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Die Erfindung betrifft ein Prüfverfahren zur zerstörungsfreien Ermittlung festigkeits- und/oder umformtechnisch relevanter Materialkennwerte eines zu prüfenden Blechbauteiles auf Basis des ebenen Torsionsversuchs gemäß Oberbegriff des Anspruches 1 sowie eine zur Durchführung des Prüfverfahrens geeignete Prüfeinrichtung gemäß Oberbegriff des Anspruches 11.
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Um die Eigenschaften eines fertigen Bauteils für den Betriebseinsatz oder auch eines Werkstoffs für den Produktionsprozess beurteilen zu können, sind Prüfungen unter anderem zur Festigkeit erforderlich. Bei der mechanischen Prüfung von Blechhalbzeugen und Blechprodukten muss hierzu in der Regel eine Probe aus dem hergestellten Werkstück ausgeschnitten werden, die dann an einer speziellen Prüfanlage untersucht wird. Die zerstörende Entnahme von Proben ist jedoch nicht immer erwünscht, da hierdurch bei fertigen Bauteilen die Funktionsfähigkeit oder Unversehrtheit der fertigen Bauteile beeinträchtigt wird. Bei gekrümmten Bauteilen ist zudem eine Probenentnahme nicht immer möglich, da die Prüfung gekrümmter Proben aufwändiger als bei ebenen Proben ist.
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Für die Prüfung der Festigkeits- und/oder Umformeigenschaften von Blechen oder Blechwerkstoffen ist die Bestimmung der Fließeigenschaften der Blechwerkstoffe von Bedeutung, aus denen sich dann Schlussfolgerungen für die Umformung herleiten lassen. Hierzu wurde der sog. ebene Torsionsversuch unter Laborbedingungen entwickelt, bei dem ein Blechwerkstoff in Form eines größeren Abschnitts eines ebenen Bleches auf Torsion belastet und das Torsionsmoment und der Verdrehwinkel bei einer Torsionsbelastung gemessen werden. Hierfür wird das Blech zwischen zwei oberseitig und unterseitig des Bleches angeordneten Spannringen geklemmt, indem die Spannringe zusammen gepresst werden und das zu prüfende Blech zwischen sich aufnehmen. Die Spannringe fixieren damit das Blech und halten es im Randbereich unverdrehbar fest. Im Mittenbereich der Spannringe werden dann wiederum beidseitig des Bleches innere Spannbacken auf die Oberseite und auf die Unterseite des Bleches und gegeneinander gepresst, die sich gegenüber des ortsfesten und unverdrehbaren Spannringen axial verdrehen lassen. Werden nun die Spannbacken auf das zwischen den Spannringen gehaltene Blech und damit gegeneinander gepresst und dann relativ zu den Spannringen verdreht, so entsteht in dem Blechabschnitt zwischen den Spannringen und den Spannbacken eine Scherungsbelastung aufgrund der Torsion. Diese Scherungsbelastung kann hinsichtlich des Verdrehwinkels z. B. optisch und hinsichtlich der Verdrehbelastung z. B. über eine Drehmomentmessung erfasst werden. Bei einer kontinuierlichen Messung lässt sich damit eine Fließkurve des Blechwerkstoffes aufnehmen, aus der sich anhand plastomechanischer Zusammenhänge weitere für die Umformung relevante Materialkennwerte ermitteln lassen. Besonders interessant ist hierbei die Ermittlung der Streckgrenze des Blechwerkstoffes, da mit diesem Wert der für die Umformung wichtige Beginn des plastischen Fließens des Blechwerkstoffes ermittelt werden kann.
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Im klassischen ebenen Torsionsversuch wird hierfür ein runder und ebener Abschnitt des Bleches untersucht. Hierfür können nur extra dafür angefertigte runde Blechplatinen verwendet werden, die anschließend als Abfall entsorgt werden müssen. Auch lässt sich das Werkstoffverhalten nur unter Laborbedingungen ermitteln, das Umformverhalten von schon ganz oder teilweise umgeformten Blechbauteilen kann hiermit nicht erfasst werden. Auch ist eine zerstörungsfreie Prüfung des Werkstoffverhaltens schon ganz oder teilweise umgeformter Blechbauteile mit diesem klassischen ebenen Torsionsversuch nicht möglich.
