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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung der Richtung eines einphasigen Erdschlusses in einem mehrphasigen kompensierten Energieversorgungsnetz sowie eine entsprechende Vorrichtung.
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Elektrische Energieversorgungsnetze, insbesondere Mittelspannungs- und Hochspannungsnetze, werden häufig nach der Art ihrer Sternpunktbehandlung unterschieden, wobei typischerweise die Art der Erdung am Einspeisepunkt betrachtet wird. Dabei werden drei Typen der Sternpunktbehandlung unterschieden, nämlich ein fest geerdeter Sternpunkt, bei dem der Sternpunkt unmittelbar mit dem Erdpotential verbunden ist, ein isolierter Sternpunkt, der keine galvanische Verbindung zu einem Bezugspotential aufweist, sowie kompensierte Netze, die auch gelöschte Netze genannt werden, deren Sternpunkt über eine Kompensationsdrossel mit dem Erdpotential verbunden ist.
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Fest geerdete Netze haben bei einem Erdschluss den Vorteil, dass der Ort des Erdschlusses in einfacher Weise ermittelt werden kann, da der Erdschlussstrom im Falle eines einphasigen Erdschlusses ein (Erd-)Kurzschlussstrom mit großer Amplitude ist. Daher werden Netze mit fester Erdung im Falle eines Erdschlusses typischerweise schnellstmöglich abgeschaltet. Im Unterschied dazu werden isolierte Netze im Falle eines einphasigen Erdschlusses nicht zwingend abgeschaltet, sodass die Verfügbarkeit höher ist. Der Ort des Erdschlusses kann bei isolierten Netzen beispielsweise mit dem varmettrischen sin(φ) Verfahren bestimmt werden. Jedoch fließen in großen Netzen, insbesondere in Netzen mit vielen Kabeln, sehr große kapazitive Ströme, die eine entsprechend große Schritt- und Berührspannung bewirken, sodass größere Netze in der Praxis nicht als isolierte Netze betrieben werden.
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In Europa werden elektrische Energieversorgungsnetze häufig als sogenannte gelöschte oder kompensierte Netze betrieben. Bei diesen Netzen ist der Sternpunkt, typischerweise der Sternpunkt an der Netzeinspeisestelle, über eine Kompensationsdrossel, die auch als Erdschlusslöschspule oder Petersenspule bezeichnet wird, mit dem Erdpotential verbunden. Typischerweise sind diese Netze dreiphasig und führen Spannungen von 1 kV bis 110 kV. Während des ungestörten symmetrischen Betriebs eines solchen Netzes, wenn also kein Erdschluss vorliegt, fließt kein Strom über die Kompensationsdrossel und der Sternpunkt des Netzes hat dann Erdpotential. Die Kompensationsdrossel hat dann keinen Einfluss auf das Netz. Erst im Fehlerfalle, beispielsweise bei einem einphasigen Erdschluss, kommt es zu einem Stromfluss durch die Kompensationsdrossel.
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Ein erheblicher Anteil aller Störungen in dreiphasigen Netzen ist auf Erdschlüsse zurückzuführen, beispielsweise durch Beschädigungen eines Kabels oder eine fehlerhafte oder beschädigte Isolation eines Leiters. Im Falle eines solchen einphasigen Erdschlusses entsteht in einem kompensierten Netz ein Stromkreis von dem erdschlussbehafteten Leiter über den Erdschluss zur Erde und weiter über die Kompensationsdrossel. Da derartige Energieversorgungsnetze typischerweise kapazitiv sind, aufgrund der Leiterkapazitäten, würde bei einem Erdschluss ein hoher kapazitiver Erdschlussstrom fließen. In einem kompensierten Netz bewirkt die Kompensationsdrossel jedoch, dass ein induktiver Strom über den Fehlerort fließt, welcher den kapazitiven Strom idealerweise vollständig kompensiert, sodass nur ein kleiner Wirkstrom über den Ort des Erdschlusses fließt. Die Induktivität der Kompensationsdrosselwird dazu so bemessen, dass deren Impedanz möglichst ähnlich zur Netzkapazität ist, sodass am Ort eines Erdschlusses nur ein kleiner Wirkstrom fließt und die Schritt- und Berührspannung klein sind. In der Praxis wird in der Regel ein leicht überkompensierter Betrieb gewählt (ca. 2 - 3 %), da bei exakter Abstimmung der Kompensationsspule zur Netzkapazität es zu Überspannungen kommen kann, wenn nämlich Kompensationsspule und Netzkapazität einen abgestimmten Schwingkreis bilden würden.
