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Verfahren zur Herstellung von Influenza-Vaccinen Gegenstand der Erfindung
ist ein Verfahren zur Herstellung von Influenza-Vaccinen.
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Es ist bereits bekannt, daß man Inftuenzaviren in Hühnereiem züchten
kann. Diese Methode hat jedoch den Nachteil, daß die Schutzwirkung des Influenzavirus
im Laufe der Passagierung in Eiern abnimmt und durch die Eipassagen ein Influenzavirus
gewonnen wird, aus dem nur eine unbefriedigend schützende Vaccine hergestellt werden
kann.
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Aus »Fortschritte der Serologiea, 2. Auflage, Darmstadt, 1955, S.
482, ist weiterhin bekannt, daß Intluenzaviren zunächst an Frettchen und dann weiter
an der Maus adaptiert und von der Mäuselunge auf die Chorion-Allantois des Hühnerembryos
übertragen werden können. Vaccinen mit Influenzaviren der beschriebenen Art konnten
aber hinsichtlich des mit ihnen erzielten Impfschutzes nicht befriedigen.
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Dem Gegenstand der vorliegenden Erfindung liegt die überraschende
Erkenntnis zugrunde, daß die Virulenz (Pathogenität) der Influenzaviren für die
Maus zunächst maximal gesteigert werden muß. Nur dann ist es möglich, daß erfindungsgemäß
das Influenzavirus auch auf dem Brutei die starke Antigenität behält, die durch
die vorausgegangenen Mäuselungenpassagen erzielt wurde. Das Vorliegen einer starken
Mäusevirulenz ist für die Anwendung der erfindungsgemäßen Influenzavaccine ohne
Bedeutung, da das mäusevirulente Virus bei subcutaner Injektion für den Menschen
nicht pathogen ist.
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Es wurde nun ein Verfahren zur Herstellung von Influenza-Vaccinen
durch Züchtung der für das Epithel des Respirationstraktes von Säugetieren pathogenen
Viren im Lungengewebe der lebenden Maus gefunden, das dadurch gekennzeichnet ist,
daß man so viele Mäusepassagen vornimmt, bis in nachfolgenden Bruteipassagen die
Pathogenität der Viren für das Epithel des Respirationstraktes der Maus nicht mehr
abnimmt, und die Viren in bebrüteten, fertilen Hühnereiern vermehrt.
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Als Influenzavirus gemäß der Erfindung kommen in Frage die Influenzavirustypen
Å, B und C sowie deren Untertypen. Sie können z. B. nach C. E. v a n Rooyen und
A. J. Rhodes, Virus Diseases of Man (Nelson-New York, 1948), 5.692 und 603, in Mäusen
gezüchtet werden.
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Um Virusmaterial für die Impfstoffherstellung zu gewinnen, werden
Viren z. B. einer Mäusepassage, die in Bruteipassagen ihre Pathogenität für das
obenerwähnte Epithel beibehalten, auf das bebrütete fertige Hühnerei übertragen.
Die Züchtung-im Hühnerei kann z.B. nach GE. van R:ooyen und A.J.
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-Rhodes, Virus Diseases of Man (Nelson-New
York, 1948) S. 616 bis 621,
ausgeführt werden. Eine bevorzugte Ausführungsform des Verfahrens besteht darin,
daß man fertile vorbebrütete Hühnereier,. vorzugsweise am 8. oder 9. Bebrütungstag
mit 0,1 ml einer Influenzavirussuspension der Verdünnung 10-4 in die Allantoishöhle
infiziert. Als Verdünnungsflüssigkeit kann z. B. Tyrode-Kochsalz-Lösung verwendet
werden. Danach wird das Virus zur Vermehrung gebracht, indem man die infizierten
Hühnereier vorzugsweise bei 36,5"C bebrütet. Zweckmäßig wird nach 2 Tagen der flüssige
Eiinhalt (Allantoisflüssigkeit) gewonnen. Diese Allantoisflüssigkeit kann zur Herstellung
eines Impfstoffes verwendet werden.
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Sie kann auch für weitere Passagen in Hühnereiern benutzt werden.
Zur Herstellung eines Lebendimpfstoffes werden die Allantoisflüssigkeiten unverändert
oder nach Vorreinigung z. B. durch Ultrazentrifugation verwendet und z. B. mit einem
Konservierungsmittel sowie gegebenenfalls mit einem Adjuvans versetzt. Als Adjuvans
wird vorzugsweise A1(OH)3 benutzt. Die Viren können auch mit einem Inaktivierungsmittel
inaktiviert und zu einem Impfstoff verarbeitet werden. Auch hier ist es vorteilhaft,
ein Adjuvans zuzusetzen.
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Als Inaktivierungsmittel wird vorzugsweise Formaldehyd verwendet.
