-
GEBIET DER ERFINDUNG
-
Die Erfindung befindet sich auf dem Gebiet der Möbelherstellung und betrifft ein Sensorsystem zur intelligenten Erfassung von Bewegungsdaten im Zusammenhang mit Sitzmöbeln, speziell Bürodrehstühlen.
-
STAND DER TECHNIK
-
Bewegung ist Leben. Wer sich richtig bewegt, mindert das Erkrankungsrisiko. Das gilt vor allem bei der Arbeit im Büro. Bestätigt wird dies u. a. im Gesundheitsreport der Deutschen Krankenversicherung 2016, der eine grundlegende Veränderung des Bewegungsverhaltens am Arbeitsplatz empfiehlt. Ausreichende Bewegung ist für die Experten der DKV und für Orthopäden der wichtigste Gesundfaktor im Büroalltag.
-
Immer mehr Menschen- junge wie ältere - verbringen maßgebliche Zeit am Computer und müssen dabei mit Schreibtischen und Drehstühlen vorlieb nehmen, die längst nicht alle nach ergonomischen Überlegungen geformt sind. Doch auch höhenverstellbare Schreibtische und Bürostühle, die Bewegungen in alle drei Raumrichtungen zulassen, können Haltungsfehlern und in der Folge deren Behandlung durch Orthopäden und Physiotherapeuten nicht verhindern, wenn das Individuum von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch macht. Dabei entspricht es der Alltagserfahrung, dass viel zu lange am Schreibtisch gesessen wird, ohne einmal aufzustehen und sich ein wenig zu bewegen. Gerade bei Routinearbeit am Computer kommt hinzu, dass man dabei auch noch in einer starren Stellung verharrt und man sich anschließend wundert, wo die Rückenbeschwerden denn nun so plötzlich herkommen.
-
Der Schlüssel zur Lösung dieses Problems liegt darin, das Individuum in geeigneter Weise darauf aufmerksam zu machen, wenn es an der Zeit ist, mal ein paar Schritte zu gehen oder den Schreibtisch hochzufahren und die nächste halbe Stunde im Stehen zu arbeiten. Die Lebenserfahrung bestätigt nämlich, dass ein entsprechender externer Warnhinweis - sei es optisch, akustisch oder beispielsweise auch als Vibrationsalarm - viel eher dazu führt, sein aktuelles Verhalten auch tatsächlich zu verändern, als sich auf die bloße „Einsicht in das was sinnvoll und erforderlich ist“ zu verlassen.
-
Relevanter Stand der Technik
-
Bisher ist das Bewegungsverhalten von Menschen im Büro, speziell beim Sitzen auf Bürostühlen, weder gemessen noch systematisch erforscht worden; demzufolge konnten auch noch keine exakten Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.
-
Gegenstand der
WO 2016 167661 A1 (SR MOTION) ist eine Kombination zur Erfassung und Verbesserung des Sitzverhaltens einer Person, wobei die Kombination umfasst: - einen Stuhl mit einem Sitz und einer gegenüber dem Sitz neigbaren Rückenlehne; - mindestens einen auf dem Stuhl angeordneten ersten Bewegungssensor zum Messen des Winkels der Rückenlehne relativ zu dem Sitz; - ein Server zum Sammeln und Verarbeiten der Messungen des ersten Bewegungssensors; - ein Netzwerk zum Verbinden des mindestens einen Sensors mit dem Server; und - ein Client-Gerät, das über das Netzwerk mit dem Server verbunden ist, um Daten zu empfangen, die von dem Server verarbeitet werden, insbesondere Daten, um das Sitzungsverhalten zu verbessern. Die Erfindung betrifft ferner ein Verfahren zur Verbesserung des Sitzverhaltens einer Person. Hierbei werden jedoch nur Informationen zum Sitzwinkel gesammelt, was für die ergonomische Bewertung der Gesamtsituation bei weitem nicht ausreichend ist.
