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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Regeln einer Längsverzögerung eines, insbesondere elektrisch antreibbaren, Kraftfahrzeugs während eines Segel-Rekuperations-Betriebs, sowie eine Segel-Rekuperations-Vorrichtung für ein Kraftfahrzeug und ein Steuergerät für ein Kraftfahrzeug.
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Bei bekannten Kraftfahrzeugen wird der Fahrer durch eine Vielzahl von Fahrerassistenzsystemen unterstützt. Unter anderem sind Fahrerassistenzsysteme bekannt, die den Fahrer bei der Längsführung des Kraftfahrzeugs unterstützen, auch für Kraftfahrzeuge mit einem elektrischem Antrieb.
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Die Fahrerassistenzsysteme für die Längsführung greifen in die Beschleunigungs- und Verzögerungsvorgänge des Kraftfahrzeugs ein, und unterscheiden sich unter anderem in dem Grad der Verantwortung, den sie dem Fahrer in der Längsführung abnehmen.
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Beispielsweise übernimmt ein Abstandsregeltempomat zumindest die unmittelbare Verantwortung dafür, einem vorausfahrenden Fahrzeug in einem vorbestimmten Abstand zu folgen, auch wenn dieses beschleunigt oder verzögert. Bei einer Level-2-Automatisierung liegt die mittelbare Verantwortung für die Längsführung allerdings immer noch beim Fahrer, der stets in der Lage sein muss, nach einem Hinweis des Fahrzeuges, die Längsführung schnell wieder zu übernehmen.
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Von einem solch starken Grad der Verantwortungsübernahme unterscheiden sich andere Fahrerassistenzsysteme bei der Längsführung wie beispielsweise ein Segel-Rekuperations-Assistent: in einem Segel-Rekuperations-Betrieb ist der Fahrer weiterhin unmittelbar für die Längsführung des Fahrzeugs zuständig. Ein solches Assistenzsystem ermöglicht bei Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb ein Nachbilden eines ausgekuppelten Fahrbetriebs (i.e. eines Gleitens) und schaltet die Rekuperations wieder zu, wenn, beispielsweise mittels einer Bilderfassung, ein relevantes Hindernis detektiert wird. Bei den bekannten Segel-Rekuperations-Assistenten erfolgt die Entscheidung über die Relevanz eines Hindernisses binär, sprich ein Hindernis ist entweder relevant oder irrelevant. Die bei erkanntem Hindernis eingestellte Rekuperationsverzögerung wird auf Basis von Eingangssignalen wie Abstand und Differenzgeschwindigkeit dosiert.
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Folglich treten bei der Längsführung durch ein Assistenzsystem im Segel-Rekuperations-Betrieb, insbesondere in einem Nahbereich, Situationen auf, bei denen zwischen den beiden Extrema „vollständiges Gleiten“ und „vollständige Rekuperation“ systemseitig gewählt werden muss. Eine derartige Längsführung widerspricht allerdings der typischen Fahrer-angesteuerten Längsführung, die mitnichten binär verzögert, wenn potenziell relevante Hindernisse graduell näherkommen und/oder genauer erkannt werden.
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Vor diesem Hintergrund ist es eine Aufgabe der Erfindung, einen Segel-Rekuperations-Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu verbessern.
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Jeder der unabhängigen Ansprüche bestimmt mit seinen Merkmalen einen Gegenstand, der diese Aufgabe löst. Die abhängigen Ansprüche betreffen vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung.
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Gemäß einem Aspekt wird offenbart ein Verfahren zum Regeln einer Längsverzögerung eines, insbesondere elektrisch antreibbaren, Kraftfahrzeugs während eines Segel-Rekuperations-Betriebs des Kraftfahrzeugs.
