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Verfahren zur Wärmebehandlung rostfreier austenitischer Stähle Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zur Wärmebehandlung rostfreier austenitischer Stähle,
insbesondere solcher, die gute Härte, hohe Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit
aufweisen.
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Es ist bekannt, daß rostfreie Stähle mit maximaler Duktilität und
besten Bearbeitungseigenschaften unter den rostfreien Stählen mit austenitischem
Gefüge der 18-8-Gruppe zu finden sind, zu denen z. B. die AISI-Typen 301 und 302
gehören. Diese Stähle besitzen, wenn sie einer sachgemäßen Wärmebehandlung und Abkühlung
auf Raumtemperatur unterworfen werden, ein nichtmagnetisches, Austenit genanntes
Gefüge. Bekannt ist ferner, daß die Verleihung bestimmter physikalischer und mechanischer
Eigenschaften, wie Härte, Festigkeit und Duktilität, bei den bekannten Stahlarten
nur durch die sogenannten Kaltverfestigungsverfahren erreicht werden kann, die darin
bestehen, daß der Stahl einer äußeren Kaltverformung, z. B. Walzen oder Ziehen,
unterworfen wird. Die Wirkung der Kaltverformung ist größer, wenn sie bei Temperaturen
unterhalb Raumtemperatur vollzogen wird, beispielsweise bei Temperaturen unter dem
Gefrierpunkt, wie dies im USA.-Patent 2 527 287 von N. A. Z i e h 1 e r u. a. beschrieben
ist. Wenn darüber hinaus Stähle dieser Art kaltverfestigt und anschließend maschinell
bearbeitet werden, z. B. durch Schweißen, hat der Schweißvorgang ein Glühen des
Stahls zur Folge, so daß er im Bereich der Schweißung nicht mehr die gewünschte
Festigkeit und Härte besitzt.
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Andererseits ist es bekannt, daß die physikalischen und mechanischen
Eigenschaften bestimmter anderer Sorten rostfreier Stähle, nämlich der 400er-Serie,
zu der z. B. die Typen 410 und 431 gehören, durch Wärmebehandlung eingestellt werden.
Diese Wärmebehandlung erfordert in der Regel eine Erhitzung auf hohe Temperatur,
die beispielsweise 990°C beträgt, sowie eine genügend rasche Abkühlung, um die Bildung
von Martensit, einem außerordentlich harten Stahlgefüge, zu ermöglichen. Diese Stähle
sind in gehärtetem Zustand wesentlich weniger verformbar als die rostfreien Austenit-Stähle
der 300er-Serie.
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Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, daß es wünschenswert wäre, einen
Stahl herzustellen, der eine maximale Duktilität, wie dies bei den austenitischen
Stählen der 300er-Serie zwecks bester Bearbeitungsfähigkeit der Fall ist, sowie
die Eignung für Wärmebehandlung zwecks Erreichung ausreichender Härte und Festigkeit,
wie dies die 400er-Serie aufweist, in sich vereinigt. Es wurden Versuche unternommen,
um die gewünschten Eigenschaften der 300er- und 400er-Serien rostfreier Stähle zu
vereinigen, der Erfolg hierbei war jedoch gering. Die Wärmebehandlungen, denen diese
rostfreien Stähle unterworfen wurden, bestanden meistens aus einer zweifachen Alterungsbehandlung,
die, obgleich sie die Härte und Festigkeit wirksam zu erhöhen vermag, einen außerordentlich
schädlichen Einfluß auf den Korrosionswiderstand und die Schlagfestigkeit des Stahls
in einem solchen Ausmaß ausübt, daß er für die Anwendungszwecke, für die rostfreier
Stahl verwendet wird, nicht mehr geeignet ist.
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Es wurden bestimmte Stähle entwickelt, die die wünschenswerten Eigenschaften
der rostfreien Stähle der 300er- und 400er-Serien gemeinsam zu enthalten schienen
und einem anderen WärmebehandlungSverfahren als der zweifachen Alterung unterworfen
werden konnten. Bei diesen sogenannten Grenzstählen wird eine Kühlbehandlung auf
unter den Nullpunkt durchgeführt, auf die eine geregelte Behandlung innerhalb bestimmter
Grenzen zur Austenitbildung folgt. Diese Stähle in ihrer jetzigen Form werden jedoch
den Anforderungen an sehr hohe Zugfestigkeit, wie sie z. B. bei der Verwendung als
Abdeckhaut und Bauteile für Überschallflugzeuge gestellt werden, nicht gerecht.
Es
ist zwar auch bereits ein Verfahren zur Wärmebehandlung von Chrom-Nickel-Stählen
bekannt, bei dem die Stähle zunächst auf eine Temperatur im Bereich von -45'C und
der Siedetemperatur von flüssigem Stickstoff bzw. flüssiger Luft abgeküblt und bei
dieser Temperatur ohne Querschnittsverminderung mechanisch bearbeitet werden, worauf
sich eine Behandlung im Bereich von 260 bis 540°C anschließt. Hierbei handelt es
sich jedoch nur um eine Oberflächenhärtung der behandelten Stähle, während wünschenswerte
Verbesserungen von anderen Eigenschaften des Stahls praktisch nicht auftreten.
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Für allgemein legierte Stähle ist auch ein anderes Behandlungsverfahren
beschrieben worden, das darin besteht, daß von hoher Temperatur abgeschreckter Stahl,
der ein austenitisches Gefüge aufweist, auf eine Temperatur zwischen -50 und -90°C
abgekühlt wird. Aus dem »Handbuch der Sonderstahlkundea (3. Auflage, 1956,
Bd. 1, S. 650) geht jedoch hervor, daß selbst weitergehende Unterkühlung, wie z.
B. auf unter -100°C, für bestimmte Chrom-Nickel-Stähle völlig unwirksam ist, wenn
eine Umwandlung von Austenit in Martensit hervorgerufen werden soll. Somit tritt
bei einer derartigen Behandlung keine Phasenumwandlung auf, und es kann demzufolge
auch keine Härtesteigerung erwartet werden.