-
Aus der
US 2017 2966099 A A (BOEING) ist ein Verfahren zur Bewertung der Ergonomie eines menschlichen Benutzers in einer Umgebung bekannt. Das Verfahren umfasst das Erzeugen eines visuellen Skelettsignals unter Verwendung eines visuellen Sensors sowie ferner das Bestimmen einer ersten Körperhaltungsprobe basierend auf dem Skelettsignal unter Verwendung einer elektronischen Steuerung. Die Haltungsstichprobe umfasst Skelett-Information einschließlich einer oder beider Gelenkinformationen und Positionierungsinformationen. Das Verfahren steht nicht im Zusammenhang mit der Haltung eines Individuums auf einem Stuhl.
-
Aufgabe der Erfindung
-
Eine erste Aufgabe der vorliegenden Erfindung hat daher darin bestanden, ein System zu entwickeln, welches Bewegungen und Drehungen eines Individuums, das auf einem Sitzmöbel Platz genommen hat, zu erfassen und diesem eine Rückmeldung zu geben, wenn innerhalb einer definierten Zeiteinheit die Zahl dieser sogenannten „moves“ einen vorgegebenen Sollwert unterschreitet. Ziel ist es, das Individuum auf ein ungünstiges ergonomisches Verhalten aufmerksam zu machen und dazu zu bewegen, die Sitzhaltung zu verändern oder einmal aufzustehen und sich zu bewegen.
-
Eine zweite Aufgabe ist darin zu sehen, Daten zum ergonomischen Verhalten, speziell zum Bewegungsverhalten beim Sitzen am Schreibtisch, systematisch, nachvollziehbar und über einen längeren Zeitraum zu sammeln, um auf diese Weise ein individuelles Bewegungsprofil erstellen und auf dieser Basis Empfehlungen für eine Verbesserung der Haltung geben und damit orthopädischen Fehlstellungen vorbeugen zu können.
-
Eine dritte Aufgabe hat ferner darin bestanden, mit Hilfe des Sensors weitere für die Arbeit in geschlossenen Räumen wichtigen Parametern, wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Lautstärke zu erfassen und auch hier beim Überschreiten von Sollwerten eine Warnfunktion auszulösen.
-
BESCHREIBUNG DER ERFINDUNG
-
Ein erster Gegenstand der Erfindung betrifft ein Sensorsystem für interaktive Büroergonomie, enthaltend einen Beschleunigungssensor zur Erkennung von Bewegungen eines Individuums, das auf einem Sitzmöbel Platz genommen hat, welches mit besagtem Sensor in Verbindung steht, durch Bestimmung von Beschleunigungsmesswerten in allen drei Raumrichtungen.
-
Überraschenderweise wurde gefunden, dass ein Sensorsystem wie oben beschrieben, das vorzugsweise direkt am Sitzmöbel - vorzugsweise einem Bürodrehstuhl - angebracht ist, die Aufgaben voll umfänglich erfüllt. Durch Erfassen und Zählen der Bewegungen und Drehungen („moves“) sowie deren Intensität wird das individuelle Bewegungsprofil erfasst und gegen einen Sollwert abgeglichen. Werden pro Zeiteinheit zu wenige „moves“ durchgeführt, gibt es einen konkreten Warnhinweis, beispielsweise optisch, akustisch oder durch Vibration. Die Kommunikation zwischen dem Sensor und dem Warngeber erfolgt dabei via Bluetooth, beispielsweise über die App eines Smartphones oder alternativ auch einfach durch Einschalten einer Leuchtvorrichtung, bei der die LEDs zu blinken beginnen und empfehlen: „steh auf und geh mal ein paar Schritte“. Das System sammelt die Daten und kann auch autark ohne Smart-Device betrieben werden.
-
Der Bewegungssensor reagiert derart sensibel, dass es für einen Menschen nahezu unmöglich ist den Stuhl zu benutzen ohne Beschleunigung oder andere Werte zu erzeugen. Auch zur sicheren Bewegungserkennung und Funktion ist ein weiterer Sensor (Gyro-Sensor) verbaut. Die Anwesenheitserkennung läuft also auch über Bewegungsdaten, die allerdings nicht in die Auswertung der Ergonomie einfließen, da sie zu gering sind.
