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Die
vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Lösen von
Natur seide (darunter Seidenabfälle) zur
Gewinnung von Lösungen,
die sich zur Verarbeitung zu Formkörpern eignen und deren Verarbeitung
durch Fällung
in wässrigen
oder wässrigen-organischen
Fällbädern geeignet
sind.
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Naturseide
ist ein Naturpolymer und besteht aus Fibroin (bis 80 %), Serizin,
Fett-, Wachs- und Mineralstoffen. Die schwierigste Aufgabe besteht
im Lösen
des Fibroins, während
die anderen genannten Seidekomponenten sich leicht in heißem Wasser
oder bekannten organischen Lösungsmitteln
lösen lassen.
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Es
sind Verfahren des Lösens
von Naturseide in konzentrierten wässrigen Salzlösungen,
z.B. Calcium Chlorid, bekannt, wodurch man konzentrierte (z.B. 10
% Polymer und mehr) Lösungen
mit formbildenden Eigenschaften erreichen kann [McCormick C.L.,
Gallais P.A., Hutchinson H. // Macromolecules.1985, 18, 2394–2410; Petrus
L., Gray D.G., BeMiller J.N. // Carbohydr. Res., 1995, 286, 319–323; Kettenbach
G., Klufers P., Mayer P. // Macromol. Symp., 1997, 120, 291–301]. Diese
Verfahren haben aber einen wesentlichen Nachteil. Dieser besteht
in der Notwendigkeit der Salzentfernung durch Dialyse, was Schwierigkeiten
für einen
kontinuierlichen technologischen Kreislauf mit sich bringt.
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Außerdem ist
es für
die Herstellung von Fasern oder Folien oft notwendig, Mischungen
aus zwei oder mehreren Polymeren in einem Lösungsmittel zu erhalten, oder
Mischungen von Polymerlösungen
in kompatiblen Lösungsmitteln
herzustellen. Jedoch sind die meisten Polymere nicht in wässrigen,
sondern in organischen Lösungsmitteln
löslich.
Dieser Umstand erlaubt es nicht, Lösungen von Seide zusammen mit
anderen Polymeren in einem Lösungsmittel
zu verwenden. Auch löst
sich Seide praktisch nicht in den bekannten organischen Lösungsmitteln.
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Viele
synthetische und native Polymere sind in tertiären Aminoxiden, in erster Linie
N-Methylmorpholin-N-Oxid (NMMO), auflösbar. Ein Verfahren zur Gewinnung
des NMMO-Monohydrates (stabile Form, in der das Wassermolekül chemisch
mit dem Aminoxidmolekül
gebunden ist) mit einer Schmelztemperatur von 74–76 °C und dessen Verwendung als
Polymerlösungsmittel
ist im Patent
US 3447939 vom
3.06.1969 beschrieben. Das genannte Lösungsmittel wird zum Lösen von
Polymeren vorgeschlagen, die in ihrer Kristallkettenstruktur Wasserstoffbindungen
haben, vorzugsweise Cellulose. In den Beispielen wird auch die Anwendung dieses
Lösungsmittels
für andere
Polymere genannt, darunter auch Naturseide. Laut genanntem Patent
wurde Naturseide in NMMO-Monohydrat bei 120 °C bis 1,96 Masse-% gelöst. Experimentelle
Ergebnisse weisen darauf hin, dass man höher konzentrierte Seidelösungen auf
Grund der schlechten Löslichkeit
des Seidenfibroins in organischen Lösungsmitteln in NMMO-NMMO-Monohydrat nicht
erreichen kann. Das heißt,
in NMMO-Monohydrat kann man keine formbildende Lösung von Naturseide erzielen.
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In
der
DE 198 41 649
A1 wird die Herstellung von höher konzentrierten Naturseide-Lösungen in NMMO-Monohydrat
und deren produktorientierte Verarbeitung beschrieben. Im Vergleich
dazu liegt der Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens darin, dass
durch das Verdünnen
mit einem organischen Lösungsmittel eine
Lösung
erhalten wird, die mischbar mit anderen in kompatiblen, organischen
Lösungsmitteln
löslichen
Polymeren ist. Dadurch wird es möglich,
formbildende Lösungen
aus Naturseide-Polymermischungen herzustellen.