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Nachteilig ist bei kompensierten Netzen jedoch, dass im Falle eines Erdschlusses nur ein kleiner Strom fließt und damit die Ortung des Erdschlusses schwieriger ist. Dementsprechend besteht ein Bedarf an einem Verfahren zur Ermittlung des Ortes des Erdschlusses, sodass der Erdschluss schnellstmöglich behoben werden kann, wobei die Ermittlung des Ortes eines Erdschlusses typischerweise über die Ermittlung der Richtung zu einem Erdschluss ausgehend von einer Messstelle stattfindet.
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Für die Überwachung von Freileitungen werden häufig sogenannte Freileitungsanzeiger verwendet, die beispielsweise den Strom durch ein Leiterseil ermitteln, an welchem der jeweilige Freileitungsanzeiger hängt. Herkömmliche Verfahren zur Ermittlung der Richtung des Ortes eines Erdschlusses benötigen häufig eine Spannungsmessung. Die Möglichkeiten der Spannungsmessung eines Freileitungsanzeigers sind jedoch begrenzt, insbesondere können Störgrößen wie Feuchtigkeit die Messgenauigkeit beeinträchtigen. Bei der Verwendung von Freileitern zur Ermittlung eines Erdschlussortes ist die sogenannten Pulsortung bekannt, bei der ein elektrischer Puls in den Sternpunkt des Netzes eingespeist wird. Dieses Verfahren ist jedoch empfindlich gegenüber Oberschwingungen im Nullstrom, ist nur bei niederohmigen Fehlern und bei ausreichender Kompensation sicher einsetzbar und erfordert einen stationären Erdschluss mit einer Dauer von ca. dreißig Sekunden.
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Die
EP 1 443 336 A2 offenbart ein Verfahren zur Bestimmung eines erdschlussbehafteten Abzweigs, bei welchem die Nullstromintegrale für die Phasenströme ermittelt und unter Einbeziehung der Verlagerungsspannung ausgewertet werden.
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Aus der
DE 10 2020 114 018 A1 ist ein Verfahren zur Ermittlung der Richtung zu einem Erdschluss eines Leiters in einem kompensierten Energieversorgungsnetz bekannt, in welchem die Richtung zu dem Erdschluss mit Bezug auf die Richtung des ungestörten Stromflusses basierend auf der Polarität der Steigung der Spannung des erdschlussbehafteten Leiters vor dem Erdschluss, der Polarität des Gleichanteils des Nullstroms in einen Abschnitt des erdschlussbehafteten Leiters oder des Summenstroms der drei Leiter nach dem Erdschluss ermittelt wird. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist jedoch die Notwendigkeit, dass die Spannung beziehungsweise die Steigung des Spannungsverlaufs des erdschlussbehafteten Freileiters ermittelt werden muss, zumindest für einen Zeitpunkt kurz vor dem Eintritt des Erdschlusses. Dies ist insbesondere bei Freileitungsanzeigern nicht trivial. Insbesondere weist das in der
DE 10 2020 114 018 A1 beschriebene Verfahren den Nachteil auf, dass der Gleichanteil des Nullstroms zum Zeitpunkt bzw. um den Zeitpunkt eines positiven oder negativen Spannungsmaximums einer Phase sehr klein oder Null ist. Tatsächlich finden die meisten Erdschlüsse jedoch genau dann statt, wenn die Leiterspannung betragsmäßig groß ist. Damit besteht ein Bedarf eines verbesserten Verfahrens, welches insbesondere sensitiv für Erdschlüsse ist, die zum Zeitpunkt eines betragsmäßigen Spannungsmaximums stattfinden.
