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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und ein System zur Querregelung eines wird ein Verfahren und ein System zur Querregelung eines Fahrzeugs offenbart, das ein Reglerkonzept gemäß einem Smith-Prädiktor nutzt, um die Dynamik der Lenkwinkelregelung zu erhöhen.
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Es ist allgemeines Fachwissen, dass bei lateralen Fahrzeugregelungsfunktionen (Spurführungsassistent, Spurverlassen-Warner etc.) ein Lenkwinkelregler dazu verwendet wird, die laterale Fahrzeugführung zu beeinflussen, insbesondere das Fahrzeug auf der Spurmitte zu halten bzw. einen Spurwechsel durchzuführen.
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Durch Buskommunikation, die Verwendung von Gateways und anderen hardware- bzw. softwarebedingten Verzögerungen treten hohe Latenzen im Bereich der Regelstrecke auf, die die Dynamik und damit die Präzision des Lenksystems negativ beeinflussen.
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Aus der
DE 10 2011 002 997 A1 ist bekannt, neben einem realen Lenksystem ein theoretisches Lenksystemmodell zu betreiben. Ein aus einem ersten gemessenen Lenksystemsignal in dem Lenksystemmodell bestimmter Schätzwert wird mit einem zweiten gemessenen Lenksystemsignal verglichen, um einen Einfluss eines Fahrers zu erkennen. Damit kann freihändiges Fahren detektiert werden.
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Aus der gattungsbildenden
DE 602 20 610 T2 ist eine elektrische Servolenkvorrichtung bekannt mit einem Lenkdrehmomentsensor und einer Steuereinrichtung zur Regelung eines Lenkunterstützungsmotors basierend auf dem Lenkdrehmoment. Zur Regelung des Servomotors wird ein gemessener Lenkwinkel mit einem modellierten Normlenkwinkel verglichen.
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Ausgehend hiervon ist es Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zur Querregelung eines Fahrzeugs anzugeben, das trotz hoher Latenzen im Bereich der Regelstrecke ein Lenksystem mit hoher Dynamik und Präzision ermöglicht.
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Die Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des unabhängigen Patentanspruchs 1 gelöst. Ein System zur Querregelung eines Fahrzeugs ist Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 10. Bevorzugte Ausführungsformen sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Gemäß einem ersten Aspekt wird ein Verfahren zur Querregelung eines Fahrzeugs offenbart. Das Lenksystem des Fahrzeugs umfasst einen Lenkwinkelregler und eine elektromechanische Lenkung. In dem Lenkwinkelregler ist ein Lenkdynamikmodell der elektromechanischen Lenkung implementiert, das basierend auf einer Lenkdrehmomentinformation oder einer dazu proportionalen Größe, beispielsweise der Stromstärke des durch den Lenkaktuator fließenden elektrischen Stroms, eine geschätzte Lenkwinkelinformation bereitstellt. Basierend auf der geschätzten Lenkwinkelinformation und dem gemessenen Lenkwinkel der elektromechanischen Lenkung, beispielsweise bereitgestellt durch einen Lenkwinkelsensor, wird eine modifizierte Lenkwinkelinformation berechnet. Basierend auf dieser modifizierten Lenkwinkelinformation und einer Lenkwinkelvorgabe, die der Lenkwinkelregler beispielsweise von einer übergeordneten Einheit als Eingangsgröße empfängt, wird eine Regelabweichung des Lenkwinkelreglers berechnet. Auf Basis der Regelabweichung wird beispielsweise über eine Funktionseinheit des Lenkwinkelreglers die Lenkdrehmomentinformation oder eine dazu proportionale Größe berechnet.