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Gegenstand der Erfindung ist ein Behandlungsverfahren für rostfreie
Stähle, dessen wesentlichste Legierungselemente Chrom, Nickel, Molybdän, Kohlenstoff
und Stickstoff in einem bestimmten Mengenverhältnis sind und der Stahl durch dieses
Behandlungsverfahren eine hohe Rostbeständigkeit, Streckgrenze, Dehnbarkeit, Duktilität
und Härte gewinnt. Auf Grund des technischen Vorurteils, das aus der obengenannten
Literaturstelle hervorgeht, muß es als überrachend angesehen werden, daß durch das
erfindungsgemäße Verfahren zur Wärmebehandlung die eben genannten Eigenschaften
von rostfreien austenitischen Stählen in der gewünschten Weise verbessert werden
können.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Wärmebehandlung für rostfreie austenitische
Stähle mit einem Gehalt an
0,03 bis 0,15 0/0 Kohlenstoff |
14,5 bis 18,00/, Chrom |
3,5 bis 70/0 Nickel |
0,25 bis 2,0"/, Mangan |
2,0 bis 3,50/, Molybdän |
0,05 bis 0,15% Stickstoff |
0,10 bis 0,300/, Kohlenstoff+Stick- |
stoff |
bis 0,50/0 Silicium |
Rest Eisen mit den üblichen Verunreinigungen und einem Stabilitätsfaktor (d), der
eine bestimmte Beziehung der einelnen Legierungselemente darstellt, innerhalb der
Grenzen zwischen -3,82 und -4,65 bzw. -0,10 und -1,0, die hohe Rostbeständigkeit,
Streckgrenze, Dehnbarkeit, Duktilität und Härte aufweisen, istnun dadurch gekennzeichnet,
daß der Stahl bei einer Temperatur zwischen etwa 910 und 1065°C geglüht und dann.
mit einer solchen Geschwindigkeit abgekühlt wird, daß mindestens 70"/, Austenit
zurückbleiben, anschließend einer Tieftemperaturbehandlung zwischen etwa -62 und
-79'C unterworfen und der Austenit in Martensit umgewandelt wird, der unterkühlte
Stahl dann bei Raumtemperatur kaltverformt und hierdurch eine Querschnittsverminderung
von 10 bis 300/0 bewirkt und schließlich auf eine Temperatur zwischen etwa 400 und
510°C angelassen wird.
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Der obengenannte Stabilitätsfaktor A entspricht dabei den nachstehenden
Formeln: d = % Ni - 1/1z [% Cr -@- 1,5 (0/0 Mo) - 20]z i-1/2 (% Mn) -' 35 (°/o C
0/0 N) - 14, wobei [0/0 Cr + 1,5 (0/0 Mo)] < 20, und d = % Ni + 112 [% Cr + 1,5
(% Mo) - 20]2 +1/2 (% Mn) + 35 (0/0 C + 0/0 N - 14, wobei [% Cr + 1,5 (0/0 Mo)]
> 20 von -3,82 bis -4,65, wenn 0/0 C + % N = < 0,20 und 0/0 Cr = 16 bis 18, oder
von -0,10 bis -1,0, wenn 0/0 C + 0/0 N = > 0,20 und 0/0 Cr = 14,5 bis 16.
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Diese und andere Ziele der Erfindung ergeben sich aus der nachstehenden
Beschreibung.
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Im allgemeinen enthält der rostfreie Stahl, auf den sich das erfindungsgemäße
Verfahren bezieht, 0,03 bis 0,15010 Kohlenstoff, 0,25 bis 2,00/, Mangan,
bis zu 0,50/0 Silizium, 14,5 bis 18,00/0 Chrom, 3,5 bis 7,0 0/0 Nickel, 2,0 bis
3,5 0/0 Molybdän, 0,05 bis 0,15 0/0 Stickstoff und als Rest Eisen mit den üblichen
Verunreinigungen, wie z. B. höchstens 0,040/0 Phosphor, höchstens 0,04% Schwefel
und höchstens 0,250/0 Kupfer. Jedes der in dem Stahl vorhandenen Elemente erfüllt
einen speziellen Zweck, Kohlenstoff ist für die richtige Härte und Festigkeit erforderlich,
doch muß er auf 0,150/0 beschränkt sein, um den Verlust an Korrosionsbeständigkeit
zu verhindern. Mindestens 0,030/0 Kohlenstoff sind erforderlich, um die Umwandlung
von Martensit bei der Kühlung unter den Gefrierpunkt zu unterstützen, wie nachstehend
noch im einzelnen beschrieben wird. Der Kohlenstoff trägt ferner wesentlich zur
Bildung von Austenit und zum Ausgleich der Ferrit bildenden Elemente bei, die sich
bei der Analyse des Stahls ergeben. Chrom ist ein wesentlicher Bestandteil aller
rostfreien Stähle und ist in einer Menge vorhanden, die ausreicht, um den richtigen
Korrosionswiderstand sowie den richtigen d-Faktor vorzusehen, was weiter unten erläutert
wird. Chromgehalte von über 18,0"/, weichen von der ausgewogenen Beziehung dieser
Legierungen ab und bewirken eine deutliche Neigung des Stahls zur Bildung von d-Ferrit
bei Wärmebehandlung. Nickel schafft die Fähigkeit zur Austenitbildung und trägt
etwas zur Korrosionsbeständigkeit dieser Stähle bei. Molybdän, obgleich es ein Ferritbildner
ist, trägt zur Festigung und Korrosionsbeständigkeit dieser Stähle bei und kann
in dieser Hinsicht nicht durch andere ähnliche Metalle, wie z. B. Wolfram, ersetzt
werden. Molybdän im angegebenen Bereich trägt besonders zur Erhöhung des Korrosionswiderstandes
dieser Stähle gegenüber Salzlösungen bei. Silizium ist für richtige Desoxydation
und Aufbereitung des Stahls erforderlich, während Mangan zusätzlich zu einer ähnlichen
Funktion auch zur Stabilität des Austenitgefüges des Stahls beiträgt. Stickstoff
fördert die Festigkeit und Härte des Stahls, die Bildung von Austenit und trägt
überdies zu einem richtigen d-Faktor bei.
