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Verfahren zur Herstellung eines trockenen mahlfähigen Düngemittels
aus Ablauge der Zellstoffabrikation. Eins der wichtigsten Probleme der Zellstoffindustrie
ist die Beseitigung der in großen Mengen anfallenden Zellstoffablaugen 1 Sulfitlaugen)
bzw. ihre Verarbeitung auf ein gewerblich verwertbares Produkt. Es ist bekannt,
daß die Zellstoffablauge einen erlieblichen Düngewert besitzt und insbesondere organische
Stoffe enthält, die für die Ernährung der Bodenbakterien von großer Bedeutung sind.
Dem entsprechen auch die zahlreichen Versuche und Vorschläge, die Zellstoffablauge
der Landwirtschaft zwecks Verwertung zu Düngezwecken zuzuführen.
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Die Verwendung frischer Sulfitablauge verbietet sich wegen ihres Gehalts
an freier schwefliger Säure. Es lag daher der Vorschlag nahe, die Lauge auf bekannte
Weise zu reinigen, z. B. durch Behandlung mit Ätzkalk in der Wärme und unter Druck
die freie schweflige Säure zu entfernen. Die durch die schweflige Säure bedingten
Schäden wurden damit zwar vermieden, keineswegs aber wurde ein brauchbares Düngemittel
geschaffen. Denn die gereinigte und sogar bis zur Sirupbeschaffenheit eingedickte
Lauge läßt sich nur mit großen Kosten in Kesselwagen versenden und bereitet in der
Dosierung und Austragung auf den Acker wegen ihrer Beschaffenheit so. große Schwierigkeiten,
daß sie als Düngemittel keine V erw,endung finden konnte.
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Aussichtsreicher schien der Versuch, die Lauge auf Sirupdicke einzudampfen
und mit etwa der gleichen oder einer größeren Menge Thomasphosphatschlackenmehl
zu vermengen. Auf diesem Wege ist unter günstigen Verhältnissen ,wohl ein trockenes
mahlfähiges Produkt herzustellen. Es siel;ie sich auch heraus, claß hierbei die
Schärfe des Ätzkalks des Thomasmehls infolge seiner Bindung durch die freie Säure
der Ablauge beseitigt wurde. Trotzdem blieb aber das Verfahren unbrauchbar. Der
Gehalt des also hergestellten Düngemittels an organischen Stoffen beträgt im günstigsten
Falle nur 15 Prozent, so daß also bei der Dosierung stets der Phosphorsäuregehalt
bestimmend bleibt. Die durch Vermischung mit Ablauge erreichte Veredlung des Thomasmehls
ist also nur geringfügig und muß mit dem schwerwiegenden Nachteil des doppelten
Transportes und der nochmaligen Vermahlung erkauft werden. Es kommt noch hinzu,
daß der Ätzkalkgehalt des Thomasmehls je nach seiner Herkunft schwankt und häufig
so gering ist, daß eine geregelte Durchführung des Verfahrens auf quantitativer
Grundlage undenkbar ist. Schließlich steht Thomasmehl auch nicht in solchen Mengen
zur Verfügung, daß es möglich wäre, die Ablauge der ganzen Zellstoffindustrie damit
zu verarbeiten. Häufig sind auch die Erzeugungsstätten des Thomasmehls so weit von
der Zellstoffabrik entfernt, daß sich seine Beschaffung wegen der Höhe der
1#rachten
verbietet. Ein späterer Vorschlag, den Kalkstickstoff bzw. rohes Kalziunizytlnamid
mit Zellstoffablauge anzufeuchten, war ebenfalls unbrauchbar. Soweit es sich hier
nur um die Beseitigung des lästigen Stiiul>ens handelt, läßt sich dieser Zweck für
den Landinann viel einfacher und billiger durch Besprengen mit Wasser erreichen.
Die Zellstoffablauge müßte erst ini Kesselwagen herangebracht «-erden, und ihre
Vermischung mit dein Kalkstickstoff bzw. Kalzitiuizvanamid würde wegen ihrer sirupartigen
Beschaffenheit nur schwerlich durchzuführen sein. Eine bessere Düngewirkung wird
durch <sie Anfeuchtung mit Ablauge nicht erreicht. Dafür sind die angewandten
Laugeniengen zti geringfügig. Es würde auch durch dieses Verfahren, selbst wenn
es praktisch brauchbar w-ire, kein so großer Verbrauch all Zellstoffablatige eintreten,
daß eine merkliche Entlastung der Zellstoffabriken vor, diesen Laugen eintreten
würde.