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Der Segel-Rekuperations-Betrieb des Kraftfahrzeugs definiert sich insbesondere durch die unmittelbare Verantwortung des Fahrers hinsichtlich der Längsführung des Kraftfahrzeugs, obwohl in bestimmten Betriebsfällen ein Rekuperationseingriff zur Längsverzögerung vorgesehen ist, insbesondere mittels einer Segel-Rekuperations-Vorrichtung gemäß einer Ausführung der Erfindung.
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Das Verfahren weist zumindest die folgenden Verfahrensschritte auf, die in der angegebenen oder einer anderen fachgerechten Reihenfolge durchgeführt werden können: (i) Berechnen einer Bewegungstrajektorie des Kraftfahrzeugs, (ii) Erfassen eines potentiellen Hindernisses hinsichtlich der berechneten Bewegungstrajektorie, (iii) Ermitteln einer Relevanzwahrscheinlichkeit des potentiellen Hindernisses, (iv) unterschiedlich starkes Verzögern des Kraftfahrzeuges in Abhängigkeit von der ermittelten Relevanzwahrscheinlichkeit. Selbstverständlich können in die Ermittlung der zu wählenden Verzögerung ggf. auch andere übliche Eingangsgrößen - wie zur Ermittlung der Rekuperationsverzögerung bei einem bekannten Segel-Rekuperations-Betrieb - einfließen.
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Damit kann eine Objekterkennung mit Unschärfelogik (Fuzzyfizierung) erreicht werden, statt zwischen zwei Zuständen (relevantes Hindernis: ja oder nein) umzuschalten. Im Segel-Rekuperations-Betrieb wird eine Anwendung eines kontinuierlichen Übergangs zwischen den beiden Zuständen mit kontinuierlicher Anpassung der Höhe der Schubrekuperation ermöglicht.
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Unter einer Bewegungstrajektorie können vorliegend verschiedene Arten von Fahrtwegprognosen verstanden werden, beispielsweise lenkwinkelabhängige Fahrschlauch-Hypothesen oder bildgestützte Fahrspur- oder Verkehrsregelungserkennung.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird offenbart eine Segel-Rekuperations-Vorrichtung für ein, insbesondere elektrisch antreibbares, Kraftfahrzeug, wobei die Segel-Rekuperations-Vorrichtung dazu eingerichtet ist, einen Segel-Rekuperations-Betrieb des Kraftfahrzeugs anhand eines Verfahrens gemäß einer Ausführung der Erfindung durchzuführen.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird offenbart ein Steuergerät für ein, insbesondere elektrisch antreibbares, Kraftfahrzeug, aufweisend eine Segel-Rekuperations-Vorrichtung gemäß einer Ausführung der Erfindung.
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Gemäß einer Ausführung erfolgt die Verzögerung im Segel-Rekuperations-Betrieb nur dann, wenn der Fahrer das Fahrpedal in einen Verzögerungsbedarf zurücknimmt, in einer Stärke, die aus der Berücksichtigung der Relevanzwahrscheinlichkeit des Hindernisses resultiert.
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Gemäß einer Ausführung wird eine Verzögerungsstärke (sprich wie stark verzögert wird) in mehreren Stufen und/oder proportional zur ermittelten Relevanzwahrscheinlichkeit gewählt.
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So kann eine menschliche Entscheidungslogik beim Fahren im Schubbetrieb / Segeln angenähert werden: Je stärker ein störendes Hindernis teilweise in die Fahrbahn ragt, desto stärker verzögert ein typischer Fahrer sicherheitshalber. Gleichzeitig wird der Heuristik Rechnung getragen, nach der zunächst in vielen Fällen eines Teilhindernisses keine maximale Verzögerung erforderlich ist, weil bei der aufmerksamen Fahrt im Schubbetrieb / beim Segeln ein späterer Eingriff des Fahrers durch stärkeres Verzögern möglich bleibt und gewünscht ist; allerdings erst dann, wenn der Fahrer sicher ist, dass dieser starke Eingriff nötig ist.