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Das offenbarte Verfahren hat den technischen Vorteil, dass durch die Verwendung des Lenkdynamikmodells eine im Wesentlichen verzögerungsfreie Schätzung des Lenkwinkels, hier als geschätzte Lenkwinkelinformation bezeichnet, möglich ist. Die Verwendung dieser geschätzten Lenkwinkelinformation zur Generierung der an den Reglereingang zurückgeführten Lenkwinkelinformation und damit zur Erzeugung der Reglerabweichung ermöglicht eine Verbesserung der Lenksystemdynamik und der Lenkpräzision. Durch die Verwendung des Lenkdynamikmodells wird erreicht, dass das Lenksystem der im Lenkdynamikmodell abgebildeten Dämpfungscharakteristik folgt. Damit kann das erfindungsgemäße Verfahren auch bei elektromechanischen Lenkungen eingesetzt werden, die lediglich eine schwache Dämpfung oder keine Schnittstelle zur Beeinflussung der Dämpfung der elektromechanischen Lenkung von außen aufweisen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel empfängt das Lenkdynamikmodell eine Lenkstörgröße, die aus einer am Fahrzeug anliegenden Lateralkraft resultiert. Die geschätzte Lenkwinkelinformation wird durch das Lenkdynamikmodell basierend auf der Lenkdrehmomentinformation oder einer dazu proportionalen Größe und der Lenkstörgröße berechnet. Dadurch ist es möglich, neben der Lenkdrehmomentinformation, die den Lenkwinkel des Lenksystems beeinflusst, zudem auch die aus am Fahrzeug angreifenden Lateralkräften resultierenden Momente zur Bestimmung der geschätzten Lenkwinkelinformation zu verwenden.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel wird basierend auf der geschätzten Lenkwinkelinformation und dem gemessenen Lenkwinkel der elektromechanischen Lenkung eine Modellabweichungsinformation berechnet. Die Modellabweichungsinformation wird anschließend mittels einer Filtereinheit gefiltert. Basierend auf der gefilterten Modellabweichungsinformation und der geschätzten Lenkwinkelinformation wird daraufhin die modifizierte Lenkwinkelinformation erzeugt. Durch die Filtereinheit ist es möglich, den Grad der Beeinflussung der Lenkwinkelregelung durch Störfaktoren wie beispielsweise Störmomente und Störkräfte bzw. Messrauschen, aber auch Modellierungsfehler vorzugeben.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel wird die Modellabweichungsinformation dadurch erhalten, dass die geschätzte Lenkwinkelinformation mittels eines Verzögerungsgliedes verzögert und von dem gemessenen Lenkwinkel der elektromechanischen Lenkung subtrahiert wird. Die Zeitverzögerung des Verzögerungsgliedes ist vorzugsweise derart gewählt, dass die vom Verzögerungsglied bewirkte zeitliche Verzögerung der Zeitverzögerung entspricht, die die Regelstrecke des Lenksystems aufweist. Damit wird die Modellabweichungsinformation durch Differenzbildung zwischen der gemessenen Lenkwinkelinformation und der verzögerten, geschätzten Lenkwinkelinformation erhalten.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel weist die Filtereinheit, mittels der die Modellabweichungsinformation gefiltert wird, einen einstellbaren Verstärkungsfaktor auf, der abhängig von der Fahrsituation adaptiv einstellbar ist. Dadurch kann die stationäre Reglergenauigkeit dynamisch eingestellt werden, und zwar in Abhängigkeit von einem oder mehreren Parametern, die die aktuelle Fahrsituation angeben.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel weist der Lenkwinkelregler eine Reglereinheit mit einem Störungsschätzer auf, wobei mittels dem Störungsschätzer die Lenkstörgröße basierend auf einer Information, die die am Fahrzeug angreifende Lateralkraft angibt, geschätzt wird. Damit ist es möglich, auf die Lenkung wirkende Störeinflüsse wie beispielsweise Seitenwind, Fahrbahnneigung, Fahrzeugmasse etc. auch bei der Ermittlung der geschätzten Lenkwinkelinformation durch das Lenkdynamikmodell zu berücksichtigen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel schätzt der Störungsschätzer die Lenkstörgröße mittels eines Kalman-Filters. Insbesondere nutzt der Störungsschätzer ein mathematisches Modell zur Schätzung der Lenkstörgröße und verwendet zusätzliche Messinformationen, die dem Kalman-Filter als Eingangsgrößen zur Verfügung gestellt werden (beispielsweise Fahrzeuggeschwindigkeitsänderungen, Lenkwinkelrate etc.) zur Korrektur der Schätzungen. Dadurch kann die Lenkstörgröße mit einer höheren Schätzgenauigkeit bestimmt werden.