber sie werden durch die An wesenheit von Ballaststoffen in ihrer unter stützenden Wirkung gehemmt oder übertönt.
Andere grosse Gruppen herzaktiver Arznei mittelpflanzen, wie Digitalis Thapsi, Digi talis mariana, Digitalis tomentosa, Digitalis obscura usw., sind auch noch heute wenig oder unbekannt geblieben in therapeutischer Hinsicht, weil sie einer industriellen Exploi- tierung mit den heute üblichen technischen Verfahren zur Gewinnung von herzaktiven Glykosiden starke und vielfältige Hindernisse entgegenstellen.
Diese beginnen schon mit der Einte der Pflanzen und während deren Trocknung, die bisher notwendigerweise vor genommen werden musste, um die Droge transportfähig zu machen. Die natürlichen Fundstellen für herzaktive Drogen befinden sich meist in wenig industrialisierten und zum Teil sehr abgelegenen Gegenden, so dass man bei der Gewinnung der Trockendroge es durchwegs mit einer recht primitiven Prozedur zu tun hat, während welcher die primären Herzglykoside schon zum grösseren Teil fer mentiert und hydrolytisch verändert werden und an Wert verlieren.
Herzaktive Präparate, die aus solcher käuflicher Droge hergestellt werden müssen, können praktisch kaum reine Primärglykoside sein. Um diese Unzulänglichkeiten zu vermei den, sind Verfahren vorgeschlagen worden, die die fermentativen und hydrolytischen Vor gänge in der Droge nach der Ernte zu ver hindern vermögen, und zwar durch raschen Wasserentzug; vermittels künstlicher Schnell- trocknung oder durch Zugabe solcher Men gen an wasserbindenden oder wasserverdrän genden, indifferenten Stoffen, dass derselbe Effekt eintritt.
Praktisch werden aber trotz dem Gemische von primären und sekundären Glykosiden erhalten. Nur in vereinzelten Fällen gelingt es, wie z. B. bei der Digitalis lanata Erh., die primären Glykoside rein zu erhalten, weil sie kristallisierbar sind, wäh rend die Mehrzahl der primären Glykoside, wie erwähnt, amorph ist und praktisch eine weitere Reinigung kaum in Betracht fällt.
Es ist offensichtlich, dass die künstliche Schnelltrocknung, die Dehydratisierung durch geeignete Salzgabe usw. vernünftigerweise nur Anwendung finden kann in Kulturen von herzaktiven Arzneimittelpflanzen; die weitaus grösseren Gebiete mit natürlichen und unver gleichlich reichhaltigeren Vorkommen bleiben ohne die entsprechenden Exploitationsmöglich- keiten zur Gewinnung von primären Glyko- siden.
Es wurde nun gefunden, dass die indu strielle Gewinnung von wertvollen Primär glykosiden im reinen Zustand möglich ist, wenn das Gewinnungsverfahren den Verhält nissen angepasst wird, wie sie in den lebenden Pflanzen vorliegen. Wenn man frische, herz aktive Glykoside enthaltende Pflanzen dem erfindungsgemässen Gewinnungsverfahren un terwirft, gelingt es, in rascher und leichter Weise alle Ballaststoffe quantitativ abzutren nen und die primären Glykoside auf den ersten Anhieb in reiner Form zu gewinnen.
Nur in der frischen Pflanze liegen die Ballast stoffe in einer Form vor, die erlaubt, diese sozusagen in einem Analysengang von den Primärglykosiden abzutrennen. Zum Teil ko- agulieren dieBallaststoffe als makromolekulare Gebilde, so dass sie abfiltriert werden können, oder sie bleiben sehr leicht löslich.
Schon bei welken Pflanzen und vollends bei getrockneter Droge sind die makromolekularen Ballast stoffe in kleinere Spaltstücke zerfallen, die stark erhöhte Löslichkeiten zeigen, sich nur umgenügend ausfällen lassen, nicht mehr ko agulieren und wegen ihrer erhöhten Löslichkeit in für primäre Glykoside spezifischen Lö- sungsmitteln diese verunreinigen.
Anderseits erleiden die leicht. löslichen Ballaststoffe unter der Einwirkung von Wärme, Luftsauerstoff und zum Teil noch unbekannten Fermenten Polymerisationen, die in Form von kolloidalen und spontanen Trübungen, Gelierungen, star ker Neigung zur Emulsionsbildung usw., schwere Hindernisse für die Isolierung reiner herzaktiver Glykoside darstellen.