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Ein verbessertes Verfahren ist in Anspruch 1 definiert und mit einer entsprechenden Vorrichtung umsetzbar, wie nachfolgend anhand der Figuren beschrieben. Dabei zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung eines Strangs eines kompensierten Netzes mit einem einpoligen Erdschluss;
- 2 ein Ablaufdiagramm eines Verfahrens zur Ermittlung der Richtung zu dem Erdschluss vom Ort der Messung in einer Strangnetztopologie;
- 3a-3c schematische Darstellungen (a) des Nullstroms, (b) der Nullladung qo, sowie (c) des Nullintegrals qint in einem Zeitintervall von 1 Sekunde nach Erdschluss;
- 4 ein Ablaufdiagramm eines Verfahrens zur Ermittlung der Richtung zu dem Erdschluss vom Ort der Messung in einer Ringnetztopologie.
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1 zeigt eine schematische Darstellung eines Strangnetzes 100, welches hier drei Phasen mit den entsprechenden Leitern 110a, 110b und 110c umfasst. Die Leitungsinduktivitäten der Leiter 110a-110c sind durch die Induktivitäten 130a-130c dargestellt Die Leitungskapazitäten sind durch die Kapazitäten CE 140a-140b dargestellt.
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Zur Versorgung einer Last 160 wird das Strangnetz 100 über die drei Quellen 120a-120c gespeist; diese können in einer Ausführungsform Transformatoren sein.
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Der Sternpunkt N 100a des Netzes ist über eine Kompensationsdrossel 150 mit dem Erdpotenzial verbunden. Während des normalen ungestörten Betriebs ist das Netz 100 ein kompensiertes Netz ist, d.h. der Sternpunkt N 100a des Strangnetzes 100 ist über die Kompensationsdrossel 150 mit dem Erdpotential verbunden, wobei im normalen Betrieb des Strangnetzes 100 wg. der symmetrischen Last kein Strom über die Kompensationsdrossel 150 fließt und die Kompensationsdrossel 150 im Netz keine Wirkung hat.
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Jedem Leiterseil 110 ist mindestens ein Freileitungsanzeiger 190 zugeordnet, auch Erdschlussanzeiger genannt. Ein solcher Freileitungs- oder Erdschlussanzeiger 190, nachfolgend Erdschlussanzeiger genannt, ist an oder in der Nähe des jeweils zugeordneten Leiterseils 110 angeordnet. In einer Ausführungsform ist ein Erdschlussanzeiger 190 eine vergleichsweise kleine elektrische Vorrichtung, die im Falle einer Freileitung in einem kleinen Gehäuse an einem Leiterseil der Freileitung hängt. Ein Erdschlussanzeiger 190 ist hier dazu eingerichtet und vorgesehen, den Strom durch das jeweils zugeordnete Leiterseil 110 zu ermitteln. Vorzugsweise ermittelt ein Erdschlussanzeiger 190 den Strom durch das Leiterseil 110 durch periodisches Abtasten der Stromamplitude, wobei der Abtastzeitpunkt zu jedem Abtastwert miterfasst wird. Weiterhin ist jeder Erdschlussanzeiger 190 dazu eingerichtet, die ermittelten Wertepaare von Strom und Abtastzeitpunkt an eine weitere Stelle, beispielsweise eine zentrale Stelle zur Weiterverarbeitung mehrerer Strom/Abtastzeitpaare, zu kommunizieren. Für das Kommunizieren der Werte umfasst ein jeweiliger Erdschlussanzeiger 190 eine entsprechende Einrichtung, welche dazu eingerichtet und vorgesehen ist, über einen drahtgebundenen oder drahtlosen Kommunikationskanal zu kommunizieren. In 1 ist diese Kommunikation durch die Wellensymbole visualisiert. Die zentrale Stelle zur Weiterverarbeitung umfasst typischerweise eine Vorrichtung zur Verarbeitung der von den Erdschlussanzeigern 190 übertragenen Informationen und zur Durchführung des nachfolgend beschriebenen Verfahrens zur Ermittlung der Richtung zu dem Erdschluss.