-
Die Vorrichtung gleicht somit einem Schrittzähler der gehobenen Kategorie, erfüllt jedoch weit umfangreichere Funktionen und ist weitaus komfortabler, da sie nicht am Körper getragen wird: Der Sensor kümmert sich ständig um die Bewegungsintensität, ohne dass die sitzende Person etwas davon wahrnimmt oder etwas tun müsste. Der Anwender sitzt wie gewohnt und erhält doch zum Zeitpunkt einer möglichen körperlichen Beeinträchtigung den auf ihn zugeschnittenen Gesundheitstipp - und zwar lange bevor sich der Körper meldet (dem diese präventive Sensorik fehlt). Der Anwender erfährt, was ihm hilft, und kann sich gezielt danach verhalten. Die vorliegende Erfindung trägt also dazu bei, aktiv und gesund zu bleiben, ergonomisch richtig zu sitzen, ohne Anstrengung und ohne Umgewöhnung. Dabei ist der Sensor so individuell einstellbar, dass die Hilfe zum richtigen Zeitpunkt kommt und nicht etwa übervorsorglich.
-
Zusätzlich erfüllt die erfindungsgemäße Vorrichtung auch die weiteren Teilaufgaben: Diese betreffen das unmittelbare Wohlbefinden, indem die Sensorik die Umgebungsbedingungen Temperatur, Luftfeuchte und Lautstärke am Arbeitsplatz überwacht. In einer bevorzugten Ausführungsform informiert der Sensor zusätzlich auch darüber, wenn es zu laut oder zu warm ist oder wenn Lüftungsbedarf besteht. Alle Funktionen sind beispielsweise via App individuell einstellbar.
-
Das erfindungsgemäße System funktioniert selbst dann, wenn das Smartphone als Empfänger zu Hause vergessen wurde, denn das System kann wie gesagt auch über Licht-, Vibrations- und Soundsignale kommunizieren. Die Speicherfunktion ermöglicht die Rückverfolgung und Analyse des persönlichen Bewegungsverhaltens.
-
Schließlich liefert das System Messwerte, die nicht allein nur das akute Bewegungsverhalten beeinflussen. Der Anwender hat auch die Möglichkeit, einen „Report“ seines Bewegungsverhaltens an einen Facharzt (Orthopäden) digital zu übermitteln, was für den ärztlichen Befund hilfreich sein kann.
-
SENSORSYSTEM
-
Das Sensorsystem ist vorzugsweise unmittelbar am Sitzmöbel befestigt, um die erforderlichen Daten auch zuverlässig erfassen zu können. Dabei ist entscheidend, dass die Sensorik so beschaffen ist, dass sie zum einen Bewegungen in allen drei Raumrichtungen erfassen kann und keine Beschränkung auf bestimmte Drehstuhltypen, insbesondere solche mit Synchronmechanik vorliegt. Die Erfindung ist also universell anwendbar. Unter dem Begriff Bewegungssensor ist ganz allgemein ein Bauteil zu verstehen, mit dem eine Lageänderung in eine elektrische Größe umgesetzt wird, die mit geeigneter Beschaltung ausgewertet werden kann. Im Allgemeinen werden Bewegungen als Integration über die Messwerte eines Beschleunigungssensors errechnet, da es für die Messung von Beschleunigungen einfache und billige Sensoren gibt, und die Ergebnisse ausreichend genau sind.
-
Um Bewegungen und Drehungen nach Zahl und Intensität optimal erfassen zu können, enthält das System neben dem Bewegungssensor vorzugsweise noch einen Gyroskopsensor. Das Prinzip des Gyroskopsensors (oder auch kurz Gyrosensor) basiert auf der Massenträgheit und wird u.a. in Fliehkraftreglern eingesetzt. Die von einem Gyrosensor erfassten Drehbewegungen werden in einer Spannungsänderung bezogen auf die Drehgeschwindigkeit angegeben, nämlich in mV pro Grad Drehbewegung pro Sekunde.
-
In weiteren bevorzugten Ausführungen verfügt das Sensorsystem über weitere Messinstrumente, nämlich beispielsweise
- • einen Temperatursensor,
- • einen Luftfeuchtigkeitssensor und/oder
- • einen Lautstärkesensor (Mikrofon) verfügt.
