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Gebiet der Erfindung
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Diese
Erfindung betrifft ein Verfahren zur in vitro Kultivierung von Säuger-Urothel.
Die Erfindung betrifft ebenfalls ein mit dem beschriebenen Verfahren
hergestelltes Material.
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Überblick über den der Anmelderin bekannten
Stand der Technik
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Bei
Säugern
sind Harnblase und die zugehörigen
Harnwege mit Urothel ausgekleidet, einem hochgradig spezialisierten
Epithel, das eine wirkungsvolle Grenzschicht zwischen dem Harn und den
darunter liegenden Körpergeweben
bildet. Wie es anhand von 1 zu erkennen
ist, die eine schematische Schnittansicht durch typisches, funktionelles
Urothel zeigt, handelt es sich bei dem Urothel 1 um ein
aus Basal – 6,
Intermediär
- 5 und Superfizialzellen 4 zusammengesetztes
stratifiziertes Epithel. Mit Ausnahme von aktiv transportierten
Substanzen sollte das Urothel für
alle in Harn oder Blut enthaltenen Substanzen undurchdringlich sein.
Eine Bewegung durch das Epithel findet auf zwei parallelen Wegen
statt: durch die Epithelzellen (transzellulärer Weg) und durch die so genannten
Tight Junctions 7 und dem seitlichen Interzellularraum
(parazellulärer Weg).
Hochgradig spezialisierte Superfizialzellen (Deckzellen, engl. umbrella
cells) 4 bilden eine Schnittstelle zwischen Gewebe und
Harn und bilden die Permeabilitätsbarriere
durch Vorhandensein von: a) interzellulären Tight Junctions und b)
Plaques der asymmetrischen Einheitsmembran (AUM, engl. asymmetric
unit membrane), die die apikale (d. h. dem Harn zugewandte) Oberfläche abdecken.
Die AUM-Plaques sind auf das Urothel beschränkt und sie bestehen aus vier
urothelspezifischen Hauptproteinen, die kollektiv als Uroplakine
bekannt sind. Diese Proteine wurden bereits isoliert und kloniert.
Es gibt zwei Proteine mit vier Transmembrandomänen (kurz: 4TM-Proteine), UPIa
und UPIb, sowie auch zwei Typ-1-Proteine,
UPII und UPIII. Vor kurzem wurde ein drittes Typ-1-Protein identifiziert.
Obwohl die Nomenklatur noch nicht ganz feststeht, werden die Proteine
wahrscheinlich als UPII, UPIIIa und UPIIIb bezeichnet werden. (Siehe
Deng FM, Liang FX, Tu L, Resing KA, Hu P, Supino M, Hu CC, Zhou
G, Ding M, Kreibich G, Sun TT. „Uroplakin IIIb, a urothelial
differentiation marker, dimerizes with uroplakin Ib as an early
step of urothelial Plaque assembly", J. Cell. Biol., 25. November 2002;
159(4): 685–94.
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Ein äußerst sensibles
Verfahren und gängiges
Maß zur
Bestimmung der Ionenpermeabilität
von Epithel ist der transepitheliale elektrische Widerstand (TER,
engl. transepithelial electrical resistance, TER). Im Allgemeinen
liegt bei leicht durchlässigen („leaky") Epithelien der
Widerstand unter 500 Ω cm2, wohingegen bei dichten („tight") Epithelien der
Widerstand über
500 Ω cm2 liegt. Infolge der Schlüsselfunktion von Urothel als
Schutz von darunter liegendem Gewebe vor Harn ist sein TER-Wert
charakteristisch hoch.
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Abgesehen
von seiner sehr geringen passiven Permeabilität für kleine Moleküle wie Harnstoff, Ammoniak,
Wasser und Protonen sowie für
große Moleküle wie Dextrans
besitzt das Urothel auch ein aktives transepitheliales Innentransportsystem.
Von besonderer Bedeutung ist dabei das aktive Natriumtransportsystem.
Wie 1 zeigt, befinden sich auf der apikalen (dem Harn
zugewandten) Oberfläche 2 des
Urothels 1 amiloridempfindliche Natriumkanäle 8.