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Hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung der rostfreien Stähle,
die, wenn sie in einer noch zu beschreibenden ausgewogenen Zusammensetzung ausgewählt
wurden, für sich die noch zu beschreibende Behandlung eignen, wird auf Tabelle I
verwiesen.
Tabelle I zeigt den allgemeinen Bereich und zwei optimale
Bereiche, wobei der als Eisen angegebene Rest die zufälligen Verunreinungen mit
umfaßt, die in diesen Stählen vorhanden sind.
Tabelle I |
Chemische Zusammensetzung, Gewichtsprozent |
Element Allgemeiner Bereich Optimaler Bereich 1 Optimaler Bereich
2 |
C . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... . . .. 0,03 bis
0,15 0,06 bis 0,15 0,09 bis 0,15 |
Cr .......................... 14,5 bis 18,0 16,0 bis 17,5 14,5
bis 16,0 |
Ni .......................... 3,5 bis 7,0 4,0 bis 4,5 4,0 bis
4,5 |
Mo ......................... 2,0 bis 3,5 2,25 bis 3,5 2,25
bis 3,5 |
Si . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0,5
max. 0,20 bis 0,40 0,20 bis 0,40 |
Mn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0,25 bis
2,0 0,40 bis 0,80 0,40 bis 0,80 |
N2 . .. .... . . . . . . . . .. . . . ..... . 0,05 bis 0,15
0,05 bis 0,10 0,07 bis 0,13 |
C -I- N2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0,10 bis
0,30 0,11 bis 0,20 0,20 bis 0,28 |
Fe .......................... Rest Rest Rest |
Zur Erläuterung der erfindungsgemäß hergestellten Stähle sei auf Tabelle Il verwiesen,
welche die chemische Zusammensetzung von vier handelsüblichen rostfreien Stählen
zeigt, die in dem in Tabelle I angegebenen allgemeinen Bereich liegt.
Tabelle 1I |
Chemische Zusammensetzung, Gewichtsprozent |
Element 92370 1 97157 1 25705 |
C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0,14 0,072 0,13 |
Cr ........... . . ..... 15,44 16,95 15,94 |
Ni .................. 4,35 4,33 4,40 |
Mo . . . . . . _ . . . . . . . . . . 2,74 2,66 3,11 |
5i .................. 0,37 0,32 0,38 |
Mn ................. 0,95 0,69 1,03 |
N2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0,10 0,077 0,10 |
Fe .................. Rest Rest Rest |
Die erfindungsgemäßen rostfreien Stähle können nach jedem beliebigen, herkömmlichen
Stahlwalzwerksverfahren hergestellt werden, z. B. durch Schmelzen in einem elektrischen
Lichtbogenofen und anschließendes Gießen des Stahls in Blockform, wobei die Blöcke
nach der Verfestigung je nach Belieben warm und/oder kalt gewalzt werden können.
In der Praxis wird der Stahl gewöhnlich in Halbfabrikate, wie Platten, Stabeisen,
Bleche und Bandeisen oder Drähte verarbeitet, bevor die anschließend beschriebene
Wärmebehandlung zur Anwendung gelangt.
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Wie bereits vorstehend vermerkt, besteht ein bekanntes Verfahren zur
Härtung austenitischer rostfreier Stähle der 300er-Serie in der Anwendung der Kaltverformung.
Bei diesen Stählen findet keine Umwandlung des Austenits in Martensit auf Grund
der Wärmebehandlung allein statt. Andererseits erhält die bekannte 400er-Serie rostfreier
Stähle ihre Härteeigenschaften durch eine Wärmebehandlung, die darin besteht, daß
ein Glühvorgang unter Anwendung hoher Temperatur durchgeführt wird, dem eine Abkühlung
mit genügend großer Geschwindigkeit folgt, um das bei der hohen Glühtemperatur gebildete
Austenit in Martensit umzuwandeln. Somit gibt es also zwei sehr verschiedene Verfahren
zum Härten der rostfreien Stähle der 300er -und 400er-Serien. Der Unterschied in
den Härtungsverfahren der jeweiligen Stähle wird Änderungen der chemischen Zusammensetzung,
dem mit der chemischen Zusammensetzung in Beziehung stehenden Feingefüge, und der
Empfindlichkeit oder der Fähigkeit des Feingefüges zugeschrieben, sich bei Anwendung
von Wärmebehandlung, und zwar auch der speziellen Wärmebehandlung, umzuwandeln.
Wie bekannt, liegt die Temperatur für rostfreie Stähle der 400er-Serie, bei der
die Umwandlung von Austenit in Martensit stattfindet, erheblich über der Raumtemperatur,
während die Temperatur, bei der die Umwandlung in austenitischen Stählen der 300er-Serie
beginnt, wesentlich unterhalb der Raumtemperatur liegt und in manchen Fällen sogar
unterhalb -18'C. Wegen der niedrigen Umwandlungstemperatur der handelsüblichen rostfreien
Austenitstähle können diese bei einer Wärmebehandlung, unabhängig von der Temperatur,
auf die sie gekühlt wurden, nicht nennenswert gehärtet werden. Es ist weiterhin
bekannt, daß Stähle, die sich von Austenit in Martensit umwandeln, im Ausmaß der
Umwandlung von der Temperatur abhängig sind, auf die sie gekühlt wurden. Da die
Umwandlung von Austenit in Martensit keine isothermische Umwandlung ist, so daß
längeres Halten auf einer gegebenen Temperatur größere Mengen Martensit ergeben
würde, bestimmt die Temperatur, auf die der Stahl gekühlt werden muß, die Menge
des gebildeten Martensits. So findet beispielsweise bei dem Typ 301, der die höchste
Umwandlungstemperatur (-62°C) aller handelsüblichen rostfreien Stähle aufweist,
bei Kühlung auf -195°C nur eine 15°/oige Umwandlung statt, was nicht ausreicht,
um eine merkliche Härtung hervorzurufen. Die Temperatur, bei der die Martensit-Umwandlung
beginnt, wird in der Metallurgie als »Ms«-Temperatur bezeichnet.