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Nachdem die Verbesserung bereits vorhandener Düngemittel, nämlich
Thomasmehl, Kalkstickstoff, Kalziuinzyatianiid, mit Zellstoffablauge sieh als aussichtslos
herausgestellt hatte, wurde ein Verfahren bekannt, nach ,#welclieni die Zellstoffablauge
durch Verinischung mit Kieselgur, insbesondere vurunreilligter Kieselgur, wie sie
in Algerien, @'irginien und an anderen Freindsteitten natürlich vorkommt, auf ein
streufähiges Düngemittel verarbeitet werden sollte. Die reine Kieselgur kommt für
dieses Verfahren überhaupt nicht in Betracht, da ihre natürlichen N orkommen kaum
ausreichen, uni den Bedarf der Sprengstoff- und Isoliermittelindustrie zu decken.
Die Lager der verunreinigten Kieselgur befinden sich so fern von Gien Gebieten der
Zellstoffabriken, daß der X-or schlag ihrer Verwendung lediglich theoretisches Interesse
hat. Aber selbst wenn Transportschwierigkeiten nicht entgegenständen, würde ein
ans Ablauge und verunreinigter Kieselgur hergestelltes Düngemittel stets unwirtschaftlich
bleiben müssen, weil die vorfegend als Aufsaugemittel wirkende Kiesel-«In' ein überflüssiger
und für die Düngung unwirksamer Ballast ist, da das trockene I>iingemittel ins günstigsten
Falle nur etwa Prozent Ablauge aufnehmen kann; die für die Düngung überhaupt in
Wirksamkeit tretenden organischen Stoffe betragen danach auch höchstens 15 Prozent.
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Bei allen bisher bekannt gewordenen Vorschlägen wurde immer übersehen,
daß die Aufgabe der Herstellung eines brauchbaren Düngemittels nur dann zti lösen
ist, wenn alle wirtschaftlichen, technischen, Boden- und pflanzenphysiologischen
Gesichtspunkte restlos Berücksichtigung finden. Ein für ausgedehnte lan(l@vii-tscliaftlicli<°
Verswendung bestimmtes Zellstoftablaugedüngeinitte l inuß folgende Bedingungen erfüllen:
1. das Düngemittel 111u11 sehr billig herzustullen sein; a. seine Herstellung muß
von Rohstoffen ausgehen, die in unbegrenzter Menge 711r Verfügung stehen; 3. eire
Schädigung der Kulturpflanzen durch den (gebrauch des Düngers darf nicht cilltretell
(las Düngemittel soll insbesondere auch auf die Mikroorganismen des Bodens -iinstig
einwirken und die Kohlensäureeutwieklung fördern ; ä. es inuß in düngertechnischer
Hinsicht alle Eigenschaften besitzen, die seinen praktischen Gebrauch ermöglichen,
nämlich Trockenheit, Mahlfähigkeit, Lagerbest;indigkeit, Maschinenstreufähigkeit;
(>. es muß unbedingt als selbständiges Düngemittel verwendbar sein, und sein Gebrauch
darf nicht dadurch begrenzt werden, claß es Stoffe enthält, welche die Überschreitung
bestimmter Gaben verbieten, vielmehr mini es möglich sein, die Gabengröße allein
nach dein Gehalt an organischen Stoffen als rlen den Hauptdüngewert gebenden Bestandteilen
zu bemessen; 7. es muß frei sein von nutzlosen Ballast-#4often, so daß sein Versand
auch auf weiten Strecken noch wirtschaftlich bleibt.
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Unter diesen Gesichtspunkten entstand (sie Erfindung, die im wesentlichen
darin bestellt, daß die Zellstoffablatige zweckmäßig nach vorheriger Einengung und
bei gesteigerter Temperatur finit gebranntem Kalk oder Magnesia oder Gemischen beider
behandelt ,wird.
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Bei diesem Arbeitsverfahren bewirkt die an sich bekannte stark wasserbilidende
Kraft des gebrannten Kalks die Umwandlung der Zellstoffablauge in eine splittertrockene
Masse, die in einfacher Weise ein Düngemittel liefert, das allen oben gestellten
Forderungen in vollkommener Weise entspricht.
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Das Verfahren kann in verschiedener Weise ausgeführt werden. Das einfache
Ablöschen voll gebranntem Kalk mit hochgrädigen Allaugen ist nicht zu empfehlen,
denn die Kalkstücke umhüllen sich dabei mit einer braunen Kruste, die die völlige
Ausnutzung der Kalkwirkung heilfinit. Bei @rerwendung verdünnter Ablauge fällt dieser
Nachteil zwar fort, der Prozeß wird aber in unerwünschterWeise mit überflüssiger
Feuchtigkeit belastet. Deshalb ist es vorzuziehen, die Reaktion bei gesteigerter
Temperatur durchzuführen, also heiße Ablauge auf gebrannten Kalk in Stücken oder
auf gemahlenen gebrannten Kalk einwirken zu lassen. Dabei ist es grundsätzlich gleichgültig,
ob der Kali, in die
Lauge eingetragen oder diese auf den in geeigneten
Behältern liegenden Kalk geleitet wird. Während der Reaktion wird zweckmäßig im
Anfang kräftig, dann von Zeit zu Zeit umgerührt.
