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Die Erfindung betrifft ein Gierkompensationssystem zur Wiederherstellung eines sicheren Fahrzustands insbesondere eines Radfahrzeugs, vorzugsweise eines Radkraftfahrzeugs, z.B. einen Personenkraftwagen. Des Weiteren betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Wiederherstellung eines sicheren Fahrzustands des vorgenannten Fahrzeugs, sowie ein Kraftfahrzeug.
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Bauraum im Bereich der Radaufhängung an Vorderachsrädern ist begrenzt in Kraftfahrzeugen. Der begrenzte Bauraum erschwert die Unterbringung von größeren Bremskomponenten an der Radaufhängung. Steigende Fahrzeugmassen sowie höhere Fahrgeschwindigkeiten machen es erforderlich, dass Kraftfahrzeugbremsen großbauend sind, um die auftretenden Kräfte aufnehmen zu können. Auch wird Bauraum benötigt für großbauende elektro-mechanische Bremsen (EMB) bei denen ein an der Bremse befestigter Aktuator die Bremskraft bereitstellt. Doch neben der Fahrzeugbremse müssen noch weitere Komponenten des Kraftfahrzeugs an der Radaufhängung platziert werden, was die den zur Verfügung stehenden Bauraum weiter einengt.
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Eine Möglichkeit zur Schaffung von Bauraum ist die Anpassung der Achsgeometrie, indem die Lenkachse in Richtung Fahrzeugmitte verschoben wird, wodurch das Federbein Bauraum an dem Fahrzeugrad im Bereich der Kraftfahrzeugbremse freigibt. Dies hat allerdings negativen Einfluss auf die Fahrzeugstabilität, da der Lenkrollhalbmesser nicht mehr negativ ist, sondern positiv ist. Als Lenkrollhalbmesser, auch Lenkrollradius genannt, bezeichnet man an gelenkten Achsen von Fahrzeugen den horizontalen Abstand zwischen Radmittelebene und dem Durchstoßpunkt der Lenkdrehachse durch die Fahrbahn. Ist der Durchstoßpunkt der Lenkdrehachse, von der Fahrzeugmitte aus gesehen, vor der Radmittelebene handelt es sich um einen positiven Lenkrollhalbmesser.
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Ein positiver Lenkrollhalbmesser kann sich allerdings negativ auf das Fahrverhalten auswirken, da bei einer Bremsung das Fahrzeug sich um seine Hochachse drehen kann und der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren kann. Bei der Fahrwerksauslegung wird daher häufig ein negativer Lenkrollhalbmesser bevorzugt, wobei bei einem positiven Lenkrollhalbmesser mehr Bauraum für die Kraftfahrzeugbremse zur Verfügung steht.
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Auch bei Bremsungen mit unterschiedlichen Fahrbahnreibwerten zwischen rechten und linken Fahrzeugrädern (µ-split-Bremsung) sowie einem positiven Lenkrollhalbmesser wird durch ein unterschiedliches Bremskraftniveau am Fahrzeugrad ein Drehmoment um die Hochachse generiert. Positive Lenkrollhalbmesser verstärken diesen Effekt und führen zu einer Destabilisierung des Fahrzeugs. Fahrzeuge mit einem negativen Lenkrollhalbmesser erzeugen dagegen einen Gegenlenkeffekt, der dazu führt, dass das Fahrzeug trotz unterschiedlichem Bremskraftniveau in seiner Spur bleibt.
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In der
DE 10 2019 216 934 A1 ist ein Verfahren beschrieben, wobei eine mit dem Fahrwerk und/oder mit einer Radführung des Fahrzeugrads korrelierte Fahrwerkskenngröße derart angepasst wird, dass eine Lenkkraft reduziert wird. Bei dem beschriebenen Verfahren erfolgt eine Fahrstabilisierung durch eine Softwarefunktion, indem eine mechanische Rückstellung des Lenkrads kompensiert wird.