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Im ungestörten Normalbetrieb des Netzes 100 fließt durch jeden der Leiter 110a bis 110c ein Strom von der jeweiligen Quelle 120a bis 120c in Richtung der Last 160, siehe Pfeile im Leiter 110a. Diese Richtung des Stromflusses, also in Richtung der Last, sei hier als Vorwärtsrichtung definiert. Dementsprechend fließt ein jeweiliger Leiterstrom am Orte eines Erdschlussanzeigers 190 in Vorwärtsrichtung, d.h. in Richtung der Last 160.
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Im Falle eines einpoligen Erdschlusses ist einer der Leiter über eine Erdschlussimpedanz RF 170 mit dem Erdpotential verbunden. Typischerweise wird diese Erdschlussimpedanz einen großen Stromfluss von dem erdschlussbehafteten Leiter, hier 110a, zu dem Erdpotential ermöglichen. Dies führt dazu, dass in dem erdschlussbehafteten Leiter 110a der Strom von der Quelle 120a in Richtung des Erdschlusses fließt und über die Erdschlussimpedanz 170 und weiter über die Erde und die Kompensationsdrossel 150 der Strom zurück fließt. Am Orte des Erdschlussanzeigers 190a fließt der Strom dann in Vorwärtsrichtung. An einem Erdschlussanzeiger 190d, der an dem erdschlussbehafteten Leiter 110a zwischen dem Ort des Erdschlusses und der Last 160 angeordnet wäre, würde der dort fließende Strom keinen Gleichanteil aufweisen.
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2 zeigt ein Ablaufdiagramm des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Ermitteln des Ortes eines einpoligen bzw. einphasigen Erdschlusses für eine Strangnetztopologie.
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Im ungestörten Betrieb des Stangnetzes 100, wenn also kein Erdschluss eines Leiters des Netzes vorliegt, wird das Netz als kompensiertes Netz betrieben.
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Während des normalen Betriebs des Netzes wird in einem ersten Schritt 210 mit an sich bekannten Mitteln ermittelt, ob ein Erdschluss eines Leiters vorliegt und gegebenenfalls welcher der Leiter den Erdschluss aufweist. Dabei ist hier vorausgesetzt, dass nur einer der Leiter einen Erdschluss aufweist. In einer Ausführungsform können zum Zwecke der Überwachung die Spannung und der Strom durch die Leiter 110a bis 110c fortlaufend gemessen und überwacht werden. Denn im Falle eines Erdschlusses eines Leiters 110a-110c steigt der Strom durch den erdschlussbehafteten Leiter und durch die Kompensationsdrossel 150 stark an, wobei gleichzeitig die Spannung des erdschlussbehafteten Leiters stark abfällt. Durch Ermitteln des Stroms durch die Leiter und/oder durch die Kompensationsdrossel sowie durch Ermitteln der Spannung des Leiters, kann in einfacher Weise ermittelt werden, ob und gegebenenfalls welcher Leiter einen Erdschluss aufweist.
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Das Verfahren 200 beginnt mit dem Feststellen eines Erdschlusses eines Leiters, siehe Schritt 210. Dies kann in einer Ausführungsform durch Messen des Stroms durch die Kompensationsdrossel 150 und fortlaufendes Messen der Leiterspannungen in herkömmlicher Weise stattfinden.
