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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Entwickeln eines Bau-, insbesondere eines Kraftfahrzeugteils in Faserverbundbauweise, mit einem eine Vielzahl von Technologiemerkmalen enthaltenden Entwicklungskonzept, bei dem in Übereinstimmung mit dem Entwicklungskonzept ein Probebauteil hergestellt und dieses auf das Anforderungsprofil des zu entwlckelnden Bauteils überprüft und das Entwicklungskonzept nach Maßgabe des Prüfergebnisses modifiziert wird, nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 bzw. 2,
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Bei der Neu- oder Weiterentwicklung von Fahrzeugkomponenten müssen häufig mehrere Herstellungs- oder Konstruktionsmerkmale neu oder abgewandelt miteinander kombiniert werden, also etwa die Bauteilgeometrie oder die Werkstoffbeschaffenheit, die Verformbarkeit oder bei Verbundbauteilen der Lagenaufbau und die Verbindungstechnik. Da diese Technologiemerkmale auf komplexe, teilweise auch entgegengesetzter Weise zusammenwirken, ist man darauf angewiesen, zumeist zahlreiche, mehr oder weniger ungezielt abgewandelte Entwicklungskonzepte in jeweils entsprechenden Hardwareversionen auf das Anforderungsprofil des herzustellenden Bauteils zu überprüfen, um sich so allmählich an ein anforderungsgerechtes Entwicklungskonzept heranzutasten.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein Entwicklungsverfahren der eingangs genannten Art so auszubilden, dass das Anforderungsprofil des zu entwickelnden Bauteils mit möglichst geringem Entwicklungsaufwand und insbesondere mit möglichst wenigen Probebauteilen erreicht wird.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch das im Patentanspruch 1 bzw. 2 gekennzeichnete Entwicklungsverfahren gelöst.
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Erfindungsgemäß werden die Zielanforderungen vor allem von komplex gestalteten Bauteilen, für die eine zuverlässige Simulationsmethode nicht zur Verfügung steht, in wenigen Entwicklungsschritten und mit geringem technologischen Aufwand mittels jeweils in einem einzelnen Technologiemerkmal systematisch geänderter und als Gesamtbauteil überprüfter Probebauteile auf äußerst effektive Weise bis hin zur Serienreife vorzugsweise von Fahrzeugkomponenten in Verbundbauweise erreicht, so dass diese Bauteile mit wesentlich reduzierten Vorlaufzeiten und Entwicklungskosten in die Fertigung gehen können.
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Die Auswirkungen der einzelnen Technologiemerkmale auf die Zielanforderungen werden nach der ersten Variante der Erfindung in der Weise ermittelt, dass für sämtliche Technologiemerkmale nacheinander jeweils nur in einem einzigen Merkmal abgewandelte Probebauteile hergestellt, durch Vergleich mit einem dem vorhergehenden Entwicklungskonzept entsprechenden Probebauteil jeweils ein Einflussfaktor des Technologiemerkmals auf jede der Zielanforderungen ermittelt und anschließend die Technologiemerkmale in der Rangfolge ihrer Einflussfaktoren gegebenenfalls mehrmals modifiziert werden, bis das entsprechende Probebauteil im Toleranzbereich des Anforderungsprofils liegt.
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Nach der zweiten Variante der Erfindung wird der Einflussfaktor der Technologiemerkmale auf analoge Weise, jedoch nur so lange ermittelt, bis ein Technologiemerkmal mit einem signifikanten Einflussfaktor detektiert wird, woraufhin zunächst dieses Merkmal gegebenenfalls mehrmals erneut abgeändert und an Hand eines korrespondierenden, wiederum als Ganzes auf die Zielanforderungen getesteten Probebauteils überprüft wird und bei einem negativen Prüfergebnis das nächste Technologiemerkmal mit einem signifikanten Einflussfaktor ermittelt und in gleicher Weise wie das vorherige Technologiemerkmal überprüft wird, bis das Prüfergebnis im Toleranzbereich des Anforderungsprofils liegt.
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Wie nach Anspruch 3 bevorzugt, empfiehlt es sich vor allem für erfahrene Entwickler, die das am ehesten zielführende Merkmal mit einiger Sicherheit abschätzen können, dieses Merkmal als erstes zu untersuchen, um dadurch die Anzahl der erforderlichen Prüfvorgänge und Probebauteile weiter zu reduzieren.