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Die
DE 10 2004 019 281 A1 beschreibt ein Verfahren zur Fahrstabilitätsregelung eines Fahrzeugs durch Einlesen mehrerer Fahrzustandsgrößen und Bestimmung eines quasistatischen oder dynamischen Fahrzustands und Regelung des Fahrverhaltens durch Stellsignale an eine Stelleinrichtung an der Hinterachse oder Vorderachse des Fahrzeugs.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, die Nachteile des Stands der Technik zu überwinden und insbesondere eine bauraumschaffende Anpassung des Fahrwerks und dabei die Kontrollierbarkeit und Fahrsicherheit zu erhalten.
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Die gestellte Aufgabe wird gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung gelöst durch ein Gierkompensationssystem zur Wiederherstellung eines sicheren Fahrzustands, umfassend einen Fahrdynamiksensor, der konfiguriert ist, eine Gierdimension zu bestimmen, eine Radwinkelstelleinheit und eine Verarbeitungseinheit, die dazu eingerichtet ist, anhand der Gierdimension einen Fahrzustand zu ermitteln, sowie eine Verarbeitungseinheit eine Fahrstabilitätsregelung, die ausgelegt ist, bei einem unsicherem Fahrzustand durch Beeinflussung der Radwinkelstelleinheit einen sicheren Fahrzustand wiederherzustellen, wobei die Fahrstabilitätsregelung zur Wiederherstellung eines sicheren Fahrzustands einen variablen Dämpfungsanteil umfasst.
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Die Aufgabe wird zudem durch ein Verfahren zur Wiederherstellung eines sicheren Fahrzustands gelöst, wobei eine Gierdimension ermittelt wird, ein Fahrzustand bestimmt wird, bei einem unsicherem Fahrzustand durch eine Fahrstabilitätsregelung eine Radwinkelstelleinheit beeinflusst wird, um einen sicheren Fahrzustand wiederherzustellen, wobei ein Dämpfungsanteil der Fahrstabilitätsregelung variiert wird.
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Der fehlende Gegenlenkeffekt bei Fahrzeugen mit einem positiven Lenkrollhalbmesser wird demnach durch ein Gierkompensationssystem mit einem Fahrdynamiksensor, einer Verarbeitungseinheit und einer Radwinkelstelleinheit ersetzt. Das Gierkompensationssystem wird aktiv, sobald die Gierdimension, wie etwa Gierrate oder Gierwinkelbeschleunigung einen Grenzwert überschreitet. Neben einem Grenzwert kann auch die Dauer der Gierrate über einem bestimmten Grenzwert als Auslösekriterium für das Gierkompensationssystem dienen. Erkennt das System anhand der Gierdimension eine Fahrinstabilität, wird durch eine Fahrstabilitätsregelung die Fahrstabilität wiederhergestellt, indem auf die Radwinkelstelleinheit eingewirkt wird.
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Die Verarbeitungseinheit dient dazu, die Daten des Fahrdynamiksensors auszuwerten und etwa die Gierrate und Gierwinkelbeschleunigung zu berechnen und kann dazu ausgebildet sein, eine Radwinkelstelleinheit anzusteuern. Darüber hinaus ist die Verarbeitungseinheit dazu ausgebildet, das erfindungsgemäße Verfahren durchzuführen.
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Eine Radwinkelstelleinheit kann eine Aktuatorik umfassen, die dazu ausgebildet ist, die gelenkten Räder des Kraftfahrzeuges in einem vorgegebenen Winkel zur Längsachse des Kraftfahrzeuges zu bewegen. Insbesondere ist vorgesehen, dass die Radwinkelstelleinheit als Steer-by-wire (SbW) ausgebildet ist. Es ist allerdings auch möglich, dass die Radwinkelstelleinheit über eine mechanische Verbindung mit dem Lenkrad des Kraftfahrzeugs verbunden ist. In jedem Fall ist die Radwinkelstelleinheit in der Lage, unabhängig vom Fahrer einen vorgegebenen Lenkwinkel einzustellen.
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Eine Fahrstabilitätsregelung ist insbesondere ein Regler, der mit Eingangswerten beaufschlagt anhand der Eingangswerte einen Ausgangswert, wie Soll-Radwinkel, erzeugt. Der Ausgangswert können etwa an die Radwinkelstelleinheit weitergegeben werden. Die Fahrstabilitätsregelung umfasst insbesondere eine PID-Regelung, die durch unterschiedliche Parameter wie etwa einen Proportional-, Integral- und/oder Differentialanteil im Fahrbetrieb einstellbar ist.