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Anschließend wird ermittelt, siehe Schritt 220, welcher der drei Leiter erdschlussbehaftet ist. Dies kann in einfacher und an sich bekannter Weise durch Messen der Leiterseilspannung durchgeführt werden, denn die Spannung des erdschlussbehafteten Leiters fällt im Falle eines Erdschlusses von der Nennspannung stark ab. Damit ist bekannt, dass und in welchem Leiter ein einpoliger Erdschluss vorliegt.
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Zur Ermittlung der Richtung bezogen auf den Ort der Messung und den Lastfluss kann basierend auf dem Nullstrom mit den nachfolgenden Schritten die Richtung zu dem Erdschluss ermittelt werden. Der Nullstrom kann dazu insbesondere in einem Freileiternetz basierend auf den Leiterseilströmen ermittelt werden. Dazu werden die Leiterseilströme vektoriell addiert, sodass sich der Summenstrom ergibt, der den gleichen Verlauf wie der Nullstrom hat und lediglich um den Faktor 3 größer als der Nullstrom ist. Bei Kabelnetzen kann der Nullstrom direkt über den PE- oder Erdrückleiter gemessen werden.
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Nachdem der erdschlussbehaftete Leiter ermittelt ist, wird durch eine erste Integration des Nullstroms über die Zeit zunächst die Nullladung qo ermittelt. Anschließend wird durch Integration der Nullladung qo über die Zeit das hier sogenannte Nullladungsintegral qint ermittelt.
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Da die Einschwingvorgänge im Falle eines einpoligen Erdschlusses typischerweise nach ca. 1 Sekunde abgeklungen sind, ist der Beginn des Erdschlusses die untere Grenze für die beiden Integrationen. Die obere zeitliche Grenze ist das Ende der Einschwingvorgänge.
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Das Nullladungsintegral ist damit
wobei i
0(t) der Nullstrom ist und i
1(t) und i
2(t) und i
3(t) die Ströme durch die Leiter a, b und c sind.
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3 zeigt in schematischer Darstellung den zeitlichen Verlauf des Nullstroms i0(t) nach einem Erdschluss sowie die Nullladung qo und die Kurve des Nullintegrals qint jeweils für einen Zeitraum von 1 Sekunde ab dem Zeitpunkt des Erdschlusses für den Fall, dass der Erdschluss während der positiven, also ansteigenden Flanke der Phasenspannung, auftritt.
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3a zeigt schematisch den Verlauf 310 des Nullstroms I0 mit einem fehlerbehafteten, d.h. einem erdschlussbehafteten Pfad. Der Nullstrom I0 ist dabei eine Überlagerung eines Gleichanteils mit einer Schwingung entsprechend der Netzfrequenz, hier 50 Hz. Ausgehend von einem Maximum, hier exemplarisch mit I0 = 2 A des Gleichanteils zum Zeitpunkt des Erdschlusses t = 0, klingt der Gleichanteil Nullstrom asymptotisch gegen Null ab, sodass am Ende des Ausschwingvorgangs, d.h. in der schematischen Darstellung bei ca. t = 0,8 Sekunden, der Nullstrom um einen Mittelwert von 0 eingeschwungen ist.
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In dem erdschlussbehafteten Leiter kommt es im fehlerhaften Pfad, abhängig vom Zeitpunkt des Eintritts des Erdschlusses, zu einem abklingenden Gleichanteil. Dabei fließt der Gleichanteil von der Quelle 120a bis zu dem Ort des Erdschlusses 170 und von dort über die Erde und die Kompensationsdrossel LP 150. Dabei ist der Gleichanteil immer größer Null, falls der Erdschluss in der positiven, also ansteigenden Flanke der Phasenspannung, eintritt. Der Wert des Integrals über diesen Gleichanteil ergibt eine stetig steigende Funktion, die sich asymptotisch einem Endwert nähert, siehe nachfolgend 3b. Analog zu einem Erdschluss während der positiven Flanke der Phasenspannung ist der Gleichanteil bei einem Erdschluss während der negativen, also fallenden Flanke der Phasenspannung, kleiner Null, und der Wert des Integrals wäre dementsprechend kleiner Null. Die weitere Beschreibung bezieht sich auf den Fall eines Erdschlusses während einer positiven Flanke der Phasenspannung. Den in 3 gezeigten Kurven liegt ein Erdschluss während der positiven Flanke der Phasenspannung zugrunde.
