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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Fahrzeugs und ein System zum Betreiben eines Fahrzeugs.
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Eine Orientierung eines Fahrzeugs kann u. a. anhand eines Wankwinkels, der eine Drehung um eine erste horizontale Längsachse, die parallel zu einer Fahrtrichtung des Fahrzeugs orientiert ist, beschreibt, anhand eines Nickwinkels, der eine Drehung um eine zweite horizontale Längsachse, die senkrecht zu der Fahrtrichtung des Fahrzeugs orientiert ist, beschreibt und anhand eines Gierwinkels, der eine Drehung um eine vertikale Längsachse, die senkrecht zu der Fahrtrichtung des Fahrzeugs orientiert ist, beschreibt, beschrieben werden. Dabei ist es möglich, Drehungen um die genannten Winkel bzw. Achsen durch Aktuatoren zu beeinflussen.
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Gemäß einem Übertragungsverhalten eines Giermoments zu einem Schwimmwinkel eines Einspur-Modells eines Fahrzeugs führt ein durch ein aktives Fahrwerksystem eingeleitetes Giermoment in der Kurvenfahrt zu einer Erhöhung des absoluten Schwimmwinkels. Im Grenzbereich einer Reifenhaftung wird dieser Effekt durch die Aktivität von Regelsystemen an der Hinterachse weiter verstärkt, da die Radeingriffe zu einer Schwächung der Seitenkraft an der Hinterachse und somit einem höheren Schwimmwinkel führen. Diese durch die Fahrwerksysteme verursachte Erhöhung des Schwimmwinkels ist für stabile Fahrzeuge nicht gewünscht, da sie einen instabilen und unpräzisen Fahreindruck vermittelt.
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Die Druckschrift
DE 102 12 582 B4 beschreibt ein Verfahren zur Regelung der Fahrdynamik, wobei mindestens ein Lenkeingriff an einer Fahrzeugachse geregelt wird. Dabei wird eine Soll-Fahrdynamik, die durch eine Soll-Gierdynamik beschrieben ist, ermittelt und ein Lenkwinkel-Vorsteuerwert aufgrund der Soll-Fahrdynamik unter Verwendung eines Modells der Regelstrecke bestimmt. Außerdem wird ein Fahrzustand, der durch die Gierrate beschrieben ist, ermittelt. Ein Lenkwinkel-Korrekturwert wird aufgrund der Abweichung der Gierrate von einer Soll-Gierrate ermittelt. Der Lenkeingriff wird durch den Lenkwinkel-Vorsteuerwert und den Lenkwinkel-Korrekturwert festgelegt. Der Lenkwinkel-Vorsteuerwert an der Vorderachse wird aufgrund einer Soll-Gierbeschleunigung berechnet.
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Eine Vorrichtung zur Stabilisierung eines Fahrzeugs in kritischen Fahrsituationen ist aus der Druckschrift
DE 10 2004 036 565 B4 bekannt und umfasst ein Fahrdynamikregelungssystem mit einem Steuergerät, in dem ein Fahrdynamikregler hinterlegt ist, mit wenigstens einem Stellglied und einer Sensorik zur Messung verschiedener Fahrzustandsgrößen, sowie ein Hinterachslenksystem mit einer Steuerelektronik und einem Stellglied. Der Fahrdynamikregler umfasst einen Gierratenregler und einen Schwimmwinkelregler, die jeweils eine Ausgangsgröße erzeugen, aus denen eine Stellgröße für das Stellglied des Hinterachslenksystems abgeleitet wird. Das Regelverhalten des Gierratenreglers wird in Abhängigkeit vom Anteil des Schwimmwinkelreglers und das Regelverhalten des Schwimmwinkelreglers in Abhängigkeit vom Anteil des Gierratenreglers an der Stellgröße für das Hinterachslenksystem eingestellt.