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Erfindungsgemäß ist vorgesehen, dass ein Dämpfungsanteil der Fahrstabilitätsregelung variabel ist, um einen sicheren Fahrzustand wiederherzustellen. Die Variabilität des Dämpfungsanteils kann dabei zeitlich beschränkt sein, in Abhängigkeit von der Gierrate erfolgen, eine vorbestimmte Mindestdauer umfassen und/oder anderen zeitlichen Beschränkung unterliegen. Durch den veränderlichen Dämpfungsanteil der Fahrstabilitätsregelung soll eine Drehwinkelbeziehung zwischen Lenkrad und Radwinkelstelleinheit anpassbar sein. Die Drehwinkelbeziehung wird durch die Fahrstabilitätsregelung hergestellt und beschreibt die Beziehung zwischen Lenkwinkel am Lenkrad und Einschlag der Vorderradräder verursacht durch die Radwinkelstelleinheit.
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Die Höhe des Dämpfungsanteils kann sich hierbei ebenfalls nach der Gierdimension richten oder einem vorgegebenen Verlauf folgen, wobei auch weitere Parameter wie Raddrehzahl und Lenkradwinkel den Dämpfungsanteil beeinflussen können. Wobei sich ein wachsender Dämpfungsanteil bei steigender Gierdimension sich als vorteilhaft hinsichtlich einer schnelleren Fahrzeugkontrollierbarkeit herausgestellt. Eine hohe Gierdimension signalisiert einen unsicheren Fahrzustand, wobei auch eine rasche steigende Gierdimension auf einen unsicheren Fahrzustand hindeuten kann. In diesem Fall ist eine rasche Dämpfung nützlich, um einen weiteren Anstieg der Gierdimension entgegenzuwirken. Auch kann der Dämpfungsanteil eine über die Zeit veränderliche Komponente beinhalten. Es hat sich herausgestellt, dass ein hoher Dämpfungsanteil insbesondere zu Beginn der Fahrstabilitätsregelung einen positiven Einfluss auf die Fahrstabilität hat.
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Weiterhin ist vorgesehen, dass das System einen Raddrehzahlsensor umfasst und der Fahrdynamiksensor dazu konfiguriert ist, eine Querbeschleunigung zu bestimmen, wobei die Verarbeitungseinheit dazu ausgebildet ist, den Dämpfungsanteil bei steigender Raddrehzahl und/oder Querbeschleunigung zu erhöhen.
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Der Raddrehzahlsensor ist zur Bestimmung einer Raddrehzahl ausgebildet und der Fahrdynamiksensor ist zur Bestimmung einer Querbeschleunigung ausgebildet und die Fahrstabilität anhand dieser Werte wiederherstellbar ist. Auch können diese Sensorwerte dazu genutzt werden, einen unsicheren Fahrzustand zu detektieren; so lassen etwa zwischen bezüglich der beiden Fahrzeugseiten / lateral gegenüberliegenden Rädern stark unterschiedliche Raddrehzahlen den Schluss zu, dass sich das Fahrzeug in einem unsicheren Zustand befindet und die Fahrstabilitätsregelung aktiviert werden sollte.
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So ist es auch möglich, die Fahrstabilitätsregelung anhand der Raddrehzahl und der Querbeschleunigung anzupassen und etwa den Dämpfungs-, Integral- oder Proportionalanteil der Regelung zu verändern. Hierzu ist es vorgesehen, dass sämtliche Parameter der Fahrstabilitätsregelung keine starren, also unveränderlichen Werte annehmen, sondern variabel sind, insbesondere durch Kraftfahrzeugsensoren oder Berechnungsmethoden anpassbar sind. Insbesondere sind Regelparameter bei der erfindungsgemäßen Fahrstabilitätsregelung veränderlich, insbesondere veränderlich über einen Zeitverlauf. Etwa kann der Dämpfungsanteil zu Beginn einer Regelung hoch sein und mit der Zeit abnehmen oder mit abnehmender Gierrate abnehmen. Die Anpassung der Regelparameter im Zeitverlauf erlaubt es, die Fahrsicherheit situationsspezifisch zu erhöhen, ohne den Fahrer durch schlagartige Veränderung des Fahrverhaltens oder spürbare Lenkeingriffe zu verunsichern.