Untersuchungen über die Fermentations- geschwindigkeit einiger artspezifiseher Fer mente an primären herzaktiven Glykosiden in frischen Pflanzen haben gezeigt, dass z. B. nach der Zerkleinerung der Pflanzen in den ersten Minuten noch keine Fermentierung zu beobachten ist, dass diese dann aber allmählich zunimmt. Wird frischer Pflanzenbrei hin gegen mit Wasser oder wasserhaltigen Mitteln versetzt und der pflanzeneigene Liquor damit entmischt, so tritt der fermentative Abbau sowie auch der schon erwähnte Abbau der Ballaststoffe schlagartig ein.
Das Verfahren gemäss der Erfindung ist nun dadurch gekennzeichnet, dass frische Pflanzen derart. zerkleinert werden, dass der Pflanzensaft, der, infolge der sehr guten Lös lichkeit der primären Gly koside in demselben, praktisch sämtliche Glykoside enthält, leicht abgetrennt werden kann, dass hierauf der ab getrennte Saft einer Behandlung zwecks Ent fernung der Gerbstoffe und von Ballaststof fen, insbesondere von makromolekularen, un terzogen wird, dass die Glykoside aus dein ge reinigten Saft, der nun meist wasserhell ist, mittels in Wasser schwer löslicher Lösungs mittel, die die primären Glykoside leicht lösen, extrahiert werden,
worauf sie aus dem Ex trakt ohne Verunreinigungen abgeschieden werden. Es können so Präparate hergestellt wer den, die vollständig weisse, amorphe und sehr lockere Pulver darstellen, sehr leicht löslich sowohl in hochprozentigen wie in sehr ver dünnten Alkoholen in den hier üblichen thera peutischen Konzentrationen und ziemlich lös lich in Wasser sind. Sie können weiteren diffe renzierenden Methoden, z. B. einer geeigneten Cliromatographierung, unterworfen werden, wobei in guter Ausbeute die einzelnen primä ren Haupt- und Nebenglykoside erhalten wer den, welche zum Teil noch wenig bekannte physiologische Eigenschaften besitzen.
<I>Beispiel.:</I> 50 kg frisch geerntete Digitalisblätter, die keine oder nur schwache Welkspuren aufwei sen, werden in 3 bis 5 1liniiten mit einer Zer kleinerungsmaschine zu einem feinen Brei ge mahlen und fortlaufend der Pflanzenliquor, z. B. durch Abschleudern, separiert. Die stark schäumende Flüssigkeit, die praktisch sämtli che Glykoside enthält, wird mit gerbstoff- fällenden, Saponin- und Pyronabkömmlinge bindenden Mitteln fortlaufend behandelt und z.
B. vermittels konduktometrischer Titration der Endpunkt der Ballastausscheidung auto inatisch eingestellt und dann anschliessend ge klärt. Die resultierende, wasserhelle, klare Flüssigkeit, in der sämtliche Glykoside in freier Form enthalten sind, wird fortlaufend der erschöpfenden Extraktion mit in Wasser wenig löslichen Lösungsmitteln unterzogen.
Der einfache Arbeitsgang dauert in seiner kri tischen Phase, das heisst während der Zerklei nerung, wo der pflanzeneigene Liquor und Zelltrümmer ein feines inniges Gemisch bil den, etwa 10 Sekunden. In dieser kurzen Zeit spanne haben die abbauenden Fermente keine Einwirkung auf die primären Glykoside. Der die primären Gly koside enthaltende Liquor wird fortlaufend in der genannten Weise be handelt und geklärt und bleibt somit der Ein wirkung der an die Zellreste gebundenen Fer mente
entzogen. Die Zeitspanne vom Beginn der Zerkleinerung bis zur Abtrennung der Zellresten usw. beträgt höchstens eine Minute.
Bei einer 30 nicht übersteigenden Tempe ratur werden die primären Glykoside nach der Extraktion, die z. B. mit stabilisiertem Chloro form erfolgen kann, von der Hauptmenge des Extraktionsmittels befreit und in geeigneter Weise mit Lösungsmitteln behandelt, die Öle, Fette, Wachse, Geruchstoffe, saure Begleit- stoffe usw. lösen, die primären Glykoside aber ungelöst lassen, und ausgefällt.
Sie stellen -reinweisse, vollständig geruchlose, sehr lockere Pulver dar, die vermöge ihrer physiologischen Wirksamkeit und guten Löslichkeitseigen schaften in der Therapie Anwendung finden können.
Die hierfür benötigte maschinelle Anlage kann so weitgehend automatisiert werden und beansprucht so wenig Platz, dass sie, mobil gemacht., eine völlig autonome Fabrikations einheit ist.. So ist es möglich, aus den natür lichen, reichhaltigen Vorkommen von herz aktiven Arzneimittelpflanzen die reinen, pri mären Glykoside direkt an Ort und Stelle zu gewinnen.