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Ein Verfahren zur Beeinflussung der Bewegung eines Fahrzeugs, bei dem eine Unfallsituation des Fahrzeugs detektiert und im Falle eines Unfalls fahrerunabhängig der Fahrzustand beeinflusst wird, ist in der Druckschrift
DE 10 2007 044 988 A1 beschrieben. Hierbei werden bei einem Unfall Antriebsmomente an den Fahrzeugrädern zur Erzeugung eines auf das Fahrzeug wirkenden Giermoments aktiv verteilt.
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Die Druckschrift
EP 1 529 718 B2 beschreibt ein Kraftfahrzeug mit lenkbaren Vorderrädern und einem Überlagerungs-Lenksystem, mit dem ein vom Fahrer vorgegebener Lenkwinkel durch eine elektronische Steuereinheit angesteuert und ein gleichsinniger oder gegensinniger Zusatz-Lenkwinkel hinzugefügt werden kann. Mit dem Überlagerungs-Lenksystem kann eine mechanische Kopplung zwischen der Lenkhandhabe des Fahrers und einem den lenkbaren Vorderrädern zugeordneten Lenkgetriebe gewährleistet werden.
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Die Druckschrift
DE 39 06 741 A1 beschreibt ein Verfahren zum Steuern der Hinterräder von Kraftfahrzeugen in Abhängigkeit von einer Auslenkung der Vorderräder.
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Ein Verfahren zum Erhöhen der Fahrstabilität eines Fahrzeugs bei gebremster Fahrt ist aus der Druckschrift
WO 2004 / 005 093 A1 bekannt.
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Vor diesem Hintergrund war es eine Aufgabe, die Stabilität eines Fahrzeugs, für das ein Giermoment erzeugt wird, aufrecht zu erhalten.
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Diese Aufgabe wird mit einem Verfahren und einem System mit den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Ausführungsformen des Verfahrens und des Systems gehen aus den abhängigen Patentansprüchen und der Beschreibung hervor.
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Das erfindungsgemäße Verfahren ist zum Betreiben eines Fahrzeugs ausgebildet, bei dem mit mindestens einem ersten Aktuator des Fahrzeugs ein Giermoment Mz gezielt erzeugt und weiterhin auch ein Schwimmwinkel β verursacht wird. Der beim Erzeugen des Giermoments Mz weiterhin verursachte Schwimmwinkel β wird berechnet. Mit mindestens einem zweiten aktiven Aktuator, der einer vorderen Achse des Fahrzeugs zugeordnet ist, wird ein vorderer Lenkwinkel δv sowie mit mindestens einem dritten aktiven Aktuator, der einer hinteren Achse des Fahrzeugs zugeordnet ist, ein hinterer Lenkwinkel δh erzeugt, wobei die beiden Lenkwinkel δv, δh den Schwimmwinkel β kompensieren sowie das erzeugte Giermoment Mz aufrecht erhalten.
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Somit ergibt sich u. a., dass durch die beiden erzeugten Lenkwinkel δv, δh eine sich ergebende Verringerung des eingestellten Giermoments Mz kompensiert und eine Gierbewegung nicht beeinflusst wird.
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In Ausgestaltung wird der Schwimmwinkel β durch eine statische Übertragungsfunktion, bspw. eine Laplace-Übertragungsfunktion, gemäß Gleichung 1a:
berechnet, wobei M
z das Giermoment, m die Masse des Fahrzeugs, v die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, c
sh die Achsschräglaufsteifigkeit hinten bzw. der hinteren Achse, c
sv die Achsschräglaufsteifigkeit vorne bzw. der vorderen Achse, I die Länge des Fahrzeugs, I
v der Abstand der vorderen Achse zu dem Schwerpunkt des Fahrzeugs und I
h der Abstand der hinteren Achse zu dem Schwerpunkt des Fahrzeugs ist. Hierbei weisen der Schwimmwinkel β und das Giermoment M
z entgegengesetzte Vorzeichen auf.