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Es ist zudem vorgesehen, dass die Fahrstabilitätsregelung auf einem oder mehreren Steuergeräten umsetzbar ist. Es können also neben der Verarbeitungseinheit weitere Steuergeräte bei der Durchführung der Fahrstabilitätsregelung involviert sein, so kann etwa die Messung der Beschleunigung in einem anderen Steuergerät vorhanden sein als die Fahrstabilitätsregelung. Auch ist eine redundante Auslegung der Steuereinheiten und Verarbeitungseinheiten möglich, was der Fahrzeugsicherheit zuträglich ist. Die Verarbeitungseinheit kann etwa ein Bremsensteuergerät sein oder in einem anderem, bereits im Kraftfahrzeug vorhandenem Steuergerät, implementiert sein.
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Es ist zudem vorgesehen, dass das Gierkompensationssystem eine Verzögerungseinrichtung umfasst, die dazu ausgebildet ist von der Fahrstabilitätsregelung angesteuert zu werden, wobei ein sicherer Fahrzustand durch insbesondere zusätzliche Verzögerung wenigstens eines Fahrzeugrades wiederherstellbar ist. Die Verzögerungseinrichtung umfasst Park- und/oder Betriebsbremsen des Fahrzeugs. Eine Radbremse kann etwa eine Betriebsbremse umfassen und über eine Druckerzeugungseinheit mit Druck beaufschlagt werden. Die Radindividuelle Bremsung der Radbremse wird durch die Fahrstabilitätsregelung mit dem Ziel veranlasst einen sicheren Fahrzeugzustand wieder herzustellen.
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Eine weitere Ausführungsform sieht vor, dass das System einen Lenkimpulsgeber mit einer elektrischen Schnittstelle zur Radwinkelstelleinheit umfasst, wobei der Lenkimpulsgeber keinen mechanischen Durchgriff zur gelenkten Achse aufweist und die Wiederherstellung der Fahrstabilität ohne Bewegung des Lenkimpulsgebers erfolgt. Insbesondere ist das Gierkompensationssystem als Steer-by-Wire-System (SBW) ausgebildet.
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Durch die mechanische Trennung von Lenkimpulsgebern, wie Lenkrad und Radwinkelstelleinheit, ist eine mechanische Rückkopplung von der Radwinkelstelleinheit zum Lenkrad ausgeschlossen. Vorteile ergeben sich hierdurch für den Kraftfahrzeugführer dadurch, dass dieser keine störenden Impulse vom Lenkrad erfährt. Bei einem Steer-by-Wire-System wird die Stellung des Lenkrads durch einen Sensor erfasst und über eine elektrische Schnittstelle mit einer Verarbeitungseinheit kommuniziert, welche daraufhin einen Soll-Radwinkel einstellt. Der Soll-Radwinkel lässt sich ebenfalls durch das erfindungsgemäße Gierkompensationssystem beeinflussen, um eine Fahrzeugstabilität wiederherzustellen.
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Es kann darüber hinaus vorgesehen sein, dass das Gierkompensationssystem über eine Lenkbewegungsrückkopplung dem Fahrer ein Gefühl simuliert, wie die Radstellung relativ zum Fahrzeug ist. Insbesondere umfasst das Gierkompensationssystem einen Lenksimulator. Durch die Ausgestaltung als Steer-by-Wire-System ist die mechanische Verknüpfung zwischen Lenkrad und Stellung der Räder aufgehoben, wodurch sich auch ein Übersetzungsverhältnis zwischen Lenkrad und Radwinkel beeinflussen lässt. Diese Ausgestaltung ist besonders vorteilhaft, da eine Veränderung der Regelungsparameter keinen Einfluss auf das Lenkgefühl des Fahrers hat. Auch lässt sich eine einstellbare Feedbackverbindung oder Rückmeldungsübersetzung einstellen.
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Insbesondere die Kombination von Steer-by-Wire und Brake-by-Wire bieten sich für das erfindungsgemäße Verfahren an, da der zu schaffende Bauraum an der Radaufhängung für eine elektromechanische Bremse (EMB) genutzt werden soll und eine Implementierung beider Systeme als x-by-Wire sich dadurch anbietet.
