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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Positionieren und Fügen von Karosserieteilen bei der Herstellung einer Fahrzeugkarosserie.
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In der Serienfertigung werden Fahrzeugkarosserien weitgehend vollautomatisiert aus einer Vielzahl einzelner Karosserieteile bzw. -module zusammengebaut bzw. Stück für Stück aufgebaut. Die einzelnen Karosserieteile werden mithilfe einer Handhabungs- bzw. Handlingsvorrichtung (bspw. ein Roboter mit einer Greifeinrichtung) zugeführt und positioniert und anschließend gefügt, z. B. durch Schweißen, Kleben, Schrauben und dergleichen. Hierbei kommt es darauf an, dass das zu fügende Karosserieteil beim Fügen möglichst exakt positioniert ist. Dies gelingt bspw. mithilfe einer Spannvorrichtung oder dadurch, dass das Karosserieteil während des Fügevorgangs noch mithilfe der zuführenden Handhabungsvorrichtung in Position gehalten wird. Beides hat sich über viele Jahre hinweg bewährt, geht allerdings mit diversen Nachteilen einher. Der Produktionsablauf ist dadurch äußerst unflexibel. Außerdem können während des Fügevorgangs in den von der Spannvorrichtung oder Handhabungsvorrichtung verdeckten Bereichen keine weiteren Fertigungsoperationen durchgeführt werden.
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Die
DE 10 2008 038 747 A1 beschreibt ein Verfahren zum Positionieren und Fügen von Karosserieteilen mit folgenden Schritten:
- - Bereitstellen eines ersten Karosserieteils, das mindestens ein Formschlusselement aufweist,
- - Bereitstellen eines zweiten Karosserieteils, das mindestens ein mit dem Formschlusselement des ersten Karosserieteils zusammenwirkendes Formschlusselement aufweist,
- - Aneinandersetzen der beiden Karosserieteile, so dass die Formschlusselemente ineinander eingreifen und die beiden Karosserieteile zumindest in bestimmten Richtungen gegen Verrutschen sichern und in einer vorgegebenen Soll-Position halten,
- - Dauerhaftes Verbinden der beiden Karosserieteile.
Bei dem Formschlusselement des ersten Karosserieteils kann es sich um ein zapfenartiges Element und bei dem Formschlusselement des zweiten Karosserieteils um ein dazu komplementäres Loch bzw. eine dazu komplementäre Ausnehmung bzw. Einbuchtung handeln.
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Die
DE 10 2011 014 338 A1 offenbart ein Verfahren zur Montage eines eine Bodenwanne aufweisenden Bodenmoduls an Tragstrukturkomponenten eines Kraftfahrzeugs, wobei
- - auf eine bodenwannenseitige Anlagefläche und/oder an eine hiermit korrespondierende Gegenanlagefläche der Tragstrukturkomponenten ein Klebstoff aufgebracht wird und
- - das Bodenmodul mit zumindest einem an die Bodenwanne angeformten Formschlussmittel zumindest bis zum Aushärten des Klebstoffs formschlüssig mit der Tragstrukturkomponente verbunden wird. Ferner offenbart die DE 10 2011 014 338 A1 ein Bodenmodul für ein Kraftfahrzeug und eine Bodenanordnung eines Kraftfahrzeugs.
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Die
DE 10 2010 063 717 A1 offenbart ein Verfahren zum Verbinden mindestens zweier Bauteile, insbesondere zweier fest miteinander zu verbindender Karosserieteile einer Fahrzeugkarosserie, mit folgenden Schritten:
- - Bereitstellen eines ersten Bauteils, an dem mindestens ein von dem ersten Bauteil abstehendes erstes Formschlusselement vorgesehen ist,
- - Bereitstellen eines zweiten Bauteils, das mindestens ein mit dem ersten Formschlusselement des ersten Bauteils zusammenwirkendes zweites Formschlusselement aufweist,
- - Lösbares Fixieren der beiden Bauteile durch Aneinandersetzen derselben, derart, dass die Formschlusselemente ineinandergreifen oder einander hintergreifen und die Bauteile dadurch zumindest in einer Richtung relativ zueinander halten, wobei dauerhaftes Verbinden der beiden Bauteile mittels eines zwischen einander zugewandten Flächen der beiden Bauteile befindlichen oder eingebrachten Klebers.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, dass aus der
DE 10 2008 038 747 A1 vorbekannte Verfahren zu verbessern.