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Durch richtige Auswahl der Legierungselemente ist es möglich, eine
»Ms«-Temperatur zu erhalten, die zwischen einer Temperatur liegt, die etwas geringer
als die Raumtemperatur ist, und einer zweckmäßig bestimmten niedrigeren Temperatur,
so daß, wenn der Stahl bis unter diese niedrigere Temperatur abgekühlt wird, der
Austenit sich leicht in Martensit umwandelt. Diese Umwandlung von Austenit in Martensit
ist eine praktisch augenblickliche Umwandlung und eine Funktion der Temperatur für
jeden bestimmten Stahl. Beispielsweise kann ein bestimmter Stahl mit praktisch 100°/o
Austenit bei Raumtemperatur eine »Ms«-Temperatur von -1 ° C besitzen. Ein Abkühlen
des Stahls auf unter -1°C, z. B. -10°C, verursacht eine fast augenblickliche Umwandlung
eines bestimmten Teiles Austenit in Martensit. Hält man einen solchen Stahl längere
Zeit hindurch auf dieser Temperatur, so hat dies keine nennenswerte weitere Umwandlung
von
Austenit in Martensit zur Folge. Demgegenüber wird bei Verminderung der Temperatur
auf z. B. -18'C ein bestimmter größerer Anteil Austenit in Martensit umgewandelt.
Hieraus folgt, daß die durch Abkühlung gebildete Menge Martensit eine Funktion der
Temperatur für eine gegebene chemische Zusammensetzung des rostfreien Stahls ist.
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Es hat sich nun in vielen Fällen herausgestellt, daß überhaupt kein
Austenit umgewandelt wurde, wenn die Stähle einer bestimmten chemischen Zusammensetzung
unter die bestimmte niedrigere Temperatur gekühlt wurden, bei der die Umwandlung
von Austenit in Martensit theoretisch beendet sein sollte. Obgleich die genauen
Gründe für diese unvollständige Umwandlung nicht bekannt sind, wird angenommen,
daß das bei dieser niedrigen Temperatur zurückbehaltene metastabile Austenit nicht
genügend innere Energie besitzt, um seine krystallographische Struktur umzuwandeln,
d. h. eine Umwandlung aus einer flächenzentrierten Gitterform in eine innenzentrierte
tetragonale Gitterform. Die physikalischen Eigenschaften solcher Stähle, bei denen
ein erheblicher Teil des Austenits in Martensit umgewandelt wurde, die jedoch noch
zurückgebliebenes Austenit enthalten, sind schlechter als die physikalischen Eigenschaften
der Stähle, bei denen. die Umwandlung nahezu vollständig ist. Gemäß der Erfindung
muß dem zurückgebliebenen Austenit genügend zusätzliche Energie während der Wärmebehandlung
des Stahls zugeführt werden, um den zurückgebliebene Austenit in Martensit zu verwandeln
und die besten physikalischen Eigenschaften zu erzielen, die der Stahl auf Grund
seiner chemischen Zusammensetzung und der Wärmebehandlung besitzen kann.
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Obgleich in Tabelle I ein bestimmter Bereich für die Zusammensetzung
bei der Herstellung rostfreier Stähle mit ausreichender Duktilität und Härte angegeben
wurde, muß das Gemisch innerhalb der gegebenen Grenzen so ausgewählt werden, daß
der Stahl bei Anwendung der geeigneten Glühbehandlung mindestens 70 °/o Austenit
enthält, so daß,der Austenit bei entsprechender Behandlung des Stahls nahezu vollständig
in Martensit umgewandelt und hierdurch ein Härten des Stahls verursacht wird, wie
nachstehend erläutert ist. Wenn der Stahl entsprechend geglüht ist, besitzt er genügende
Duktilität, so daß er in stärkerem Ausmaß gezogen, gewalzt oder verformt werden
kann als die bisher bekannten Stähle, die der Wärmebehandlung ohne das Erfordernis
einer Zwischenglühung unterworfen werden können. Wenn andererseits der mindestens
70 °/o Austenit enthaltende geglühte Stahl übermäßig stark kalt bearbeitet wird,
kann der Stahl erneut geglüht werden, um die durch diese Bearbeitung Beanspruchungen
aufzuheben, ohne die Fähigkeit des Stahls zu beeinträchtigen, gemäß dem nachstehend
beschriebenen Verfahren gehärtet zu werden.
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Bei der Herstellung rostfreier Stähle mit ausgeglichenen physikalischen
Eigenschaften, wie sie zuvor erwähnt wurden, muß eine bestimmte Beziehung zwischen
den Legierungselementen des in Tabelle I angegebenen allgemeinen Bereiches beibehalten
werden, damit der Stahl bei der Wärmebehandlung zur Entwicklung von Härte und Festigkeit
entsprechend reagieren kann. Die Zusammensetzung des Stahls wird vorzugsweise innerhalb
des allgemeinen Bereiches gewählt, so daß der sich ergebende Stahl eine »Ms«-temperatur
zwischen 15 und -50°C besitzt. Wie in der zuvor erwähnten Patentanmeldung erwähnt,
muß der Stahl zur Erfüllung eines solchen Erfordernisses eine ausgeglichene Zusammensetzung
besitzen, um einen Stabilitätsfaktor »d« zu schaffen, der ein Maß für die Austenitstabilität
in bezug auf die chemische Zusammensetzung des Stahls entsprechend den nachstehenden
Formeln ist, wobei zu bemerken ist, daß der Siliziumgehalt so gering ist, daß sein
Einfluß auf den d-Faktor in den folgenden Gleichungen außer acht gelassen werden
kann.
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d = °/,N1-1/12 [°/oCr+1,5 (°/,M,)-20]2+1/2 (°/,Mn)+35 (°/,C+,/oN)-14,
wobei [°/,Cr-,' 1,5 (0/,Mo)] < 20, und d = 0/0N1 "'1/12 [°/,Cr+I,5 (°/,M,)-20]2
+1/a (0/,Mn)--L35 35 (°/,Ci,/oN)-14, wobei [°/oCr+1,5 (0/,Mo)] > 20 ist, von -3,82
bis -4,65, wenn °/oC+°/,N = 0,11 bis 0,20 und °/oCr = 16 bis 18, und von -0,10 bis
-1,0, wenn °/oC+°/oN = 0,20 bis 0,28 und 0/,Cr = 14,5 bis 16.