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Die Nachteile der bisher verfügbaren Vorgehensweise sind offensichtlich. Die zerstörende Entnahme von Proben mit einer anschließenden aufwendigen Prüfung liefert zwar die gewünschten Werkstoffkennwerte, ist jedoch nur an speziellen Proberonden möglich und lässt sich insbesondere nicht an fertigen Bauteilen durchführen, ohne die durch die Probenentnahme verursachten Beeinträchtigung der fertigen Bauteile hervorzurufen. Zudem wird hierbei nicht ermöglicht, eine 100%-Prüfung fertiger Bauteile z. B. im Rahmen einer Serienfertigung durchzuführen, die dann unmittelbar nach positiver Prüfung direkt z. B. in der Montage, der Weiterbearbeitung weiter oder in sonstiger Weise verwendet werden können. Auch lässt sich mit den klassischen Verfahren keine quasi zerstörungsfreie Ermittlung der lokalen Festigkeit von Bauteilen oder auch eine Prüfung an schwer zugänglichen Bereichen solcher Bauteile durchführen.
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Ziel der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein Prüfverfahren und eine Prüfeinrichtung zur Verfügung zu stellen, welches die Erfassung festigkeits- und/oder umformtechnischer Eigenschaften insbesondere von Blechbauteilen auf Basis des ebenen Torsionsversuchs auch ohne eine Probeentnahme und damit näherungsweise zerstörungsfrei ermöglicht.
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Die Erfindung hinsichtlich des Prüfverfahrens geht aus von einem Prüfverfahren zur Ermittlung festigkeits- und/oder umformtechnisch relevanter Materialkennwerte eines zu prüfenden Bleches auf Basis des ebenen Torsionsversuchs, bei dem zumindest ein Abschnitt des Bleches mittels Spannwerkzeug einer Torsionsbelastung unterworfen und zumindest Drehmoment und Verdrehwinkel des Spannwerkzeugs erfasst werden. Ein derartiges gattungsgemäßes Prüfverfahren wird dadurch in erfindungsgemäßer Weise weiter entwickelt, dass ein vorzugsweise ortsfest festgelegtes und aus dem Blech gebildetes Blechbauteil zwischen oberseitig und unterseitig des jeweiligen Prüfbereichs des Blechbauteiles angeordneten Spannstiften geklemmt wird, anschließend die Spannstifte senkrecht zur Blechebene im Prüfbereich gleichsinnig relativ zu dem vorzugsweise ortsfesten Blechbauteil verdreht werden, und das zur Verdrehung der Spannstifte und damit zur lokalen Scherung des Blechbauteils im Prüfbereich benötigte Drehmoment und der relative Verdrehwinkel der Spannstifte gemessen und aufgezeichnet werden.
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Der wesentliche Vorteil des erfindungsgemäßen Prüfverfahrens gegenüber anderen Prüfverfahren wie dem Zugversuch oder dem ebenen Torsionsversuch unter Laborbedingungen ist die Möglichkeit, insbesondere fertige Blechbauteile ohne Probenentnahme prüfen zu können. Ist der klassische ebene Torsionsversuch auf vorab hergestellte, für die Festigkeitswerte repräsentative Blechplatinen beschränkt, so kann mit dem erfindungsgemäßen Prüfverfahren am fertigen oder sich bildenden Bauteil in jedem Fertigungszustand gezielt und nahezu zerstörungsfrei an ausgewählten Punkten die jeweiligen Materialeigenschaften und insbesondere die Fließgrenze bestimmt werden. Hierdurch lassen sich zum einen lokale Veränderungen der Festigkeitseigenschaften erfassen, die sich z. B. aus der umformtechnischen Bearbeitung des Blechbauteils ergeben, zum anderen kann jedes einzelne gefertigte Blechbauteil im Sinne einer Qualitätsüberprüfung z. B. an Stellen von besonderem Interesse bzw. umformtechnisch besonderen Anforderungen auf die vorliegenden