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In weiterer Ausgestaltung kann der Schwimmwinkel β durch eine dynamische Übertragungsfunktion, bspw. eine Laplace-Übertragungsfunktion, gemäß Gleichung 1b:
berechnet werden, wobei
und
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Hierbei ist s eine Schreibweise, bspw. Normalschreibweise bzw. Normalform, der bspw. als Laplace-Übertragungsfunktion ausgebildete Übertragungsfunktion. Diese Schreibweise kann, wie folgt, in einen zeitabhängigen Schwimmwinkel übertragen werden: β(t) = β(s), d/dt β(t) = s * β(s) und d2/dt2 β(t) = s2 * β(s).
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Hierzu kann nachfolgende Differentialgleichung verwendet werden, die neben dem Schwimmwinkel β auch dessen erste und zweite zeitliche Ableitung umfasst und nach β und/oder s aufgelöst werden kann:
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In der Regel werden die beiden Lenkwinkel δv, δh über ein inverses bzw. invertiertes Einspur-Modell des Fahrzeugs und/oder der Achsen des Fahrzeugs berechnet, wobei in das Einspur-Modell ein negativer Wert des vom Giermoment Mz verursachten Schwimmwinkels β eingegeben wird.
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Das Einspur-Modell umfasst eine Gleichung 2:
und eine Gleichung 3:
die nach den Lenkwinkeln δ
v, δ
h aufgelöst werden. Dabei ist dβ/dt die erste zeitliche Ableitung bzw. Änderung oder Geschwindigkeit des Schwimmwinkels β, ψ der Gierwinkel, dψ/dt die zeitliche erste Ableitung bzw. Änderung oder Geschwindigkeit des Gierwinkels ψ, d
2ψ/dt
2 die zweite zeitliche Ableitung bzw. Beschleunigung des Gierwinkels ψ und Θ ein Trägheitsmoment des Fahrzeugs.
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Der berechnete Schwimmwinkel β wird in das invertierte einspurige Fahrzeugmodell eingerechnet, mit dem die beiden Lenkwinkel δv, δh berechnet werden.
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In Ausgestaltung wird mit dem mindestens einen ersten Aktuator zur Regelung eines Fahrwerks und/oder einer Dynamik des Fahrzeugs der Gierwinkel erzeugt und der Schwimmwinkel β sowie eine Drehmomentverteilung (Torque Vectoring) verursacht, wodurch das zunächst gezielt erzeugte Giermoment zumindest teilweise reduziert wird. Mit mindestens einem Lenkaktuator für die vordere Achse und mit mindestens einem Lenkaktuator für eine hintere Achse wird jeweils der Lenkwinkel δv, δh und/oder ein Lenkmoment erzeugt, mit dem der Schwimmwinkel β sowie die Verringerung des erzeugten Giermoments kompensiert werden.
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Somit ist es u. a. möglich, die Drehmomentverteilung und einen Abfall des Giermoments bzw. einer Gierrate zu kompensieren.
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Der mindestens eine erste Aktuator kann einem Fahrwerk des Fahrzeugs und/oder einer Achse des Fahrzeugs zugeordnet sein.
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Weiterhin kann bzw. können mit dem mindestens einen ersten Aktuator eine elektrische und/oder bremsende Drehmomentverteilung des Fahrzeugs beeinflusst werden. In der Regel kann mit dem mindestens einen ersten Aktuator für das Fahrzeug eine Wankstabilisierung durchgeführt werden. Außerdem ist es möglich, dass mit dem mindestens einen ersten Aktuator für mindestens ein Rad des Fahrzeugs ein Längsschlupf und/oder eine Radlast beeinflusst wird bzw. werden.
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Bei dem Verfahren ist es möglich, dass ein Schwimmwinkel β, der bereits vor einer Änderung des Giermoments Mz vorhanden ist, unverändert und somit erhalten bleibt.