Auf der basolateralen Oberfläche 3 des
Urothels 1 befindet sich ein Na+-K+-ATPasen-Antiportsystem 9, das
durch die Wirkung von Ouabain gehemmt werden kann. Das Vorhandensein
und die korrekte räumliche
Position dieser Ionentransportsysteme lassen sich mittels elektro-physiologischer
Studien durch Messung der amilorid- und ouabainempfindlichen Potenzialdifferenz über isoliertes
Urothel bestimmen.
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Somit
lassen die folgenden Merkmale auf ein funktionelles Urothel schließen:
- (1) Die stratifizierte Morphologie von Basal-,
Intermediär-
und „Umbrella"-Zellen,
- (2) Das Vorhandensein von Uroplakinproteinplaquen auf der apikalen
Oberfläche
der Membran,
- (3) Das Vorhandensein von Tight Junctions zwischen den Zellen
der Membran,
- (4) Die räumlich
korrekte Position von amiloridempfindlichen Natriumkanälen und
die basolaterale Expression von Na+-K+-ATPase,
- (5) Ein hoher transepithelialer Widerstand
- (6) Eine geringe passive Permeabilität für andere Spezies mit geringem
und hohem Molekulargewicht.
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Eine
aktuelle Übersicht
des Kenntnisstands über
das Harnblasenepithel (Urothel) findet sich in Lewis (American Journal
of Physiology – Renal
Physiology, 2000, 278: F867–F874).
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Die
Fähigkeit
zur Herstellung von in vitro kultiviertem Urothel brächte aus
mehreren Gründen
erhebliche Vorteile mit sich. Dadurch ließe sich ein Modell zum Studium
sowohl der normalen physiologischen als auch der pathophysiologischen
Funktion bereitstellen; es ließe
sich ein Modell zum Studium der Wirkung pharmazeutischer Verbindungen
bereitstellen, zum Beispiel im Rahmen der Entwicklung neuer Pharmazeutika
(bei aktuellen Verfahren werden entweder undifferenzierte oder Tumor-Zellkulturen
verwendet, wobei keine von beiden als gutes Modell für natürliches
Gewebe betrachtet wird); es ließe sich
auch ein Modell für
toxikologische Untersuchungen bereitstellen, einschließlich – aber nicht
beschränkt
auf – die
Einschätzung
des onkogenen Potenzials von Substanzen; es ließe sich auch ein Material zur
Verwendung bei der Wiederherstellungschirurgie bereitstellen.
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In
den frühen
80er Jahren gelang erstmals die in vitro Züchtung undifferenzierter primärer Urothelzellkulturen,
und seither wurden zahlreiche Versuche zur Entwicklung eines funktionellen
Zellkulturmodells von Säuger-Urothelien
unternommen. Trotz einiger Vorstöße wur de
bislang jedoch kein System beschrieben, bei dem das in vitro gezüchtete Urothel morphologisch
und funktionell wie oben ausgeführt nativem
Urothel ähnelt.
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1993
wurde ein Kulturverfahren für
Urothelgewebe offenbart (K. R. Hutton et al, The Journal of Urology,
Band 150, 71–75,
August 1993). Dabei wurde Urothel durch Mikrodissektion und unter
Verwendung von proteolytischen Enzymen aus klinischen Gewebeproben
isoliert. Daraufhin erfolgte eine Weiterbehandlung der abgelösten Urothelschichten
mit Kollagenase, um eine Einzelzellsuspension zu erhalten. Die Zellen
ließen
sich über
mindestens 7 Passagen hinweg auf serumfreiem Medium erfolgreich
kultivieren. Obwohl sich mit diesem Verfahren konfluente Urothelzellschichten
herstellen ließen,
war kein Indiz für
eine Stratifizierung des Epithels zu erkennen, und tatsächlich wurde
bei der Immunmarkierung mit differenzierungsassozierten Antikörpermarkern nachgewiesen,
dass – obwohl
die kultivierten Zellen einen Basal-/Intermediärzell-Phänotypen exprimierten – kein Indiz
für eine
terminale Differenzierung vorlag.
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In
einer 1994 veröffentlichten
Studie haben Southgate et al. (Laboratory Investigation, Band 71, Nr.