Nach der Inaktivierung wird der nicht verbrauchte Formaldehyd zweckmäßig mit der
1 /2fachen stöchiometrischen Menge Natriumbisulfit abgebunden. Es eignen sich auch
Hydroxylamin, W-Strahlen usw. zur Inaktivierung.
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Die Wirksamkeit des Impfstoffes, der aus den erfindungsgemäß gezüchteten
Iníluenzaviren hergestellt worden ist, wird im »direkten Mäuseschutzversuch« bestimmt.
Die Bewertung der durch den Impfstoff hervorgerufenen Immunität stützt sich dabei
auf das
Ausmaß der Lungenveränderungen und die Zahl der überlebenden
Mäuse. Es hat sich herausgestellt, daß für die Bewertung der Schutzwirkung nicht
der Hämag glutinationshemmungstest, sondern der direkte Mäuseschutzversuch entscheidend
ist. Im Hämagglutinationstest können sich nämlich verschiedene Influenzavaccinen
als gleichwertig erweisen, die im Mäuseschutzversuch signifikånte Unterschiede zeigen.
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Zur Durchführung des Mäuseschutzversuchs geht man zweckmäßig wie
folgt vor.
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Mäuse von 25 g Gewicht werden je mit 0,25 ml der zu bestimmenden
Virussuspension intraperitoneal immunisiert. Nach 40 oder mehr Tagen werden die
immunisierten Mäuse nasal mit virushaltiger Lungenzerreibung infiziert. Dafür werden
zwei Lungen von 48 Stunden zuvor nasal infizierten Mäusen mit Sand zerrieben, 1:10
mit Tyrode-Kochsalz-Lösung verdünnt, der Überstand nach Absetzen 10 Minuten bei
3000 U/min zentrifugiert und der dadurch entstandene Überstand auf 1:100 verdünnt.
Der Titer dieser Verdünnung beträgt 10 000 letale Dosen pro Milliliter.
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Zur Infektion werden die Mäuse mit Äther narkotisiert und ihre Nase
während 4 Sekunden mehrmals in die Mäuselungenpassage-Virusverdünnung eingetaucht.
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Zur Kontrolle infiziert man 20 Normalmäuse. Gestorbene Mäuse werden
seziert und der Lungenbefund dabei registriert. Die Dberlebenden werden nach 12
Tagen mit Äther getötet und seziert. Die Lunge befunde werden spätestens eine Stunde
nach der Sektion abgelesen und mit 0 bis 4 bewertet. Als Wert ist das arithmetische
Mittel aus allen Lungenbefunden angegeben. In der folgenden Bewertungsskala sind
die Lungenveränderungen, die Zahlenwerte und der Immunitätsgrad zusammengestellt:
Zahlenwert Immunitätsgrad |
Ganze Lunge |
pneumonisch 4 keine Immunität |
Dreiviertel Lunge |
pneumonisch 3 keine Immunität |
Halbe Lunge |
pneumonisch 2 schwache partielle |
Immunität |
Viertel Lunge |
pneumonisch 1 deutliche partielle |
Immunität |
Achtel Lunge |
pneumonisch 0,5 starke partielle |
Immunität |
Kleinste.Flecken |
bis negativ 0,25 bis 0 starke partielle |
bis Vollunmunität |
Die Viruskonzentration läßt sich auch mit der Hämagglutination bestimmen. Man versteht
darunter die Erscheinung, daß Hühnererythrocyten sich beim Kontakt mit virushaltigen
Lösungen zusammenballen.
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Die bei diesem Test gefundenen Einheiten werden mit HAE bezeichnet
und auf 1 mi bezogen. Das erfindungsgemäß gezüchtete Influenzavirus A2/Asia beispielsweise
besitzt einen Hämagglutinationstiter von 2560 und mehr pro Milliliter.
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Die erfindungsgemäß hergestellten Vaccinen haben den Vorteil, daß
die für eine Großproduktion erforderlichen Virusmengen in einfacher Weise im Labora-
torium
unter geringem Aufwand an Arbeit und Kosten gewonnen werden können. Nachdem bekannt
war, daß die Antigenität des Influenzavirus sich durch Eipassagen verschlechtert,
war zu erwarten, daß das durch Passagen in Mäusen gezüchtete Influenzavirus in Eipassagen
ebenfalls geschädigt wird. Überraschenderweise blieb die Antigenität aber voll erhalten.