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Nach Anspruch 4 wird als Probebauteil nicht das mit dem ursprünglichen, sondern vorzugsweise das mit dem zuletzt modifizierten Entwicklungskonzept übereinstimmende Probebauteil als Vergleichsbauteil verwendet, um so den in den vorhergehenden Entwicklungsschritten erreichten Entwicklungsstand in den nachfolgenden Entwicklungszyklus einzubeziehen und dadurch den Entwicklungsprozess weiter abzukürzen.
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Wenn sich die wiederholte Modifikation ein und desselben Technologiemerkmals nach dem Verfahrensschritt d.) nicht nach wenigen, gemäß Anspruch 5 vorzugsweise fünf Versuchen als zielführend erweist, wird der Entwicklungsprozess mit dem nächsten Technologiemerkmal fortgesetzt.
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Im Rahmen der Erfindung wird nicht allein eine komplette Neuentwicklung, sondern nach Anspruch 6 auch eine gezielte Weiterentwicklung von Bauteilen, die sich bereits auf einer bestimmten Entwicklungsstufe, angefangen vom Grobentwurf bis einschließlich der Serienreife, befinden, mit jeweils stufenspezifischen Zielanforderungen ermöglicht. So lassen sich z. B. bereits in Serie produzierte Bauteile, für die sich im Laufe des Produktionsprozesses neue Anforderungen, etwa eine Verkürzung der Konsolidierungszeit der Faserverbundmatrix, ergeben, problemlos fortentwickeln, weil in solchen Fällen auf den bereits in der vorausgehenden Entwicklungsstufe erkannten Wirkzusammenhang der einzelnen Technologiemerkmale als Ausgangspunkt für die hinzugekommene(n) Zielanforderung(en) zurückgegriffen werden kann.
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Die Erfindung wird nunmehr an Hand eines Ausführungsbeispiels in Verbindung mit den Zeichnungen näher erläutert. Diese zeigen in
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1 ein erfindungsgemäß zu entwickelndes Bauteil in Form eines CFK-Windlaufs in perspektivischer Darstellung vor und im Querschnitt nach dem Zusammenbau;
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2 eine Tabelle, in der die in den einzelnen Verfahrensschritten durchgeführten Merkmalsänderungen des Windlaufs zusammen mit den zugehörigen Messdaten angegeben sind; und
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3 ein Säulendiagramm zur Anzeige der in 2 tabellarisch angegebenen Daten.
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Das erfindungsgemäße Entwicklungsverfahren wird am Beispiel eines Windlaufs erläutert, welcher gemäß 1 aus zwei getrennt hergestellten und dann zu einem geschlossenen Querschnitt miteinander verklebten CFK-Halbschalen besteht und durch eine Vielzahl von fest vorgegebenen Konstruktionsmerkmalen, z. B. die Länge oder die CFK-Bauweise, sowie durch eine Reihe von variablen Technologiemerkmalen gekennzeichnet ist, von denen der Einfachheit halber nachfolgend lediglich vier variable Merkmale, nämlich die Faserlagenstruktur als reines Flachgewebe oder als Flachgewebe-/Geflechtkombination, die Lagenanzahl, die Querschnittsgeometrie mit oder ohne Längssicken und bezüglich des Herstellungsverfahrens das RTM- als Alternative zum Handlaminatverfahren betrachtet werden.
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Zusätzlich unterliegt der Windlauf bis zur Serienreife einem breiten Anforderungsprofil, von welchem nachfolgend der Einfachheit halber wiederum nur vier Zielmerkmale, nämlich die Steifigkeit, die Festigkeit, der Bruchweg und das Gewicht mit den jeweils zugehörigen Zielvorgaben beschrieben werden.
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Ausgegangen wird von einem Probebauteil, welches einem Anfangskonzept entspricht und gemäß 2 zehn Lagen Flachgewebe enthält, im Handlaminatverfahren vorgefertigt und sickenfrei gestaltet ist. Die sich bei einer Überprüfung dieses Probebauteils auf die Zielmerkmale ergebenden Messwerte sind jeweils als indizierter Basiswert 100 in den 2 und 3 angegeben. Die für den Windlauf vorgegebenen Zielanforderungen sind ebenfalls, bezogen auf den Basiswert 100, einschließlich eines jeweils durch einen Minimal- und einen Maximalwert begrenzten Toleranzbereichs, in den 2 und 3 als Zahlenbeispiele wiedergegeben. So muss z. B. die Bauteilsteifigkeit am Ende des Entwicklungsprozesses um das 1,5 bis 1,7-fache höher liegen als beim anfänglichen Probebauteil. Die angegebenen Toleranzbereiche sind natürlich nur Zahlenbeispiele. Für viele Zielmerkmale können die Toleranzbereiche einseitig nach oben oder unten unbegrenzt sein. So kann die Zielanforderung für die Steifigkeit auch beliebig weit über dem Minimalwert von 150 und diejenige für das Gewicht beliebig weit unter dem Maximalwert von 100 liegen.