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel weist die Reglereinheit eine Funktionseinheit auf, mittels der eine aus der Lenkwinkelvorgabe und der modifizierten Lenkwinkelinformation resultierende Regelabweichung in eine Momenteninformation, d.h. Drehmomentinformationen, überführt wird. Die Funktionseinheit kann insbesondere ein Proportionalregelglied sein. Alternativ kann die Funktionseinheit auch ein PD-Regelglied oder einen anderen Regler, beispielsweise einen Kompensationsregler, einen Zustandsregler, oder einen nichtlinearen Regler, beispielsweise einen Sliding-Mode-Regler (Gleitmodusregler) aufweisen. Die Momenteninformation wird basierend auf der Lenkstörgröße oder einer davon abgeleiteten Information in eine störungskompensierte Momenteninformation überführt. D.h. die störungskompensierte Momenteninformation weist einen ersten Momentenanteil auf, der aus der Regelabweichung resultiert, und einen zweiten Momentenanteil, der aus der Lateralkraft-bedingten Lenkstörgröße resultiert. Dadurch kann der elektromechanischen Lenkung eine Lenkdrehmomentinformation bereitgestellt werden, die auch die an der Lenkung auftretenden Momente, die aus am Fahrzeug angreifenden Lateralkräften resultieren, berücksichtigen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel wird die störungskompensierte Momenteninformation mittels eines Begrenzers in die Lenkdrehmomentinformation umgesetzt, wobei die Lenkdrehmomentinformation an die elektromechanische Lenkung übertragen wird. Durch den Begrenzer kann beispielsweise die Amplitude und der Gradient der Lenkdrehmomentinformation begrenzt werden, so dass beispielsweise vorgegebene Sicherheitskriterien eingehalten werden können.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel wird als Lenkdynamikmodell ein mathematisches Modell verwendet, das keine Modellparameter zur Modellierung von externen Störeinfluss-Abhängigkeiten aufweist. Die externen Störeinflüsse werden ausschließlich durch die Lenkstörgröße berücksichtigt. Dadurch kann das mathematische Lenkdynamikmodell vereinfacht werden und eine umständliche Bestimmung von Modellparametern für die unterschiedlichen Lastfälle und Störgrößen kann vermieden werden.
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Gemäß einem weiteren Aspekt betrifft die Erfindung ein System zur Querregelung eines Fahrzeugs, das einen Lenkwinkelregler und eine elektromechanische Lenkung umfasst. In dem Lenkwinkelregler ist ein Lenkdynamikmodell der elektromechanischen Lenkung implementiert. Das Lenkdynamikmodell ist dazu ausgebildet, basierend auf einer Lenkdrehmomentinformation oder einer dazu proportionalen Größe eine geschätzte Lenkwinkelinformation bereitzustellen. Der Lenkwinkelregler ist dazu ausgebildet, basierend auf der geschätzten Lenkwinkelinformation und dem gemessenen Lenkwinkel der elektromechanischen Lenkung eine modifizierte Lenkwinkelinformation zu berechnen. Ferner ist der Lenkwinkelregler dazu ausgebildet, basierend auf der modifizierten Lenkwinkelinformation und einer Lenkwinkelvorgabe eine Regelabweichung zu berechnen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel des Systems ist das Lenkdynamikmodell dazu ausgebildet, basierend auf einer Lenkstörgröße, die aus einer am Fahrzeug anliegenden Lateralkraft resultiert, und der Lenkdrehmomentinformation oder einer dazu proportionalen Größe die geschätzte Lenkwinkelinformation zu berechnen. Dadurch ist es möglich, neben der Lenkdrehmomentinformation, die den Lenkwinkel des Lenksystems beeinflusst, zudem auch Momente, die aus am Fahrzeug angreifenden Lateralkräften resultieren, zur Bestimmung der geschätzten Lenkwinkelinformation zu verwenden.