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Nur diejenigen Stähle in dem angegebenen Bereich mit einem d-Faktor
in den ebenfalls angegebenen Bereichen, der von der durch die Gleichung bestimmten
Zusammensetzung abhängt, kann für die Zwecke der Erfindung in zufriedenstellender
Weise verwendet werden, und selbst dann muß dieser Stahl ein solches Feingefüge
haben, daß mindestens 70 °/a Austenit nach der Wärmebehandlung durch Glühen bei
Raumtemperatur zurückbehalten werden.
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Aus den vorstehenden Gleichungen ergibt sich als möglich, daß der
Stahl innerhalb des gegebenen Bereiches einen bestimmten d-Faktor erhält, indem
der Nickelgehalt ganz fortgelassen und der Chromgehalt übermäßig erhöht wird. Ein
solcher Stahl wird jedoch, obgleich er den richtigen d-Faktor besitzt, nicht hart,
da das Feingefüge des Stahls während der Wärmebehandlung durch Glühen ferritisch
wird und sich beim Abkühlen nicht umwandelt. Aus diesem Grunde sind Nickel und Chrom
in den angegebenen Mengen wichtige Elemente in dem zu behandelnden Stahl. In diesem
Zusammenhang ist zu bemerken, daß die Elemente Chrom, Molybdän und Silizium, die
normalerweise als Ferrit bildende Elemente bezeichnet werden und für gewöhnlich
den Austenit bildenden Elementen Kohlenstoff, Stickstoff, Nickel und Mangan entgegenwirken,
wenn sie sich in dem Austenit in Lösung befinden, zur Stabilität des Austenits beitragen
und hierdurch die »Ms«-Temperatur herabsetzen. Auf den ersten Blick scheint dies
im Gegensatz zu der beobachteten Funktion des Chroms, Molybdäns und Siliziums zu
stehen, die bei erhöhter Temperatur die Bildung von Ferrit begünstigen. Weil sich
diese Elemente jedoch bei der Wärmebehandlungstemperatur zur Bildung von Austenit
in Lösung befinden, tragen sie zu der Stabilität des Austenits bei.
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Obgleich ein aus dem allgemeinen Bereich in der zuvor beschriebenen
Weise ausgewählter Stahl ein solches Feingefüge besitzt, daß nach der Glühbehandlung
mindestens 70 °/o Austenit zurückbehalten werden, haben einige Stähle ein Übergewicht
von zurückgebliebenem Austenit, d. h. mindestens 900/,.
Aus diesem Grund sind
innerhalb des allgemeinen Bereiches zwei optimale Bereiche angegeben, wobei die
Zusammensetzungen des optimalen Bereiches 1, bei denen °/.C + °/oN < 0,20 und
0/,Cr = 16 bis
17,5 ist, nach der Glühbehandlung 70 bis 85% Austenit
und 30 bis 15 0/0 d-Ferrit enthalten, während die Stähle des optimalen Bereiches
2, bei denen %C -1- 0/,N > 0,20 und %Cr = 14,5 bis 16 ist, nach dem Glühvorgang
90 bis 100% Austenit und 10 bis 0 % d-Ferrit enthalten. Alle in der angegebenen
Weise ausgewählten Stähle reagieren auf die Wärmebehandlung in noch zu beschreibender
Weise und haben außerordentlich gute, ungerichtete Festigkeitseigenschaften.
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Daß die Stähle, wenn sie so ausgewählt werden, bei der noch zu beschreibenden
Wärmebehandlung in gleicher Weise reagieren, läßt sich verstehen, wenn man berücksichtigt,
daß es nur das austenitische Gefüge in dem Stahl ist, das bei der Umwandlung die
Eigenschaften des Stahls hervorbringt. Die Menge des im Stahl enthaltenen Austenits
ist in erster Linie von der chemischen Zusammensetzung des Stahls abhängig. Daher
enthält ein Stahl mit einer Zusammensetzung innerhalb des optimalen Bereiches 1
bei entsprechender Wärmebehandlung zwischen 70 und 850/, Austenit und 30
bis 1501, d-Ferrit. Sind diese beiden Gefüge vorhanden, so findet eine Aufteilung
der Legierungselemente statt, so daß der Austenit in seiner Konzentration mehr einen
größeren Gehalt an den Austenit bildenden Elementen Nickel, Kohlenstoff, Stickstoff
und Mangan als bei der Grundzusammensetzung erhält, während das d-Ferrit reicher
an den Ferrit bildenden Elementen Chrom, Silizium und Molybdän wird. Wenn beide
Gefüge in dem Stahl vorhanden sind, wie im Falle der Stähle des optimalen Bereiches
1, tritt eine solche Aufteilung der Legierungselemente auf, daß ein Austenit gewonnen
wird, das z. B. etwa 15 % Chrom, 0,15 0/0 Kohlenstoff und 0,12"/, Stickstoff enthält.
Dies läßt sich dadurch erklären, daß der Austenit über eine größere Löslichkeit
für die Austenit bildenden Elemente Nickel, Kohlenstoff, Stickstoff und Mangan verfügt,
während das d-Ferrit eine größere Löslichkeit für Chrom, Silizium und Molybdän besitzt.