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Gemäß einer Ausführung wird zum Wählen der Verzögerungsstärke die ermittelte Relevanzwahrscheinlichkeit als Multiplikationsfaktor, insbesondere mit einem Wertebereich von Null bis Eins, auf eine maximal in dem Segel-Rekuperations-Betrieb vorgesehene Verzögerung angewendet. So kann eine Erwartung des Fahrers an eine vorzunehmende Verzögerung vorweggenommen werden.
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Gemäß einer Ausführung des Verfahrens wird die Relevanzwahrscheinlichkeit anhand eines Vergleichs der berechneten Bewegungstrajektorie mit einer Position des Hindernisses ermittelt, insbesondere anhand eines in der Bewegungstrajektorie befindlichen Anteils der Position des Hindernisses. Ggf. kann auch eine Bewegung des Hindernisses berücksichtigt werden, sodass gemäß einer Ausführung die Relevanzwahrscheinlichkeit auch anhand einer Positionsänderung des Hindernisses ermittelt wird.
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Gemäß einer Ausführung erfolgt dazu, insbesondere mittels des Steuergeräts: (a) Erfassen einer Position eines vor dem Kraftfahrzeug befindlichen Hindernisses; und/oder (b) Vergleichen der erfassten Position mit einer berechneten Bewegungstrajektorie des Kraftfahrzeugs; (c) Verzögern des Kraftfahrzeugs, wenn der Vergleich eine Überschneidung der erfassten Position und der berechneten Bewegungstrajektorie ergibt, wobei die gewählte Verzögerung des Kraftfahrzeuges in Abhängigkeit von einem in der Bewegungstrajektorie befindlichen Anteil der Position des Hindernisses ermittelt wird.
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Damit kann eine Objekterkennung mit Unschärfelogik (Fuzzyfizierung) erreicht werden, statt zwischen zwei Zuständen (relevantes Hindernis: ja oder nein) umzuschalten. Im Segel-Rekuperations-Betrieb wird eine Anwendung eines kontinuierlichen Übergangs zwischen den beiden Zuständen mit kontinuierlicher Anpassung der Höhe der Schubrekuperation ermöglicht.
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Gemäß einer Ausführung ist die gewählte Verzögerung ein Anteil einer maximal im Segel-Rekuperations-Betrieb vorgesehenen Verzögerung. So kann eine menschliche Entscheidungslogik beim Fahren im Schubbetrieb / Segeln angenähert werden: Je stärker ein teilweise störendes Hindernis in die Fahrbahn ragt, desto stärker wird sicherheitshalber verzögert. Gleichzeitig wird der Heuristik Rechnung getragen, nach der zunächst in vielen Fällen eines Teilhindernisses keine maximale Verzögerung erforderlich ist, weil bei der aufmerksamen Fahrt im Schubbetrieb / beim Segeln ein späterer Eingriff des Fahrers durch stärkeres Verzögern möglich bleibt und gewünscht ist; allerdings erst dann, wenn der Fahrer sicher ist, dass dieser starke Eingriff nötig ist.
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Gemäß einer Ausführung entspricht der Anteil der gewählten Verzögerung an der maximal vorgesehenen Verzögerung, unmittelbar oder unter Berücksichtigung eines Proportionalitätsfaktors oder eine Kennlinie oder einer Interpretationsfunktion für die Fahrsituation, dem in der Bewegungstrajektorie befindlichen Anteil der Position des Hindernisses. So kann eine Erwartung des Fahrers an eine vorzunehmende Verzögerung vorweggenommen werden.
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Gemäß einer Ausführung wird die Verzögerung entsprechend einer Verkleinerung des Positionsanteils in der Bewegungstrajektorie reduziert. Beispielsweise ermöglicht dies ein zügiges Passieren eines vorausfahrenden Fahrzeuges, das auf einer mehrspurigen Straße gerade dabei ist, die von dem eigenen Kraftfahrzeug befahrene Fahrspur freizumachen. Beispielsweise ermöglicht dies ein zügiges Passieren eines voraus einparkenden oder kurz stehenden Fahrzeuges, das auf einer einspurigen Straße gerade dabei ist, die Fahrbahn freizumachen.