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In einer ersten Entwicklungsphase werden nacheinander sämtliche variablen Technologiemerkmale jeweils einzeln in der Weise überprüft, dass für jedes Technologiemerkmal ein eigenes Probebauteil hergestellt wird, welches gegenüber dem Ausgangskonzept nur in diesem Technologiemerkmal abgeändert, im Übrigen aber baugleich zum anfänglichen Probebauteil angefertigt ist, und anschließend wird die Auswirkung dieser Merkmalsänderung bezüglich der Zielanforderungen ermittelt. bis sämtliche Technologiemerkmale durchgeprüft sind. Im Beispielsfall wird zunächst die reine Flachgewebestruktur durch eine kombinierte Flachgewebe/Geflechtstruktur ersetzt, während die Lagenanzahl, das Handlaminatverfahren und die sickenfreie Gestaltung des Windlaufs gegenüber dem Ausgangskonzept unverändert bleiben (1. Merkmaländerung). In analoger Weise werden die restlichen Einzelmerkmale an Hand entsprechender Probebauteile durchgeprüft, welche gegenüber dem Anfangsentwurf jeweils nur in der Lagenanzahl (2. Merkmalsänderung gemäß den 1 und 2), in der geometrischen Gestaltung mit einer Verstärkungssicke (3. Merkmalsänderung) und im Herstellungsverfahren (RTM – anstelle des Handlaminatverfahrens gemäß der 4. Merkmalsänderung) modifiziert sind, wobei die Reihenfolge der Merkmalsänderungen keine Rolle spielt.
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Die Probebauteile werden hinsichtlich der einzelnen Zielmerkmale vermessen und dabei ergeben sich die in den 2 und 3 beispielsweise angegebenen, wiederum auf den Basiswert 100 bezogenen Messwerte. Anschließend werden für jedes Technologiemerkmal jeweils Einflussfaktoren und Zielabstände errechnet. Der Einflussfaktor ist die Differenz zwischen dem auf das jeweilige Zielmerkmal bezogenen Messwert des geänderten Probebauteils und dem des Ausgangskonzepts im Verhältnis zum Messwert des geänderten Probebauteils und der Zielabstand entspricht der Differenz zwischen dem Messwert des geänderten Probebauteils und der Zielvorgabe im Verhältnis zur Zielvorgabe. Im Beispielsfall errechnet sich für die 1. Merkmalsänderung ein auf die Steifigkeit bezogener Einflussfaktor von (120 – 100)/120 = 16,7% und ein Zielabstand von (170 – 120)/170 = 29,4% sowie für die Festigkeit ein Einflussfaktor von 9,1% und ein Zielabstand von 15,4%. In entsprechender Weise werden aus den übrigen Prüfergebnissen die jeweilige Einflussfaktoren und Zielabstände ermittelt und die Technologiemerkmale dann in der Rangfolge ihrer Einflussfaktoren klassifiziert.
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Nunmehr wird das ranghöchste Technologiemerkmal (Einflussfaktor 37,5% Steifigkeitssteigerung durch Verstärkungssicke) nochmals in Richtung der vorherigen Merkmalsänderung modifiziert, also ein Probebauteil mit einer weiteren Versteifungssicke angefertigt und vermessen (3.1. gemäß den 2 und 3) und dieser Vorgang nach einer vorgegebenen Anzahl von zusätzlich eingefügten Verstärkungssicken oder dann abgebrochen, wenn sich das Prüfergebnis schon zuvor verschlechtert, wie dies bei dem 3-Sicken-Windlauf (Merkmalsänderung 3.2. gemäß 2) der Fall ist, woraufhin das jeweils rangnächste Technologiemerkmal in entsprechender Weise modifiziert und an Hand eines Probebauteils überprüft wird, wobei in die Modifikation des rangnächsten Technologiemerkmals vorzugsweise gleich die zielnäheste Modifikation des ranghöheren Technologiemerkmals (Zweisicken-Windlauf) und des im Rang unmittelbar nachfolgenden Technologiemerkmals (RTM-Verfahren) miteinbezogen werden. Das entsprechende Probebauteil enthält somit zwei Längssicken, ist im RTM-Verfahren hergestellt und besteht aus 8 Lagen Flachgewebe und zwei Lagen Geflecht und liegt im Beispielsfall in vollem Umfang im Toleranzbereich des Anforderungsprofils. Mit dem beschriebenen Verfahren wird somit bereits mit wenigen Probebauteilen ein anforderungsgerechtes Endkonzept entwickelt.