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Auch ist vorgesehen, dass die Fahrstabilität durch Verzögerung wenigstens eines Fahrzeugrades wiederherstellbar ist. Die Beschleunigung und Verzögerung eines Fahrzeugrades kann hierbei durch die Verarbeitungseinheit gesteuert werden und kann gleiche, ähnliche oder andere Eingangsgrößen nutzen als die Ansteuerung der Radwinkelstelleinheit. Es bietet sich hierbei an, etwa zusätzlich zum Eingriff in die Radwinkelstellung zusätzliche eine Verzögerung wenigstens eines Rades zu ermöglichen, da hierdurch der Gegenlenkeffekt verstärkt werden kann. Als Option ist es möglich, dass bei einem Ausfall der Radwinkelstelleinheit eine Lenkung des Fahrzeuges über verzögernde und beschleunigende Fahrzeugräder erreicht wird. Hierzu können die individuellen Fahrzeugräder des Kraftfahrzeuges über eine Radbremse, wie eine EMB verzögert werden.
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Gemäß einem weiteren Aspekt der Erfindung ist eine Fahrzeugbremsanlage mit einem Gierkompensationssystem vorgesehen. Insbesondere ist das Gierkompensationssystem gemäß einer der oben beschriebenen Ausführungen ausgesaltet. Insbesondere weist die Fahrzeugbremsanlage an wenigstens einem Fahrzeugrad eine elektrische Bremseinrichtung auf, die dazu ausgebildet ist, ein Bremsmoment auf das Fahrzeugrad zu übertragen, wobei insbesondere die elektrische Bremseinrichtung eine Betriebsbremse ist. Die elektrische Bremseinrichtung umfasst insbesondere eine elektro-mechanische-Bremse. Die Fahrzeugbremsanlage mit dem Gierkompensationssystem erreicht mit Hilfe der elektrische Bremseinrichtung eine schnelle und präzise Bremsleistung insbesondere an dem gelenkten Kraftfahrzeugrad. Hierdurch lässt sich eine besonders feinfühlige Regelung umsetzen, um die Fahrstabilität wiederherzustellen.
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Gemäß einem weiteren Aspekt der Erfindung umfasst ein Kraftfahrzeug ein gelenktes Rad mit einem positiven Lenkrollhalbmesser. Insbesondere umfasst das Kraftfahrzeug ein erfindungsgemäßes Gierkompensationssystem. Insbesondere arbeitet das Gierkompensationssystem gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren. Erfindungsgemäß weist das Kraftfahrzeug an dem gelenkten Rad eine elektro-mechanische Radbetriebsbremse (EMB) aufweist. Insbesondere ist die elektro-mechanische Radbetriebsbremse Teil des erfindungsgemäßen Fahrzeugbremssystems. Vorzugsweise umfasst die elektrisch-mechanische Radbetriebsbremse einen Elektromotor, der über einen Rotations-/Translations-Umsetzer eine Reibbremswirkung an einem gelenkten Fahrzeugrad erzeugt.
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Weitere Merkmale, Vorteile und Eigenschaften der Erfindung werden anhand der Beschreibung bevorzugter Ausführungen der Erfindung unter Verweis auf die Figuren erklärt, die zeigen:
- 1: eine schematische Zeichnung eines mit dem erfindungsgemäßen System ausgestatteten Fahrzeugs.