Materialeigenschaften überprüft werden. Die lässt sich vorteilhaft dadurch erreichen, dass das Blechbauteil im Ganzen ortsfest angeordnet oder gehaltert ist und die beim klassischen ebenen Torsionsversuch notwendigen Klemmringe um die eigentliche Prüfstelle herum entfallen können. Insbesondere durch die im Verhältnis sehr geringe plastische lokale Verdrehung des Blechbauteiles im Wirkungsort der Spannstifte wird eine gesonderte Klemmung des Blechbauteils um den Wirkungsort der Spannstifte herum überflüssig, da das Blechbauteil als solches als ortsfest angesehen werden kann. Anschaulich gesprochen kann die Klemmung des Blechbauteils um den Wirkungsort der Spannstifte herum als beliebig weit entfernt von dem Wirkungsort der Spannstifte angesehen werden. Hierdurch wird der Flächenbedarf am Blechbauteil im Prüfbereich stark reduziert, so dass auch punktuelle Prüfungen und Prüfungen an nicht ebenen Abschnitten des Blechbauteils möglich werden. Je kleiner der Durchmesser der Spannstifte und damit die Abmessungen der Klemmflächen der Spannstifte ist, desto geringer sind die zur Prüfung notwendigen Drehmomente. Aus diesem Grund ist es vorteilhaft, die Spannstifte so klein wie möglich zu gestalten, um im Sinne einer zerstörungsfreien Werkstückprüfung zudem einen möglichst geringen Abdruck auf dem Blechbauteil zu erzeugen, und zudem möglichst lokal messen zu können. Zudem kann durch dafür gesorgt werden, dass das die Scherbelastung im Blechbauteil hervorrufende Drehmoment derart verringert wird, dass das Drehmoment auch ohne separate Klemmung des Blechbauteils von dem Blechbauteil sicher aufgenommen werden kann. Je nach Geometrie der Spannstifte ist auch die Prüfung an gewölbten Abschnitten der Oberfläche des Blechbauteils möglich und erlaubt eine große Bandbreite an prüfbaren Bauteilgeometrien. Für die Aufbringung der Torsionsbelastung kann vorteilhaft das Blechbauteil ortsfest festgelegt und die Spannstifte hierzu beweglich sein, selbstverständlich ist aber auch die kinematische Umkehr mit ortfest festgelegten Spannstiften und relativ dazu verdrehbarem Blechbauteil realisierbar.
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Von besonderem Vorteil ist es, dass das Drehmoment nur solange aufgebracht wird, bis das Blechbauteil im Prüfbereich gerade anfängt, plastisch zu fließen. Hierdurch wird zwar ganz lokal eine sehr geringe plastische Verformung des Blechbauteils hervorgerufen, die aber sehr kleinflächig und in der Praxis nicht von Belang ist. Gleichwohl lässt sich hierdurch ohne merkbare Veränderung des Blechbauteils insbesondere die Fließgrenze des Blechbauteils in diesem Prüfbereich ermitteln.
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Hierzu wird in einer bevorzugten Ausgestaltung aufgrund der Messung des Drehmomentes der Torsionsbelastung in Abhängigkeit von Verdrehwinkel der Spannstifte oder der Verdrehzeit ein Kurvenverlauf der Deformation des Blechbauteils im Prüfbereich ermittelt, aus dem sich der Übergang zwischen elastischer und plastischer Verformung des Blechbauteils erkennen lässt, der wiederum der lokalen Fließgrenze des Blechbauteils in diesem Prüfbereich entspricht. Als Indikator kann in weiterer Ausgestaltung das Abknicken im Verlauf der aufgenommenen Kurve des Drehmoment-/Verdrehwinkel-Verlaufs oder des Drehmoment/Verdrehzeit-Verlaufs genutzt werden, das den Übergang zwischen im wesentlichen linearer elastischer Deformation und lokalem plastischem Fließen des Blechbauteils im Prüfbereich angibt. Dies kann z. B. durch eine Überwachung der Veränderung der Steigung des ermittelten Verlaufs durchgeführt werden.