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3b zeigt den zeitlichen Verlauf 320 der Ladung qo in demselben Zeitraum an. Beginnend mit einem Startwert q0 = 0 zum Zeitpunkt t = 0 steigt die Nullladung asymptotisch gegen einen Grenzwert an, solange der Gleichanteil des Nullstroms I0 größer als Null ist. Im eingeschwungenen Zustand, also ab ca. t = 0,8 Sekunden, bleibt der Wert der Nullladung konstant, hier bei einem beispielhaften Wert von ca. q0 = 2200 C.
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Der Verlauf 330 des Integrals über die Nullladung q0(t) ist in 3c) gezeigt. Der Wert des Nullladungsintegrals qint(t) steigt stetig beginnend ab einem Wert von qint(t = t0) = 0.
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Im Unterschied zu einem erdschlussbehafteten Pfad führt die zweifache Integration des Nullstroms eines erdschlussfreien Pfades zu einer oszillierenden Schwingung mit sehr geringer Amplitude, die in 3 nicht dargestellt ist. Denn der Nullstrom in einem gesunden, also nicht erdschlussbehafteten Pfad, weist keinen Gleichanteil auf. Ebenso weist ein Strom, der in dem erdschlussbehafteten Leiter 110a von der Quelle 120a aus gesehen hinter dem Ort des Erdschlusses angeordnet ist, zum Beispiel am Ort des Erdschlussanzeigers 190d, keinen Gleichanteil auf, da dieser Abschnitt nicht zu dem vom Erdschlussstrom durchflossenen Pfad gehört.
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Im nächsten Schritt des Verfahrens, siehe Schritt 240 in 2, wird geprüft, ob der Wert des Nullladungsintegrals kleiner als ein vordefinierter Schwellwert ε ist. Da der Gleichanteil des Nullstroms nur in dem erdschlussbehafteten Pfad fließt, also von der Quelle 120 über die Leitungsinduktivität 130a, weiter über den Erdschlussanzeiger 190a bis zu dem Fehlerort von dort über die Erdschlussimpedanz, die Erde und die Kompensationsdrossel 150 zurück zur Quelle 120a, übersteigt der Wert des Nullladungsintegrals nur hier den vordefinierten Schwellwert ε. Ein Nullladungsintegral mit einem Nullstrom, der basierend auf den drei von den in 1 eingezeichneten Kurzschlussanzeigern 190a, 190b und 190c ermittelten Strömen ermittelt wurde, hätte den in 3 gezeigten Verlauf, da der Erdschlussanzeiger 190a in dem erdschlussbehafteten Leiter 110a in dem erdschlussbehafteten Pfad angeordnet ist.
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Ein Nullladungsintegral basierend auf einem Nullstrom, der als Summenstrom der von den Erdschlussanzeigern 190b, 190c und 190d ermittelt wird, liefert einen Wert kleiner als der Grenzwert, da dieser Summenstrom keinen Gleichanteil aufweist.
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Für ein Strangnetz kann damit basierend auf den von den Erdschlussanzeigern 190 ermittelten und an eine Zentrale Verarbeitungsstelle gelieferten Stromwerten jeweils ein Nullstrom ermittelt werden. Für den Ort eines Erdschlussanzeigers, der an einem erdschlussbehafteten Leiter angeordnet ist, kann damit ermittelt werden, ob der Ort des Erdschlusses in Vorwärtsrichtung, also in Richtung der Last 160, liegt. Dies ist der Fall, falls der Betragswert des Nullladungsintegrals größer als der vordefinierte Schwellwert ε ist. Anderenfalls, wenn also der Betrag des Nullladungsintegrals kleiner als der Schwellwert ist, ist der Erdschlussanzeiger in dem erdschlussbehafteten Leiter hinter dem Ort des Erdschlusses, siehe 190d, platziert.