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Der
Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde ein Verfahren zu entwickeln,
welches geeignet ist die Naturseide, darunter auch Seidenabfälle, in
der Art zu lösen,
dass man, unter Vermeidung der im Stand der Technik beschriebenen
Nachteile, diese gewonnenen Lösungen
zu Formkörpern
verarbeiten kann.
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Dieses
Ergebnis wird dadurch erreicht, indem man die Naturseide in N-Methylmorpholin-N-Oxid-Hydrat
bei erhöhter
Temperatur löst,
wobei erfindungswesentlich vorher aus dem NMMO-Hydrat das gebundene Wasser
entfernt, danach ein organisches Vedünnungsmittel bis zu einem Wasser-
und Verdünnungsmittelgehalt
von 0,3–0,8
Mol pro Mol NMMO zugesetzt wird und man im Anschluß zu dem
erhaltenen Komplex die Naturseide zugibt und bei 85–125 °C bis zum
vollständigen
Lösen der
Seide mischt (rührt).
Als organisches Verdünnungsmittel
zeigen sich aprotische Verdünnungsmittel
als besonders geeignet, wobei die besten Ergebnisse mit Dimethylsulfoxid
(DMSO) erreicht werden.
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Technisches
Ergebnis des vorliegenden Verfahrens ist die Erhöhung der Konzentration der
Naturseide in der Lösung
auf Grund einer verbesserten Löslichkeit
und damit die Herstellung einer formbildenden Naturseidelösungen.
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Die
schlechte Löslicheit
von Naturseide ist bedingt durch das Vorhandensein von starken inner-
und zwischenmolekularen Wasserstoffbindungen in der übermolekuren
Fibroinstruktur. Um die Makromoleküle in Lösung zu überführen ist es notwendig, dass
das Verdünnungsmittel
diese durch Wasserstoffbrücken
verbundenen Makromoleküle
trennt und durch Solvatation der aktiven Gruppen des Polymers festere
Bindungen bildet. Wenn man NMMO-Monohydrat als Lö sungsmittel nehmen, ist die
Polarität
der NO-Gruppe dieses Moleküles
nicht ausreichend für
die Zerstörung
der zwischenmolekularen Fibroinwasserstoffbindungen. Darum lassen
sich nur amorphe Fibroinanteile mit schwächerer Struktur in NMMO-Monohydrat
solvatisieren. D.h. man kann nur niedrig konzentrierte Seidelösungen in
NMMO-Monohydrat
erreichen. Diese Seidekonzentrationen reichen jedoch nicht aus,
um verformbare Lösungen
zu bilden.
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Das
wesentliche Unterscheidungsmerkmal der vorliegenden Erfindung ist
folgendes: Kalorimetrische Untersuchungen haben bestätigt, dass
die Reaktionssenergie zwischen Lösungsmittel
und Polymermakromolekül
bei einem Gesamtgehalt an Wasser- und Verdünnungsmittel von 0,3–0,8 Mol
pro Mol NMMO bedeutend erhöht
ist und dies in überraschender
und erfindungswesentlicher Verfahrensweise dazu führt, dass
alle zwischenmolekularen Fibroinwasserstoffbindungen überwunden
werden. Nach Zerstörung
aller zwischenmolekularen Bindungen in der Polymerstruktur wächst die
Löslichkeit
des Seidenfibroins wesentlich, d.h. 10–15 % Seidekonzentration ist
dabei erreichbar. Diese konzentrierten Lösungen besitzen formbildende
Eigenschaften und lassen sich zu Folien oder Fasern durch Regenerierung
aus dem Fällbad
verarbeiten. Die Verdünnungsmittelzugabe
erlaubt eine Verringerung der Lösungstemperatur.