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Das Drehmoment wird nur solange aufgebracht, bis ein Abknicken im Verlauf der aufgenommenen Kurve des Drehmoment-/Verdrehwinkel-Verlaufs erkennbar wird, der den Übergang zwischen im wesentlichen linearer elastischer Deformation und lokalem plastischem Fließen des Blechbauteils im Prüfbereich angibt. Um die Grenze zwischen rein elastischer Deformation und dem plastischen Fließen eines Werkstoffes zu ermitteln, genügt es insbesondere, den Knick im Verlauf dieser Kurve zu identifizieren. Dieser Knick im Kurvenverlauf kann z. B. anhand einer Veränderung der Steigung des ermittelten Verlaufs bestimmt werden.
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Von Vorteil ist es weiterhin, dass der Verdrehwinkel der Spannstifte während des Prüfablaufs unter der Voraussetzung, dass die Spannstifte nicht gegenüber dem Bauteil durchrutschen, der Dehnung im Prüfbereich des Blechbauteils entspricht und daher die Dehnung unproblematisch ermittelt werden kann. Lässt sich hingegen ein Durchrutschen der Spannstifte nicht sicher vermeiden, so sollte eine separate lokale Messung des Verdrehwinkels erfolgen. Auch kann die Scherspannung im Prüfbereich des Blechbauteils aus dem Drehmoment der Spannstifte berechnet wird, indem aus der Kenntnis des Radius', dem Drehmoment und der Blechdicke des Blechbauteils im Prüfbereich berechnet wird.
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In einer ersten Ausgestaltung kann die Formänderung des Blechbauteils im Prüfbereich taktil, vorzugsweise durch einen an dem Blechbauteil angeordneten Aufnehmer ermittelt wird. Alternativ ist es aber auch denkbar, die Formänderung des Blechbauteils im Prüfbereich optisch, vorzugsweise durch optische Auswertung von Veränderungen von auf dem Prüfbereich angebrachten Mustern oder dgl. ermittelt wird. So kann im Prüfbereich z. B. ein Punktemuster oder ein Linienmuster aufgebracht werden, das sich durch die Belastung verändert und diese Veränderung kann dann optisch z. B. mittels Kameras ausgewertet und in die benötigten Materialkennwerte umgerechnet werden.
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Die Erfindung umfasst weiterhin eine Prüfeinrichtung zur zerstörungsfreien Ermittlung festigkeits- und/oder umformtechnisch relevanter Materialkennwerte eines zu prüfenden Bleches auf Basis des ebenen Torsionsversuchs, bei dem zumindest ein Abschnitt des Bleches einer Torsionsbelastung unterworfen und zumindest Drehmoment und Verdrehwinkel des Spannwerkzeugs. Eine derartige Prüfeinrichtung wird dadurch in erfindungsgemäßer Weise weiter entwickelt, dass das aus dem Blech gebildetes Blechbauteil relativ zu der Prüfeinrichtung im Ganzen ortsfest gehaltert oder festgelegt ist, die Prüfeinrichtung zwei axial zueinander ausgerichtete und bewegbare Spannstifte aufweist, zwischen denen das Blechbauteil mit seinem jeweiligen Prüfbereich ausgerichtet positionierbar ist und die Spannstifte das Blechbauteil in axialer Richtung zwischen sich klemmen, eine Antriebsvorrichtung die Spannstifte senkrecht zur Blechebene im Prüfbereich gleichsinnig relativ zu dem ortsfesten Blechbauteil verdreht, und eine Messeinrichtung das zur Verdrehung der Spannstifte und damit zur lokalen Scherung des Blechbauteils im Prüfbereich benötigte Drehmoment und den relativen Verdrehwinkel der Spannstifte und/oder die Verdrehzeit misst und aufzeichnet. Mit einer derartigen Prüfeinrichtung können mittels des erfindungsgemäßen Prüfverfahrens am fertigen oder sich bildenden Werkstück in jedem Fertigungszustand gezielt und zerstörungsfrei an ausgewählten Punkten die jeweiligen Materialeigenschaften und insbesondere die Fließgrenze bestimmt werden, die sonst nur durch aufwändige und in der Regel zerstörende Prüfungen zu ermitteln waren. Die schon zum Prüfverfahren vorstehend beschriebenen Vorteile und Eigenschaften gelten selbstverständlich auch für die erfindungsgemäße Prüfeinrichtung und werden hiermit ausdrücklich in Bezug genommen. Selbstverständlich ist auch eine kinematische Umkehr der Relativbewegung zwischen Spannstiften und Blechbauteil möglich und denkbar, bei der die Spannstifte ortsfest ausgebildet sind und das Blechbauteil relativ zu den Spannstiften verdreht wird.