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Aus Fortschritte der Serologie, Verlag D. Steinkopff, Darmstadt,
2. Auflage (1955), S. 482, ist bekannt, daß man Grippeviren zunächst an Frettchen
und dann an der Mäuselunge adaptieren und anschließend auf die Chorion-Allantois
des Hühnerembryos übertragen kann. Demgegenüber zeichnet sich das erfindungsgemäße
Verfahren durch den recht erheblichen technischen Fortschritt aus, der darin besteht,
daß es nicht notwendig ist, das Virus zunächst an Frettchen zu adaptieren, sondern
daß man die Adaption unmittelbar mit pathogenen Viren an Säugetierlungengeweben
vornimmt. Da nach dem Stand der Technik vor der Durchführung der Mäuselungenpassagen
zwangläufig Frettchenpassagen durchgeführt werden müssen, konnte nicht vorausgesehen
werden, daß sich das erfindungsgemäße Verfahren in der oben beschriebenen einfachen
Form durchführen lassen würde.
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Beispiel 1 a) 40 mol einer Mischallantoisflüssigkeit von Influenzaviren
A2/Asia-Stamm Singapore, die über 81 Bruteipassagen gezüchtet wurden, werden mit
20 ml Phosphatpuffer pH 7,0 gemischt und 30 Minuten im Schüttelapparat geschüttelt.
b) 40ml einer Mischallantoisflüssigkeit von Influenzavieren A2/Asia-Stamm Singapore,
die über 424 Mäuselungenpassagen - nach Durchführung dieser Passagenzahl nahm die
Pathogenität der Viren für das Epithel des Respirationstraktes der Maus nicht mehr
ab und anschließend über 33 Bruteipassagen gezüchtet wurden, werden mit 20 mol Phosphatpuffer
pH 7,0 gemischt und 30 Minuten im Schüttelapparat geschüttelt. c) 40ml einer Mischallantoisflüssigkeit
von Influenzaviren A2/Asia-Stamm Singapore, die über 81 Bruteipassagen gezüchtet
wurden, werden mit 20 ml phosphatgepuffertem Aluminiumhydroxyd vom pH 7,0 gemischt
und 30 Minuten im Schüttelapparat geschüttelt. d) 40ml einer Mischallantoisflüssigkeit
von Influenzaviren A2/Asia-Stamm Singapore, die über 424 Mäuselungenpassagen - nach
Durchführung dieser Passagenzahl nahm die Pathogenität der Viren für das Epithel
des Respirationstraktes der Maus nicht mehr ab - und anschließend über 33 Bruteipassagen
gezüchtet wurden, werden mit 20 ml phosphatgepuffertem Aluminiumhydroxyd vom pH
7,0 gemischt und 30 Minuten im Schüttelapparat geschüttelt.
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Alle vier Impfstoffe besitzen die gleiche Viruskonzentration von
850 HAE/mi. Sie werden im direkten Mäuseschutzversuch getestet. Die Belastungsinfektion
wird bei den Impfstoffen a) und b) nach 99 Tagen, bei den Impfstoffen c) und d)
nach 100 Tagen vorgenommen. In der folgenden Tabelle ist das Ergebnis zusammengefaßt:
Direkter Mäuseschutzversuch |
Art des Lmpfstoffes Überlebende mittlerer Sektionsbefurld Sektionsbefund |
der Überlebenden der Überlebenden 025 bis 0 |
der überlebeaden der Toten |
und Toten 0,25 bis 0 |
a) Bruteipassagereihe 81.. . 11/20 2,44 1,39 1/20 |
55 °/o . |
b) Mäuselungen- und Bruteipassage- |
reihe 424/33 .. . .. 18/20 1,15 0,88 7/20 |
900/o |
c) Bruteipassagereihe 81 mit A1(OH)3 ... 17/20 1,19 0,69 6/20 |
850/o |
d) Mäuselungen- und Bruteipassage- |
reihe 424/33 mit Al(OH)8 . . 20/20 0,39 0,39 13/20 |
1000/o |
Kontrollen .. .. 0/20 3,83 - 0/20 |
Die Tabelle zeigt, daß innerhalb der beiden Impfstoffpaare die Impfstoffe a) und
c) der reinen Allantoisreihe schwächer immunisieren als die Impfstoffe b) und d)
der Viren, die vor der Allantoisreihe über die Mäuselungen vermehrt wurden. Die
stärkere Wirksamkeit geht aus der Zahl der überlebenden Mäuse, den Zahlen für die
mittleren Sektionsbefunde und der Häufigkeit der Befunde »0,25 bis 0 (starke partielle
bis Vollimmunität)<( hervor.
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Die Daten beweisen die Überlegenheit der erfindungsgemäß gezüchteten
Influenzaviren gegenüber den nach dem Stand der Technik gezüchteten Influenzaviren.
Die Unterschiede sind besonders groß bei dem Impfstoff b) gegen a), eindeutig jedoch
auch bei dem Impfstoff d) gegen c).
