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Verfahren zur Herstellung von kaustischer Magnesia aus kristallinischen
Magnesifien Die kaustisch gebrannte Magnesia, die insbesondere zur Herstellung von
Sorelzement und seinen Abarten Verwendung findet, wird hauptsächlich aus amorphen
(dichten) Magnesiten hergestellt, während die kristallinischen Magnesite im allgemeinen
nur zu Sintermagnesit verarbeitet werden; eine Ausnahme bilden die Vorkommen in
Oberdorf (Steiermark) und im Zillertal (Tirol), die einen verhältnismäßig eisenarmen
kristallinischen Magnesit liefern, der auch zum Kaustischbrennen geeignet ist. Die
Aufgabe, die vorhandenen großen Lagen eisenreicher kristallinischer Magnesite zur
Herstellung von kaustischer Magnesia verwendbar zu machen, beschäftigt die Magnesittechniker
seit langem. Nach einem Vorschlag, den die Erfinderin selbst vor geraumer Zeit gemacht
hat (Patent 291686), ist die Herstellung von kaustischer Magnesia aus solchen
Magnesiten dadurch möglich geworden, daB das Brennen wenig oberhalb der unteren
Temperaturgrenze des Käustischbrennens unter Zufuhr von Wasserdampf zu
der
Brennatmosphäre durchgeführt wird, ui' während des Austreibens der Kohlensäure aus
dem Innern der Stücke eine Überhitzung und damit ein Totbrennen der äußeren schon
kaustizierten Anteile zu vermeiden. Dieses Verfahren hat sich beim Brennen des Magnesits
in rotierenden Öfen als betriebsmäßig durchführbar erwiesen, aber auch im Drehofen
ist es nicht möglich, ein Erzeugnis zu gewinnen, das mit der aus amorpher (insbesondere
griechischer) Magnesia gewonnenen kaustischen Magnesia gleichwertig in Wettbewerb
treten kann, weil bei Einhaltung der niedrigen Temperaturen, die erforderlich sind,
um die Güteeigenschaften der aus amorphen Magnesiten erzeugten Ware zu erreichen,
der Ofenertrag bis zur Unwirtschaftlichkeit sinkt.
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Die vorliegende Erfindung zielt darauf ab, bei der Verarbeitung der
in großen Lagen vorkommenden kristallinischen Magnesite, die im Verhältnis zu den
amorphen Magnesiten eisenreich sind, das Brennen in der Weise zu leiten, daß dadurch
die wirtschaftliche Gewinnung von kaustischer Magnesia sichergestellt ist, die den
technischen Erzeugnissen aus amorphen Magnesiten in keiner Hinsicht nachsteht. Dies
wird gemäß der Erfindung im wesentlichen dadurch erreicht, daß der 14lagnesit unter
Ausschluß von freiem Sauerstoff unter Zuführen eines gegen Eisenoxydul indifferenten
oder reduzierenden Gases kaustisch gebrannt wird.
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Geht das Brennen unter Zutritt von Luft vor sich, so wird das Eisenoxydul
nach der Gleichung 2 Fe 0 -}- O = Fe. O. zu Eisenoxyd oxydiert. Das neue Verfahren
beruht auf der Erkenntnis, daß auch die eisenreichen kristallinischen Magnesite
zur Herstellung von kaustischer Magnesia völlig geeignet sind, wenn dieser Übergang
des Eisenoxy duls in Eisenoxyd verhindert wird. Hierdurch wird erklärlich, warum
die kristallinischen Magnesite mit steigendem Eisengehalt für die Erzeugung von
kaustischer Magnesia durch Brennen unter Luftzufuhr immer ungeeigneter werden. Es
bleibt dahingestellt, auf welchen inneren Vorgängen die Wirkung des Verfahrens beruht.
Am nächsten liegt die Annahme, daß das Eisenoxyd im Entstehungszustand die Verdichtung
der Magnesia bis zum Verlust der Abbindefähigkeit katalytisch beschleunigt. Wie
immer sich das aber verhalten mag, so steht doch fest, daß kristallinische Magnesite,
die mehr, ja sogar wesentlich mehr als a °/o Eisenoxyd, auf das Glühprodukt bezogen,
enthalten, sich beim Brennen unter Ausschluß von Sauerstoff oder unter Zuführung
eines indifferenten Gases, wie z. B. CO., oder eines reduzierenden Gases, wie C
O oder H., genau so verhalten wie amorphe Magnesite, während dieselben kristallinischen
Magnesite unter dem Einfluß von Luft Erzeugnisse liefern, die entweder beim Brennen
unter schonenden Bedingungen viel uniersetztes -Iagnesiumkarbonat oder bei stärkerem
Ausbrennen viel totgebrannte Anteile enthalten oder die Erhärtungsfähigkeit sogar
völlig eingebüßt haben.