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Die Gierrate bzw. eine Gierbewegung und der Schwimmwinkel β sind zwei getrennte Freiheitsgrade, die eine laterale Bewegung des Fahrzeugs in Relation zu einer von dem Fahrzeug befahrenen Straße beschreiben. Mit dem im Rahmen des Verfahrens durch die Aktuatoren bzw. Steller zusätzlich erzeugtem Giermoment Mz wird nur die Gierbewegung beeinflusst, wohingegen der Schwimmwinkel β aufgrund einer Kompensation des zusätzlichen Schwimmwinkels β, der durch das Giermoment Mz verursacht wird, weiterhin aufrecht erhalten wird. Hierbei kann eine Auswirkung des von dem mindestens Aktuator erzeugten Giermoments Mz auf den Schwimmwinkel β nebenwirkungsfrei kompensiert werden.
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Das erfindungsgemäße System ist zum Betreiben eines Fahrzeugs ausgebildet, bei dem mit mindestens einem ersten Aktuator ein Giermoment Mz erzeugt und zusätzlich ein Schwimmwinkel β verursacht wird. Das System weist eine Recheneinheit, mindestens einen zweiten Aktuator, der einer vorderen Achse des Fahrzeugs zugeordnet ist, und mindestens einen zweiten Aktuator, der einer hinteren Achse des Fahrzeugs zugeordnet ist, auf. Die Recheneinheit ist dazu ausgebildet, den neben dem Giermoment Mz zusätzlich verursachten Schwimmwinkel β zu berechnen. Der mindestens eine zweite aktive Aktuator ist dazu ausgebildet, für die vordere Achse einen vorderen Lenkwinkel δv zu erzeugen. Der mindestens eine dritte aktive Aktuator ist dazu ausgebildet, für die hintere Achse einen hinteren Lenkwinkel δh zu erzeugen, wobei die beiden erzeugten Lenkwinkel δv, δh den Schwimmwinkel β kompensieren sowie das erzeugte Giermoment Mz aufrecht erhalten bzw. eine Verringerung des erzeugten Giermoments Mz zu kompensieren.
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In Ausgestaltung können die beiden erzeugten Lenkwinkel δv, δh jeweils eine dem Schwimmwinkel β entgegengesetzte Richtung bzw. ein dem Schwimmwinkel β entgegengesetztes Vorzeichen aufweisen. Weiterhin ist es möglich, dass das Giermoment Mz eine dem Schwimmwinkel β entgegengesetzte Richtung bzw. ein dem Schwimmwinkel β entgegengesetztes Vorzeichen aufweist.
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Der mindestens eine zweite oder dritte Aktuator, der jeweils einer Achse zugeordnet ist, ist dazu ausgebildet, für mindestens ein Rad der jeweiligen Achse den jeweils vorgesehenen Lenkwinkel δv, δh zu erzeugen.
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Mit dem Verfahren und dem System kann bei Eingriffen in ein Giermoment Mz durch Regelung einer Fahrdynamik des Fahrzeugs eine Erhöhung eines Schwimmwinkels β, die aus einer Beeinflussung des Gierwinkels ψ resultiert, kompensiert werden.
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Üblicherweise wird durch mindestens einen ersten Aktuator zur aktiven Regelung des Fahrwerks das Giermoment Mz erzeugt, durch das ein Schwimmwinkel des Fahrzeugs erhöht wird. Bei dem Verfahren wird eine Erhöhung des Schwimmwinkels β des Fahrzeugs mit Hilfe des mindestens einen zweiten und dritten Aktuators, der mindestens einer Achse zugeordnet und zur Regelung von Bewegungen der jeweiligen Achse ausgebildet ist, unter Realisierung einer Kompensationsfunktion kompensiert. In Ausgestaltung können kombinierte aktive Aktuatoren an der vorderen Achse und der hinteren Achse als Lenksysteme den Schwimmwinkel reduzieren, der durch den mindestens einen ersten Aktuator zur Regelung der Fahrdynamik bei Erzeugung des Giermoments verursacht wird.