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Besonders günstig gestaltet sich die Durchführung des Verfahrens,
wenn noch ein Reaktionsverteiler, z. B. Torfmull, beigefügt wird. Torfmull ist für
das fertige Düngerprodukt kein unnützlicher Ballast, da er selbst für den Boden
ein wertvoller Bestandteil ist. Während der Reaktion spielt er im wesentlichen nur
die Rolle eines Reaktionsverteilers, mit dem Erfolge, daß es möglich ist, sechs,
sogar zehn Teile Zellstoffablauge mit einem Teil Ätzkalk zu binden. Dieser Erfolg
ist überraschend und für das Verfahren insofern von besonderer Bedeutung, als der
gebrannte Kalk, der an sich auch immerhin ein wertvolles Material darstellt, nicht
in so ungeheuren Mengen als Zusatz verwendet zu werden braucht, wie die bisher bekannten
Zus ' tze, wie z. B. Thomasmehl oder Kieselgur.
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Das Mengenverhältnis zwischen Kalk und Ablauge oder Kalk-Reaktionsverteiler
mit Ablauge richtet sich ganz nach dem Gehalt ner Ablauge an Trockensubstanz, so
können z. B. sechs Teile Zellstofablauge von 32' Be bei 6o bis 7o' C schon durch
einen Teil gemahlenen Kalk ausgetrocknet werden. Je enger das Verhältnis zwischen
Kalk und Ablaugegehaltwird, um so schneller und leichter wird ein zerreibliches,
zum Teil von selbst zerfallendes Produkt erzielt.
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Es ist zweckmäßig, die Temperatur um so höher zu wählen, je hochbgrädiger
die Ablauge ist, weil durch die Viskositätsverminderung infolge der Erhitzung der
Bindungsverlauf wesentlich beschleunigt wird.
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Das neue Düngemittel kann, falls der Boden Mangel an Nährstoffen leidet,
die für die Bakterienentfaltung notwendig sind, einen stärkeren Ent-,vicklungsanreiz
erhalten durch Zuführung geringerer Mengen von geeigneten Bakteriennährstoffen,
als Nährsalzgemische, z. B. Phosphat, Kalisalz, Salpeter u. dgl. Diese Zusätze können.
entweder schon bei der Herstellung oder auch bei der Verwendung des Rohproduktes
zugesetzt werden.
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Das Verfahren und das Produkt entsprechen allen oben angegebenen Bedingungen.
Der Forderung der Billigkeit des Herstellungsverfahrens wird dadurch Rechnung getragen,
daß gebrannter Kalk bzw. gebrannte Magnesia fast immer unmittelbar in der Nähe der
Zellstoffabrik herzustellen ist, da die Kalkvorkommen, insbesondere in Deutschland,
sehr reichlich und ziemlich gleichmäßig verteilt sind. Der gebrannte Kalk ist zum
mindesten ein Produkt, das in den allermeisten Fällen im Verhältnis zur gebrauchten
Menge nicht mit wesentlichen Frachtkosten belastet ist. In den fertigen Düngemitteln
sind keine nutzlosen Ballaststoffe enthalten, so daß also.auch der Transport des
fertigen Produktes immer wirtschaftlich sein -wird.
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Eine Schädigung der Kulturpflanzen ist nicht zu befürchten, cla freie
Säuren nicht darin enthalten sind. Die Düngewirkung ist äußerst günstig, da die
darin enthaltenen großen Mengen von organischen Stoffen ausgezeichnete Träger des
Mikroorganismenlebens des Bodens bilden und die Kohlensäureentwicklung im Boden
selbst außerordentlich fördern, die bekanntlich für die höheren Pflanzen von mindestens
der gleichen Bedeutung ist, wie ihre unmittelbare Ernährung. Das gemahlene Düngemittel
ist ferner absolut trocken und lagerbeständig. Seine Maschinenstreufähigkeit steht
außer Zweifel.
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Hinsichtlich der Gabenbemessung nach dem Gehalt an organischen Stoffen
trägt das Düngemittel einen selbständigen Charakter. Seine Verwendung kann weitgehend
auf die jeweiligen Bedürfnisse des Ackerbaues eingestellt werden, ohne daß eine
Überkalkung des Bodens auch bei reichlicher Gabe von organischen Stoffen zu befürchten
wäre. Die Verbindung des Gehalts an organischen Nährstoffen mit einem gewissen Ätzkalkgehalt
ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil bekanntlich die deutschen Ackerböden
gegenwärtig an organischen Stoffen sehr verarmt sind, so daß eine reine Ätzkalkdüngung
größte Gefahren in sich schließen würde.
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Das Düngemittel entspricht also in jeder Hinsicht den in technischer
und landwirtschaftlicher Beziehung zu stellenden Forderungen.