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Für ein Strangnetz kann damit der Ort eines Erdschlusses durch Bilden des Nullladungsintegrals und den Vergleich des Betrags mit einem vordefinierten Schwellwert auf einen Bereich zwischen zwei benachbarten Erdschlussanzeigern eingegrenzt werden.
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Für Strangnetztopologien kann das Verfahren optional den Schritt des Quadrierens des Werts des Nullladungsintegrals aufweisen, wobei das Quadrieren den Schritt der Betragsbildung ersetzen kann. Zwar geht dabei die Polarität des Werts des Nullladungsintegrals verloren, jedoch wird diese Information für Strangnetztopologien nicht benötigt, da das Überschreiten des Schwellwerts gleichzeitig der Hinweis darauf ist, dass der Ort des Erdschlusses gesehen von dem stromermittelnden Erdschlussanzeiger in Vorwärtsrichtung liegt. Netzwerksimulationen haben gezeigt, dass in nicht erdschlussbehafteten Pfaden der Wert des quadrierten Nullladungsintegrals primärseitig in der Größenordnung von 10-3 Cs (Cs = Coulomb Sekunde) bis 10-5 Cs liegt, wohingegen in erdschlussbehafteten Pfaden der Wert des quadrierten Nullladungsintegrals zwischen 10-1 Cs bis 10 Cs liegt. Die Unterscheidung zwischen einem erdschlussbehafteten Pfad und einem fehlerfreien Pfad wird damit vereinfacht. Gleichzeitig wird die Robustheit gesteigert.
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Für Ringnetztopologien kann die Richtung zu dem Erdschluss nicht allein aufgrund des Überschreitens des Schwellwerts ermittelt werden, da das Überschreiten des Schwellwerts lediglich angibt, dass der Erdschlussanzeiger, welcher für den erdschlussbehafteten Pfad den in den Nullstrom eingehenden Strom geliefert hat, in dem erdschlussbehafteten Pfad angeordnet ist. Die Richtung zu dem Ort des Erdschlusses kann bei Ringnetztopologien jedoch durch zusätzliche Auswertung der Polarität der Steigung der Spannung in dem erdschlussbehafteten Leiter ermittelt werden. Ein entsprechendes Verfahren zur Ermittlung der Richtung zu einem Erdschluss in einer Ringnetztopologie ist in 4 gezeigt.
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Das für eine Ringnetztopologie geeignete Verfahren 400 beginnt mit den gleichen Schritten wie das oben beschriebene Verfahren für eine Strangnetztopologie. Nachdem in einem ersten Schritt 410 das Vorliegen eines Erdschlusses festgestellt wurde, wird anschließend oder gleichzeitig ermittelt, welcher der drei Leiter den Erdschluss aufweist, siehe Schritt 420. Anschließend wird der Wert des Nullladungsintegrals qint berechnet, Schritt 430. Falls der Betrag |qint| größer als ein vordefinierter Grenzwert ε ist, so liegt die Messstelle in dem erdschlussbehafteten Abschnitt, siehe Schritt 450. Anderenfalls liegen alle Messstellen, welche einen Anteil des Nullstroms gemessen haben, in einem erdschlussfreien Netzabschnitt.