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Gemäß einer Ausführung ist das Hindernis ein stehendes Hindernis, insbesondere ein Fahrzeug oder ein Baustellenschild oder ein Pylon oder ein Baumast, etc., das in die Bewegungstrajektorie hineinragt. Damit ist die Erfindung auf stehenden Verkehr anwendbar.
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Gemäß einer Ausführung ist das Hindernis ein fahrendes Fahrzeug, das in die Bewegungstrajektorie hineinragt. Damit ist die Erfindung auf rollenden Verkehr anwendbar.
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Gemäß einer Ausführung ist die Bewegungstrajektorie durch oder auf Basis einer Fahrspur und/oder einer Fahrbahn einer Straße definiert.
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Gemäß einer Ausführung ist das Hindernis eine temporäre Verkehrsregelung, die eine Verzögerung erfordert, insbesondere eine Verkehrsampel, die insbesondere den Verkehr zyklisch wiederkehrend anhält und freigibt.
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Gemäß einer Ausführung wird die Relevanzwahrscheinlichkeit anhand einer Zutreffenswahrscheinlichkeit der temporären Verkehrsregelung zu einem Zeitpunkt ermittelt, zu welchem das Kraftfahrzeug das Hindernis, insbesondere gemäß der berechneten Bewegungstrajektorie, voraussichtlich passiert.
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Gemäß einer Ausführung wird die Relevanzwahrscheinlichkeit zusätzlich in Abhängigkeit von einer Hinderniserkennungsgüte ermittelt, wobei insbesondere mit niedrigeren Hinderniserkennungsgüte eine niedrigere Relevanzwahrscheinlichkeit angenommen wird und/oder die Hinderniserkennungsgüte anhand eines situationsspezifischen Verlässlichkeitskennwerts einer Objekt- und/oder Situationserkennung eines Bilderfassungssystems ermittelt wird.
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Die Erfindung ist insbesondere auf einen Betrieb eines elektrisch antreibbaren Kraftfahrzeugs in einem Segel-Rekuperations-Betrieb (Synonym auch als Segel-Rekuperations-Assistent bezeichnet) anwendbar. Ein solcher Segel-Rekuperations-Betrieb geht insbesondere über eine konventionelle Schubrekuperation hinaus.
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Bei der konventionellen Schubrekuperation sind unterschiedlichen Auslenkwinkeln des Fahrpedals verschiedene Geschwindigkeitsänderungen zugeordnet. Oberhalb eines Grenz-Auslenkwinkels werden immer stärkere Beschleunigungen gestellt, unterhalb dieses Winkels immer stärkere Verzögerungen.
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Bei einem konventionellen Segel-Rekuperations-Betrieb kann für vorbestimmte Fahrsituationen (beispielsweise freie Straße voraus oder Ampel grün) das Verzögerungsprofil unterhalb des Grenzwinkels gleichsam abgeschaltet werden, so dass bei diesen Auslenkwinkeln des Fahrpedals eine 0-Beschleunigung oder eine sehr leichte Verzögerung gestellt wird. Wenn ein relevantes Hindernis erkannt wird, schalten bekannte Segel-Rekuperations-Assistenten zurück in das Standard-Verzögerungsprofil der konventionellen Schubrekuperation.
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Weitere Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung im Zusammenhang mit den Figuren:
- 1 zeigt schematisch vereinfacht eine Segel-Rekuperations-Vorrichtung gemäß einer beispielhaften Ausführung der Erfindung sowie Verzögerungsprofile bei einer konventionellen Schubrekuperation, bei der Anwendung eines konventionellen Segel-Rekuperations-Betriebs sowie bei der Anwendung eines Verfahrens nach einer beispielhaften Ausführung der Erfindung.