-
Damit können weitere Raumparameter überwacht werden und es gibt einen Warnhinweis, wenn die Bürotemperatur zu hoch oder zu niedrig ist, der Lärmpegel ein objektiv erträgliches Maß überschritten hat, gelüftet oder die Fenster geschlossen werden sollten.
-
Das Sensorsystem kann ferner über mindestens eine der weiteren Einrichtungen verfügten:
- • Datenspeicher
- • Vibrationsalarmgeber
- • Tongeber
- • LED und LED-Steuerung
- • Batterien oder Wechsel-Akkus.
-
Mit Hilfe des Datenspeichers kann ein Bewegungsprofil über einen längeren Zeitraum aufgenommen und abrufbar gemacht werden. Das ist beispielsweise nützlich, wenn ein Orthopäde Informationen benötigt, wie das Verhalten seines Patienten am Arbeitsplatz ist.
-
Warnhinweise werden vorzugsweise direkt über eine App an ein Smartphone, ein Tablet oder einen PC geleitet. Es ist jedoch ebenso möglich, den Sensor mit der Warnfunktion auszustatten, beispielsweise einem Tongeber oder einen Vibrationsmelder. Ebenfalls denkbar sind Leuchtdioden, vorzugsweise aber eine Steuerung, die Leuchtdioden in einer separaten Vorrichtung betätigen, die sich auf dem Schreibtisch befindet.
-
Es empfiehlt sich, den Sensor mit AAA Batterien oder Wechsel-Akkus zu bestücken, um eine lange Funktionsdauer sicherzustellen.
-
Die Kommunikation zwischen dem Sender und den Warngeräten erfolgt in der Regel über Bluetooth, weil dies das gebräuchlichste Verständigungsprotokoll zum Koppeln mit mobilen oder stationären Geräten darstellt.
-
GEWERBLICHE ANWENDBARKEIT
-
Ein weiterer Gegenstand der Erfindung betrifft ein Verfahren zur interaktiven Erfassung und Übermittlung von Bewegungsdaten von einem Sensorsystem an einen Empfänger, umfassend die folgenden Schritte:
- (i) Bereitstellen eines Sensorsystems enthaltend einen Beschleunigungssensor zur Erkennung von Bewegungen eines Individuums, das auf einem Sitzmöbel Platz genommen hat;
- (ii) Befestigung des Sensors an besagtem Sitzmöbel, so dass dieser die Anzahl und Intensität der Bewegungen und Drehungen des Individuums („moves“) auf dem Sitzmöbel erfassen kann;
- (iii) Abgleichen der Zahl erfasster Bewegungen und Drehungen sowie deren Intensität pro Zeiteinheit gegen einen vorgegebenen Sollwert; sowie
- (iv) Rückmeldung an das Individuum, falls der vorgegebene Sollwert unterschritten wird und/oder
- (v) Weiterleitung der erfassten Daten an einen externen Empfänger oder Datenspeicher.
-
Ein letzter Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist auf die Verwendung eines Sensorsystems wie oben geschildert zur Erfassung und Übermittlung von Bewegungsdaten gerichtet.
-
Das Zusammenspiel der einzelnen Elemente ist oben bereits ausführlich erläutert worden, so dass es im Zusammenhang mit verfahren und Verwendung keiner Wiederholung bedarf. Gleiches gilt auch für bevorzugte Ausführungsformen; hier gelten die obigen Ausführungen ebenfalls mit.
-
Die Erfindung wird durch zwei Abbildungen illustriert:
- • zeigt den Prototyp eines erfindungsgemäßen Sensors in so genannter „Streichholzschachtel-Ausführung“, wobei die beiden Komponenten zusammengesteckt werden und eine davon transluszent ist.
- • zeigt exemplarisch den Bildaufbau einer App: zu sehen ist, dass der Nutzer am Tage 1350 „moves“ durchgeführt hat, was gegenüber dem Sollwert eine sehr gute Leistung darstellt.
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- WO 2016167661 A1 [0006]
- US 20172966099 A [0007]