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Verfahren zum biologischen Abbau der Apfelsäure in unvergorenen oder
vergorenen Obst- und Traubensäften Vergorene und unvergorene Obst- und Traubensäfte
enthalten, vor allem in nördlichen Anbaugebieten, oft einen Säuregehalt, der das
für Genußzwecke erträgliche Maß übersteigt. Vor allem handelt es sich dabei um Apfelsäure,
die sehr oft in dem vorliegenden Milieu einem an sich möglichen biologischen Abbau
zu Milchsäure und C02 nicht zugänglich ist. Dieser erwünschte Abbau setzt nicht
nur die tatsächliche Säuremenge herab, vielmehr ist auch die Milchsäure geschmacklich
angenehmer als Apfelsäure.
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Der biologische Abbau der Apfelsäure erfolgt durch Bakterien, insbesondere
durch B.gracile, M.malolacticus, M. acidovorax oder M. variococcus. Es lag nahe,
Bakterien der genannten Art auf Weine zu überimpfen, um den Abbau der Apfelsäure
einzuleiten, und gelegentlich ist das auch gelungen. In der Mehrzahl der Fälle jedoch
enthalten die Obstsäfte Faktoren, die die Entwicklung der Bakterien und damit den
Säureabbau verhindern; eine Überimpfung von Apfelsäure abbauenden Bakterien auf
solche Obst- und Traubensäfte führte deshalb dazu, daß die Bakterien zugrunde gingen,
zumindest aber ihre Aktivität einbüßten. Auch eine Adaption an ein saures Milieu
vor der Überimpfung erwies sich als erfolglos. Es war deshalb wichtig, Wege zu suchen,
die den biologischen Säureabbau auch in derartigen Säften ermöglichen.
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Erfindungsgemäß gelingt es, die Aktivität der Bakterien auch unter
ungünstigen Verhältnissen zu erhalten und den Apfelsäuregehalt der verwendeten Fruchtsäfte
oder Weine in der gewünschten Weise abzubauen, indem man einen Teil des zu behandelnden
Obst- oder Traubensaftes bzw. Weines mit ausreichenden Mengen einer Kultur dieser
Säureabbaubakterien animpft und nach Abbau des größten Teils der Apfelsäure kontinuierlich
oder diskontinuierlich den gleichen oder einen oder mehrere andere Obst- und Traubensäfte
bzw. Weine allmählich zugibt, wobei eine weitere Zugabe jeweils erst nach Abbau
der Hauptmenge der dem Ansatz bereits zugefügten Apfelsäure erfolgt. Die Zugabe
kann diskontinuierlich, d. h. in stufenweisen Absätzen, oder kontinuierlich, durch
Zutropfen, durchgeführt werden. Bei diskontinuierlicher Zugabe sollen die Zusätze
mengenmäßig etwa dem ersten Kulturansatz entsprechen.
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Die für das Verfahren benötigte Kultur erhält man, indem man Apfelsäure
abbauende Bakterien in einer natürlichen oder synthetischen Nährlösung mit einem
geringen Teil des Obst- oder Traubensaftes, z. B. einem sauren Wein, versetzt, den
man zuvor z. B. mittels CaCO3 auf einen solchen pH-Wert gebracht hat, daß die Impfbakterien
sich darin vermehren können. Der zur ersten Bakterienentwicklung geeignete pH-Wert
läßt sich durch einen Vorversuch unter abgestuften pH-Verhältnissen leicht ermitteln.
Sollten Hefeinfektionen befürchtet werden, so ist die Nährlösung mit 100 bis 500
mg/1 Sorbinsäure, am besten 250 mg/l, zu versetzen. Ebenso können sich Gaben an
bestimmten Spurenelementen, Aminosäuren und Vitaminen für den biologischen Säureabbau
günstig auswirken. Normalerweise haben sich bei einer Temperatur zwischen 15 und
26'C nach 2 bis 6 Tagen Bakterien in ausreichender Menge gebildet, woraufhin man
den Säureabbau gemäß der Erfindung weiterf ührt.