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Hierzu sind im Fahrzeug zusätzlich zu mindestens einem ersten aktiven Aktuator zur Generierung des Giermoments, z. B. eines Aktuators zum Einstellen eines Überlagerungsdifferenzials, eines Aktuators zur Drehmomentverteilung durch Bremsen (Brems-Torque-Vectoring), eines Aktuators zur elektrischen Drehmomentverteilung (Torque-Vectoring-Elektrisch) oder eines Aktuators zur aktiven Wankstabilisierung, der mindestens eine zweite und dritte Aktuator vorgesehen, durch die eine aktive Lenkung an der vorderen Achse, z. B. eine Überlagerungslenkung oder eine Steer-by-Wire-Lenkung, und eine aktive Lenkung an der hinteren Achse, die auch als Einzelradlenkung ausgebildet sein kann, angeordnet. In Ausgestaltung werden insgesamt mindestens drei Aktuatoren zur Regelung der Fahrdynamik verwendet. Dabei werden zumindest beide zur Lenkung der vorderen Achse und zur Lenkung der hinteren Achse ausgebildeten Aktuatoren benötigt, um nicht nur den zusätzlichen Schwimmwinkel zu reduzieren, sondern gleichzeitig auch eine von dem mindestens einen ersten Aktuator aufgrund des erzeugten Giermoments verursachte Gierbewegung des Fahrzeugs zu erhalten.
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Anhand von Eingriffen in den Gierwinkel und/oder das Giermoment durch den mindestens einen ersten Aktuator eines Giermoment-Systems wird der verursachte und ungewünschte zusätzliche Schwimmwinkel β berechnet. Die Kompensation des durch den mindestens einen aktiven ersten Aktuator des Giermoment-Systems verursachten und/oder eingeleiteten Schwimmwinkels β kann mit Hilfe der Lenkwinkel δv, δh der vorderen und hinteren Achse bei unveränderter Gierbewegung unter Berücksichtigung des inversen Einspur-Modells robust umgesetzt werden.
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Die Erfindung ist anhand von Ausführungsformen in den Zeichnungen schematisch dargestellt und wird unter Bezugnahme auf die Zeichnungen schematisch und ausführlich beschrieben.
- 1 zeigt in schematischer Darstellung ein Kraftfahrzeug, das eine Ausführungsform des erfindungsgemäßen Systems zur Durchführung einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens aufweist.
- 2 zeigt ein erstes Diagramm zur Durchführung der Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens.
- 3 zeigt ein zweites Diagramm zur Durchführung der Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Die Figuren werden zusammenhängend und übergreifend beschrieben, gleichen Komponenten sind dieselben Bezugsziffern zugeordnet.
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1 zeigt in schematischer Darstellung ein Beispiel für ein Fahrzeug 2, hier ein Kraftfahrzeug, das eine vordere Achse 4 mit einem linken vorderen Rad 6 und einem rechten vorderen Rad 8 aufweist. Weiterhin umfasst das Fahrzeug 2 eine hintere Achse 10 mit einem linken hinteren Rad 12 und einem rechten hinteren Rad 14. Das Fahrzeug 2 umfasst auch einen ersten ersten Aktuator 16 sowie einen zweiten ersten Aktuator 18, die beide dazu ausgebildet sind, ein Giermoment und somit einen Gierwinkel des Fahrzeugs 2 um eine Hochachse des Fahrzeugs 2, die senkrecht zu einer üblichen Fahrtrichtung des Fahrzeugs 2 orientiert ist, einzustellen, wodurch wiederum eine Gierrate und/oder eine Gierbeschleunigung des Fahrzeugs 2 beeinflusst wird und/oder werden. Zum Einstellen eines jeweiligen Giermoments weist das Fahrzeug 2 eine Recheneinheit 20 auf, die dazu ausgebildet ist, die beiden genannten ersten Aktuatoren 16, 18 zu kontrollieren und somit zu steuern und/oder zu regeln.