Bei einer Prüfung stellte sich heraus, daß die Stähle des optimalen Bereiches 2,
bei denen wenig oder kein d-Ferrit vorhanden ist, ebenfalls im wesentlichen ungefähr
die gleiche Austenitzusammensetzung wie das Austenit des Stahls des optimalen Bereiches
1 haben. Hieraus folgt, daß die Stähle der beiden optimalen Bereiche 1 und 2, die
eine »Ms«-Temperatur in dem angegebenen Bereich besitzen, auf die gleiche Wärmebehandlung
reagieren. Auch aus diesem Grunde werden die d-Faktorgleichungen zur Auswahl der
Zusammensetzung des optimalen Bereiches innerhalb des angegebenen allgemeinen Bereiches
verwendet; denn die d-Faktorgleichungen bringen, in Abhängigkeit von dem Kohlenstoff-,
Stickstoff und Chromgehalt des Stahls, das zurückgebliebene Austenit mit der »Ms«-Temperatur
in Beziehung, um zu gewährleisten, daß sich eine Zusammensetzung mit einer »Ms«-Temperatur
in dem Bereich zwischen 15 und -50°C ergibt, und daß die sich ergebende Zusammensetzung
mindestens 70"/, Austenit enthält, das bei entsprechender Wärmebehandlung in Martensit
umgewandelt wird, um die Eigenschaften der Legierung herbeizuführen.
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Im allgemeinen wird gemäß dem Verfahren zur praktischen Durchführung
der Erfindung zunächst ein Stahl geglüht, der als wesentliche Legierungselemente
Kohlenstoff, Chrom, Nickel, Molybdän und Stickstoff enthält, wobei die Zusammensetzung
in einem ausgeglichenen Verhältnis innerhalb des angegebenen Bereiches liegt. Der
Stahl wird vorzugsweise bei einer Temperatur im Bereich zwischen 910 und 1065°C
je nach Dicke zwischen 10 Minuten und 4 Stunden geglüht. Diese Grenzen der Glühtemperatur
werden angegeben, um sicherzustellen, daß beim Erhitzen auf eine Temperatur innerhalb
eines bestimmten Bereiches mindestens 70 % Austenit gebildet werden. In manchen
Fällen kann es erwünscht sein. den Stahl in diesem Bereich bei einer Temperatur
zu glühen, die hoch genug ist, um die Metallcarbide in dem austenitischen Gefüge
zu lösen. Der Stahl muß bei mindestens 910°C geglüht werden, um das austenitische
Gefüge innerhalb einer annehmbaren Zeitspanne herzustellen. Werden die Temperaturen
längere Zeit etwas unter 910°C gehalten, so kann sich hierdurch schließlich die
erforderliche Mindestmenge von 70% Austenit bilden; doch ist dieses längere Beibehalten
der Temperatur zeitraubend und kostspielig. Vorzugsweise wird die Temperatur bei
1065°C als obere Grenze eingehalten, da eine Wärmebehandlung über dieser Temperatur
erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen kann. Die Schwierigkeiten beruhen auf
der Tatsache, daß der Stahl bei Temperaturen über 1065°C zur Bildung von d-Ferrit
neigt, das sich nach seiner Bildung bei dem anschließenden Kühlvorgang nicht umwandelt,
und zwar unabhängig von der Temperatur, bei der der Stahl gekühlt wird, so daß der
Stahl nicht härtet. Vorzugsweise werden die Stähle auf ausreichend hohe Temperatur
erhitzt, um einen etwaigen ununterbrochenen Überzug aus Korngrenzen- bzw. Kornoberflächenkarbiden
zu zerstören, der gegebenenfalls während des Kühlens nach dem Warmwalzvorgang oder
durch unsachgemäßes Zwischenglühen zwischen Kaltwalzvorgängen gebildet sein kann.
Die Temperatur ist genügend hoch, solange die Beständigkeit der Korn- bzw. Kristallbegrenzungskarbide
zerstört wird, ohne alle Metallkarbide in der festen Lösung des Austenitgefüges
der Glühtemperatur auszusetzen.
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Nachdem der Stahl ausreichend lange der Glühtemperatur ausgesetzt
war, vorzugsweise etwa eine halbe Stunde, wird der Stahl mit einer Geschwindigkeit
gekühlt; die schnell genug ist, um die Ausfällung von Metallkarbiden aus dem Austenitgefüge
zu verhindern und mindestens 700/, Austenit in dem Feingefüge zurückzubehalten,
wenn der Stahl auf Raumtemperatur gekühlt wird. Wenn der erfindungsgemäße Stahl
sehr langsam von der Wärmebehandlungstemperatur zur Austenitbildung abgekühlt wird,
können so viele Metallkarbide ausgefällt werden, daß die ausgeglichene Beziehung
des Stahls in einer solchen Weise zerstört wird, daß beim Kühlen auf Raumtemperatur
der Austenit in Martensit umgewandelt werden kann. Die Kühlgeschwindigkeit hängt
selbstverständlich von der Dicke des Stahls ab; z. B. kann Stahlblech in einer Dicke
von etwa 4,3 mm an der Luft von 980°C auf Raumtemperatur gekühlt werden, ohne daß
irgendwelche Metallkarbide ausgefällt oder Austenit gebildet wird. Es hat sich jedoch
herausgestellt, daß größere Teile ein stärker wirkendes Abschreckmittel erfordern
können, z. B. Wasser oder geeiste Salzlösung, um die Ausfällung von irgendwelchen
Metallkarbiden zu verhindern. Nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur ist der mindestens
70 0/0 Austenit enthaltende Stahl in einem weichen, duktiien Zustand und kann auf
gewünschte Form und Größe eines Gegenstandes in bekannter Weise
verarbeitet
werden. Gegebenenfalls kann die Oberfläche dieses Stahls darüber hinaus nach bekannten
Walzwerksverfahren bearbeitet werden, um eine Oberfläche vorbestimmter Art herzustellen,
deren Aussehen zwischen matt und glänzend sein kann. Wenn der Stahl jedoch in erheblichem
Maße kaltverformt werden muß, kann eine Zwischenglühung notwendig sein, in welchem
Fall der Stahl erneut bei einer Temperatur zwischen 910 und 1065'C geglüht wird,
wenn er anschließend gehärtet werden soll.