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Es war zwar bereits von P e y n a u d und D o m e r c q (Chemisches
Zentralblatt, 1960, S. 6003) vorgeschlagen worden, den Säureabbau durch Zusatz von
vorkultivierten Bakterien zum Most durchzuführen. Die Autoren, die mit französischem
Lesegut arbeiteten, stellten jedoch selbst fest, daß das Besäen von apfelsäurehaltigen
Weinen mit solchen Bakterienkulturen praktisch immer zu einem Mißerfolg führt, da
die hineingebrachten Bakterien nicht dazukommen, sich zu entwickeln und diese Weine
zu verändern. Dies gilt noch viel mehr für Moste aus nördlichen Ländern, beispielsweise
aus Deutschland und Österreich, wo sich ein Apfelsäureabbau überhaupt nur nach einer
teilweisen chemischen Entsäuerung durchführen ließ. Hingegen läßt sich das erfindungsgemäße
Verfahren bei jeder beliebigen Wein- oder Mostsorte im technischen Maßstab durchführen
und führt dort trotz seiner einfachen Durchführbarkeit mit Sicherheit zu einem ausreichenden
Apfelsäureabbau.
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Unter den erfindungsgemäßen Bedingungen bleibt die ursprüngliche Aktivität
der Bakterien voll erhalten, auch dann, wenn man zur Verdünnung der Kulturlösung
nicht den gleichen, sondern einen oder mehrere andere Obst- oder Traubensäfte verwendet.
Aber auch
nach längerem Wachstum in einem bestimmten Substrat, z.
B. einem sauren Wein, läßt sich die Bakterienkultur nicht auf einen anderen sauren
Saft überimpfen; in jedem Fall ist es notwendig, wieder das erfindungsgemäße Verfahren
des allmählichen Verdünnens darauf anzuwenden.
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Besonders bewährt zur Durchführung des biologischen Säureabbaus hat
sich eine Vorrichtung, die in beliebiger Dimension einen kontinuierlichen oder diskontinuierlichen
Zu- und Abfluß der abzubauenden Obst- und Traubensäfte erlaubt (Abbildung). Der
Ablauf aus dem Reaktionsgefäß 1 mit Gäraufsatz 2 kann durch seitliche Ansätze in
verschiedenen Niveauhöhen vorgenommen werden, wobei es möglich ist, das Volumen
der zu behandelnden Flüssigkeit den jeweiligen Bedingungen anzupassen. Der Flüssigkeitszulauf
aus dem Vorratsbehälter 3 ist durch den Tropfenzähler 4 regulierbar, eine
Heizvorrichtung 5 erlaubt, im Reaktionsgefäß 1 die erforderliche Temperatur
einzustellen. Mittels einer Rührvorrichtung 6 kann die Bakterienmasse innerhalb
der Lösung in Bewegung gehalten werden. Eine bakteriendichte Filtrationsanlage 7
sorgt für eine Entkeimung des fertigen Obst- oder Traubensaftes, der in dem Behälter
8 mit der Entlüftung 9 aufgefangen wird.
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Die Erfindung wird im folgenden an Hand von Beispielen erläutert.
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Beispiel 1 Am analytisch ermittelten Säuregehalt eines 1958er-Moselweins
mit der Bezeichnung 5843 war zu erkennen, daß der Apfelsäureabbau noch nicht abgelaufen
war. Der Wein enthielt folgende Säurekonzentrationen:
Gesamtsäure. . . . . . . . . . . . 9,7 g/1 (berechnet |
als Weinsäure) |
Apfelsäure . . . . . . . . . . . . . 5,0 g/1 |
Milchsäure . . . . . . . . . . . . 0,5 g/1 |
Weinsäuie . . . . . . . . . . . 2,6 g/1 |
Der pH-Wert betrug 2,9. In einem orientierenden Züchtungsversuch wurde festgestellt,
daß »B. gracile r« auseinerBirnensaft-Caseinpepton-Hefeautolysat-Nährlösung (pH
5,2) sich in diesem Wein ab pH 3,6 vermehren konnte. Die Kultivierung erfolgte deshalb
in 150-wm-Ansätzen bei einem pH-Wert von 4,0 (eingestellt mit CaCOJ.
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Der Versuch lief im thermokonstanten Raum bei 26°C. Zur Vermeidung
möglicherweise eintretender Hefeinfektionen gab man dem Wein 250 mg/1 Sorbinsäure
zu.