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel des Systems ist der Lenkwinkelregler dazu ausgebildet, basierend auf der geschätzten Lenkwinkelinformation und dem gemessenen Lenkwinkel der elektromechanischen Lenkung eine Modellabweichungsinformation zu berechnen, die Modellabweichungsinformation mittels einer Filtereinheit zu filtern und basierend auf der gefilterten Modellabweichungsinformation und der geschätzten Lenkwinkelinformation die modifizierte Lenkwinkelinformation zu erzeugen. Durch die Filtereinheit ist es möglich,
als weiteren Freiheitsgrad auf die Wirkung von Störungen, Modellierungsfehler und Messrauschen auf die Lenkwinkelregelung Einfluss zu nehmen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel des Systems weist die Filtereinheit, mittels der die Modellabweichungsinformation gefiltert wird, einen einstellbaren Verstärkungsfaktor auf, der abhängig von der Fahrsituation adaptiv einstellbar ist. Dadurch kann die stationäre Reglergenauigkeit dynamisch eingestellt werden, und zwar in Abhängigkeit von einem oder mehreren Parametern, die die aktuelle Fahrsituation angeben.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel des Systems weist der Lenkwinkelregler eine Reglereinheit mit einem Störungsschätzer auf, wobei der Störungsschätzer dazu ausgebildet ist, die Lenkstörgröße basierend auf einer Information, die die am Fahrzeug angreifende Lateralkraft angibt, zu schätzen. Damit ist es möglich, auf die Lenkung wirkende Störeinflüsse wie beispielsweise Seitenwind, Fahrbahnneigung, Fahrzeugmasse etc. auch bei der Ermittlung der geschätzten Lenkwinkelinformation durch das Lenkdynamikmodell zu berücksichtigen.
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Gemäß einem Ausführungsbeispiel des Systems weist der Störungsschätzer einen Kalman-Filter zur Schätzung der Lenkstörgröße auf. Insbesondere nutzt der Störungsschätzer ein mathematisches Modell zur Schätzung der Lenkstörgröße und verwendet zusätzliche Messinformationen, die dem Kalman-Filter als Eingangsgrößen zur Verfügung gestellt werden (beispielsweise Fahrzeuggeschwindigkeitsänderungen, Lenkwinkelrate etc.) zur Korrektur der Schätzungen. Dadurch kann die Lenkstörgröße mit einer höheren Schätzgenauigkeit bestimmt werden.
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Die Ausdrücke „näherungsweise“, „im Wesentlichen“ oder „etwa“ bedeuten im Sinne der Erfindung Abweichungen vom jeweils exakten Wert um +/- 10%, bevorzugt um +/- 5% und/oder Abweichungen in Form von für die Funktion unbedeutenden Änderungen.
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Weiterbildungen, Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten der Erfindung ergeben sich auch aus der nachfolgenden Beschreibung von Ausführungsbeispielen und aus den Figuren. Dabei sind alle beschriebenen und/oder bildlich dargestellten Merkmale für sich oder in beliebiger Kombination grundsätzlich Gegenstand der Erfindung, unabhängig von ihrer Zusammenfassung in den Ansprüchen oder deren Rückbeziehung. Auch wird der Inhalt der Ansprüche zu einem Bestandteil der Beschreibung gemacht.
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Die Erfindung wird im Folgenden anhand der Figuren an Ausführungsbeispielen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 beispielhaft eine schematische Darstellung eines Systems zur Querregelung eines Fahrzeugs, das eine elektromechanische Lenkung und einen Lenkwinkelregler aufweist; und
- 2 beispielhaft eine schematische Darstellung der Funktionseinheiten des Lenkwinkelreglers, der in dem System zur Querregelung eines Fahrzeugs gemäß 1 verwendet werden kann.
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1 zeigt beispielhaft und schematisch ein System 1 zur Lateral- bzw. Querregelung eines Fahrzeugs, das mit einer elektromechanischen Lenkung 3 und einem Lenkwinkelregler 2 zur Regelung des Lenksystems ausgerüstet ist.