- 2 zeigt einen ersten Anwendungsfall eines Verfahrens nach einer ersten beispielhaften Ausführung der Erfindung mit einem stehenden Fahrzeug als potenziell relevantem Hindernis.
- 3 zeigt einen zweiten Anwendungsfall zum Verfahren aus 2 .
- 4 zeigt einen Anwendungsfall eines Verfahrens nach einer zweiten beispielhaften Ausführung der Erfindung mit einem vorausfahrenden Fahrzeug als potenziell relevantem Hindernis.
- 5 zeigt einen Anwendungsfall eines Verfahrens nach einer dritten beispielhaften Ausführung der Erfindung mit einer momentan auf rot geschalteten Ampel als potenziell relevantem Hindernis.
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1 zeigt eine Segel-Rekuperations-Vorrichtung 1 für ein elektrisch antreibbares Kraftfahrzeug 2 (siehe 2 bis 5), die dazu eingerichtet ist, einen Segel-Rekuperations-Betrieb SRB des Kraftfahrzeugs 2 anhand eines Verfahrens nach einer beispielhaften Ausführung der Erfindung durchzuführen.
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Die Segel-Rekuperations-Vorrichtung 1 weist ein Fahrpedal 4 und ein damit zur Übermittlung einer Auslenk-Winkelstellung BETA des Fahrpedal 4 verbundenes Steuergerät 6 auf. Das Steuergerät 6 ist ein logischer und/oder körperlicher Teil einer Motorsteuerung des Kraftfahrzeugs und daher auch zur Ansteuerung einer elektrischen Antriebsmaschine E des Kraftfahrzeugs 2 in Abhängigkeit von einer erfassten Auslenk-Winkelstellung BETA eingerichtet. Zudem ist das Steuergerät mit einer Umgebungserfassung 8, hier einer Bilderfassung der vorderen Fahrzeugumgebung, verbunden und dazu eingerichtet, Umgebungsinformationen der Umgebungserfassung 8 aufzunehmen und zu verarbeiten, sowie die elektrische Antriebsmaschine in Abhängigkeit von erfassten Umgebungsinformationen anzusteuern. Vorliegend ist dabei insbesondere eine Objekterkennung von vor dem Fahrzeug befindlichen Fahrzeugen oder Verkehrsregelungen von Bedeutung, wie auch eine Straßenerkennung zur Ermittlung einer voraussichtlichen Bewegungstrajektorie des Kraftfahrzeugs.
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Das Ausführungsbeispiel ist auf einen Segel-Rekuperations-Betrieb SRB (synonym auch als Segel-Rekuperations-Assistent bezeichnet) des Kraftfahrzeugs 2 anwendbar.
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Der Segel-Rekuperations-Betrieb SRB geht hier über eine konventionelle Schubrekuperation hinaus. Bei der konventionellen Schubrekuperation sind unterschiedlichen Auslenkwinkeln BETA des Fahrpedals 4 verschiedene Geschwindigkeitsänderungen a zugeordnet. Oberhalb eines Grenz-Auslenkwinkels BETA_0 werden immer stärkere Beschleunigungen a > 0 gestellt, unterhalb dieses Winkels immer stärkere Verzögerungen a < 0 Verzögerungsprofil A-).
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Bei einem konventionellen Segel-Rekuperations-Betrieb SRA kann für vorbestimmte Fahrsituationen (beispielsweise freie Straße voraus oder Ampel grün) das Verzögerungsprofil A-,SRA unterhalb des Grenzwinkels BETA_0 gleichsam abgeschaltet werden, so dass bei diesen Auslenkwinkeln BETA < BETA_0 des Fahrpedals 4 eine Null-Beschleunigung oder eine sehr leichte Verzögerung a angesteurt wird. Wenn ein relevantes Hindernis erkannt wird, schalten bekannte Segel-Rekuperations-Assistenten SRA zurück in das Standard-Verzögerungsprofil A- der konventionellen Schubrekuperation.