-
Der Stahl mit einem d-Faktor in den angegebenen Bereichen und mit
einer »Ms«-Temperatur zwischen 15 und -50°C wird alsdann. einer Kühlbehandlung auf
unter den Nullpunkt bei einer Temperatur von -62°C unterworfen. In der Praxis hat
sich herausgestellt, daß eine Temperatur zwischen -62 und -79°C zufriedenstellend
ist. Die Kühlbehandlung auf unter -18'C wandelt den größten Teil des Austenits
nahezu augenblicklich in Martensit um und härtet hierdurch den Stahl. Bei der richtigen
Auswahl des d -Faktors liegt die niedrigste Temperatur, bei der die Umwandlung in
Martensit beginnt, bei -50°C. Hieraus ergibt sich, daß durch Kühlen des Stahls auf
eine wesentlich geringere Temperatur eine proportionale Menge Austenit in Martensit
umgewandelt wird. Ein Kühlen des Stahls auf eine Temperatur von -79°C reicht für
gewöhnlich aus, den Hauptteil des zurückgebliebenen Austenits umzuwandeln, der unabhängig
von der Temperatur, auf die der Stahl gekühlt wurde, umgewandelt wird. Es ist lediglich
erforderlich, den Stahl genügend lange auf dieser Temperatur zu halten, um irgendwelche
Temperaturgradienten in dem Stahl auf ein Minimum herabzusetzen. Ein längeres Beibehalten
der unter dem Nullpunkt liegenden Temperatur übt keinen erkennbaren Einfluß auf
die Menge des gebildeten Martensits aus. In der Praxis hat sich das Beibehalten
der unter dem Nullpunkt liegenden Temperaturen für den Stahl zwischen 1/a und 2
Stunden als zufriedenstellend erwiesen.
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Nach der Kühlbehandlung auf unter den Nullpunkt wird der Stahl aus
der Kühlkammer entfernt und kann wieder auf Raumtemperatur gebracht werden. Darauf
wird der Stahl einer Härtebehandlung durch Bearbeitung unterworfen, um den Stahl
um 10 bis 30°/o kalt zu verformen, d. h., der Stahl wird in seiner Querschnittsfläche
um 10 bis 300/0 vermindert. Ein Minimum einer 10°/oigen Kaltverformung ist erforderlich,
um die zusätzliche Energie zuzuführen, die benötigt wird, um die Umwandlung des
zurückgebliebenen Austenits zu bewirken, während eine Kaltverformung von bis zu
300/, eine so vollständige Umwandlung gewährleistet, wie sie möglich ist.
Die Kombination der Behandlung bei Temperaturen unter dem Nullpunkt und der Kaltverformungsbehandlung
bei Raumtemperatur ermöglichen es, die ausgezeichneten Zugfestigkeiten zu erzielen,
wie weiter nachstehend beschrieben wird.
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Obgleich die Gründe für die Erzielung der hohen Zugfestigkeitseigenschaften
nicht vollständig klar sind, können die nachstehenden Ausführungen diese Erscheinung
zumindest teilweise erläutern. Wie bereits erwähnt, wird angenommen, daß der Stahl
Austenit zurückbehält, der nach der Behandlung bei Temperaturen unter dem Nullpunkt
nicht umgewandelt wurde, und zwar ungeachtet der Temperatur, auf die der Stahl gekühlt
wurde. Obgleich dieses zurückgebliebene Austenit metastabil ist, besitzt es nicht
genügend innere Energie, um sich in Martensit zu verwandeln. Bei der Härtung durch
Bearbeitung, z. B. einer Kaltverformung um 10 bis 300/0, wird dem zurückgebliebenen
Austenit genügend innere Energie verliehen, um eine Umwandlung von Austenit in Martensit
zu bewirken, und die sich hieraus ergebende Zunahme an Martensit bewirkt eine erhebliche
Zunahme der Zugfestigkeit dieser Stähle. Die Stähle besitzen in diesem gehärteten
Zustand hohe Zugfestigkeit und große Härte. Eine anschließende Anlaß-oder Vergütungsbehandlung
hat eine erhebliche Zunahme der Streckgrenze zur Folge, beseitigt praktisch jede
Ausrichtung der- physikalischen Eigenschaften und verleiht der Legierung zusätzliche
Stabilisierung, ohne umgekehrt die Härte und Zugfestigkeit zu beeinträchtigen.
-
Die Anlaß- oder Vergütungsbehandlung wird vorzugsweise dadurch ausgeführt,
indem der auf unter dem Nullpunkt liegende und durch Bearbeitung gehärtete Stahl
auf eine Temperatur zwischen 400 und 510°C während einer Zeit erhitzt wird, die
sich auf 2 bis 50 Stunden beläuft. In der Praxis hat sich herausgestellt, daß die
besten Ergebnisse erzielt werden, wenn der Stahl zwischen 2 und 20 Stunden auf der
Vergütungstemperatur gehalten wird. Diese Temperatur ist ausreichend hoch, um die
Spannungen des Stahls zu beseitigen, und fällt trotzdem keine Kornbegrenzungsmetallkarbide
aus.
-
Um die mit dem erfindungsgemäßen Verfahren erzielten ausgezeichneten
Ergebnisse deutlicher zu veranschaulichen, wird auf Tabelle III hingewiesen, die
die Wirkung jedes Arbeitsganges der Wärmebehandlung auf die in der Tabelle 1I angegebenen
Stähle aufzeigt.