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Von Vorteil ist es insbesondere, wenn die Spannstifte gleiche, zueinander gerichtete und vorteilhaft kreisförmig ebene Spannflächen aufweisen, zwischen denen das zu prüfende Bauteil klemmend gehalten ist. Hierdurch lassen sich die mathematischen Beziehungen zur Ermittlung der Materialkennwerte aus den Messgrößen besonders einfach halten.
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Es ist in anderer Ausgestaltung aber auch denkbar, dass die Spannflächen profiliert, vorzugsweise kuppelförmig gebogen ausgebildet sind, um eine besonders kleine das Blechbauteil berührende Fläche der Spannstifte zu bewirken. Hierdurch kann das Drehmoment über eine sehr kleine Kontaktfläche in das Blechbauteil eingeleitet werden, wodurch das auf das Blechbauteil einwirkende Drehmoment zudem insgesamt verringert und die Zerstörungsfreiheit des Prüfverfahrens verbessert werden kann.
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Auch ist es denkbar, dass die Spannflächen punktuelle Profilierungen aufweisen, die eine form- und kraftschlüssige Einspannung des Blechbauteils zwischen den Spannstiften erlaubt. So können z. B. pyramidenartige Vorsprünge in den Spannflächen vorgesehen werden, die sich ein wenig in das Blechbauteil einprägen und die Drehmomentübertragung verbessern.
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Insbesondere für punktuelle Prüfungen auch an gekrümmten Bereichen des Blechbauteils ist es von Vorteil, wenn die radialen Abmessungen der Spannstifte möglichst gering ausgebildet werden. Hierdurch lassen sich Prüfungen auch an mit engen Radien oder Ecken versehenen Abschnitten des Blechbauteils ausführen.
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Von besonderem Vorteil ist es, wenn die Spannstifte an einer zangenartigen Aufnahme gehaltert sind, die auch an eng gekrümmten Prüfbereiche des Blechbauteils positionierbar sind. Diese zangenartige Aufnahme kann dann insgesamt einfach an die jeweiligen Prüfbereiche des Blechbauteils passend positioniert und angestellt werden, um die Prüfung durchzuführen. In weiterer Ausgestaltung kann eine derartige zangenartige Prüfeinrichtung durch Positioniereinrichtungen, vorzugsweise durch Industrieroboter automatisch relativ zu dem Blechbauteil oder umgekehrt das Blechbauteil relativ zu der zangenartigen Prüfeinrichtung positioniert werden. Alternativ ist es aber auch denkbar, die Prüfeinrichtung als stationäre Prüfeinrichtung in eine Prozesskette zur Herstellung des Blechbauteils zu integrieren. Als weitere Alternative ist es denkbar, dass die Prüfeinrichtung mobil auf einer bewegbaren Grundeinheit angeordnet und relativ zu dem Blechbauteil positioniert und ausgerichtet wird.
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Eine besonders bevorzugte Ausführungsform des erfindungsgemäßen Prüfverfahrens und der erfindungsgemäßen Prüfeinrichtung zeigt die Zeichnung.
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Es zeigen:
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1 – eine sehr stark prinziphaft ausgebildete Darstellung der grundsätzlichen Funktion der Prüfeinrichtung mit geöffneten Spannstiften zur Prüfung eines ebenen Abschnitts des Blechbauteils,
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2 – die Prüfeinrichtung gemäß 1 im geschlossenen Zustand der Spannstifte und unter Aufbringung des Torsions-Drehmomentes auf das Blechbauteil,
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3 – prinziphaft ausgebildete Darstellung des zangenartigen Aufbaus der Prüfvorrichtung mit daran angeordneter Messeinrichtung für das Drehmoment sowie optischer Erfassung des Verdrehwinkels im Prüfbereich des Blechbauteils
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4 – Darstellung der Anordnung der Spannstifte der erfindungsgemäßen Prüfeinrichtung entlang der Kontur eines gekrümmt ausgebildeten Blechbauteils,
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5 – Darstellung der Belastungskurve des Prüfbereichs des Blechbauteils mit erkennbarem Übergang der elastischen zur plastischen Verformung für verschiedene Blechwerkstoffe.
