DE931366C - Verfahren zur Beeinflussung der staendigen Spannungen in einem Glasgegenstand - Google Patents
Verfahren zur Beeinflussung der staendigen Spannungen in einem GlasgegenstandInfo
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Description
Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften von
Glas durch Einwirkung auf die inneren Spannungen, welche in dem Glas bei der Herstellung entstehen
können. Die Erfindung ermöglicht insbesondere, dem Glas die Eigenschaften zu erteilen,
die üblicherweise durch die »Kühlung« angestrebt werden, insbesondere die, daß das Glas leicht ohne
Bruchgefahr geschnitten werden kann.
Es ist bekannt, daß die »Kühlung« den Zweck hat, die Nachteile zu beseitigen, die auf die häufig ungleichmäßig
verteilten dauernden Spannungen zurückzuführen sind, welche sich sonst in dem Glas
entwickeln. Diese Behandlung besteht darin, daß, nachdem der Glasgegenstand in seiner gesamten
Masse gleichmäßig auf eine über der »unteren Entspannungstemperatur« liegendeTemperatur gebracht
worden ist, die einer Viskosität von io14·6 Poisen
entspricht, allmählich fortschreitend bis unter diese Temperatur gekühlt wird. Diese Behandlung
erfordert eine umfangreiche Anlage. Ihre Durchführung ist lang, und die erzielten Ergebnisse sind
nicht immer zufriedenstellend.
Das Verfahren nach der Erfindung beruht auf einem völlig neuen Grundgedanken, der im folgenden
im einzelnen erläutert werden wird.
Es ist bekannt, daß die dauernden inneren Spannungen, d. h. diejenigen, die in dem gekühlten
Glas verbleiben, nur entstehen können, wenn sich zu Beginn der Kühlung das Glas in seiner Gesamtheit
oder teilweise auf einer Temperatur befindet, die hinreichend hoch ist, damit seine verschiedenen
Moleküle noch eine gewisse Beweglichkeit gegeneinander besitzen, d. h. einer Temperatur, die höher
ist als die oben definierte »untere Entspannungstemperatur«, über die das Glas in seiner gesamten
Masse erhitzt werden muß, um der üblichen
ίο »Kühlung« unterzogen werden zu können.
Wenn das Glas von einer Temperatur aus abgekühlt wird, in welcher es bereits völlig erstarrt
ist, d. h. bei welcher seine Moleküle sich gegeneinander nicht mehr verschieben können, so sind
die Spannungen, welche sich als Folge der schnelleren Abkühlung der Außenschichten im Vergleich
zu den Innenschichten ergeben, nur zeitweilige; sie verschwinden gleichzeitig mit dem Temperaturunterschied,
auf Grund dessen sie entstanden sind.
Im Gegensatz hierzu weist Glas, das von einer Temperatur aus abgekühlt wird, bei welcher ein
gegenseitiges Gleiten der Moleküle möglich ist, nach Abkühlen auf die Umgebungstemperatur
dauernde Spannungen auf, die um so höher sind, je schneller die Abkühlung bis zur Entspannungstemperatur war.
Da die Ausdrücke »gleiten« bzw. »Gleitfähigkeit« in ihrem allgemeinsten Sinn als Verschiebungen der
Glasmoleküle gegeneinander zu -verstehen sind, kann man sich ein Bild des auftretenden Phänomens
machen, wenn man sich vorstellt, daß die Außenhaut des Glasgegenstandes erstarrt, sich zusammenzieht
und auf dem beweglichen Kern gleiten könnte, während im Gegensatz hierzu der Kern
selber, der später erstarrt und dann bestrebt ist, sich zusammenzuziehen, diese Möglichkeit nicht
hat, weil die erstarrte Außenhaut seiner Kontraktion nicht folgen kann, so daß er in gedehntem
Zustand verbleibt, sich gegen die Außenhaut abstützt und in dieser Druckspannungen hervorruft.
Diese infolge der Zusammenziehung der Oberflächen in der ersten Phase der Abkühlung auftretenden
Gleitbewegungen sind die Ursache der dauernden Spannungen, die das kalte Glas aufweist.