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1 zeigt ein Fahrzeug 10 mit zwei beabstandeten Fahrzeugachsen 12, mit einer gelenkten Fahrzeugachse 18 und einer ungelenkten Fahrzeugachse 20. Möglich ist auch, dass das Fahrzeug 10 über zwei gelenkte Fahrzeugachsen 18 verfügt oder die in Fahrtrichtung hintere Achse gelenkt ist und die vordere starr ist. An der gelenkten Fahrzeugachse 18 und der ungelenkten Fahrzeugachse 20 sind jeweils elektromechanische Bremsen 28 angeordnet, welche zusätzlich über einen Wegsensor 32 verfügen. Die Bremseinrichtung 28 kann wahlweise von der Verarbeitungseinheit 14 oder einem nicht dargestellten Steuergerät 44 angesteuert werden, wobei für die Berechnung des Bremsmoments die Daten des Wegsensors 32 ausgewertet werden können. Ebenso ist es möglich, dass die ungelenkte Fahrzeugachse 20 über konventionelle hydraulische Bremsen verfügt und die gelenkte Fahrzeugachse 18 über eine elektromagnetische Bremse 28 verfügt und beide Bremsen von unterschiedlichen Steuergeräten 44 angesteuert werden. Beide Fahrzeugachsen 12 weisen an ihren beiden Enden Fahrzeugräder 16 auf, mit denen das Fahrzeug 10 auf dem Fahrbahnuntergrund abrollt. Die von der elektromagnetische Bremse 28 erzeugte Bremskraft wird über einen Radbremsaktuator 30 auf die Fahrzeugräder 16 des Kraftfahrzeugs 10 übertragen, wodurch die Verzögerung erfolgt.
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Das Kraftfahrzeug 10 verfügt zudem über eine Lenkung 22, welche sich aus einer Radwinkelstelleinheit 24 und einem Raddrehzahlsensor 26 zusammensetzt. Die Radwinkelstelleinheit 24 wirkt dabei auf die Räder der gelenkten Fahrzeugachse 18 und kann einen Radwinkel der Fahrzeugräder 16 relativ zum Fahrzeug 10 einstellen. Das in 1 gezeigte Lenksystem ist als Steer-by-Wire System ausgebildet, wobei auch eine konventionelle Lenkung mit mechanischem Durchgriff zwischen Lenkrad und Fahrzeugrädern 16 möglich ist. Jedenfalls übermittelt die Radwinkelstelleinheit den aktuellen Winkel der Fahrzeugräder 16 relativ zum Fahrzeug 10 an die Verarbeitungseinheit 14, wobei die Verbindung zwischen Radwinkelstelleinheit 24 und Verarbeitungseinheit 14 drahtlos wie WiFi oder Bluetooth oder kabelgebunden erfolgen kann. Die Ansteuerungsdaten der Verarbeitungseinheit 14 an die Radwinkelstelleinheit 24 kann dabei ebenfalls drahtgebunden oder drahtlos erfolgen.
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Die Raddrehzahlsensoren 26 erfassen die Raddrehzahl der gelenkten Fahrzeugachse 18 und übermitteln über eine nicht dargestellte Verbindung ihr die Raddrehzahlmesswerte an die Verarbeitungseinheit 14. Wahlweise sind Raddrehzahlsensoren 26 auch an der ungelenkten Fahrzeugachse 20 vorgesehen. Die Raddrehzahlsensoren 26 können auch aus einem anderen Fahrassistenzsystem wie Antiblockiersystem (ABS) oder Electric Stability Control (ESC) entnommen werden.
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Die Verarbeitungseinheit 14 dient als zentrales Steuerorgan für das erfindungsgemäße System und steht in Verbindung mit allen relevanten Komponenten, um das Verfahren durchzuführen. Insbesondere steht die Verarbeitungseinheit 14 mit den Bremseinrichtungen 28 an der gelenkten 18 und ungelenkten Fahrzeugachse 20, der Radwinkelstelleinheit 24, der Sensoreinrichtungen 33 und dem Lenkwinkelsensor 38 in Verbindung. Die Verarbeitungseinheit 14 kann in unterschiedlichen Steuergeräten 44 untergebracht sein, wobei das erfindungsgemäße Verfahren in wenigstens einer Steuereinheit durchgeführt wird. Auch ist eine Auswertung der Sensoren unmittelbar an der Messstelle möglich, wobei an die Verarbeitungseinheit 14 lediglich das verarbeitete Signal gesendet wird.
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Die Sensoreinrichtung 33, welche mit der Verarbeitungseinheit 14 in Verbindung steht, kann aus einem Fahrdynamiksensor 42 bestehen, welcher die Beschleunigung des Fahrzeugs 10 in allen drei Raumrichtungen erfasst, insbesondere die Gierdimensionen wie Gierrate oder Gierwinkelbeschleunigung erfasst. Zudem kann die Sensoreinrichtung 33 weitere Sensoren umfassen, die der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens dienlich sind, wie etwa Außentemperatur, Luftdruck oder andere Umwelteinflüsse. Das Gierkompensationssystem 100 zur Erzeugung von Gegenlenkeffekten an einer gelenkten Fahrzeugachse 18 wird durch den Fahrdynamiksensor 42, die Verarbeitungseinheit 14 und die Radwinkelstelleinheit 24 gebildet.