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In der 1 ist in einer sehr stark prinziphaft ausgebildeten Darstellung die grundsätzliche Funktion der erfindungsgemäßen Prüfeinrichtung mit geöffneten Spannstiften 2, 3 zur Prüfung eines zwischen den Spannstiften 2, 3 angeordneten ebenen Prüfabschnitts 12 des Blechbauteils 1 zu erkennen. Die Spannstifte 2, 3 wissen eine stirnseitig angeordneten und dem jeweils anderen Spannstift 3, 2 zugewandte Spannfläche 7 auf, die hier eine ebene Ausbildung hat, aber in anderer Ausgestaltung auch gekrümmt oder in anderer Weise zur Prüfung passend ausgebildet sein kann. Die beiden Spannstifte 2, 3 können mit zueinander gerichteten Spannkräften 4 eines nicht näher dargestellten Spannantriebs derart beaufschlagt werden, dass sie auf das Blechbauteil 1 zu fahren und dieses, wie in 2 zu erkennen ist, zwischen sich einklemmen. Das Blechbauteil selbst, ist, wie in den 1 und 2 nur mit der Sachnummer 5 angedeutet ortsfest festgelegt sein, beispielsweise als Ganzes in einer Aufnahmevorrichtung gehaltert sein, so dass sich das Blechbauteil unter der bei der Prüfung aufgebrachten Last nicht bewegen oder unzulässig verformen kann.
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Zur Durchführung des Prüfverfahrens werden nun nach dem Zusammenfahren der Spannstifte 2, 3 wie in 2 gezeigt durch eine nicht näher dargestellte Antriebseinrichtung die Spannstifte 2, 3 relativ zu dem ortsfesten Blechbauteil 1 gleichsinnig verdreht und hierdurch eine Torsionsbelastung auf das Blechbauteil 1 aufgebracht, die zu einer Scherbelastung in der Blechebene des Blechbauteils 1 führt und deren Auswertung Aussagen über das Festigkeitsverhalten und insbesondere die Streckgrenze des Blechbauteils in diesem Prüfbereich genutzt werden kann. Dieses Materialverhalten ist aus dem klassischen ebenen Torsionsversuch unter Laborbedingungen grundsätzlich bekannt und soll hier nur insoweit ausführlicher beschrieben werden, wie dies für das Verständnis der vorliegenden Erfindung relevant ist.
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Wird nun, wie in der 3 prinziphaft zu erkennen ist, das Drehmoment bei der Verdrehung der Spannstifte 2, 3 mittels einer nur angedeuteten Messeinrichtung 9 erfasst und gleichzeitig die Verdrehung des Blechbauteils im Prüfbereich erfasst, so lassen sich Kurvenverläufe gemäß 5 aufnehmen, aus denen die jeweils lokal herrschende Streckgrenze des Materials des Blechbauteils ermitteln lassen.
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Zur Erfassung der Verdrehung des Blechbauteils 1 im Prüfbereich 12 kann im einfachsten Fall einer konstanten Verdrehgeschwindigkeit der Spannstifte 2, 3 einfach die Zeit der Verdrehung genutzt werden, die proportional der Verdrehung der Spannstifte 2, 3 und damit der Verdrehung des Materials des Blechbauteils 1 im Prüfbereich 12 ist, solange die Spannstifte 2, 3 nicht auf dem Blechbauteil durchrutschen. Selbstverständlich ist es auch denkbar, die Verdrehung der Spannstifte 2, 3 über eine Winkelmessung an den Spannstiften 2, 3 selbst zu erfassen.
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In der 3 ist eine andere Art der Erfassung der Verdrehung zu erkennen, die mittels eines optischen Sensors 8 wie etwa einer Kamera auf der Oberfläche des Blechbauteils 1 angebrachte z. B. punkt- oder linienförmige Markierungen 11 und deren Lageveränderung zueinander bei zunehmender Verdrehung der Spannstifte 2, 3 erfasst. Hieraus lässt sich dann ebenfalls die Verschiebung des Materials des Blechbauteils 1 im Prüfbereich 12 berechnen.