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Es ist weiterhin vorgesehen, dass diese Recheneinheit 20 auch als Komponente des erfindungsgemäßen Systems 22 ausgebildet ist, wobei mit der Recheneinheit 20 mindestens ein Schritt der Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens kontrolliert und somit gesteuert und/oder geregelt werden kann. Als weitere Komponenten umfasst das System 22 einen zweiten Aktuator 24, der hier der vorderen Achse 4 zugeordnet und dazu ausgebildet ist, die vordere Achse 4 und/oder mindestens eines der beiden vorderen Räder 6, 8, d. h. lediglich ein Rad 6, 8 oder beide Räder 6, 8, zu beaufschlagen und dabei für die vordere Achse einen Lenkwinkel δv einzustellen. Außerdem ist ein dritter Aktuator 26 der hinteren Achse 10 sowie mindestens einem der beiden hinteren Räder 12, 14 zugeordnet und dazu ausgebildet, die hintere Achse 10 und/oder mindestens ein hinteres Rad 12, 14 zu beaufschlagen und dabei einen hinteren Lenkwinkel δh einzustellen. In der Regel können durch den zweiten Aktuator 24 für die vordere Achse 4 beide vorderen Räder 6, 8 individuell und demnach voneinander getrennt oder zueinander synchron gelenkt werden. Entsprechend können durch den dritten Aktuator 26 an der hinteren Achse beide hinteren Räder 12, 14 individuell und somit voneinander getrennt oder synchron bzw. simultan gelenkt werden.
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Das Diagramm aus 2 verdeutlicht die Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens sowie einen Verlauf von Signalen, die bei Durchführung der Ausführungsform des Verfahrens berücksichtigt werden. Dabei ist in einem ersten Schritt 30 vorgesehen, dass zur Umsetzung einer dynamischen Fahrfunktion des Fahrzeugs 2 durch mindestens einen der beiden ersten Aktuatoren 16, 18 ein Giermoment erzeugt und somit ein Gierwinkel ψ verursacht wird. Daraus resultierend ergibt sich in einem zweiten Schritt 32, dass durch mindestens einen der beiden ersten Vektoren 16, 18 eine Drehmomentverteilung (Torque Vectoring), bspw. eine bremsende Drehmomentverteilung und/oder eine elektrische Drehmomentverteilung, erzeugt wird bzw. werden, woraus das Giermoment resultiert. Alternativ oder ergänzend wird durch den mindestens einen ersten Aktuator 16, 18 auch eine aktive Wankstabilisierung für das Fahrzeug 2 durchgeführt, wodurch das Giermoment ebenfalls erzeugt und/oder beeinflusst wird.
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Allerdings ergibt sich aufgrund einer Erzeugung und/oder Beeinflussung des Giermoments aufgrund einer Beaufschlagung durch den mindestens einen ersten Aktuator 16, 18, dass zusätzlich auch ein Schwimmwinkel β erzeugt wird.
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Hierzu wird in einem dritten Schritt 34 eine Funktion zur Kompensation einer Verursachung des Schwimmwinkels β und/oder Erhöhung eines bereits vorhandenen Schwimmwinkels durchgeführt. Dabei wird in dem dritten Schritt 34 zunächst der Schwimmwinkel β bestimmt und unter Berücksichtigung eines invertierten einspurigen Modells des Fahrzeugs 2 ein vorderer Lenkwinkel δh und ein hinterer Lenkwinkel δv ermittelt.
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Weiterhin wird in einem ersten vierten Teilschritt 36a der zweite Aktuator 24 angesteuert, wodurch mindestens ein vorderes Rad 6, 8 sowie die vordere Achse 4 beeinflusst werden, wobei für das mindestens eine vordere Rad 6, 8 der ermittelte vordere Lenkwinkel δh eingestellt wird. Entsprechend wird in einem synchron oder simultan durchzuführenden zweiten vierten Teilschritt 36b der dritte Aktuator 26 angesteuert, durch den wiederum mindestens eines der beiden hinteren Räder 12, 14 sowie die hintere Achse 10 beeinflusst werden, wobei für das mindestens eine hintere Rad 12, 14 der hintere Lenkwinkel δh eingestellt wird.