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Diese Aufgabe wird gelöst mit dem erfindungsgemäßen Verfahren entsprechend dem Patentanspruch 1. Weiterbildungen und Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Verfahrens ergeben sich aus den abhängigen Patentansprüchen, der nachfolgenden Beschreibung und der Zeichnung.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zum Positionieren und Fügen von Karosserieteilen bzw. zum Positionieren und Fügen eines ersten Karosserieteils an einem zweiten Karosserieteil bzw. zum Einfügen eines Karosserieteils in eine vorgefertigte Karosseriestruktur (s. u.) weist zumindest folgende Schritte auf:
- - Bereitstellen eines ersten Karosserieteils bzw. Karosseriebauteils, das mehrere laschen- bzw. zungenartige Formschlusselemente aufweist;
- - Bereitstellen eines zweiten Karosserieteils bzw. Karosseriebauteils, das mehrere für den Eingriff der laschenartigen Formschlusselemente des ersten Karosserieteils vorgesehene Löcher bzw. Aussparungen aufweist;
- - Greifen bzw. Aufnehmen des ersten Karosserieteils mithilfe einer Handhabungsvorrichtung, wobei die laschenartigen Formschlusselemente verformt werden, insbesondere elastisch einfedern;
- - gegebenenfalls Verbringen bzw. Transportieren des gegriffenen ersten Karosserieteils zum zweiten Karosserieteil mithilfe der Handhabungsvorrichtung;
- - Platzieren bzw. Positionieren des ersten Karosserieteils am zweiten Karosserieteil, wobei die laschenartigen Formschlusselemente des ersten Karosserieteils in die entsprechenden Löcher des zweiten Karosserieteils eingreifen und dann beim Lösen des ersten Karosserieteils von der Handhabungsvorrichtung bzw. beim Entfernen der Handhabungsvorrichtung vom ersten Karosserieteil elastisch zurückfedern und die Lochränder hintergreifen, so dass das erste Karosserieteil gegen Verrutschen gesichert und in einer vorgegebenen Soll-Relativposition am zweiten Karosserieteil fixiert ist;
- - Dauerhaftes Verbinden der beiden Karosserieteile.
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Bevorzugt werden diese Schritte automatisiert, insbesondere vollautomatisiert ausgeführt.
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Das erfindungsgemäße Verfahren weist z. B. den Vorteil auf, dass auch große Maßabweichungen zwischen den Karosserieteilen überbrückbar sind, d. h. es ist kein Überbrücken des ersten Karosserieteils nötig, um Bauteilabweichungen auszugleichen, so dass auch eine verhältnismäßig große Spielfreiheit besteht. Auch eine Spannvorrichtung (bspw. spezielle Spannklammern oder dergleichen) oder dergleichen ist nicht erforderlich. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Fixierung des ersten Karosserieteils lediglich durch elastisches Rückstellen der verformten laschenartigen Formschlusselemente erfolgt, so dass einerseits keine separaten Fügekräfte erforderlich sind (die Fixierung wird ohne Einsatz weiterer Vorrichtungen von der ohnehin benötigten Handhabungsvorrichtung bewerkstelligt) und dass andererseits die zwischen den Karosserieteilen wirkenden Fixierkräfte moderat sind. Ein weiterer Vorteil ist der Flexibilitätsgewinn für den Produktionsablauf bzw. für die Fertigungsplanung, da die Schritte Positionieren und Verbinden bzw. Fügen voneinander entkoppelt sind, so dass sich auch die dafür benötigten Vorrichtungen und Einrichtungen nicht in die Quere kommen, was ferner auch mit einem Platzgewinn einhergeht (insbesondere in modernen Fertigungsstraßen ist die pro Fertigungsstation vorhandene Grundfläche äußerst knapp bemessen).
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Bei dem ersten Karosserieteil handelt es sich bevorzugt um ein flächiges Blechbauteil, insbesondere Blechformteil, oder um ein flächiges faserverstärktes Kunststoffbauteil (FVK-Bauteil), insbesondere eine CFK- oder GFK-Bauteil. Die laschenartigen Formschlusselemente sind bevorzugt einstückig bzw. integral mit dem ersten Karosserieteil ausgebildet und insbesondere an dessen Außenrand angeordnet (s. u.).
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Bei dem zweiten Karosserieteil handelt es sich bevorzugt um eine vorgefertigte Karosseriestruktur, die in einer Fertigungsstraße bzw. -linie zusammengebaut bzw. Stück für Stück aufgebaut wird. Unter einer Karosseriestruktur wird ein aus einer Vielzahl miteinander gefügter Karosserieteile bzw. -module bestehender Aufbau einer Fahrzeugkarosserie verstanden. Das Platzieren bzw. Einsetzen des ersten Karosserieteils in die Karosseriestruktur und das Verbinden mit der Karosseriestruktur kann in verschiedenen Fertigungsstationen der Fertigungsstraße erfolgen. Das erste Karosserieteil kann bspw. in einem frühen Fertigungsstadium, d. h. in einer der ersten Fertigungsstationen, zugeführt und dann erst später verbunden bzw. in die Karosseriestruktur eingefügt werden (die Zuführung in einem frühen Arbeitsgang ist derzeit nicht wirtschaftlich zu bewerkstelligen), wodurch es zu einer erheblichen Flexibilitätssteigerung kommt. Die in den einzelnen Fertigungsstationen knapp bemessenen Grundflächen können besser eingeteilt und genutzt werden. Da bisher das Zuführen bzw. Positionieren und der eigentliche Fügevorgang zumeist innerhalb eines Arbeitsgangs, d. h. in einer Fertigungsstation, erfolgen, müssen innerhalb dieser Fertigungsstation auch Handhabungs- und Fügevorrichtung (bspw. ein Schweißroboter) untergebracht werden, was nachteilig ist.