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In einer Ringnetztopologie liegt der Ort des Erdschlusses in Vorwärtsrichtung, d.h. vom Ort des Erdschlussanzeigers in Richtung Last, falls der Wert des Nullladungsintegrals qint dieselbe Polarität, d.h. dasselbe Vorzeichen, wie die Polarität der Steigung der Spannung des erdschlussbehafteten Leiters zum Zeitpunkt des Erdschlusses hat. Um dies zu ermitteln, werden das Vorzeichen des Nullladungsintegrals qint und die Polarität der Steigung der Spannung des erdschlussbehafteten Leiters verglichen, siehe Schritt 460. Das Netz weist dementsprechend Einrichtungen zum Ermitteln der Polarität der Steigung der Spannung der erdschlussbehafteten Phase zum Zeitpunkt des Erdschlusses bzw. unmittelbar vorher auf. Sind die Polarität der Steigung der Spannung und das Vorzeichen des Nullladungsintegrals gleich, so liegt der Ort des Erdschlusses vom Ort des Erdschlussanzeigers aus betrachtet in Vorwärtsrichtung, also in Richtung der Last, siehe Schritt 470. Anderenfalls, wenn der Wert des Nullladungsintegrals anders als die Polarität der Steigung der Spannung des erdschlussbehafteten Leiters zum Zeitpunkt des Erdschlusses ist, so liegt der Ort des Erdschlusses vom Ort des Erdschlussanzeigers in Rückwärtsrichtung, also in Richtung der Quelle 120a, siehe Schritt 480.
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Basierend auf dem Wert des Nullladungsintegrals kann damit sowohl für eine Strangnetztopologie als auch für eine Ringnetztopologie der Ort des einphasigen Erdschlusses eingegrenzt werden, bzw. kann die Richtung zu dem Erdschluss ermittelt werden, betrachtet von einem der erdschlussbehafteten Phase zugeordneten Erdschlussanzeiger.
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Das Verfahren eignet sich insbesondere für Freileitungsnetze, in welchen Freileitungsanzeiger eingesetzt werden. Diese sind typischerweise dafür vorgesehen und eingerichtet, den Strom in einem zugeordneten Leiterseil, nicht aber dessen Spannung gegenüber beispielsweise dem Erdpotential zu ermitteln. Da die Spannung eines erdschlussbehafteten Leiterseils jedoch nicht in das obige Verfahren eingeht, eignet sich das Verfahren insbesondere für entsprechend eingerichtete Freileitungsnetze mit Freileitungsanzeigern.
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Das Verfahren kann jedoch auch in Ortsnetzstation oder Umspannwerken angewendet werden. Dort ist die Ermittlung genauer Strom- und Spannungswerte zwar einfacher möglich, jedoch kann das erfindungsgemäße Verfahren auch hier verwendet werden.
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Bezugszeichenliste
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- 100
- Strangnetz
- 110
- Leiter der drei Phasen a, b, c, des Strangnetzes 100
- 120
- Quellen, Transformatoren
- 130
- Leitungsinduktivität eines jeweiligen Leiters einer Phase a, b, c
- 140
- Leitungskapazität eines jeweiligen Leiters einer Phase a, b, c
- 150
- Kompensationsdrossel
- 170
- Erdschlussimpedanz RF
- 180
- Sternpunkt
- 190
- Freileitungsanzeiger, Erdschlussanzeiger
- 200
- Verfahren zum Ermitteln einer Erdschlussrichtung in einer Strangnetztopologie
- 210, 410
- Ermitteln des erdschlussbehafteten Leiters
- 220, 420
- Ermitteln des Werts des Nullladungsintegrals
- 230, 430
- Berechnen des Werts des Nullladungsintegrals
- 240, 440
- Vergleich des Betrags des Nullladungsintegrals
- 250
- Feststellen, dass Netzabschnitt erdschlussbehaftet, Erdschluss in Vorwärtsrichtung
- 310
- Stromfluss in erdschlussbehaftetem Pfad
- 320
- Verlauf der Nullladung qo
- 330
- Verlauf des Nullladungsintegrals
- 400
- Verfahren zum Ermitteln einer Erdschlussrichtung bei Ringnetztopologie
- 450
- Feststellen, dass Netzabschnitt erdschlussbehaftet
- 460
- Vergleich der Polarität der Steigung der Leiterspannung mit Vorzeichen des Nullladungsintegrals
- 470
- Feststellen der Erdschlussrichtung in Richtung Last
- 480
- Feststellen der Erdschlussrichtung in Richtung Quelle