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Bei einem Segel-Rekuperations-Betrieb SRB nach der vorliegend erläuterten beispielhaften Ausführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens kann i das Standard-Verzögerungsprofil A minus der konventionellen Schubrekuperation nicht nur an- und ausgeschaltet werden, sondern auch in Abhängigkeit von einer Relevanzwahrscheinlichkeit P mit einem Vorfaktor [0; 1] multipliziert angewendet werden. Je höher die Relevanzwahrscheinlichkeit P für die Relevanz eines erfassten Hindernisses 10, desto höher der Vorfaktor.
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In dem Diagramm der 1 kann je nach Relevanzwahrscheinlichkeit P der gesamte schraffiert dargestellte Bereich als vorgesehene Verzögerung a,reku infrage kommen - in Abhängigkeit von der Stellung BETA des Fahrpedal und dem Vorfaktor, der der Relevanzwahrscheinlichkeit zugeordnet ist.
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2 zeigt einen ersten Anwendungsfall eines Verfahrens nach einer ersten beispielhaften Ausführung der Erfindung mit einem stehenden Fahrzeug als potenziell relevantem Hindernis 10. das Kraftfahrzeug 2 nähert sich entsprechend dem eingezeichneten Pfeil auf seiner Fahrspur dem stehenden Fahrzeug, das in der Darstellung der 2 zu ca. 50 % in die Fahrspur des Kraftfahrzeugs 2 hineinragt.
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Mittels des Steuergeräts 6 ermittelt das Kraftfahrzeug 2 seine Bewegungstrajektorie 12 und erfasst die Position des stehenden Fahrzeuges als potenziell relevantes Hindernis 10. ein Vergleich der erfassten Position des Hindernisses 10 und der Bewegungstrajektorie 12 ergibt eine Überschneidung von 50 % entsprechend wird im Ausführungsbeispiel eine Relevanzwahrscheinlichkeit von ebenfalls 50 % zugeordnet. Ferner steuert das Steuergerät 6 daher im aktivierten Segel-Rekuperations-Betrieb SRB einen Verzögerungsanteil A-,erf = A-,50% der maximal möglichen Rekuperationsverzögerung a,max,reku an und bildet damit eine typische Heuristik der Längsführung durch den menschlichen Fahrer nach, nach welcher an ein Objekt, das sich als Hindernis herausstellen könnte, umso stärker verzögert herangefahren wird, je wahrscheinlicher das Objekt beim Vorbeifahren tatsächlich ein Hindernis darstellen könnte.
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3 zeigt einen zweiten Anwendungsfall zum Verfahren aus 2 , bei dem die ermittelte Überschneidung nur ca. 20 % beträgt. Entsprechend der bereits erwähnten Heuristik ergibt sich im aktivierten Segel-Rekuperations-Betrieb SRB ein entsprechend geringerer Verzögerungsanteil A-,erf = A-,20%, weil aufgrund des geringeren Hineinragens in die Fahrspur eine geringere Relevanzwahrscheinlichkeit P besteht, dass beim Vorbeifahren das Fahrzeug 10 als Hindernis behandelt werden muss. Bei dieser, lediglich geringen Fahrbahnverengung durch ein parkendes Fahrzeug, beispielsweise innerorts, eine geringe Verzögerung eine nachvollziehbare Systemantwort eines Segel-Rekuperations-Betriebs SRB: ein solches Systemverhalten bildet eine von Verbrennungsmotoren juristisch bewährte, leichte Schubverzögerung nach, wenn der Fahrer das Fahrpedal lupft und gegebenenfalls seinen Fuß über einem Bremspedal bereithält.
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4 zeigt einen Anwendungsfall eines Verfahrens nach einer zweiten beispielhaften Ausführung der Erfindung mit einem vorausfahrenden Fahrzeug 10 als potenziell relevantem Hindernis. Das vorausfahrende Fahrzeug 10 verlässt hier gerade die Fahrspur, die das Kraftfahrzeug 2 gemäß der berechneten Bewegungstrajektorie 12 voraussichtlich benutzen wird.