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Bei den Löcher bzw. Aussparungen in der Karosseriestruktur, in die die laschenartigen Formschlusselemente des ersten Karosserieteils eingreifen, handelt es sich bevorzugt um KTL-Öffnungen, die beim kathodischen Tauchlackieren bspw. Zugang zu schwer zugänglichen Stellen oder Hohlräumen schaffen und die idealerweise ohnehin vorzusehen bzw. bereits vorhanden sind.
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Die dauerhafte Verbindung zwischen den Karosserieteilen wird bevorzugt durch Verschweißen, insbesondere Punktverschweißen, und/oder Verschrauben, insbesondere vorlochfreies Verschrauben mittels FDS-Schrauben, erzeugt. Ferner können die Karosserieteile bspw. auch vernietet werden. Die dauerhafte Verbindung zwischen den Karosserieteilen kann auch durch Verkleben erfolgen, wobei der Klebstoff schon vor dem Positionieren bzw. Platzieren des ersten Karosserieteils aufgetragen wird und dann bspw. beim kathodischen Tauchlackieren aushärtet. Die temporäre Fixierung bis zum Abbinden bzw. Härten des Klebstoffs wird durch den formschlüssigen Eingriff der laschenartigen Formschlusselemente am ersten Karosserieteil in die Löcher des zweiten Karosserieteils bzw. der Karosseriestruktur bewerkstelligt. Ferner kann auch ein Hybridfügen (bspw. Punktschweißkleben) erfolgen. Bei Bedarf können auch lösbare Fügemittel (bspw. Schrauben, lösbare Klebstoffe, etc.) eingesetzt werden.
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Das erste Karosserieteil weist bevorzugt wenigstens drei und insbesondere vier bis sechs laschenartige Formschlusselemente auf, wobei auch das zweite Karosserieteil bzw. die Karosseriestruktur wenigstens mit einer gleichen Anzahl zusammenwirkender bzw. korrespondierender Löcher ausgebildet ist. Das erste Karosserieteil kann prinzipiell auch weniger als drei laschenartige Formschlusselemente aufweisen. Das erste Karosserieteil weist insbesondere vier bis sechs laschenartige Formschlusselemente auf. Die laschenartigen Formschlusselemente sind bevorzugt am Außenumriss bzw. -umfang des ersten Karosserieteils angeordnet und insbesondere derart verteilt, dass in allen Raumrichtungen eine optimale Fixierung und Sicherung gegen Verrutschen gewährleistbar ist.
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Bei der Handhabungsvorrichtung handelt es sich bevorzugt um einen Roboter mit einer Greifeinrichtung (bspw. ein Mehrachsroboter an dessen Roboterarm die Greifeinrichtung angebunden ist), wobei die Greifeinrichtung Greifelemente (bspw. Saug- bzw. Unterdruckgreifer) und Federelemente aufweist und die Federelemente so an der Greifeinrichtung angeordnet sind, dass diese beim Greifen bzw. Aufnehmen des ersten Karosserieteils gegen die laschenartigen Formschlusselemente drücken und diese dabei verformen, insbesondere elastisch verformen. Eine elastische Verformung eines laschenartigen Formschlusselements kann auch einen plastischen Verformungsanteil enthalten. Ebenso können die Formschlusselemente während des Greifvorgangs auch einer gezielten plastischen Umformung mit elastischen Anteilen unterzogen werden. Für das Verformen der laschenartigen Formschlusselemente sind also keine aktiven Stellantriebe, sondern nur passive Federelemente, die mit einer definierten Federkraft direkt oder indirekt gegen die Formschlusselemente drücken, vorgesehen. Grundsätzlich können an der Handhabungsvorrichtung auch aktive Stellantriebe bzw. Aktuatoren zum Verformen der laschenartigen Formschlusselemente am ersten Karosserieteil vorgesehen sein.