4, Seite 583) die Auswirkung einer Kalziumkonzentrationserhöhung auf
die Stratifizierung von in vitro kultivierten menschlichen Urothelzellen
beschrieben. Bei dieser Studie wurden insgesamt 62 Patienten im
Altersbereich von 3 Monaten bis 23,2 Jahren Gewebeproben aus Nierenbecken,
Harnblase und Harnleiter entnommen. Einzelurothelzellkulturen wurden
durch Behandlung von Gewebe mit EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure) unter
anschließender
enzymatischer Digestion erhalten. Bei Erhöhung der extra zellulären Kalziumkonzentration
in serumfreiem Wachstumsmedium ließ sich in allen untersuchten
Zelllinien eine deutliche Auswirkung auf die Urothelzellmorphologie
nachweisen. Eine Erhöhung der
Kalziumkonzentration von 0,09 mM auf 2,0 mM induzierte die Stratifizierung
der kultivierten Zellen, obwohl – trotz Mehrfachschichtung
und nachweislicher Bildung von Tight Junctions – keine AUM in den oberflächlich angeordneten
Zellen zu erkennen war, was darauf hindeutete, dass keine späte oder
terminale Differenzierung erzielt wurde. Jedoch konnte bei der Studie
nachgewiesen werden, dass das Spenderalter keinen bedeutenden Faktor
für die
erfolgreiche Kultivierung von Urothelzellen darstellt. Ferner wurden
bei den Wachstumseigenschaften und dem Phänotyp der kultivierten Urothelien,
die aus Gewebeproben aus verschiedenen Bereichen der Harnwege stammten,
keine erkennbaren Unterschiede beobachtet.
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In
einer 1997 veröffentlichten
Studie kultivierten Liebert und ihre Mitarbeiter (Liebert et al,
Differentiation, 1997, 61: 177–185)
Urothelzellen auf einem serumfreien Wachstumsmedium und studierten anschließend nach Übertragung
auf ein Wachstumsmedium, dem 2% fötales und 8% neugeborenes Kälberserum
zugegeben wurde, deren charakteristischen Merkmale. Obwohl bei der
Studie anscheinend ein hoher transepithelialer elektrischer Widerstand
nachgewiesen wurde (wenn auch durch Verwendung des nicht besonders
zuverlässigen
Stabelektrodenverfahrens), wurde keine zelluläre Differenzierung unter Verwendung
anerkannter urothelspezifischer Marker berichtet.
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Zum
Vergleich der relativen Effektivität des von Liebert et al offenbarten
Verfahrens mit der vorliegenden Erfindung wurde folgende Studie
durchgeführt:
Primäre
Kulturen menschlicher Urothelzellen wurden in serumfreiem Medium
wie nachstehend beschrieben erzeugt. Eine Probe der Zellen wurde
auf Membranfilter ausplattiert und auf ein rinderserumhaltiges Zellkulturmedium übertragen.
Dies entspricht im Wesentlichen dem Protokoll von Liebert et al.
Eine zweite Probe der Zellen wurde in serumhaltiges Medium gemäß der nachstehend
beschriebenen bevorzugten Ausführungsform
der vorliegenden Erfindung passagiert, bevor es auf Snapwell-Membranen
ausplattiert und wie nachstehend beschrieben – wiederum in serumhaltigem
Medium – inkubiert
wurde. Nach einer siebentägigen
Zellwachstumsperiode wurde der transepitheliale elektrische Widerstand des
erzeugten Gewebes unter Verwendung einer modifizierten Ussing-Kammer
und eines elektrischen Volt-Ohm-Messgeräts ermittelt. Der TER des im
Wesentlichen gemäß dem Protokoll
von Liebert et al gezüchteten
Gewebes betrug 18,6 Ω cm2. Im Gegensatz dazu hatten replizierte Proben
von mit dem Verfahren der vorliegenden Erfindung erzeugtem Urothelgewebe
einen mittleren TER-Wert von 3023,4 Ω cm2.
Somit konnte mit dem ersteren Verfahren nicht der für funktionelles
Urothel charakteristische hohe transepitheliale Widerstand erzeugt
werden.