Es wurde nun gefunden, daß es möglich ist, auf die Höhe und die Verteilung dieser dauernden
Spannungen durch eine auf diese Gleitbewegungen
■- nachträglich folgende Behandlung einzuwirken,
durch welche Gleitbewegungen im entgegengesetzten Sinn, d. h. solche, die die Oberflächen
unter Druckspannungen setzen würden, hervorgerufen werden.
Gegenstand der Erfindung ist eine Behandlung des Glases, die darin besteht, daß in den Oberflächenschichten
des Glases ein Druckzustand von solcher Höhe erzeugt wird, daß ein wenigstens teilweises Gleiten der äußeren Schichten auf den
inneren Schichten herbeigeführt wird.
Ein Verfahren zur Durchführung der Erfindung besteht darin, daß auf die Außenschichten des
Glases, während die Temperatur der Innenschichten niedriger ist als die untere Entspannungstemperatur
oder diese nicht wesentlich überschreitet, ein .
Wärmestoß von einer solchen Höhe zur Einwirkung gebracht wird, daß er ausreicht, um in den Außenschichten
durch Wärmedehnung Spannungen zu erzeugen, die fähig sind, bei dem jeweiligen Zustand
des Glases ein Gleiten dieser Außenschichten auf die verhältnismäßig starren Innenschichten
hervorzurufen. Ferner muß die Einwirkung dieses Wärmestoßes hinreichend kurz bemessen sein, um
zu vermeiden, daß die Innenschichten auf eine erheblich oberhalb der unteren Entspannungstemperatur liegende Temperatur erhitzt werden.
Es wurde gefunden, daß infolge der Art und Kürze der Behandlung der erzielte Gleitvorgang
irreversibel ist und daß infolgedessen die spätere Abkühlung nicht die Entstehung von Spannungen
bewirkt und demzufolge keine besonderen Vorsichtsmaßregeln erfordert mit Ausnahme selbstverständlich
derjenigen, die notwendig sind, um einen Bruch als Folge der während der Abkühlung
auftretenden vorübergehenden Spannungen zu verhindern.
Es wurde ferner gefunden, daß die Behandlung durchgeführt werden kann, ohne daß die Oberflächen
in irgendeinem Augenblick auf eine solche Temperatur gebracht werden, daß sie durch die
Berührung mit den üblicherweise zum Halten des Glases verwendeten Mitteln \rerletzt werden
könnten.
Das Verfahren gemäß der Erfindung, welches sowohl auf bereits hergestellte wie auch auf im Zuge
der Herstellung befindliche Gegenstände anwendbar ist, ermöglicht es also, mit sehr einfachen Mitteln
auf die dauernden Spannungen, die in diesem Gegenstand entstanden bzw. im Entstehen begriffen
sind,- einzuwirken, um sie zu verringern, zu beseitigen oder sogar umzukehren.
Ein besonders interessanter Vorteil des neuen Verfahrens besteht darin, daß es möglich ist, fertige
Gegenstände zu behandeln, ohne daß ihre Oberfläche der Gefahr ausgesetzt wird, sich durch diese
Behandlung zu verändern. Insbesondere kann man das Verfahren auf geprägtes oder gezogenes
Fensterglas anwenden.
Von den Abbildungen zeigt Abb. 1 die bekannte Verteilung der Spannungen in den verschiedenen
Schichten einer Glasplatte nach einer völligen im industriellen Rahmen durchgeführten Kühlung
ohne Anwendung der Behandlung nach der Erfindung.
Diese Verteilung kann beispielsweise mittels des Kompensator nach Babinet beobachtet werden.
Auf einer zu den Flächen der Scheibe senkrechten Achse x-x', die die Spannungen von dem Wert ο
darstellt, sind die den Zugspannungen entsprechenden Ordinaten nach unten und die den Druckspannungen
entsprechenden Ordinaten nach oben aufgetragen. Die klassische Kurve C1, welche den iao
Verlauf der Spannungen in jeder Schicht der Scheibe darstellt, besitzt im allgemeinen Parabelform
und schneidet in zwei Punkten A und A' die Nullachse x-x', so daß man in der Vorstellung die
Platte in drei parallele Zonen, zwei äußere und eine innere, unterteilen kann, wobei jeder Punkt einer
Außenzone Druckspannung und jeder Punkt der Innenzone Zugspannung aufweist.