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10 Tage nach Beimpfung des Weins mit »B. gracile re ließ sich in der
Kulturlösung nur noch eine kleine Menge Apfelsäure papierchromatographisch nachweisen,
und es wurde ab dem 10. Tag damit begonnen, im pH-Wert unverändert belassenen Wein
5843 in 100-ccm-Anteilen zuzusetzen, um die Bakterien an die Milieuverhältnisse
dieses Weins zu gewöhnen, Jedesmal dann, wenn die Apfelsäure aus der zugesetzten
Weinmenge in Milchsäure umgebildet war, »verdünnte« man mit weiteren 100 ccm, so
am 10., 16., 23. und 29. Kulturtag. Nach der letzten Zugabe betrug der pH-Wert 3,3.
Nach etwa 35 Tagen war die Apfelsäure in den Ansätzen völlig abgebaut. Über den
gleichen Zeitraum verteilt einem Ansatz zugegebene Mengen an schweiger Säure (insgesamt
40 mg/1) konnten die AktivM dct Bakterien nur unwesentlich beeinflussen. Beispiel
2 In einem 1958er-Pfälzerwein, hier mit Wein S bezeichnet, fand sich ein abnorm
hoher Apfelsäuregehalt. Aus den Analysendaten ist zu entnehmen, daß im Wein S der
biologische Säureabbau noch nicht stattgefunden hatte:
Gesamtsäure. . . . . . . . . . . 10,8 g/1 (berechnet |
als Weinsäure) |
Apfelsäure . . . . . . . . . . . . 7,3 g/1 |
Milchsäure . . . . . . . . . . . . 0,8 g/1 |
Weinsäure . . . . . . . . . . . . 1,8 g/1 |
pH-Wert . . . . . . . . . . . . . . 3,3 bis 3,4 |
Zur Kultivierung von Bakterien wurden 151 des Weins S in einem sterilen Holzfaß
mit CaCO3 auf einen pH-Wert von 4,9 gebracht und mit 200 mg/1 Sorbinsäure versetzt.
Als Impfmaterial diente eine 6 Tage alte Kultur von »B. gracile a« in einer Nährlösung
vom pH 5,4, die von der Firma Difco Laboratories in Detroit/Mich. bezogen worden
war und neben Apfelsäure Pepton, Hefeextrakt, Dextrose, Monokaliumphosphat und Sorbitanmonooleat
enthält. Das Faß war in einem mäßig warmen Keller bei einer Temperatur von 16 ±
2°C gelagert und mit einem Gärrohr versehen.
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Nachdem die Bakterien sich entwickelt und die Apfelsäure des Ansatzes
bis auf einen geringen Rest abgebaut hatten, wurden Zusätze an im pH-Wert unverändertem
Wein S gemacht und immer dann wiederholt, wenn sich im Wein die Apfelsäure papierchromatographisch
gerade noch oder nicht mehr nachweisen ließ. So betrug am 12. Kulturtag die zugesetzte
Menge 10 1, am 21. Kulturtag 10 1, am 32. 5 1, am 43. 5 1 und am 49. 51. Nach der
letzten Zugabe betrug der pH-Wert 3,6. Um den Restsäuregehalt zu erhalten, wurde
der Wein 3 Tage nach dem zuletzt vorgenommenen Zusatz steril filtriert. Das Apfelsäure-Milchsäure-Verhältnis
hatte sich auf 1,8 g/1 Apfelsäure und 5 g/1 Milchsäure geändert. Eine mit Bakterien
angeimpfte und unter gleichen Bedingungen gehaltene Kontrolle blieb analytisch unverändert.