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Im
Jahr 2000 beschrieben Sugasi und Mitarbeiter (The Journal of Urology,
Band 164, 951–957, September
2000) das in vitro Engineering von menschlichem Urothel. Urothelzellen
wurden aus Gewebeproben gewonnen, indem das Urothel vom darunter
liegenden Stroma getrennt wurde, die Zellen unter Verwendung von
Kollagenase voneinander getrennt wurden und die Zellen in serumfreiem
Keratinozytenmedium (KSFM) gezüchtet
wurden, dem rekombinanter epidermaler Wachstumsfaktor, Rinderhypophysenextrakt,
Choleratoxin und Antibiotika zugegeben war. Bei Erreichen einer
100%igen Konfluenz wurde das serumfreie Medium hinsichtlich der
Induzierung einer Stratifizierung bis zu einer Endkonzentration
von 1,5 mM mit Kalzium angereichert. Bereits bei Southgate et al,
1994, (oben zitiert) hatte diese Prozedur nachweislich zu einer
Stratizierung geführt,
es bewirkt jedoch keine Urotheldifferenzierung.
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Zusammenfassung der Erfindung
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Im
breitesten Sinne der Erfindung stellt diese ein Verfahren zur Herstellung
von stratifiziertem, differenziertem Säuger-Urothel bereit, bei dem
aus dem Säugerkörper isolierte
Urothelzellen durch ein die Serumkomponenten enthaltendes Nährmedium
passagiert und redispergiert werden, bevor sie zur Bildung des Urothels
in ein gleichartiges Medium kommen. Vorzugsweise handelt es sich
bei dem Säuger-Urothel
um menschliches Urothel.
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Ebenfalls
vorzugsweise handelt es sich bei dem Serum um Rinderserum und noch
bevorzugter handelt es sich bei dem Serum um adultes Rinderserum.
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Vorteilhafterweise
liegt die Konzentration der Serumkomponenten als Anteil des Endvolumens
des Nährmediums
zwischen ca. 1% und ca. 30%, bezogen auf die Konzentration der Komponenten
im Gesamtserum. Noch vorteilhafterweise liegt die Konzentration
der Serumkomponenten als Anteil des Endvolumens des Nährmediums
zwischen ca. 3% und ca. 10%, bezogen auf die Konzentration der Komponenten
im Gesamtserum. Im vorteilhaftesten Fall liegt die Konzentration
der Serumkomponenten als Anteil des Endvolumens des Nährmediums
zwischen ca. 4% und ca. 6%, bezogen auf die Konzentration der Komponenten
im Gesamtserum.
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Bevorzugt
handelt es sich bei dem Nährmedium
um MCDB 153-Medium oder ein Derivat dieses Mediums. Bevorzugter
noch handelt es sich bei dem Nährmedium
um serumfreies Keratinozytenmedium (KSFM).
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Vorteilhafterweise
wird dem Nährmedium aus
den nachstehend beschriebenen Gründen
eine oder mehrere der folgenden Substanzen zugesetzt: epidermaler
Wachstumsfaktor (EGF, engl. epidermal growth factor), Rinderhypophysenextrakt
(BPE, engl. bovine pituitary extract); Choleratoxin (CT).
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Kurze Beschreibung der Zeichnungen
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1 zeigt – wie bereits
erwähnt – eine schematische
Schnittansicht durch typisches, funktionelles Urothel;
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2 zeigt
eine Kurve des dosisreaktiven Abfalls des Kurzschlussstroms über Urothel
bei Zugabe von Amilorid auf die apikale Oberfläche.
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Beschreibug der bevorzugten
Ausführungsform
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Es
folgt nunmehr eine Beschreibung der bevorzugten Ausführungsform
der Erfindung anhand einer Beschreibung jeder einzelnen Phase des
Verfahrens.
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Gewebequellen
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Die
Harnwege vom Nierenbecken über
den Harnleiter und die Harnblase bis hin zum ersten Teil der Harnröhre sind
mit Urothel ausgekleidet. Aus jedem dieser Bereiche lassen sich
ohne weiteres Urothelzellkulturen gewinnen und es zeigten sich keine größeren Unterschiede
bei Zellkulturen, die aus verschiedenen Harnwegsbereichen oder aus
Spendern im Erwachsenen- oder im Kindesalter stammten. Vorzugsweise
kann Gewebe für
Urothelzellkulturen aus unter örtlicher
Betäubung
entnommenen Biopsien oder bei Operationen entferntem Gewebe gewonnen
werden. Dabei sollte eine Diathermie im Bereich um das zu entnehmende
Gewebe herum vermieden werden, da dadurch die Lebensfähigkeit
der Zellen beeinträchtigt
wird. Alternativ können
Urothelzellen auch aus Urinproben gewonnen werden, wobei geeignete
Verfahren entweder der Zellidentifizierung, Zellselektion oder Zellsortierung
angewandt werden, um sicherzustellen, dass die gewonnenen Zellen
tatsächlich
aus dem Urothel stammen. Ferner kann Urothelgewebe auch Leichen
entnommen werden, wie es von Schmidt und Mitarbeitern (Journal of
Urology, 1984, 132: 1262–1264)
beschrieben wurde.