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An die kaustische Magnesia werden verschiedenartige Anforderungen
gestellt, ja nachdem diese für die Erzeugung von Holzw-olleleichtbauplatten oder
für die Herstellung von Steinholzboden od. dgl. Verwendung finden soll. Im ersten
Fall ist erforderlich, daß die Magnesia rasch abbindet, wogegen im zweiten Fall
eine längere Abbindezeit, etwa von .4 bis 6 Stunden, bei guter Nacherhärtung erforderlich
ist. Das neue Verfahren ermöglicht bei der Verarbeitung von kristallinischen Magnesiten
eine ebenso schmiegsame Anpassung an diese verschiedenartigen Anforderungen, als
sie bei Verarbeitung von amorphen Magnesiten erfüllbar ist.
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Die Prüfung der kaustischen Magnesia, die für die Erzeugung von Holzwolleleichtbauplatten
bestimmt ist, erfolgt ähnlich wie die Zementprüfung durch Ermittlung der Zugfestigkeit.
Zu diesem Zweck «-erden z. B. drei Gewichtsteile der' . Magnesia mit einem
Gewichtsteil Sägespänen gemischt, mit -#lagnesiumsulfatlösung von 2& Be erdfeucht
angemacht und mit der Hand in die bekannten Zugfestigkeitsformen eingedrückt, worauf
diese Formen auf beiden Seiten mit Glasscheiben abgedeckt und je zwei und zwei in
einen dampfdicht verschließbaren Eisentopf eingebracht werden. Dieser Topf wird
2o Minuten in einem Trockenschrank bei einer Temperatur von Zoo- C gehalten, worauf
die Prüfkörper entformt und sofort der Zerreißprobe unterworfen werden. Während
der in üblicher Weise gebrannte Radentheiner Magnesit mit einem Eisengehalt von
3 bis 40,i. (als Fe.03 auf das Glühprodukt gerechnet) nach dieser Zeit eine Zugfestigkeit
von 6 bis 7 kg/cm'= aufweist, ist diese Festigkeit bei Anwendung des neuen Verfahrens
auf das Doppelte, etwa 13 bis 15 kg cm= gestiegen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit,
die kaustische Magnesia mit billigen inerten Füllstoffen zu magern und trotz sparsamster
@'erwendung des Bindemittels sogar noch eine Verbesserung der Leichtbauplatten zu
erzielen.
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Bei Prüfung der kaustischen ':Magnesia auf ihre Brauchbarkeit für
die Zwecke der Steinholzerzeugung wird die, wie oben beschrieben, in die Formen
eingedrückte Mischung von drei Gewichtsteilen Magnesia mit einem Gewichtsteil Sägespänen,
die aber in diesem Fall mit Chlormagnesiumlösung von 20- Be angemacht wird, in den
Formen bei Zimmertemperatur IS Stunden der Härtung überlassen, worauf die Prüfkörper
entformt und in freier Luft gelagert werden. Die nachfolgende Zahlentafel zeigt
die Ergebnisse der Zerreißproben nach Z, 3, 7 und
28 Tagen für Prüfkörper
aus drei
verschiedenen Sorten von kaustischer Magnesia, von denen
I aus Euböa-Magnesit, II aus Radentheiner Magnesit durch Brennen im Drehofen unter
Luftzufuhr, III aus demselben Radentheiner Magnesit durch reduzierendes Brennen
erzeugt waren.
Tage |
3 1 7 1 2$ |
I..... 30 47 55 65 kg/cm2 |
II ..... 15 25 40 50 - |
III ..... 38 50 6o 65 - |
Es zeigt sich, daß sowohl das Erzeugnis 'aus dem eisenarmen amorphen Magnesit als
auch das Erzeugnis, das das vorliegende Verfahren beim Ausgehen von Radentheiner
Magnesit liefert, einen raschen Festigkeitsanstieg aufweist, was für die Güteeigenschaften
der mit diesen Magnesiten hergestellten Steinholzboden außerordentlich wertvoll
ist, wogegen das Erzeugnis aus dem gewöhnlichen Drehofenbrand zufolge eines großen
Gehalts an überbrannten Anteilen langsam erhärtet.