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Der zu kompensierende Schwimmwinkel β wird mit verändertem Vorzeichen als Wunschgröße in das inverse Einspur-Modell für die Lenkung der vorderen Achse 4 und der hinteren Achse 10 eingerechnet. Eine gewünschte Änderung der Gierrate liegt gleichzeitig bei 0°/s und gibt somit vor, dass eine Gierbewegung von den Eingriffen durch den mindestens einen ersten Aktuator nicht gestört werden soll. Mit dem inversen Einspur-Modell werden die beiden Lenkwinkel δv, δh der beiden Achsen 4, 10 passend zur vorgegebenen Bewegung des Fahrzeugs 2 berechnet.
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Die Erhöhung des Schwimmwinkels β ergibt sich aus dem gestellten Giermoment M
z anhand einer statischen Übertragungsfunktion gemäß Gleichung 1a:
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Es ist jedoch auch möglich, den Schwimmwinkel β mit einer dynamischen Übertragungsfunktion, bspw. eine Laplace-Übertragungsfunktion, gemäß Gleichung 1b zu berechnen.
wobei
und s eine Laplace-Schreibweise der Übertragungsfunktion ist.
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Hierzu wird nachfolgende Differentialgleichung berücksichtigt:
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Die Lenkwinkel δ
v, δ
h zur Kompensation des Schwimmwinkels β ergeben sich aus dem inversen Einspur-Modell durch Auflösung des folgenden Gleichungssystems, das Gleichung 2 und Gleichung 3 umfasst, nach dem Lenkwinkel δ
v der vorderen Achse 4 und dem Lenkwinkel δ
h der hinteren Achse 10:
Gleichung 2:
Gleichung 3:
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Nach Auflösung des Gleichungssystems ergibt sich für den vorderen Lenkwinkel δ
v quantitativ:
und für den hinteren Lenkwinkel δ
h quantitativ:
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In den genannten Gleichungen ist:
- β der Schwimmwinkel,
- dβ/dt die erste zeitliche Ableitung bzw. Änderung oder Geschwindigkeit des Schwimmwinkels β,
- ψ der Gierwinkel,
- dψ/dt die zeitliche erste Ableitung bzw. Änderung oder Geschwindigkeit des Gierwinkels ψ,
- d2ψ/dt2 die zweite zeitliche Ableitung bzw. Beschleunigung des Gierwinkels Ψ,
- Mz das Giermoment,
- m die Masse des Fahrzeugs 2,
- v die Geschwindigkeit des Fahrzeugs 2,
- csh die Achsschräglaufsteifigkeit hinten bzw. der hinteren Achse 10, als Anzahl an Drehungen N pro Winkel rad im Bogenmaß [N/rad],
- csv die Achsschräglaufsteifigkeit vorne bzw. der vorderen Achse 4, als Anzahl an Drehungen N pro Winkel rad im Bogenmaß [N/rad],
- I die Länge des Fahrzeugs 2,
- Iv der Abstand der vorderen Achse 4 zu einem Schwerpunkt des Fahrzeugs 2,
- Ih der Abstand der hinteren Achse 10 zu dem Schwerpunkt des Fahrzeugs 2, δv der Lenkwinkel der vorderen Achse 4,
- δh der Lenkwinkel der hinteren Achse 10,
- Θ das Trägheitsmoment um die Hochachse des Fahrzeugs 2.
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Im stationären Fall, ausgehend von Gleichung 1a, entspricht der hintere Lenkwinkel δh einer gleichsinnigen Lenkbewegung, der dasselbe Vorzeichen wie ein Lenkwinkel des von einem Fahrer gelenkten Lenkrads sowie das Giermoment Mz, dessen Verringerung kompensiert wird, aufweist. Dabei können sich, im dynamischen Fall, ausgehend von Gleichung 1b, Abweichungen ergeben. Der hintere Lenkwinkel δh entspricht hinsichtlich seines Betrags und Vorzeichens in beiden Fällen dem vorderen Lenkwinkel δv.