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Mit
einem beliebigen von zahlreichen, vom Fachmann auf dem Gebiet anerkannten
Verfahren wird das Urothel von jeglichem daran anhängenden Stroma
getrennt. Vorzugsweise wird die Urothelprobe zur Entfernung von
Serosa, Fett oder anderen Gewebstrümmern zurechtgeschnitten und
in eine Stripping-Lösung
mit HEPES-Puffer, einem Proteasehemmer wie Aprotinin, EDTA (Ethylendiamintetraessig säure, Dinatriumsalz)
und Hanks gepufferter Salzlösung
(HBSS, engl. Hank's
balanced salt solution) ohne Kalzium und Magnesium übertragen.
Eine ausführliche
Beschreibung dieser Methodik ist in Southgate J., Master, J. R.
W. und Trejdosiewicz, L. K., „Culture
of Human Urothelium",
erschienen in: Freshney, R. I. und Freshney, M. G., (Verfasser) „Culture of
Epithelial Cells",
zweite Ausgabe, 2002, John Wylie & Sons,
Inc. enthalten.
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Alternativ
können
die Urothelzellen auch durch mechanisches Abschaben der Urotheloberfläche der
Gewebeproben vom darunter liegenden Stroma getrennt werden.
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Primäre Urothelzellkultur
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Wurde
das Urothelzellmaterial wie im vorhergehenden Abschnitt beschrieben
in Form von Urothelschichten isoliert oder liegt es in Form eines
aus Harn isolierten Zellaggregats vor, dann kann unter Anwendung
eines beliebigen der im Stand der Technik wohlbekannten Verfahren
eine dispergierte Zellkultur erhalten werden. Erforderlichenfalls
kann dabei Kollagenase zum Ablösen
der Zellen von den darunter liegenden Geweben verwendet werden.
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Ein
geeignetes Medium für
die Kultur und Subkultur der Urothelzellen sind unter anderem KSFM
(serumfreies Keratinozytenmedium); MEM (minimales essentielles Medium)
und andere ähnliche
Medien mit geringem Kalziumgehalt, die für die Keratinozytenkultur geeignet
sind und vorzugsweise auf MCDB-153 Medium basieren und die fakultativ, aber
vorzugsweise bei Southgate et al (Labora tory Investigation, 71(4),
583–594,
1994) beschriebene Zusätze
aus folgender Liste enthalten:
- (i) Epidermaler
Wachstumsfaktor (EGF), vorzugsweise menschlicher rekombinanter EGF,
in einer Endkonzentration von ca. 0,05 bis ca. 0,5 ng/ml. Urothelzellen
exprimieren Gene für
EGF-Rezeptoren, und EGF ist nachweislich ein Wachstumsfaktor für Urothelzellen
und macht die Zelllinien langlebig.
- (ii) Rinderhypophysenextrakt (BPE) in einer Konzentration zwischen
ca. 10 μg/ml
und ca. 50 μg/ml,
der für
das langfristige Überleben
von Urothelzelllinien erforderlich ist.
- (iii) Choleratoxin (CT), in einer Konzentration zwischen ca.
10 ng/ml bis ca. 75 ng/ml, und vorzugsweise ca. 30 ng/ml, was die
Ausplattierungseffizienz der primären Kultur verbessert.
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Geeignete
Antibiotika zur Kontrolle des Wachstums kontaminierender Organismen
können ebenfalls
zugegeben werden, obwohl eine solche Zugabe das Vorhandensein dieser
kontaminierenden Organismen möglicherweise
verschleiert, ohne sie zu eliminieren, und daher Antibiotika vorzugsweise nicht
vorhanden sein sollten.
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Die
Urothelzellen können
dann auf im Wesentlichen herkömmliche
Weise gezüchtet
und durch serielle Subkultur oder Passage erhalten werden, im meist
bevorzugten Fall ehe die Zellen eine 100%ige Konfluenz erreichen.