Die Kurve C2 (Abb. 2) und die Kurve C3 (Abb. 3)
veranschaulichen beispielsweise, jedoch ohne Beschränkung, zwei mögliche Verteilungen von
Spannungen in einer Glasplatte, die der Behandlung gemäß der Erfindung unterworfen worden ist.
Es ist ersichtlich, daß gegenüber der. Kurve gemäß Fig. 1 die Kurven C2 und C3 in den Oberflächenschichten
eine erhebliche Herabsetzung der Druckspannung (Kurve C2) und sogar eine geringe
Zugspannung (Kurve C3) erkennen lassen. Die darunterliegenden, durch die Behandlung nicht
oder nur in geringem Grad erreichten Schichten zeigen gemäß den Kurven C2 und C3 eine gewisse
Druckspannung, die höher ist als die an der Oberfläche. Die Zugspannung im Kern hat sich, da sie
das Gleichgewicht zu den verringerten Druckspannungen in den Außenschichten herstellen muß,
ebenfalls verringert. In ihrer Gesamtheit stellen die Kurven C2 und C3, die mittels des Kompensators
von B ab inet meßbar sind, eine Doppelkurve in Form eines Kamelrückens dar.
Infolge der Verringerung der Druckspannungen in der Oberflächenschicht, die sogar in eine gewisse
Zugspannung übergehen kann, ist es möglich, unter anderem besonders leicht schneidfähige Glasscheiben
herzustellen und damit zu einem Ergebnis zu gelangen, das bisher nur mit Hilfe der
»Kühlung« angestrebt wurde.
Es wurde ferner gefunden, daß die Behandlung nach der Erfindung auf die Spannungen in dem gesamten
Fertigerzeugnis derart einwirken kann, daß sich eine Gleichmäßigkeit ergibt, die üblicherweise
nur durch eine sorgfältige Kühlung erzielt werden konnte.
Es ist ferner zu bemerken, daß das Verfahren nach der Erfindung, wenn es, ebenso wie die
normale Kühlung, ermöglicht, ein leicht schneidbares Glas mit geringen und gleichmäßig verteilten
Spannungen herzustellen, doch erheblich von der üblichen Kühlung abweicht.
In der Tat ist die Behandlung gemäß der Erfindung nur von außerordentlich kurzer Dauer, in
der Größenordnung von nur einer oder einigen Sekunden. Die Erhöhung der Temperatur bleibt infolgedessen
auf die Oberflächenschichten beschränkt. Nach dem Aufhören des außerordentlich intensiven
und kurzen Wärmestoßes, der diese Temperatur-So erhöhung hervorgerufen hat, kann eine beliebige
Abkühlung erfolgen, bei der nur die normalen Vorsichtsmaßregeln gegen Bruchgefahr zu treffen
sind. Im Gegensatz hierzu wird, wie oben erwähnt, für die Kühlung eine erheblich längere Zeitdauer
benötigt. Sie erfordert, daß vorher die gesamte Masse des Gegenstandes auf eine gleichmäßige
Temperatur oberhalb der unteren Entspannungstemperatur gebracht wird. Dann wird die Kühlung
bis auf diese Temperatur in einer sehr vorsichtigen Weise durchgeführt.
Bei der Anwendung des neuen Verfahrens werden die hauptsächlichen Arbeitsbedingungen,
nämlich die Temperatur der Wärmequelle, die Intensität des Wärmestoßes und die Dauer seiner
Anwendung, selbstverständlich entsprechend den Eigenschaften geregelt, die das Fertigerzeugnis
besitzen soll.
In allen Fällen ist der Wärmestoß gemäß der Erfindung durch seine Schroffheit gekennzeichnet,
d. h. gleichzeitig durch die Höhe der zur Einwirkung auf die Oberfläche des Glases gebrachten
Kalorien und die kurze Dauer dieser Einwirkung.
So wird eine gezogene Glasscheibe von 5 mm Dicke, die bei der Untersuchung mit dem Kompensator
von B ab in et eine Spannungskurve der in Abb. ι dargestellten Art besitzt, nachdem sie auf
ungefähr 4200 aufgeheizt worden ist, durch Einwirkung einer Gasbrennerreihe einem Wärmestoß
von 20 Kalorien je Quadratzentimeter und Sekunde während 1V2 Sekunden ausgesetzt. Nach dieser Behandlung
weist die Scheibe bei der Untersuchung im kalten Zustand mit dem Kompensator nach
Babinet nur noch unbedeutende Spannungen auf, die nach einer doppelt gekrümmten Kurve der in
Abb. 2 dargestellten Art verteilt sind.