Gleichzeitig erhöht
sich dabei die Löslichkeit
in dem Lösungsmittelkomplex
mit einem gemeinsamen Wasser- und Verdünnungsmittel -Gehalt von nicht
größer als 0,3–0,8 Mol
pro Mol NMMO. Als Verdünnungsmittel
sind aprotische Lösungsmittel
am besten geeignet, wie beispielsweise DMSO, welches auf Grund der
Bildung eines vollständig
neuen Lösungsmittelkomplexes
die Reaktivität
mit den Polymergruppen wesentlich erhöht, was zu noch höher konzentrierten
Lösungen
führt,
bei gleichzeitiger Reduzierung der Lösetemperatur auf 85 °C. Grundsätzlich ist
folgende Reihen folge bei der Lösungsherstellung
einzuhalten: Vor der Lösung
entfernt man aus der wässrigen
NMMO-Lösung
Wasser auf bekannte Weise (zum Beispiel durch Vakuumdestillation).
Danach wird das Verdünnungsmittel
in solcher Menge zugegeben, dass die Gesamtmolmenge Wasser und Verdünnungsmittel
0,3–0,8
Mol je Mol NMMO nicht übersteigt.
In den erhaltenen Komplex gibt man Naturseide in Form von Fasern,
Faserabfällen
oder Seidenstoffen u.s.w. und mischt bei einer Temperatur von 85–125 °C bis zur
vollständigen
Lösung.
In Abhängigkeit
von der Ausgangsseide, der Temperatur und der Mischgeschwindigkeit
beträgt
die Lösezeit
5–30 min.
Als Verdünnungsmittel
können
bekannte organische Verdünnungsmittel
(z.B. Pyrrolidon, Alkohol) verwendet werden, jedoch zeigen Verdünnungsmittel
aprotischer Natur bessere Ergebnisse (z.B. DMSO, DMFA). Dies hängt damit zusammen,
dass aprotische Verdünnungsmittel
die Struktur des Lösungsmittels
verändern
und DMSO zusätzlich
die Solvatisierungsenergie erhöht.
Experimentell wurde gefunden, dass bei nicht Einhaltung der angegebenen
Reihenfolge bei der Lösungsherstellung,
z.B. wenn man zuerst das NMMO mit dem Verdünnungsmittel mischt und dann
Wasser entfernt oder die Seide in das NMMO-Monohydrat gibt und danach
Wasser entfernt oder Verdünnungsmittel
zugibt, sich die Seide nicht löst
bzw. die Löslichkeit
sehr gering bleibt.
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Die
Temperaturgrenzen sind bedingt durch die Seidenlöslichkeit (≥ 85 °C) und die Seidendestruktion (> 125 °C). Wenn
der Gesamtgehalt an Wasser- und Verdünnungsmittel mehr als 0,8 Mol
pro Mol NMMO-beträgt, löst sich
Naturseide nicht. Bei einem Gehalt von weniger als 0,3 Mol pro Mol
NMMO erfolgt die Lösung nur
bei sehr hohen Temperaturen (mehr als 140 °C), verbunden mit einem starken
Polymerabbau und Verlust der formbildenden Eigenschaften.
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Die
Erfindung kann mit Hilfe folgender Beispiele beschrieben werden:
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Beispiel 1. Gewinnung
des NMMO – 0,3
Wasser – 0,5
DMSO Komplexes.
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Es
wurden 100 g NMMO-Monohydrat (86,7,g NMMO und 13,3 g Wasser) mit
einer Schmelztemperatur von 74–76 °C in runde
dreihalsige mit Rührer,
Vakuumpumpe und Kühler
ausgerüstete
Kolben gefüllt.
Im Ölbad wurde
der Kolben bis zum Schmelzen des NMMO erwärmt, dann wurde bei einer Temperatur
von 95–105 °C und Luftdruck
30–130
mbar Wasser abdestilliert. Der Prozess wurde nach 9,31 g Wasserentfernung
beendet. Auf diese Weise erhält
man ein Endprodukt, das aus 86,7 g NMMO und 3,99 g Wasser besteht
mit einem Komponenten-molverhältnis von
1:0,3. Zu diesem Komplex wurden 28,9 g DMSO gegeben (0,5 Mol pro
Mol NMMO).