Die auf diese Weise erhaltene primäre und im Wesentlichen undifferenzierte
Zellkultur lässt
sich über
längere
Zeitperioden hinweg durch eine derartige sequentielle Subkultur
oder Passage erhalten.
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Induktion von Stratifizierung
und terminaler Differenzierung
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Zur
Induktion einer Stratifizierung und Differenzierung der Zellkultur
werden Zellen der oben beschriebenen primären Zellkultur gemäß dem Verfahren
dieser Erfindung durch ein Differenzierungsmedium passagiert. Das
Differenzierungsmedium dieser Erfindung umfasst zusätzlich zu
einem Standard-Zellkulturmedium (beispielsweise KSFM, MEM und anderen ähnlichen
Medien mit geringem Kalziumgehalt, die zur Keratinozytenkultur geeignet
sind und vorzugsweise auf MCDB-153-Medium
basieren) die Komponenten von Serum, vorzugsweise Rinderserum, noch
bevorzugter fötalem
Rinderserum, und meist bevorzugt adultem Rinderserum, in einer Konzentration
zwischen ca. 1 Vol.-% und ca. 30 Vol.-%, vorzugsweise ca. 5 Vol.-%,
wobei diese Prozentwerte auf dem Gesamtvolumen des Differenzierungsmediums
basieren, und auf die Konzentration dieser Serumkomponenten im Gesamtserum
bezogen sind. Obwohl dieses Serum im meist bevorzugten Fall als Komponente
des Differenzierungsmediums bereits vor Einführung der Urothelzellen in
das Differenzierungsmedium enthalten ist, kann es fakultativ auch jederzeit
bis zu ca. 5 Stunden nach der Einführung der Urothelzellen in
das Medium diesem Medium zugegeben werden.
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Serum,
insbesondere Rinderserum, wird zur Ergänzung eines Standard-Zellkulturmediums
wie oben beschrieben verwendet. Obwohl sich sowohl mit fötalem, neugeborenem
als auch adultem Rinderserum die erforderliche Differenzierung erzielen lässt, ist
adultes Serum zur Induktion einer Differenzierung besonders wirkungsvoll.
Dies stellt eine ziemliche Überraschung
dar. Angesichts der Lehre, Serum nicht nur in einem Wachstumsmedium
zu verwenden, sondern auch Zellen durch ein serumhaltiges Differenzierungsmedium
zu passagieren, würde der
Fachmann auf dem Gebiet höchstwahrscheinlich fötales Serum
verwenden, da man häufig
annimmt, dass dieses Entwicklungsfaktoren enthält, die möglicherweise eine Differenzierung
unterstützen.
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Außerdem kann
dieses Differenzierungsmedium fakultativ, aber vorzugsweise die
bei Southgate et al (Laboratory Investigation, 71(4), 583–594, 1994) beschriebenen
Zusätze
aus der folgenden Liste enthalten:
- (i) Epidermaler
Wachstumsfaktor (EGF), vorzugsweise menschlicher rekombinanter EGF,
in einer Endkonzentration von ca. 0,05 bis ca. 0,5 ng/ml. Urothelzellen
exprimieren Gene für
EGF-Rezeptoren, und EGF ist nachweislich ein Wachstumsfaktor für Urothelzellen
und macht die Zelllinien langlebig.
- (ii) Rinderhypophysenextrakt (BPE) in einer Konzentration zwischen
ca. 10 μg/ml
und ca. 50 μg/ml,
der für
das langfristige Überleben
von Urothelzelllinien erforderlich ist.
- (iii) Choleratoxin (CT), in einer Konzentration zwischen ca.
10 ng/ml bis ca. 75 ng/ml, und vorzugsweise ca. 30 ng/ml, was die
Ausplattierungseffizienz der primären Kultur verbessert.
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Geeignete
Antibiotika zur Kontrolle des Wachstums kontaminierender Organismen
können ebenfalls
zugegeben werden, obwohl eine solche Zugabe möglicherweise das Vorhandensein
derartiger kontaminierender Organismen verschleiert, ohne diese
zu eliminieren, und deshalb das Nichtvorhandensein von Antibiotika
bevorzugt ist.