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Weiter ist an der 3 zu erkennen, dass die Spannstifte 2, 3 sowie die Antriebe zur Klemmung und Verdrehung der Spannstifte 2, 3 und die notwendigen Messeinrichtungen 8, 9 an einem zangenartigen Grundkörper 10 angebracht werden können, in den das Blechbauteil 1 zur Prüfung eingebracht werden kann bzw. statt dessen der zangenartige Grundkörper 10 über den jeweiligen Prüfbereich 12 geschoben und dann die Prüfung durchgeführt werden kann. Eine derartig zangenartige Prüfeinrichtung kann beispielsweise auch automatisiert z. B. mittels Industrieroboter gehandhabt werden.
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In der 4 ist eine prinziphafte Darstellung der Anordnung der Spannstifte der erfindungsgemäßen Prüfeinrichtung entlang der Kontur eines gekrümmt ausgebildeten Blechbauteils 1 dargestellt, die durch den zangenartigen Grundkörper 10 und die räumliche kleine Ausbildung der Spannstifte 2, 3 ein einfaches Verschwenken und damit Anpassen der Anstellung der Spannstifte 2, 3 an die lokal vorliegende Krümmungsstruktur des Blechbauteils 1 ermöglicht. Damit können auch an derartigen gekrümmt ausgebildeten Blechbauteilen 1 punktuelle Prüfungen der Materialeigenschaften des Blechbauteils 1 vorgenommen werden.
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In der 5 sind typische Belastungskurven des Prüfbereichs ebener Blechbauteile mit erkennbarem Übergang der elastischen Verformung 13 zur plastischen Verformung 14 für verschiedene Blechwerkstoffe dargestellt, aus denen die jeweilige Streckgrenze 15 des Blechbauteils im Prüfbereich anhand der Veränderung der Steigung der Messwerte ablesen lässt. Hierbei sind jeweils die Drehmomente über dem Verdrehwinkel aufgetragen. Es wurden je zwei Versuche für jeden Werkstoff durchgeführt und reproduzierbare Kurvenverläufe festgestellt. Mit einer zusätzlichen horizontalen Linie wird jeweils die aus einem vorher durchgeführte Zugversuch ermittelte Streckgrenze 15 repräsentiert, die gut mit der Veränderung des Kurvenverlauf der Messwerte des hier durchgeführten Prüfablaufs überein stimmen.
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Zu Darstellung dieses Wertes wurde das zu erwartende Drehmoment aus dem Wert für Rpo,2 errechnet. Die gemessenen Drehmoment-/Winkel-Verläufe zeigen eine Zweiteilung zwischen einer anfänglich elastischen Gerade 13 und einem flacheren Verlauf 14, welcher für die plastische Kaltverfestigung typisch ist. Die Grenze 15 zwischen diesen beiden Bereichen kann in guter Übereinstimmung mit den Werten aus dem Zugversuch gefunden werden, auch wenn der Übergang nicht abrupt stattfindet.
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Für die Berechnung der Fließspannung aus dem Drehmoment bei dem erfindungsgemäßen Prüfverfahren gelten die folgenden Zusammenhänge:
Die Scherspannung τ wird aus dem Drehmoment M berechnet. Für die Scherdehnung in Abhängigkeit des Radius r ergibt sich:
mit der Blechdicke s. Dies entspricht der Kraft/Umfangsfläche am Radius r.
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Unter Anwendung einer Fließbedingung wird die Fließspannung k
f bestimmt. Durch die Fließbedingung nach v. Mises wird die Fließspannung k
f durch
berechnet und für τ = τ
xy als einzige Spannungskomponente folgt
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Auch kann bei der Berechnung der Spannungen zusätzlich noch der Einfluss der Anisotropie des Bleches mit einbezogen werden. Die Abhängigkeit der Fließspannung von der ebenen Anisotropie gewalzter Bleche wird durch den ebenen Torsionsversuch gemittelt, da richtungsabhängige Eigenschaften nicht erfasst werden. Die Berücksichtigung der senkrechten Anisotropie r
n kann durch das Fließkriterium nach Hill geschehen. Hier berechnet sich k
f und der Umformgrad φ aus
sodass für r
n = 1 die isotrope Fließbedingung gilt.