Tabelle III |
Chaffl Versuchs- Zugfestigkeit Streckgrenze Dehnung Härte |
Behandlung temperatur |
Nr. oc kg/mm$ kg/nunx % R, |
92370 Glühen 955°C; Wasserabschreckung ...... R.T.*
118 32 32 |
92370 Glühen 955°C; Wasserabschreckung; Kühlen |
unter -18'C. 2 Stunden auf -73'C |
-f- 2 Stunden Anlassen bei 455'C ...... R. T. * 146
119 19 |
92370 Glühen 955°C; Wasserabschreckung; Kalt- |
walzen 200/,; Kühlen unter -18'C auf |
-73.'#C.+# 2 Stunden Anlassen bei 455°C R.T.* 154 133
20,5 47,5 |
' R. T. Räumteniperätür. . |
Tabelle III (Fortsetzung) |
Charge Versuchs- Zugfestigkeit Streckgrenze Dehnung Härte |
Behandlung temperatur |
Nr. ° C kg/mmß kg/mm" °/o RI |
92370 Glühen 955°C; Wasserabschreckung; Kühlen |
unter -18'C. 2 Stunden auf -73'C. |
Kaltwalzen 200/, + 2 Stunden Anlassen |
bei 455°C ........................... R.T.* 214 213 3,5 |
92370 Glühen 955°C; Wasserabschreckung; Kühlen |
unter -18'C. 2 Stunden auf -73'C. |
Kaltwalzen 20 °/o + 2 Stunden Anlassen |
bei 455°C ........................... 315 173 156 2,0 |
92370 Glühen 955°C; Wasserabschreckung; Kühlen |
unter -18'C. 2 Stunden auf -73'C. |
Kaltwalzen 200/, + 2 Stunden Anlassen |
bei 455°C ........................... 425 160 148 4,0 |
92370 Glühen 1035°C; Luftabkühlung; Kühlen |
unter -18'C. 2 Stunden auf -73'C. |
Kaltwalzen 200/0 + 24 Stunden Anlassen |
bei 455°C ........................... R.T.* 208 202 2,0 |
92370 Glühen 1035°C; Luftabkühlung; Kühlen |
unter -18'C. 2 Stunden auf -73'C. |
Kaltwalzen 200/" + 24 Stunden Anlassen |
bei 455°C ........................... 315 164 160 2,5 |
92370 Glühen 1035°C; Luftabkühlung; Kühlen |
unter -18'C. 2 Stunden auf -73'C. |
Kaltwalzen 200/, + 24 Stunden Anlassen |
bei 455°C ........................... 425 156 147 4,0 |
97157 Glühen 980°C; Luftabkühlung; Kühlen |
unter -18'C. 2 Stunden auf -73'C. |
2 Stunden Anlassen bei 455°C ...... R. T. * 143 119
15 44,5 |
97157 Glühen 980°C; Luftabkühlung; Kühlen |
unter -18'C. 2 Stunden auf -73'C. |
Kaltwalzen 200/, + 2 Stunden Anlassen |
bei 455°C ........................... R.T.* 170 173 2,5 49,0 |
25705 Glühen 980°C; Luftabkühlung; Kühlen |
unter -18'C. 2 Stunden auf -73'C. |
Kaltwalzen 200/, -+- 2 Stunden Anlassen |
bei 455°C ........................... R.T.* 175 181 4,0 51 |
* R. T. Raumtemperatur. |
Aus den in Tabelle III angegebenen Versuchsergebnissen läßt sich erkennen, daß die
Charge 92370, wenn sie bei 955°C geglüht und mit Wasser abgeschreckt wurde, eine
Zugfestigkeit von 118 kg/mm2, eine Streckgrenze von 32 kg/mm2 und eine Dehnung von
etwa 32e/, aufwies. Nach 2stündiger Kühlung auf -73'C, der ein 2stündiges Anlassen
bei 455'C folgte, hatte die Zugfestigkeit auf 146 kg/mm2 bei einer entsprechenden
Streckgrenze von 119 kg/mm2 zugenommen, während die Dehnung auf etwa
190/,
abnahm.
Wenn die Charge 92370 bei 955'C geglüht, an der Luft gekühlt, 200/0 kaltgewalzt,
2 Stunden bei -73'C gekühlt und dann 2 Stunden bei 455'C angelassen wurde, besaß
der Stahl eine Zugfestigkeit von 154 kg/mm2 und eine Streckgrenze von 133 kg/mm2
bei einer Dehnung von etwa 20,5 °/o. Wenn jedoch der gleiche Stahl erfindungsgemäß
behandelt wird, d. h. bei 955°C geglüht, anschließend an der Luft gekühlt und 2
Stunden bei -73'C gekühlt und dann 200/, kaltgewalzt und hierauf 2 Stunden bei 455'C
angelassen wurde, besitzt er eine Zugfestigkeit von 214 kg/mm?, eine Streckgrenze
von 213 kg/mmz und eine Dehnung von etwa 3,5 °/o. Hieraus ergibt sich, daß, wenn
der Stahl nach der Kühlung auf unter den Nullpunkt einer Härtung durch Bearbeitung
und einem Anlassen unterworfen wird, eine starke Zunahme der physikalischen Eigenschaften
erreicht wird. Diese Eigenschaften sind selbst bei erhöhten Temperaturen ziemlich
stabil, wie in Tabelle III gezeigt ist. So besitzt der Stahl bei 315 und 425°C eine
Zugfestigkeit von etwa 175 bzw. 161 kg/mm2 und eine Streckgrenze von etwa 154 bzw.
143 kg/mm2. Obgleich diese Eigenschaften von der Temperatur, bei der der Stahl geglüht
wird, d.h. 955 oder 1035°C, nicht wesentlich beeinflußt werden, lassen sich die
besten Ergebnisse erzielen, wenn der Stahl bei einer Temperatur zwischen 910 und
965'C geglüht wird. Die praktisch gleichen Ergebnisse wurden mit den Chargen 97157
und 25705 erzielt, wie in Tabelle III aufgeführt.
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Der gemäß den Lehren der Erfindung hergestellte Stahl erfordert keine
besonderen Schmelzverfahren
oder Bearbeitungsmethoden, die von denen
der 300er-Serie abweichen. Die bei der Bearbeitung des Stahls verwendete Glüheinrichtung
ist die gleiche wie bei den üblichen Stahlwalzwerken. Die Erfindung eignet sich
besonders zur Herstellung von Platten, Blechen, Bändern, Bauteilen, Stangen, Stäben,
Röhren, Drähten und anderen handelsüblichen Gegenständen bestimmter Form. Alle Verfahrensstufen
werden mit der üblichen Ausrüstung durchgeführt, die in jedem Stahlwerk vorhanden
ist. Es ist offensichtlich, daß die richtige Auswahl des Stahls, der die zuvor beschriebene
Behandlung folgt, einen Stahl mit hervorragenden physikalischen Eigenschaften ergibt,
bei dem die außerordentlichen hohen Zugfestigkeiten und Streckgrenzen und die sehr
gute Härte am meisten hervorzuheben sind.