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Zur
Induktion einer Stratifizierung und Differenzierung durch das erfindungsgemäße Verfahren werden
Zellen aus der oben beschriebenen primären Zellkultur durch ein im
Stand der Technik wohlbekanntes Mittel, beispielsweise durch Verwendung von
Trypsin und EDTA, disaggregiert. Um ein Beispiel eines geeigneten
Protokolls für
die Disaggregation zu nennen, wird auf Southgate et al („Culture
of Human Urothelium",
siehe oben) verwiesen. Die disaggregierten Zellen werden dann in
das Differenzierungsmedium übertragen
und auf im Wesentlichen herkömmliche
Weise inkubiert, bis sie allmählich
eine Konfluenz erreichen. Im Anschluss an diese Passagierung durch
das serumhaltige Differenzierungsmedium werden die Zellen wiederum
auf im Wesentlichen herkömmliche
Weise disaggregiert und wieder in frisches serumhaltiges Differenzierungsmedium übertragen.
Dieses mit den Urothelzellen geimpfte Medium kann dann in jedweder
im Wesentlichen herkömmlichen
Zellkultur vorrichtung inkubiert werden, oder alternativ auf jedweder
geeigneten Trägervorrichtung
ausplattiert werden, beispielsweise Snapwell-Filter aus Polycarbonat.
Nach einer Inkubationsdauer zwischen ca. 1 h und ca. 48 h, vorzugsweise ca.
24 h, wird die Kalziumkonzentration im Wachstumsmedium auf zwischen
ca. 0,2 mM und ca. 5 mM, vorzugsweise ca. 2 mM, erhöht. Im Laufe
der nächsten
paar Tage, im typischen Fall nach 7 Tagen, bilden die Zellen dann
ein im Wesentlichen funktionelles und terminal differenziertes Urothel.
In diesem Stadium lässt
sich das Urothel gemäß den nachstehend beschriebenen
morphologischen und funktionellen Kriterien charakterisieren.
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Beispiel: Herstellung und Charakterisierung
von menschlichem Urothel gemäß dem Verfahren
der Erfindung
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Herstellung von menschlichem Urothel.
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In
vitro gezüchtete
primäre,
undifferenzierte Kulturen menschlicher Urothelzellen wurden erzeugt und
durch serielle Passage in serumfreiem KSFM-Kulturmedium mit geringem
Kalziumgehalt (Gibco BRL, Paisley, UK), wie bei Southgate et al
(„Culture
of Epithelial Cells",
wie oben erwähnt)
beschrieben vermehrt, unter Verwendung von Spendergewebe aus mehreren
menschlichen Quellen. Nach Erzeugung einer ausreichenden Anzahl
von Zellen (nach zwei bis vier Passagen) wurden die Zellen geerntet und
in KSFM-Medium angesiedelt, dem 5 Vol.-% fötales Rinderserum (FBS) zugegeben
worden war. Bei Konfluenz wurden die Urothelzellen geerntet und
auf Snapwell-Filtern angesiedelt und in KSFM-Medium mit 5% FBS erhalten. Nach 24
Stunden wurde die Kalziumkonzentration des Mediums von 0,09 mM auf 2
mM erhöht.
Der Phänotyp
sowie diverse funktionelle Eigenschaften der Urothelzellkulturen
wurden sieben Tagen nach dem Ansiedeln auf den Filtern beurteilt.
Die Ergebnisse dieser Charakterisierungen sind nachstehend beschrieben.
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Phänotyp-Charakterisierung.
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Bei
der mikroskopischen Untersuchung des kultivierten Urothels zeigte
sich das stratifizierte und terminal differenzierte Wesen des mit
dem erfindungsgemäßen Verfahren
erzeugten Urothels. Für einen
Fachmann auf dem Gebiet der Säugerhistologie
deutlich offenkundige besondere Merkmale waren dabei unter anderem
das Vorhandensein stratifizierter Schichten von Basal-, Intermediär- und Deckzellen („Umbrella
Cells") sowie das
Vorhandensein von Tight Junctions zwischen den Urothelien. Mittels indirekter
Immunofluoreszenzanalyse konnte die Bildung interzellulärer Tight
Junctions weiterhin nachgewiesen werden, auf die bereits das Vorhandensein des
Tight Junction-Proteins Occludin schließen ließ.
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Transepithelialer elektrischer Widerstand
(TER).