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Der durch die Aktuatoren des Giermoment-Systems erzeugte übermäßige Schwimmwinkel β kann durch die beiden Aktuatoren 24, 26 zum Lenken der Achsen 4, 10 kompensiert werden, wobei eine gewünschte Gieragilität erhalten bleibt.
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Hierbei ist der mindestens eine erste Aktuator 16, 18 zum Regeln der Fahrdynamik ausgebildet, der ein Giermoment, d. h. ein Moment um die Hochachse des Fahrzeugs 2, aktiv erzeugen kann. Mindestens ein derartiger erster Aktuator 16, 20 zum Regeln der Fahrdynamik ist als Überlagerungsdifferenzial bzw. Sportdifferenzial ausgebildet und nutzt bspw. Längsschlupfeffekte an einem Rad 6, 8, 12, 14, wodurch eine Fahrdynamik und/oder eine Wankstabilisierung des Fahrzeugs 2 beeinflusst wird.
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Das in 3 gezeigte zweite Diagramm beschreibt ebenfalls die Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Dabei wird das Verfahren in einem ersten Schritt 50 (Start) begonnen. In einem zweiten Schritt 52 wird eine Anzahl an Aktuatoren 16, 18, 20, 24, 26 definiert, durch die eine Bewegung des Fahrzeugs 2, eine Bewegung mindestens einer Achse 4, 10 und/oder eine Bewegung mindestens eines Rads 6, 8, 12, 14 beeinflusst wird. Weiterhin wird in einem dritten Schritt 54 überprüft, ob mindestens ein Aktuator 16, 18, hier die beiden ersten Aktuatoren 16, 18, zum Beeinflussen des Drehmoments und/oder einer Verteilung des Drehmoments vorhanden ist. Falls dies nicht der Fall ist, wird das Verfahren mit einem abschließenden Schritt 70 beendet, da kein Schwimmwinkel β erzeugt werden kann, sofern die beiden ersten Aktuatoren 16, 18 nicht vorhanden sein sollten.
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Falls die beiden ersten Aktuatoren 16, 18 zum Beeinflussen des Drehmoments vorhanden sein sollten, wird in einem vierten Schritt 56 überprüft, ob ein etwaiger negativer Effekt des durch die Aktuatoren 16, 18 erzeugten Schwimmwinkels β kompensiert werden soll oder nicht. Falls dies nicht erforderlich ist, wird das Verfahren in dem abschließenden Schritt 70 beendet.
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In einem fünften Schritt 58 wird überprüft, ob der mindestens eine dritte Aktuator 26 zum Beaufschlagen und somit zum Lenken der hinteren Achse 10 vorhanden ist. Ist dies nicht der Fall, wird das Verfahren mit dem abschließenden Schritt 70 beendet. Falls der mindestens eine dritte Aktuator 26 vorhanden ist, wird in einem sechsten Schritt 60 der hintere Lenkwinkel δh zum Lenken des mindestens einen hinteren Rads 12, 14 und/oder der hinteren Achse 10 ermittelt und eingestellt, durch den der Schwimmwinkel β kompensiert wird.
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In einem siebten Schritt 62 wird überprüft, ob der mindestens eine zweite Aktuator 24 zum Beeinflussen des mindestens einen vorderen Rads 6, 8 und/oder der vorderen Achse 4 vorhanden ist. Ist dies nicht der Fall, wird das Verfahren mit dem abschließenden Schritt 70 beendet, da nunmehr keine Kompensation einer Reduzierung und/oder eines Abfalls der Gierrate, die ursprünglich durch den mindestens einen ersten Aktuator 16, 18 eingestellt wird, möglich ist. Falls der mindestens eine zweite Aktuator 24 für die vordere Achse 4 vorhanden ist, wird der vordere Lenkwinkel δh zum aktiven Lenken der vorderen Achse 4 berechnet und somit der Abfall der Gierrate und/oder des eingestellten Giermoments kompensiert.