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Die nachfolgenden Vergleichszahlen veranschaulichen die Abbindezeit
Beginn I Ende |
I ...... 2 bis 3 Stunden 4 bis 7 Stunden |
II ..... 1 Stunde g Stunden |
III ...... 2 bis 3 Stunden 5 bis 7 Stunden |
Auch in dieser Hinsicht ist das Erzeugnis des vorliegenden Verfahrens dem Erzeugnis
aus griechischem Mägnesit ganz ebenbürtig. Der späte Abbindebeginn ist neben der
langen Abbindezeit für die Herstellung von Steinholzboden od. dgl. sehr wichtig,
weil dadurch die Möglichkeit geboten ist, größere Mengen der Mischung zu verarbeiten,
ohne daß die Gefahr besteht, daß die feuchte Masse zum Teil schon im Mischtrog abbindet,
was erfahrungsgemäß eine fühlbare -Verschlechterung des verlegten Bodens zur Folge
hat.
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Auch in bezug auf die Lagerfähigkeit im gemahlenen Zustand verhält
sich das Erzeugnis, das der kristallinische Radentheiner Magnesit bei Verarbeitung
nach dem neuen Verfahren liefert, ganz ebenso wie die besten Erzeugnisse aus amorphen
Magnesiten, während die kaustische Magnesia, die aus dem gewöhnlichen Drehofenbrand
hervorgeht, unter sonst gleichen Umständen vier- bis fünfmal soviel Feuchtigkeit
als die kaustische Magnesia aus griechischem Ausgangsmaterial aufnimmt.
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Die frühere Annahme der Fachwelt,. daß die Überlegenheit der amorphen
Magnesite zur Erzeugung von kaustischer Magnesia im Verhältnis zu kristallinischen
Magnesiten auf der Kristallstruktur dieser letzteren beruhe, ist schon von B a n
c o (Der Magnesit und seine Verarbeitung, Verlag Theodor Steinkopff, 1932, S. 6)
bekämpft worden. Um die Eignung der kristallinischen Magnesite für den angegebenen
Zweck zu verbessern, wird aber an dieser Stelle vorgeschlagen, die Brenntemperatur
niedrig zu halten, da die entstehende kaustische Magnesia eine um so größere Reaktionsfähigkeit
zeige, je lockerer und leichter vermahlbar sie ist, und die Mahlfeinheit zu steigern.
Nur die Eigenfarbe (von Gelb bis zum kräftigen Braun) der aus den eisenreicheren
Spielarten des kristallinischen Magnesits hergestellten Kunststeinmassen will Banco
als Grund gegen eine allgemeinere Anwendung solcher Mischungen gelten lassen. Anschließend
wird sodann die Vermutung ausgesprochen, daß es durch Brennen im reduzierenden Gasstrom
möglich sein dürfte, die Oxydation des Eisenoxyduls zu verhindern oder rückgängig
zu machen, um so zu weißem oder nur schwachgelb gefärbtem kaustischem Material zu
gelangen, wie man es aus amorphem Magnesit oder eisenarmem kristallinischem Magnesit
erhält. Diese Vermutung hat sich tatsächlich bewahrheitet, doch ist durch sie der
Fachwelt die sehr wertvolle Möglichkeit nicht zugänglich geworden, däß sich aus
eisenreichen kristallinischen Magnesiten kaustische Magnesia, die den Erzeugnissen
aus amorphen Magnesiten in jeder Hinsicht vollkommen gleichkommt, bei den für die
Verarbeitung von amorphen Magnesiten üblichen Brenntemperaturen (etwa 8oo° und darüber),
also ohne Verminderung des Ofenertrages, ohne besondere Vorkehrungen in bezug auf
die Mahlfeinheit gewinnen läßt, wenn nur der Übergang des-Eisenoxyduls in Eisenoxyd
verhindert wird.
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Zur Durchführung des Verfahrens, dessen Erfolg schon durch das Eindringen
geringer Mengen Luft gefährdet ist, ist in erster Linie der Schachtofen geeignet,
da sich dieser ohne Schwierigkeit vollkommen abdichten läßt.
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Das Verfahren hat für eisenarme kristallinische Magnesite, die auch
beim Kaustischbrennen unter Luftzufuhr gute Erzeugnisse liefern, gleichfalls Bedeutung,
indem sich mit seiner Hilfe die Güteeigenschaften dieser Erzeugnisse noch verbessern
lassen.