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Der
transurotheliale elektrische Widerstand des mit dem erfindungsgemäßen Verfahren
erzeugten, in vitro gebildeten Urothels wurde mit einer modifizierten
Ussing-Kammer und einem elektronischen Volt-Ohm-Messgerät bestimmt.
Der TER von in vitro kultiviertem Urothel, das mit dem erfindungsgemäßen Verfahren
hergestellt wurde, wurde an Proben gemessen, die zu sieben getrennten
Zeitpunkten erzeugt wurden. Der mittlere TER lag dabei bei 3023,4 ± 564,4 Ω cm2. Im Gegensatz dazu zeigte sich bei konfluenten
Schichten von Urothelzellen, die ausschließlich auf KSFM-Medium kultiviert
wurden, ein TER von 12,7 ± 1,9 Ω cm2.
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Transurotheliale Permeabilität.
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Die
diffusiven Wasser- und Harnstoff-Permeabilitäten der mit dem Verfahren dieser
Erfindung erzeugten Urothelschicht wurden unter Verwendung einer
Radioisotopen-Tracertechnik bestimmt. Die mittlere Permeabilität für Harnstoff
bzw. Wasser betrug dabei jeweils 10,1 × 10–5 cm/s
bzw. 4,5 × 10–4 cm/s. Die
gemessenen Permeabilitäten
waren statistisch signifikant geringer als diejenigen für eine ausschließlich auf
KSFM-Medium kultivierte Urothelschicht, welche jeweils 12,7 × 10-5 cm/s und 5,2 × 10–4 cm/s
für Harnstoff
bzw. Wasser betrugen.
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Polarisierte Natriumionenkanal-Verteilung.
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Zur
Bestimmung des Vorhandenseins und der korrekten räumlichen
Position von Natriumionenkanälen
wurden Kurzschlussstrom und transepitheliale Potenzialdifferenz
unter spannungs- bzw. stromabgeklemmten Bedingungen gemessen. War
die apikale Oberfläche
des Urothelgewebes Amilorid ausgesetzt, dann sanken sowohl die Spannung
als auch der Strom auf dosisabhängige
Weise. 2 zeigt den dosisabhängigen Abfall des Kurzschlussstroms in
Abhängigkeit
von der Amiloridkonzentration an der apikalen Oberfläche. War
die Basaloberfläche
der Urothelmembran Amilorid ausgesetzt, dann wirkte sich dies weder
auf die Spannung noch auf den Strom aus. Diese Ergebnisse weisen
darauf hin, dass die amiloridempfindlichen Natriumkanäle auf der
apikalen Membran lagen und auf diese beschränkt waren, wie es bei funktionellem
Urothel der Fall sein muss. War die apikale Oberfläche des
in vitro kultivierten Urothels Ouabain ausgesetzt, dann wirkte sich
dies nur geringfügig
auf die gemessenen Spannungs- und Stromwerte aus. Im Gegensatz dazu
ergab sich, wenn die Basaloberfläche
der Membran Ouabain ausgesetzt war, eine deutliche Verringerung sowohl
von Spannung als auch Strom, was auf die korrekte basolaterale Position
der Na+-K+-ATPase schließen ließ.
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Expression von AUM Protein.
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Die
Expression der Uroplakin-UPIa, UPIb, UPII und UPIII Gene in dem
in vitro kultivierten Urothel gemäß vorliegender Erfindung wurde
auf mRNA-Ebene durch Verwendung von Reverser-Transkriptase-PCR mit
geeigneten Primern bestätigt.
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Die
obige Charakterisierung der phänotypischen
und funktionellen Charakteristiken von mit dem Verfahren der vorliegenden
Erfindung erzeugtem Urothelgewebe zeigt, dass das derart erzeugte Urothel
mehr von den funktionellen Charakteristiken von nativem Urothel
hat als es bei einem der im Stand der Technik bekannten Verfahren
nachgewiesen wurde. Die Beobachtung, dass Forscher auf dem Gebiet
sowohl der Säugerzellkultur
als auch insbesondere der Urothelzellkultur schon seit fast 20 Jahren
erfolglos versuchen, funktionelles in vitro erzeugtes Urothel herzustellen,
ist ein Beweis für
die Erfindungshöhe
der hier beschriebenen Erfindung.
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Die
derart beschriebene Erfindung soll bei der Herstellung von Sauger-Urothel,
einschließlich menschlichem
Urothel, Anwendung finden.