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Wie in 1 ersichtlich, ist der Lenkwinkelregler 2 mit der elektromechanischen Lenkung 3 gekoppelt und stellt Lenkdrehmomentinformationen TM bereit. Diese Lenkdrehmomentinformationen TM werden von der elektromechanischen Lenkung 3 empfangen und ggf. von einer Steuereinheit weiterverarbeitet, um den elektrischen Lenkaktuator anzusteuern. Durch den elektrischen Lenkaktuator wird der Lenkwinkel der elektromechanischen Lenkung 3 verändert, wobei ein Lenkwinkelsensor eine gemessene Lenkwinkelinformation δc bereitstellt.
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Zur Erhöhung der Lenkdynamik weist der Lenkwinkelregler 2 eine Reglerarchitektur gemäß eines Smith Prädiktors auf. Der Lenkwinkelregler nutzt dabei ein die Regelstrecke beschreibendes Modell, d.h. ein Modell der elektromechanischen Lenkung 3, zur Vorhersage zukünftiger Regelgrößenverläufe, d.h. zur Vorhersage des Lenkwinkels der elektromechanischen Lenkung, um dadurch die systembedingten Latenzen der Lenkwinkelregelung zu verringern und damit die Dynamik und Präzision der Lenkwinkelregelung zu verbessern.
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Durch eine Reglereinheit 7 des Lenkwinkelreglers 2 wird die Lenkdrehmomentinformationen TM bereitgestellt. Die Lenkdrehmomentinformationen TM ist ein Maß für das Drehmoment, das der Lenkaktuator an dem Lenksystem des Fahrzeugs aufbringen soll.
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Diese Lenkdrehmomentinformationen TM werden an ein Lenkdynamikmodell 4 übermittelt, das die elektromechanische Lenkung modelliert. Das Lenkdynamikmodell 4 stellt basierend auf dieser Lenkdrehmomentinformationen TM eine geschätzte Lenkwinkelinformation bereit.
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Vorzugsweise wird durch die Reglereinheit 7 zudem eine Lenkstörgröße TL bereitgestellt. Die Lenkstörgröße TL gibt beispielsweise das Moment an, das an der Zahnstange des Lenksystems aufgrund von Lateralkräften, die auf die Räder des Fahrzeugs wirken, entstehen. Sofern die Reglereinheit 7 die Lenkstörgröße TL bereitstellt, wird auch diese Lenkstörgröße TL an das Lenkdynamikmodell 4 übertragen, um mittels des Lenkdynamikmodells 4 auch die Lenkwinkeleinflüsse nachbilden zu können, die durch am Fahrzeug, insbesondere am Reifen des Fahrzeugs angreifende Seitenkräfte entstehen.
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Das Lenkdynamikmodell 4 kann beispielsweise durch ein PT-Glied gebildet sein, beispielsweise ein PT-Glied zweiter Ordnung. Die Übertragungsfunktion des Lenkdynamikmodells 4 kann beispielsweise im Laplace-Bereich wie folgt angegeben werden:
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Dabei ist:
- δP: geschätzte Lenkwinkelinformation [grad];
- TM: Lenkdrehmomentinformation [Nm];
- TL: Lenkstörgröße aufgrund Lateralkräfte am Fahrzeug [Nm];
- K: Filter-Verstärkungsfaktor [grad/Nm];
- T: Filterzeitkonstante [s];
- D: Dämpfung.
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Die Modellparameter K, T und D sind fahrzeugspezifische Parameter und werden entweder durch Simulation oder Messungen ermittelt. Insbesondere sei angemerkt, dass die Modellparameter K, T und D nicht von externen Einflüssen (beispielsweise Fahrbahnbeschaffenheit, Seitenwind, Bordsteinkante abhängen. Damit kann das Modell sowohl für einen Fahrbahnzustand (z.B. trockene Fahrbahn), der zu einem hohen Kraftschlusskoeffizienten zwischen Fahrbahn und Reifen als auch für einen Fahrbahnzustand (z.B. vereiste Fahrbahn), der zu einem geringen Kraftschlusskoeffizienten zwischen Fahrbahn und Reifen führt, verwendet werden.
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Durch die Einbindung der Lenkstörgröße TL in das Lenkdynamikmodell 4 können auch externe, auf das Fahrzeug wirkende Störeinflüsse bei der Vorhersage bzw. Schätzung der Lenkwinkelinformation durch das Lenkdynamikmodell 4 berücksichtigt werden.