Die Mittel und Vorrichtungen, mittels deren der Wärmestoß zur Einwirkung auf das Glas gebracht
wird, können, ohne den Rahmen der Erfindung zu verlassen, beliebige sein, sei es Erhitzung durch
Strahlung, Konvektion, dielektrische Verluste, und zwar jedes dieser Mittel einzeln oder mehrere zugleich.
Auch irgendwelche andere Heizmittel können angewendet werden, vorausgesetzt, daß die
Anwendung dieser Mittel vorzugsweise eine hohe Erhitzung der Oberflächenschichten der behandelten
Gegenstände ergibt.
Bei gewissen Ausführungsformen der Erfindung kann eine gewünschte Änderung der Höhe der
Spannungen und/oder ihrer Verteilung durch eine wiederholte Anwendung der Behandlung in Form
mehrerer aufeinanderfolgender, voneinander getrennter Wärmestöße erzielt werden.
Claims (10)
- Patentansprüche:i. Verfahren zur Beeinflussung des Maßes und der Verteilung der ständigen Spannungen in einem Glasgegenstand, insbesondere, um dem Glas die üblicherweise durch Kühlung angestrebten Eigenschaften usw. und insbesondere seine Schneidfähigkeit zu geben, dadurch gekennzeichnet, daß der Glasgegenstand einem Wärmestoß ausgesetzt wird, indem, während die Temperatur der Innenschichten niedriger ist als die Entspannungstemperatur oder diese nicht erheblich überschreitet, die Außenschichten einer so intensiven Wärmebeeinflussung unterworfen werden, daß in ihnen durch Wärmeausdehnung vorübergehend Druckspannungen erzeugt werden, die ein Gleiten der Außenschichten in bezug auf die verhältnismäßig starreren Innenschichten bewirken, wobei diese Wärmezufuhr so kurz ist, daß die Innenschichten nicht auf eine Temperatur wesentlich oberhalb der Entspannungstemperatur erwärmt werden und die erzielten Verschiebungen irreversibel sind und derart die spätereKühlung keine anderen Vorsichtsmaßnahmen erfordert als die, welche normalerweise erforderlich sind, um Bruch als Folge der während der Kühlung auftretenden vorübergehenden Spannungen zu verhindern.
- 2. Verfahren nach Anspruch i, dadurch gekennzeichnet, daß der Wärmestoß so durchgeführt wird, daß die Oberfläche des Glases in keinem Augenblick der Behandlung eine Temperatur erreicht, bei der sie durch die Berührung mit den üblicherweise zum Halten des Glases verwendeten Mitteln verändert werden könnte.
- 3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Wärmebehandlung pulsierend, d. h. durch mehrere aufeinanderfolgende getrennte Wärmestöße, erfolgt.
- 4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Dauer des Wärmestoßes zwischen Bruchteilen einer Sekunde und einigen Sekunden liegt.
- 5. Verfahren nach Anspruch 1 bis 4, gekennzeichnet durch seine Anwendung auf Glasgegenstände während ihren Herstellung, d. h.bevor sie auf Raumtemperatur abgekühlt sind, oder nach ihrer Herstellung.
- 6. Anwendung des Verfahrens nach Anspruch ι bis 5 auf Glasgegenstände, deren Oberfläche nicht beschädigt werden darf.
- 7. Industriell erzeugter Glasgegenstand, dadurch gekennzeichnet, daß seine inneren Spannungen eine Kurve doppelter Krümmungen bilden, in der die Mittelzone geringe Zugspannung und die anliegenden Außenzonen eine geringe Druckspannung aufweisen.
- 8. Glasgegenstand nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß seine Oberfläche eine geringe Druckspannung aufweist (Abb. 2).
- 9. Glasgegenstand nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Spannung an seiner Oberfläche gleich Null ist.
- 10. Glasgegenstand nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß seine Oberfläche eine leichte Zugspannung aufweist (Abb. 3).Angezogene Druckschriften:
Deutsche Patentschrift Nr. 832 048.Hierzu ι Blatt Zeichnungen© 509532 8.55
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