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Folglich besteht zum dargestellten Zeitpunkt noch eine Überschneidung der Trajektorie 12 und der ermittelten Position des Fahrzeugs 10 von etwa 60 %. Weil zudem aber die aktuelle Änderungsrate Ä- der Überschneidung negativ ist (d.h. das Fahrzeug 10 entfernt sich von der Trajektorie 12), erscheint ein Ansteuern von A-,60% der maximalen Rekuperationsverzögerung a,max,reku sinnvoll: einer größeren Wahrscheinlichkeit, dass damit eine unnötig starke Verzögerung vermieden wurde steht eine kleinere Wahrscheinlichkeit gegenüber, dass der Fahrer noch einen zusätzlichen manuellen Bremseingriff vornehmen muss. Auf diesen ist der aber ohnehin vorbereitet, da er das Fahrzeug in einem Betriebszustand SRB nutzt, in welchem er ohnehin für die Längsführung unmittelbar verantwortlich ist.
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5 zeigt einen Anwendungsfall eines Verfahrens nach einer dritten beispielhaften Ausführung der Erfindung mit einer momentan auf rot geschalteten Ampel als potenziell relevantem Hindernis.
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Anders als in den Anwendungsfällen aus den 2 bis 4 bezieht sich in diesem Anwendungsfall die Relevanzwahrscheinlichkeit P nicht auf einen Überschneidungsgrad zwischen einer Position 10 eines Hindernisses und einer berechneten Trajektorie 12 des Kraftfahrzeugs 2, sondern auf eine Hinderniserkennungsgüte, mit welcher die Umgebungserfassung 8 im Zusammenwirken mit dem Steuergerät 6 in der Lage ist, eine Aussage darüber zu treffen, ob das Objekt, dem sich das Kraftfahrzeug 2 nähert, eine Ampel - oder noch genauer eine rote Ampel - als temporäre Verkehrsregelung 14 in der Bewegungstrajektorie 12 des Kraftfahrzeugs 2 ist.
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Wie der 5 entnommen werden kann, sind für unterschiedliche Hinderniserkennungsgütern unterschiedliche Relevanzwahrscheinlichkeiten P zugeordnet, welchen wiederum im Segel-Rekuperations-Betrieb SRB verschiedene Anteile A-,x% der möglichen maximalen Rekuperation a,max,reku zugeordnet sind.
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In die Berechnung der Relevanzwahrscheinlichkeit P kann in diesem Anwendungsfall zusätzlich eine Zutreffenswahrscheinlichkeit der temporären Verkehrsregelung mit einfließen; hier also die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Ampel zu demjenigen Zeitpunkt, an welchem das Kraftfahrzeug 2 sie erreicht, noch rot sein wird (sodass die temporäre Verkehrsregelung noch nicht weggefallen ist und somit das Hindernis immer noch existiert).
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Segel-Rekuperations-Vorrichtung
- 2
- Kraftfahrzeug
- 4
- Fahrpedal
- 6
- Steuergerät
- 8
- Umgebungserfassung
- 10
- Hindernis, hier Fahrzeug
- 12
- Bewegungstrajektorie
- 14
- Hindernis, hier temporäre Verkehrsregelung, z.B. Ampel
- a,reku
- Verzögerung
- a,max,reku
- maximale Rekuperation
- A-
- Standard-Verzögerungsprofil
- A-,SRA
- Verzögerungsprofil
- A-,erf
- Verzögerungsanteil
- Ȧ̇-
- Änderungsrate der Überschneidung
- BETA
- Auslenk-Winkelstellung
- BETA_0
- Grenz-Auslenkwinkelstellung
- P
- Relevanzwahrscheinlichkeit
- SRA
- Konventioneller Segel-Rekuperations-Betrieb
- SRB
- Segel-Rekuperations-Betrieb