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Für den Fall, dass ein Lenkdynamikmodell 4 verwendet wird, das die Lenkstörgröße T
L nicht berücksichtigt, kann die Übertragungsfunktion des Lenkdynamikmodells 4 wie folgt lauten:
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Dabei ist:
- δP: geschätzte Lenkwinkelinformation [grad];
- TM: Lenkdrehmomentinformation [Nm];
- K: Filter-Verstärkungsfaktor [grad/Nm];
- T: Filterzeitkonstante [s];
- D: Dämpfung.
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Die von dem Lenkdynamikmodell 4 bereitgestellte geschätzte Lenkwinkelinformation wird anschließend an ein Verzögerungsglied 5 übertragen. Das Verzögerungsglied 5 implementiert die Verzögerung, die die elektromechanische Lenkung 3 aufweist, d.h. die zeitliche Verzögerung, die zwischen einer Änderung der Lenkdrehmomentinformation TM und einer Änderung des gemessenen Lenkwinkels vergeht (d.h. Latenzzeit des Lenksystems).
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Die Verzögerung kann im Laplace-Bereich wie folgt beschrieben werden:
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Dabei ist:
- δP: geschätzte Lenkwinkelinformation [grad];
- δDP: verzögerte geschätzte Lenkwinkelinformation [grad];
- τ: Verzögerungszeit [s].
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Die Verzögerung kann beispielsweise mittels einer Daisy-Chain realisiert sein.
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Das Verzögerungsglied 5 stellt an dessen Ausgang eine verzögerte geschätzte Lenkwinkelinformation δDP bereit. Diese verzögerte geschätzte Lenkwinkelinformation δDP wird zusammen mit der gemessenen Lenkwinkelinformation δC einem Subtraktionspunkt zugeführt, an dem die verzögerte geschätzte Lenkwinkelinformation δDP von der gemessenen Lenkwinkelinformation δC subtrahiert wird (δC - δDP). Durch diese Subtraktion wird eine Modellabweichungsinformation Dδ erhalten, die angibt, wie hoch der Fehler zwischen der gemessenen Lenkwinkelinformation δC und der modellbasiert bestimmten Lenkwinkelinformation δDP (hier der verzögerten geschätzten Lenkwinkelinformation) ist.
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Der Lenkwinkelregler 2 weist vorzugsweise eine Filtereinheit 6 auf. Diese Filtereinheit empfängt die Modellabweichungsinformation Dδ und stellt basierend darauf eine gefilterte Modellabweichungsinformation Fδ bereit.
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Die Filtereinheit 6 kann beispielsweise durch ein PT-Glied gebildet sein. Insbesondere kann die Filtereinheit 6 eine Übertragungsfunktion eines PT1-Gliedes aufweisen. Durch die Filtereinheit 6 ist es möglich, Störungen bzw. Messrauschen auszufiltern.
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Die Übertragungsfunktion der Filtereinheit 6 kann beispielsweise durch folgende Gleichung beschrieben sein:
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Dabei ist:
- Fδ: gefilterte Modellabweichungsinformation;
- Dδ: Modellabweichungsinformation;
- Kf: Filter-Verstärkungsfaktor;
- T: Filterzeitkonstante.
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Die stationäre Reglergenauigkeit kann durch die Wahl des Verstärkungsfaktors des Filters Kf angepasst werden. Dabei kann der Verstärkungsfaktor Kf Werte im Bereich zwischen 0 und 1 annehmen. Bei einem Wert von Kf=1 wird eine maximale stationäre Regelgenauigkeit erreicht. Bei einem Wert von Kf=0 wird eine geringe stationäre Regelgenauigkeit erreicht und der Regler arbeitet als reiner Feedforward-Regler.
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Wie in 1 ersichtlich, wird die gefilterte Modellabweichungsinformation Fδ an einen Summationspunkt übermittelt, an dem die Modellabweichungsinformation Fδ und die geschätzte Lenkwinkelinformation δP addiert werden. Durch diese Addition wird die modifizierte Lenkwinkelinformation δM erhalten. Diese modifizierte Lenkwinkelinformation δM wird anschließend als Rückführgröße an die Reglereinheit 7 übertragen. Insbesondere wird die modifizierte Lenkwinkelinformation δM von der Lenkwinkelvorgabe δR, die der Reglereinheit 7 als Eingangssignal bereitgestellt wird, subtrahiert, um dadurch die Regelabweichung δE zu bilden.