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Die anliegende Schubspannung im Blech ist am direkten Rand der Einspannung am größten. Diese lässt sich aus dem Drehmoment, der Blechdicke und dem Radius der Einspannung berechnen: Die Identifikation der Fließgrenze als Übergang zwischen rein elastischer und elastisch-plastischer Deformation setzt eine Veränderung des Werkstoffverhaltens voraus, die sich in den Messkurven wiederfinden lassen. Im Allgemeinen kann dies durch eine Veränderung der Steigung im Drehmoment-Winkel-Verlauf wahrgenommen werden. Daher ist die Messung des Drehmoments während der Belastung zwingend erforderlich. Prinzipiell kann zur Identifikation der Fließgrenze neben der Drehmoment-Winkel-Kurve auch die Drehmoment-Zeit-Kurve verwendet werden, sofern die Belastung mit konstanter Geschwindigkeit fortschreitet.
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Das erfindungsgemäße Prüfverfahren ermöglicht die lokale Messung der Festigkeit von Blechbauteilen ohne Probenentnahme. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und können unter anderem folgende Punkte umfassen:
- – Halbzeugherstellung: Prüfung der Blechqualität bei der Herstellung von Stahl- oder Aluminiumband,
- – Blechumformung: Prüfung der lokalen Festigkeit als Folge der Kaltumformung von Blechen, auch zur Validierung von FEM-Simulationen möglich. Einsatz auch als Teil einer Prozesskette möglich für 100%-Prüfung,
- – Großflächige Bauteile: Prüfung der erforderlichen Festigkeit an großflächigen (Blech-)teilen, auch in mittigen Regionen,
- – Reparatur und Instandhaltung: Ermittlung der aktuellen maximalen Beanspruchungsgrenzen für Bauteile in Betrieb,
- – Recycling: Identifikation von Werkstoffen für Recyclingzwecke.
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Die Umsetzung der erfindungsgemäßen Prüfeinrichtung ist entsprechend des Einsatzfeldes auf unterschiedliche Weise realisierbar:
- – Stationäre, in Prozessketten integrierte Prüfvorrichtung, die beidseitig an Bauteile unterschiedliche Positionen prüfen können,
- – Positionierung der Prüfeinrichtung durch Roboterarme,
- – Kompakte Prüfeinrichtung für die Integration in Lehren von Blechumformteilen, um gleichzeitig Geometrie wie Festigkeit an ausgewählten Positionen zu prüfen,
- – Mobile Prüfeinheiten auf rollbaren Wagen für den flexiblen Einsatz an unterschiedlichen Orten,
- – Handgerät für manuelle Messungen.
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Als Messmethoden zur Ermittlung der Formänderung des Blechbauteils im Prüfbereich sind folgende Prinzipien denkbar:
- – indirekt durch Messung des Drehwinkels vom Stempel Einfache Umsetzung, aber problematisch ist, dass durch Durchrutschen zwischen Spannstift 2, 3 und dem Blechbauteil 1 und durch Setzvorgänge Abweichungen auftreten können
- – taktile Messung durch einen Aufnehmer, der Unabhängig vom Stempel den Drehwinkel misst Hohe Genauigkeit und definierter radialer Abstand
- – nicht taktile Messung durch optische Verfahren wie z. B. die digitale Bildkorrelation mit Hilfe eines kamerabasierten Verfahrens durch Vergleich von Bildern der Oberfläche des Blechbauteils und Ermittlung von Musterunterschieden. Die Oberfläche wird dazu z. B. mit einem stochastischem Punktmuster versehen, dessen Verschiebung gemessen wird.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Blechbauteil
- 2
- Spannstift
- 3
- Spannstift
- 4
- Spannkraft
- 5
- Halterung Blechbauteil
- 6
- Drehmoment
- 7
- Spannfläche
- 8
- optisches Meßsystem
- 9
- Drehmomenterfassung
- 10
- zangenartiger Grundkörper
- 11
- Markierungen
- 12
- Prüfbereich
- 13
- elastische Verformung
- 14
- plastische Verformung
- 15
- Streckgrenze