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Das Positionieren bzw. Platzieren des ersten Karosserieteils am zweiten Karosserieteil bzw. an der Karosseriestruktur kann mittels wenigstens einer Einrichtung zur Positionsüberwachung, insbesondere einer Kamera, überwacht werden. Die Einrichtung bzw. Kamera kann bspw. auch an der Greifeinrichtung befestigt sein. Die Überwachung ermöglicht auch eine freie Positionierung und/oder eine Regelung des Positionier- bzw. Platziervorgangs, wenn bspw. eine exakte Positionierung des ersten Karosserieteils funktionsrelevant ist.
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Die Erfindung wird nachfolgend mit Bezug auf die Zeichnung näher erläutert. Die in der Zeichnung gezeigten oder nachfolgend erläuterten Merkmale können, auch losgelöst von konkreten Merkmalskombinationen, die Erfindung weiterbilden.
- 1 veranschaulicht in drei schematischen Einzeldarstellungen das erfindungsgemäße Verfahren.
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In der 1 ist ein erstes, nur teilweise dargestelltes Karosserieteil 100 und ein zweites, ebenfalls nur teilweise dargestelltes Karosserieteil 200 gezeigt. Bei dem ersten Karosserieteil 100 handelt es sich bspw. um ein ebenes oder auch räumlich geformtes Bodenblech (Schließblech) und bei dem zweiten Karosserieteil 200 um einen Seitenschweller, der Bestandteil einer im Weiteren nicht dargestellten Karosseriestruktur ist. Das Bodenblech 100 wird in seinem Randbereich auf den Seitenschweller 200 aufgesetzt und die beiden Karosserieteile 100 und 200 werden an den sich berührenden Fügeflächen 110 und 210 gefügt, bspw. durch Verschweißen (insbesondere Widerstandspunktschweißen), Verschrauben und/oder Verkleben.
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Zur temporären Fixierung weist das Karosserieteil 100 an mehreren Stellen seines Außenumrisses laschenartige Formschlusselemente 120 auf, die S- oder Z-förmig geformt sind. Das zweite Karosserieteil 200 weist komplementäre bzw. korrespondierende Löcher 220 auf, in die die laschenartigen Formschlusselemente 120 eingreifen können, wie nachfolgend erläutert. Dabei ist eine einseitige Zugänglichkeit ausreichend.
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Das Positionieren und Fügen erfolgt automatisiert. Hierzu wird das erste Karosserieteil 100 von einer Handhabungs- bzw. Handlingsvorrichtung aufgenommen und am zweiten Karosserieteil 200 platziert. Die Handhabungsvorrichtung ist bspw. ein Roboter mit einer Greifeinrichtung 300, die Greifelemente 310 in Gestalt von Sauggreifern und Federelemente 320 aufweist. Die Federelemente 320 der Greifeinrichtung 300 sind so angeordnet, dass diese beim Greifen des ersten Karosserieteils 100 mit einer definierten Kraft F direkt gegen die laschenartigen Formschlusselemente 120 drücken und diese vorzugsweise nur elastisch verformen, wie in 1a und 1b gezeigt.
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Beim Platzieren am zweiten Karosserieteil 200 können sich die elastisch verformten Formschlusselemente 120 berührungslos durch die Löcher 220 im zweiten Karosserieteil 200 bewegen, wie in 1b veranschaulicht. Das Platzieren kann mit einer Kamera 400 oder dergleichen überwacht werden.
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Nachdem das erste Karosserieteil 100 die in 1c gezeigte Position eingenommen hat, in der sich die Fügeflächen 110 und 210 berühren, kann dieses von der Greifeinrichtung 300 losgelassen bzw. freigegeben werden. Die Formschlusselemente 120 können nun elastisch zurückfedern und dabei auf der Rückseite des Karosserieteils 200 die Lochränder der Löcher 220 krallenartig hintergreifen, wie in 1c gezeigt. Es entsteht eine kraft- und formschlüssige Verbindung zwischen den beiden Karosserieteilen 100 und 200 (die erzeugte Verbindung ist eine formschlüssige Verbindung mit kraftschlüssigem Anteil), was auch als elastisches formschlüssiges Verklemmen aufgefasst werden kann. Gegebenenfalls kann sich das erste Karosserieteil 100 nach dem Loslassen auch noch selbsttätig zum zweiten Karosserieteil 200 ausrichten, so dass eine separate Ausrichtung nicht erforderlich ist.
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Das Karosserieteil 100 ist nun bis zum abschließenden Fügevorgang, der vorzugsweise erst später, insbesondere in einer anderen Fertigungsstation der selben Fertigungsstraße, durchgeführt wird, in der vorgegebenen Soll-Position fixiert und gegen Verrutschen gesichert. Die in der Figur gezeigte Raumlage der Karosserieteile 100 und 200 ist nur beispielhaft.