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2 zeigt beispielhaft und schematisch ein Blockschaltbild eines Ausführungsbeispiels der Regeleinheit 7. Wie zuvor ausgeführt, bildet die Regeleinheit 7 den Regler der Lenkwinkelregelung. Die Regeleinheit 7 empfängt hierbei mehrere Eingangsinformationen, beispielsweise die Lenkwinkelvorgabe δR und die Rückführgröße in Form der modifizierten Lenkwinkelinformation δM und stellt basierend darauf Ausgangsinformationen bereit, die zumindest die Lenkdrehmomentinformation TM oder eine dazu proportionale Größe (beispielsweise eine Stromstärkeninformation für den elektrischen Aktuator) umfasst. Vorzugsweise stellt die Regeleinheit 7 auch die Lenkstörgröße TL als geschätzte Größe bereit, die beispielsweise das aufgrund von an den Rädern wirkenden Lateralkräften an der Zahnstange des Lenksystems auftretende Moment angibt.
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Vorzugsweise empfängt die Regeleinheit 7 zudem eine Geschwindigkeitsinformation vego, die die Eigengeschwindigkeit des Fahrzeugs angibt. Damit kann die Lenkwinkelregelung bzw. die Schätzung der Lenkstörgröße TL in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit, insbesondere auch in Abhängigkeit der Änderung der Fahrzeuggeschwindigkeit (durch Beschleunigen oder Abbremsen) erfolgen.
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Wie in 2 ersichtlich, umfasst die Regeleinheit 7 vorzugsweise einen Störungsschätzer 7.1. Der Störungsschätzer 7.1 ist dazu ausgebildet, basierend auf Informationen zu einer am Fahrzeug, insbesondere an den Rädern des Fahrzeugs, anliegenden Lateralkraft FLat die Lenkstörgröße TL zu schätzen.
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Neben den Informationen zur Lateralkraft FLat empfängt der Störungsschätzer 7.1 vorzugsweise zudem Informationen zur Eigengeschwindigkeit des Fahrzeugs (Geschwindigkeitsinformation vego) und die modifizierte Lenkwinkelinformation δM, d.h. die rückgeführte Größe des Regelkreises. Zudem empfängt der Störungsschätzer 7.1 zudem eine verzögerte Lenkdrehmomentinformation TMd, die beispielsweise mittels eines Verzögerungsgliedes 7.4 aus der am Ausgang bereitgestellten Lenkdrehmomentinformation TM erhalten wird. Das Verzögerungsglied 7.4 kann beispielsweise eine Verzögerung um einen Zeittakt oder mehr bewirken. Durch die Nutzung der modifizierten Lenkwinkelinformation δM anstelle der vom Lenkwinkelsensor bereitgestellten gemessenen Lenkwinkelinformation δc kann die Verzögerung der Lenkdrehmomentinformation TM sehr stark reduziert werden (lediglich einen Takt anstelle der Gesamtlatenz des Lenksystems), da die modifizierte Lenkwinkelinformation δM aufgrund der modellbasierten Schätzung der Lenkwinkelinformation δP eine höhere Dynamik aufweist als die gemessene Lenkwinkelinformation δc, was zu einer verbesserten Dynamik und Präzision der Lenkwinkelregelung führt.
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Der Störungsschätzer 7.1 enthält vorzugsweise einen Kalman-Filter zur Schätzung der Lenkstörgröße TL. Durch Verwendung des Kalman-Filters kann die Lenkstörgröße TL zunächst mittels eines Modells prädiziert und diese Prädiktion basierend auf den als Eingangsgrößen empfangenen Messwerten korrigiert werden. Zudem ist es mittels des Kalman-Filters möglich, fahrsituationsabhängig den Einfluss des zugrundeliegenden mathematischen Modells bzw. der zur Korrektur verwendeten Messwerte auf die Schätzung der Lenkstörgröße TL fahrsituationsabhängig anzupassen. So ist es beispielsweise möglich, dass in Fahrsituationen, in denen bekanntermaßen das mathematische Modell zu größeren Präfiktionsfehlern neigt, beispielsweise bei Lenkbewegungen oder Geschwindigkeitsänderungen des Fahrzeugs, die zur Schätzung verwendeten Kovarianzmatrizen anzupassen, um die Schätzgenauigkeit zu verbessern.