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Beispiel 3 Ein 1957er-Moselwein, bezeichnet als Wein W, hatte einen
teilweisen Apfelsäureabbau erfahren, jedoch war es nicht möglich, die restliche
Apfelsäure durch einfachen Zusatz von an bestimmte Verhältnisse adaptierten Bakterien
abzubauen. Die Säureanalyse brachte folgendes Ergebnis:
Gesamtsäure. . . . . . . . . . . . 8,3 g/1 (berechnet |
als Weinsäure) |
Apfelsäure . . . . . . . . . . . . . 4,7 g/1 |
Milchsäure . . . . . . . . . . . . . 2,0 g/l |
Weinsäure . . . . . . . . . . . . . 1,5 g/1 |
pH-Wert .. . . . . . . . . . . . . . 3,1 |
Die Kultivierung der Bakterien erfolgte in drei Ansätzen mit je 150 ccm von Wein
W bei einem pH-Wert von 4,0. Zur Unterstützung der Bakterienentwicklung enthielten
sie folgende Zusätze: Ansatz 1 10/, eines säurehydrolysierten Hefeautolysats (100
g feuchte Weinhefe wurden mit 50 g Wasser und 0,1 ccm 2n-Schwefelsäure versetzt,
durchmischt, 10 Minuten im Sieden gehalten und zentrifugiert).
Ansatz
2 Vitamine und Spurenmetalle pro Kubikzentimeter: 10 y Inosit, 1 y Pantothensäure,
2,5 y Lactoflavin, 0,1
y p-Aminobenzoesäure, 10
y
Mangansulfat, 10y
Eisen(II)-sulfat, 10y Magnesiumsulfat, 10 y Zinkchlorid.
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Ansatz 3 Ohne besonderen Zusatz.
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Als Impflösung eignete sich eine an einem Pfälzerwein, bezeichnet
W I1, an pH 3,5, adaptierte Kultur von »B. gracile r«. Die Temperatur des Aufbewahrungsraumes
betrug 15 @_- 2'C. Nach 7 Tagen war die Apfelsäure in den Kulturen abgebaut, und
es konnte mit Zusätzen von unverändertem Wein W begonnen werden. Trotz absinkender
pH-Werte behielten die Bakterien ihre Aktivität bei.
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Es wurden der Kultur am 7., 12., 23., 29. und 41. Kulturtag je
100 ccm zugegeben. Nach der letzten Zugabe betrug der pH-Wert 3,5. Der Vitamin
enthaltende Ansatz zeigte anfänglich ein etwas besseres Bakterienwachstum, das von
den übrigen Ansätzen jedoch schnell eingeholt wurde: Gegen Versuchsende nach etwa
45 Tagen war die Apfelsäure des Weins W in allen Kolben völlig abgebaut, und es
ließen sich dafür 5,5 g/1 Milchsäure nachweisen.
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Beispiel 4 Birnensaft vom pH-Wert 4,0 wurde mit 3,0g/1 DL-Apfelsäure
versetzt, um extremere Bedingungen für einen einzuleitenden biologischen Säureabbau
zu schaffen. Die Analyse des mit Apfelsäure versetzten Birnensaftes brachte folgendes
Resultat:
Apfelsäure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6,0
g/1 |
Citronensäure..................... 0,3 s/1 |
Milchsäure ....................... - |
pH-Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3,5 |
Die Kultivierung der Gracile-Bakterien nahm man zunächst in 150 ccm Birnensaft vom
pH-Wert 3,5 vor. In einem orientierenden Versuch hatte sich dieser Wert als günstig
erwiesen. Die Impfbakterien waren in Birnensaft-Hefeautolysat-Caseinpepton-Nährlösung
bei pH 5,2 gezüchtet worden; es handelte sich um »B. gracile r«. Der Ansatz befand
sich im thermokonstanten Raum bei 26°C. Als Vorsichtsmaßnahme gegenüber Hefeinfektionen
wurde der Birnensaft mit 250 mg/1 Sorbinsäure versetzt.
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Nach 7 Tagen konnte mit dem Zusatz weiteren Birnensafts begonnen werden,
da die Bakterien sich inzwischen vermehrt und die in der Kulturlösung enthaltene
Apfelsäure abgebaut hatten. Insgesamt kamen über einen Zeitraum von 24 Tagen 800
ccm zur Verwendung. Der pH-Wert betrug bei Versuchsende 3,5, der Apfelsäuregehalt
1,4 g/1 (nichtassimilierbare, zugesetzte D-Form) und der Milchsäuregehalt 5,0 g/1.
Außer Apfelsäure wurden auch Citronensäure und Glucose unter teilweiser Bildung
von Milchsäure abgebaut.