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Die Schnittstelle zwischen Fahrzeug 10 und Fahrzeugführer umfasst einen Lenkimpulsgeber 36, wie Lenkrad, der über einen Lenkwinkelsensor 38 ausgewertet wird. Der Lenkwinkelsensor 38 ist dazu ausgebildet, die Lenkwinkelstellung des Lenkrads zu erfassen und an die Verarbeitungseinheit 14 weiterzugeben. Zudem kann der Lenkimpulsgeber 36 über einen Lenksimulator 40 verfügen, der dem Fahrer eine direkte Verbindung zwischen dem Fahrzeugrad 16 an der gelenkten Fahrzeugachse 18 suggeriert. Ein Lenksimulator 40 ist bei einem mechanischen Durchgriff zwischen Lenkimpulsgeber 36 und gelenkter Fahrzeugachse 18 nicht notwendig oder eingeschränkt notwendig.
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Möglich ist eine Erkennung einer Fahrinstabilität in Kombination mit der Auswertung des Lenkwinkelsensors 38, wobei etwa eine Änderung der Gierrate um die Hochachse des Fahrzeugs 10 keine Korrelation mit dem Impuls des Lenkwinkelsensors 38 hat. Dies würde bedeuten, dass das Fahrzeug 10 um seine Hochachse sich dreht, ohne dass eine Lenkimpulseingabe erfolgt ist. Es lässt sich hierdurch erschließen, dass das Fahrzeug 10 in einen instabilen Fahrzustand übergegangen ist und eine Maßnahme erforderlich ist, um eine Fahrstabilität wiederherzustellen.
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Die Fahrstabilität wird anhand einer Fahrstabilitätsregelung wiederhergestellt, wobei die Fahrstabilitätsregelung auf die Radwinkelstelleinheit 24 einwirkt. Hierzu erzeugt die Verarbeitungseinheit 14 für die Radwinkelstelleinheit 24 ein Signal, woraufhin diese die Fahrzeugräder 16 an der gelenkten Fahrzeugachse 18 entsprechend des Signals einstellt.
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Insbesondere ist vorgesehen, dass ein Dämpfungsanteil der Fahrstabilitätsregelung variabel ist, wobei dieser sich von unterschiedlichen Parametern verändern lässt. Diese Parameter zur Änderung des Dämpfungsanteils kann etwa die Giergeschwindigkeit sein oder eine bestimmte Winkelstellung des Lenkimpulsgebers 36.
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Aus den vorliegend offenbarten Merkmalskombinationen können bedarfsweise auch isolierte Merkmale herausgegriffen und unter Auflösung eines zwischen den Merkmalen gegebenenfalls bestehenden strukturellen und/oder funktionellen Zusammenhangs in Kombination mit anderen Merkmalen zur Abgrenzung des Anspruchsgegenstands verwendet werden. Die Reihenfolge und/oder Anzahl der Schritte der Verfahren kann variiert werden. Die Verfahren können miteinander kombiniert werden, beispielsweise zu einem Gesamtverfahren.
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Bezugszeichen
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- 10
- Fahrzeug
- 12
- Fahrzeugachse
- 14
- Verarbeitungseinheit
- 16
- Fahrzeugrad
- 18
- Gelenkte Fahrzeugachse
- 20
- Ungelenkte Fahrzeugachse
- 22
- Lenkung
- 24
- Radwinkelstelleinheit
- 26
- Raddrehzahlsensor
- 28
- Bremseinrichtung
- 30
- Radbremsaktuatoren
- 32
- Wegsensor
- 33
- Sensoreinrichtung
- 34
- Klemmkraftsensor
- 36
- Lenkimpulsgeber
- 38
- Lenkwinkelsensor
- 40
- Lenksimulator
- 42
- Fahrdynamiksensor
- 44
- Steuergerät
- 100
- Gierkompensationssystem
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102019216934 A1 [0006]
- DE 102004019281 A1 [0007]