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Im
erhaltenen Lösungsmittel
wurden 12 g Naturseide (Feinheit 2,33 tex, Feuchtigkeit 9,8 %, Reißfestigkeit
28 cN/tex, Bruchdehnung 20 %) gelöst. Bei 95 °C wurde diese Mischung bis zur
vollständigen
Lösung gerührt (etwa
15 min). Der Lösungsgrad
wurde mit Hilfe des Polarisationsmikroskopes geprüft. Die
Naturseidekonzentration in der Lösung
beträgt
11,69 %, die Viskosität
(bestimmt mit dem Rheotest bei für
alle Lösungen
gleichen Bedingungen) 1020 Pas. Durch Fällen im Wasser-Aceton-Fällbad wurden
Folien gebildet. Deren Reißfestigkeit
nach dem Trocken beträgt
77 N/mm2, die Dehnung 5,5 %.
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Beispiel 2.
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Analog
Bsp.1 wurde NMMO mit einem Wassergehalt von 0,2 Mol pro Mol NMMO
erhalten. Dann wurden 5,78 g DMSO zugegeben. Im erhaltenen Komplex
wurden bei 125 °C
binnen 20 min 14,86 g Naturseide gelöst (Kurzfasern bis 5 mm lang,
35 μm Durchmesser,
Eigenschaften wie in Bsp. 1). Die hergestellte homogene, durchsichtige
Lösung
hat eine Naturseide-konzentration von 13,5 %, eine Viskosi tät von 1250
Pa s. Die Festigkeit der Folien betragt 75 N/mm2,
die Dehnung 5,2 %.
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Beispiel 3.
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Man
stellt ein Lösungsmittel
folgender Molzusammensetzung her: NMMO·0,1 Wasser·0,7 DMSO.
Zu diesen Lösungsmittel
wurde eine vorher gewogene Seidegewebeprobe gegeben. Nach 30 min
bei 85 °C
und ständigem
Rühren
erhielt man eine 12,95 %ige homogene Lösung mit einer Viskosität von 1080
Pa s. Die Festigkeit der Folien beträgt 81 N/mm2,
die Dehnung 6,3 %.
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Beispiel 4.
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Im
Kneter wurde bei 95 °C
und 40 mbar Luftdruck aus einer 60 %-igen wässrigen NMMO-Lösung Wasser
abdestilliert bis zu einem Gehalt von 0,3 Mol je Mol NMMO, danach
wird DMF zugegeben, so dass die Molzusammensetzung des Lösungsmittels
1 NMMO- 0,3 Wasser – 0,4
DMF beträgt.
Zu diesem Komplex wurde nicht konditionierte Naturseide gegeben
und bei 95 °C
erhält
man nach 15 min eine 11,15 % Seidelösung mit einer Viskosität von 760
Pa s. Durch Fällen
im Fällbad
(65 % Wasser und 35 % Natriumsulfat) erhält man Folien mit einer Festigkeit
von 71 N/mm2 und einer Dehnung von 5,9 %,
oder auch Fasern mit einer Feinheit von 2,2 tex, Reißfestigkeit
17 cN/tex und Dehnung 11 %.
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Andere
Beispiele wurden analog durchgeführt.
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Im
Beispiel 5 werden aus der Naturseide vor dem Lösen Serizin, Fett-, Wachs-
und Mineralstoffe mit heißem
Wasser ausgewaschen. Die in der Tabelle angeführten Ergebnisse lassen erkennen,
dass man bei der Herstellung des Lösungsmittels und der Lösung in
der angegebenen Reihenfolge und bei entsprechender Temperatur auf
Grund von Verbesserungen der Löslichkeit
der Seide konzentrierte Seidelö sungen
erhält.
Diese Lösungen
besitzen formbildende Eigenschaften und lassen sich zu Folien oder
Fasern verarbeiten.
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Diese
Naturseidelösungen
lassen sich auch im Gemisch mit Lösungen anderer Polymere in
kompatiblen organischen Lösungsmitteln
oder zur Herstellung von Polymermischungen in einem Lösungsmittel
verarbeiten, um den Formkörpern
höhere
Gebrauchseigenschaften zu verleihen, in erster Linie zur Verbesserung der
hydrophilen Eigenschaften, z.B. Naturseide – Polyamid-Blends haben um
3,6 Mal höhere
hydrophile Eigenschaftswerte im Vergleich zu Polyamidfolien. Das
Verfahren erlaubt einen geschlossenen technologischen Kreislauf,
da nach der Regenerierung verbleibende Lösungsmittelkomponenten getrennt
und wiederholt eingesetzt werden können.
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