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Die Regeleinheit 7 umfasst zudem eine Funktionseinheit 7.2, mittels der die Regelabweichung δE in eine Momenteninformation TP umgesetzt wird. Die Funktionseinheit 7.2 kann beispielsweise ein Proportionalregler sein, der aus der Regelabweichung δE mittels eines Übertragungsfaktors die Momenteninformation TP (d.h. Drehmomentwerte) berechnet. Die Funktionseinheit 7.2 kann vorzugsweise die Informationen zur Eigengeschwindigkeit des Fahrzeugs vego empfangen. Basierend auf dieser Fahrzeuggeschwindigkeitsinformation vego kann der Übertragungsfaktor angepasst werden. Vorzugsweise wird der Übertragungsfaktor geschwindigkeitsabhängig derart verändert, dass geschwindigkeitsabhängige Systemnichtlinearitäten kompensiert bzw. reduziert werden.
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Die von der Funktionseinheit 7.2 bereitgestellte Momenteninformation TP wird vorzugsweise an einen Summationspunkt übertragen. Der Summationspunkt addiert die Werte der Momenteninformation TP mit den werten einer modifizierten Lenkstörgröße TLC, um daraus die störungskompensierte Momenteninformation TP' zu erhalten.
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Die modifizierte Lenkstörgröße TLC wird basierend auf der Lenkstörgröße TL durch die Funktionseinheit 7.5 erhalten. Die Funktionseinheit 7.5 ist dazu ausgebildet, die Lenkstörgröße TL mit einem von der Fahrzeuggeschwindigkeitsinformation vego abhängigen Faktor zu multiplizieren, um eine anteilige, d.h. geschwindigkeitsabhängige Kompensation der Störgröße vorzunehmen.
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Die störungskompensierte Momenteninformation TP' wird anschließend vorzugsweise einem Begrenzer 7.3 zugeführt. Der Begrenzer 7.3 ist vorzugsweise dazu ausgebildet, die störungskompensierte Momenteninformation TP' in deren Amplitude und/oder im Gradienten zu beschränken. Diese Beschränkung erfolgt beispielsweise aus Sicherheitsgründen. Der Begrenzer 7.3 stellt vorzugsweise die Lenkdrehmomentinformation TM bereit, die anschließend an die elektromechanische Lenkung 3 übertragen wird.
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Die Erfindung wurde voranstehend an Ausführungsbeispielen beschrieben. Es versteht sich, dass zahlreiche Änderungen sowie Abwandlungen möglich sind, ohne dass dadurch der durch die Patentansprüche definierte Schutzbereich verlassen wird.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- System
- 2
- Lenkwinkelregler
- 3
- elektromechanische Lenkung
- 4
- Lenkdynamikmodell
- 5
- Verzögerungsglied
- 6
- Filtereinheit
- 7
- Reglereinheit
- 7.1
- Störungsschätzer
- 7.2
- Funktionseinheit
- 7.3
- Begrenzer
- 7.4
- Verzögerungsglied
- 7.5
- Funktionseinheit
- Dδ
- Modellabweichungsinformation
- δC
- gemessene Lenkwinkelinformation
- δDP
- verzögerte geschätzte Lenkwinkelinformation
- δE
- Regelabweichung
- δM
- modifizierte Lenkwinkelinformation
- δP
- geschätzte Lenkwinkelinformation
- δR
- Lenkwinkelvorgabe
- FLat
- Lateralkraft
- TL
- Lenkstörgröße
- TM
- Lenkdrehmomentinformation
- TP
- Momenteninformation
- Tp'
- störungskompensierte Momenteninformation
- vego
- Eigengeschwindigkeit des Fahrzeugs