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Die zweite Variante der Erfindung beruht auf dem gleichen Entwicklungsprinzip wie das zuvor beschriebene Entwicklungsverfahren, unterscheidet sich jedoch von diesem in erster Linie dadurch, dass nicht etwa zunächst sämtliche Technologiemerkmale nacheinander jeweils einzeln abgeändert und an einem entsprechenden Probebauteil überprüft werden, sondern dass die Einzelprüfung nur bis zu einem Technologiemerkmal fortgeführt wird, bei welchem sich aus dem Messwertvergleich zwischen dem jeweiligen Ausgangs- und dem geänderten Probebauteil eine signifikante Annäherung an das Anforderungsprofil ergibt. Dieses Merkmal wird dann wiederholt in Richtung der Merkmalsänderung nachmodifiziert, bis eine zulässige Maximalanzahl von Wiederholungen erreicht ist oder sich das Prüfungsergebnis verschlechtert, woraufhin die Einzelprüfung mit den noch ungeprüften Technologiemerkmalen, wiederum ausgehend von einem durch das vorherige signifikante Technologiemerkmal zielnäher abgeänderten Probebauteil, fortgesetzt wird, bis ein weiteres signifikantes Technologiemerkmal detektiert und dieses dann in gleicher Weise wie das vorherige signifikante Technologiemerkmal nachmodifiziert wird. Selbstverständlich wird der Entwicklungsprozess bei beiden Varianten der Erfindung beendet, sobald das Prüfergebnis eines Probebauteils im Toleranzbereich des Anforderungsprofils liegt.
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Im Zahlenbeispiel der 2 liegen bei dem als zweites geänderten Technologiemerkmal (Erhöhung der Lagenzahl auf 13) die Einflussfaktoren für die Steifigkeit bei 23,1%, für die Festigkeit ebenfalls bei 23,1%, für den Bruchweg bei –17,6% und für das Gewicht bei –23,1%, mithin insgesamt bei 5,5%. Da die Signifikanzgrenze selbstverständlich über Null und vorzugsweise zwischen 10% und 20% gewählt wird, liegt dieses Merkmal unterhalb der Signifikanzgrenze und bleibt daher im weiteren Entwicklungsprozess unberücksichtigt. Aus den Zahlenbeispielen der 2 ergeben sich für die anderen Technologiemerkmale Einflussfaktoren, die insgesamt über der Signifikanzgrenze liegen, so dass diese Merkmale jeweils einzeln nachmodifiziert werden. Auch hier ist der Entwicklungsprozess nicht an eine bestimmte Reihenfolge der zu prüfenden Einzelmerkmale gebunden.
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Vor allem für erfahrene Entwickler empfiehlt es sich jedoch, die Signifikanz der variablen Einzelmerkmale bereits auf der Grundlage des anfänglichen Entwicklungskonzepts abzuschätzen und die Technologiemerkmale dann im nachfolgenden Entwicklungsprozess nach der vorab zugewiesenen Signifikanz geordnet abzuändern, wodurch sich die Anzahl der erforderlichen Probebauteile weiter reduzieren lässt.
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Im Rahmen der Erfindung sind zahlreiche Abwandlungen möglich. So kann das erfindungsgemäße Entwicklungsverfahren anstatt für eine aus Beschreibungsgründen beschränkte Anzahl von jeweils vier Technologiemerkmalen und Zielanforderungen ohne Weiteres auch für eine zielgerichtete Bauteilentwicklung mit weit mehr variablen Technologiemerkmalen und einem wesentlich breiteren Anforderungsprofil verwendet werden.