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Beispiel 2 5 ml einer Mischallantoisflüssigkeit eines Iniluenzavirus
aus 454 Mäuselungenpassagen - nach Durchführung dieser Passagenzahl nahm die Pathogenität
der Viren für das Epithel des Respirationstraktes der Maus nicht mehr ab - und 29
Bruteipassagen werden mit 45 ml Tyrode-Kochsalz-Lösung versetzt (1: 10) und mit
50 ml Al(OH)3 vermischt. Dadurch wird die Allantoisflüssigkeit auf 1: 20 verdünnt,
es sind darin 32 HAE/0,25 ml enthalten, der Al(OIl)5-Gehalt beträgt 0,75 V0.
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Der Impfstoff wird mit sechs Mäusen im direkten Mäuseschutzversuch
ausgewertet, die Belastungsinfektion wird nach 102 Tagen vorgenommen. Der Impfstoff
verleiht- einen völligen Schutz. Alle sechs Mäuse, die zur Belastung der Immunität
infiziert wurden, bleiben am Leben, sie haben einen mittleren Lungensektionsbefund
von nur 0,25 bis 0.
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Die Auswertung zeigt, daß das erfindungsgemäß gezüchtete Influenzavirus
selbst in der zwanzigfachen Verdünnung noch einen Impfstoff herzustellen gestattet,
der einen völligen Immunschutz ergibt.
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Ein entsprechend durchgeführter Versuchs ansatz mit der Allantoisverdünnung
1: 40 (16 HAE/0,25 mi) schützt noch zu 80°/o (eine von sechs Mäusen ist gestorben),
der mittlere Sektionsbefund beträgt 0,85, und bei vier der sechs Mäuse liegt der
Sektionsbefund zwischen 0,25 und 0. Der Immunschutz ist somit trotz der vierzigfachen
Allantoisverdünnung mindestens gleich dem Immunschutz des im Beispiel 1, c) angegebenen
gemäß dem Stand der Technik hergestellten Impfstes mit unverdünnter Allantoisflüssigkeit
der reinen Bruteipassagereihe.
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Ein Impfstoff des gleichen Virus, der die Allantoisflüssigkeit mit
einer Endverdünnung von 1: 16 -40 HAE/0,25 ml Impfstoff -- und 0,1 O/o Al(OH)2 enthält,
schützt alle sechs Mäuse vollkommen. Der mittlere Sektionsbefund liegt bei 0,25,
bei fünf der sechs Mäuse war der Sektionsbefund zwischen 0,25 und 0. Auch diese
Impfstoffzusammensetzung zeigt, daß die erfindungsgemäß gezüchteten Viren einen
guten Immunschutz hervorrufen.
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Beispiel 3 100 ml einer Allantoisflüssigkeit, deren Viren durch zweimalige
Ultrazentrifugation (1 Stunde bei 20 000 U/min) und Aufnahme des Sedimentes in Phosphatpuffer
pH 7,0 von (unspezifischen) Begleitsubstanzen gereinigt wurden, werden mit 0,037
0/o Formaldehyd versetzt, 12 Stunden bei 20"C belassen und anschließend mit Al(OH)3
bis zu einer Konzentration von 0,5 0/o versetzt. Im direkten Mäuseschutzversuch
ergeben sich folgende Daten:
Direkter Mäuseschutzversuch |
Belastungs- Ge- mittlerer |
infektion nach storbene Sektionsbefund befund |
befund |
der Überlebenden 0,25 bis 0 |
und Toten |
41 Tagen | 0/25 | 0,21. | 22/25 |
Die Ergebnisse zeigen, daß das erfindungsgemäß gezüchtete Virus auch einen guten
Schutz verleiht, wenn das Virus mit Formaldehyd inaktiviert wird.
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Beispiel 4 Ein Influenzavirus Typ B, Stamm Marburg 5, wird nach 166
Mäusepassagen - nach Durchführung dieser Passagezahl nahm die Pathogenität der Viren
für das Epithel des Respirationstraktes der Maus nicht mehr ab - (der Titer beträgt
10-3 bis 10-4 mäuseletale Einheiten pro Millimeter) auf das Hühnerei übertragen,
die Allantoisflüssigkeit geerntet und von einer weiteren Bruteipassage unter Verwendung
von gepuffertem A1(OH)3 ein Aluminiumhydroxyd-Adsorbatimpfstoff hergestellt. 24
Mäuse werden mit diesem Impfstoff immunisiert und 40 Tage nach der Immunisierung
mit hundert letalen Dosen infiziert.
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Sie überlebten alle. Zwanzig von ihnen hatten am 12. Tage Lungenbefunde
zwischen 0,25 und 0 (starke partielle bis Vollimmunität). Von fünfzehn Kontrollmäusen
dagegen starben vierzehn.