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Die Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß Oberbegriff von Anspruch 1 und ein System zur Fahrdynamikregelung gemäß Oberbegriff von Anspruch 7.
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Zur Erhöhung der Fahrsicherheit sind moderne Fahrzeuge in der Regel mit einer auch als Electronic Stability Control (ESC) bekannten Fahrdynamikregelung ausgestattet. Hierbei wird anhand eines Fahrzeugmodells überprüft, ob das Verhalten des Fahrzeugs den Vorgaben des Fahrers folgt, insbesondere ob eine Abweichung zwischen berechneter Referenzgierrate ψ̇Ref und gemessener Istgierrate ψ̇Ist einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet. Wird eine Abweichung erkannt, so erfolgt ein fahrerunabhängiger Aufbau von Bremsmomenten an mindestens einem Fahrzeugrad, um diese Abweichung durch das gezielte Einbringen eines Giermoments zu verringern. Somit bleibt das Fahrzeug (innerhalb physikalischer Grenzen) auch bei dem Auftreten instabiler Fahrzustände für den Fahrer beherrschbar.
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Häufig wird in der auch als DPSIP-Regelung bezeichneten Giermomentenregelung eines ESC-Systems für die Berechnung der Referenzgierrate bzw. allgemein der Sollgröße das sogenannte lineare dynamische Einspurmodell des Fahrzeugs ver wendet. Hierbei werden die Vorder- und Hinterräder jeweils paarweise zu einem auf der Fahrzeuglängsachse befindlichen Rad zusammengefasst. Zur Beschreibung des Fahrverhaltens werden im linearen dynamischen Einspurmodell die folgenden Bewegungsgleichungen benutzt:
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Mit Gleichung (1) kann man bei vorgegebenen Eingangsgrößen Lenkwinkel bzw. Vorderradeinschlagwinkel δ und Fahrgeschwindigkeit v sowie den Fahrzeugparametern m (Fahrzeugmasse), Θ (Massenträgheitsmoment um die Hochachse), lf (Abstand Fahrzeugschwerpunkt zu Vorderachse), lr (Abstand Fahrzeugschwerpunkt zu Hinterachse), Cf (Reifenseitensteifigkeit der Vorderachse), und Cr (Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse) die wichtigen Bewegungsgrößen ψ̈ (Gierbeschleunigung), ψ̇ (Gierrate) und β (Schwimmwinkelgeschwindigkeit) berechnen. Wird die mittels eines Sensors gemessene Istgierrate Ψ̇Ist ständig mit der berechneten Referenzgierrate ψ̇Ref verglichen, so kann durch gezielte Brems- und/oder Lenkeingriffe die Differenz DPSIP zwischen Ψ̇Ist und ψ̇Ref geregelt bzw. minimiert werden.
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Die Fahrzeugparameter werden zweckmäßigerweise mit Hilfe von Messungen an Testfahrzeugen bestimmt. Bei Serienfahrzeugen im Alltagseinsatz kann es dazu kommen, dass die bestimmten Fahrzeugparameter die Eigenschaften nur ungenau beschreiben; dies kann z.B. bei starker Beladung im Kofferraum oder Reifen mit speziellen Gummimischungen wie Allwetterreifen auftreten. Daher ist es möglich, dass die berechnete Referenzgierrate ψ̇Ref das vom Fahrer gewünschte Verhalten derart ungenau wiedergibt, dass auch bei stabilen Fahrzuständen der Betrag der Differenz zwischen Referenzgierrate ψ̇Ref und gemessener Gierrate Ψ̇Istden Schwellenwert zur Aktivierung der Fahrdynamikregelung überschreitet und somit eine (wegen unerwarteter Änderung der Querdynamik und/oder störenden Geräuschen einer Hydraulikpumpe) für den Fahrer unkomfortable Fehlregelung erfolgt.
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Zur Vermeidung von Fehlregelungen ist aus der
EP 1 089 901 B1 bekannt, wenigstens einen der Parameter des Fahrzeugmodells in Abhängigkeit von wenigstens einer, bei einem stationären Fahrverhalten ermittelten separaten Messgröße zu variieren.
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Aus der
DE 10 2008 030 667 A1 ist ein Verfahren zur Bestimmung von Parametern eines Fahrzeugsmodells bekannt, bei dem zwei Schätzeinrichtungen für zwei Fahrsituationen vorgesehen sind. Dabei wird jeweils die für eine Fahrsituation vorgesehene Schätzeinrichtung genutzt um einen Schätzwert zu bestimmen.
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Aus der
DE 10 2007 029 958 A1 ist ein Verfahren zur Vermeidung des Umkippens eines Fahrzeug bekannt. Dabei wird eine dynamische Fahrzustandsgröße wie der Lenkwinkelgradient untersucht.
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Die
DE 101 30 663 A1 beschreibt ein Stabilitätssystem für Fahrzeuge, bei dem bei hohen Querbeschleunigungen ein Sonderregelungsmodus aktiviert wird, bei dem Regeleingriffe bereits bei stabilem Verhalten erfolgen.
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Aus der
DE 10 2009 027 492 A1 ist bekannt eine aktuelle Fahrsituation zu ermitteln, in dem eine Vielzahl an Fahrzustandsgrößen bestimmt werden. Basierend auf der aktuellen Fahrsituation wird das bereitgestellte Lenkmoment beeinflusst.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine noch effektivere Vermeidung von Fehlregelungen und/oder eine präzisere Fahrdynamikregelung zu gewährleisten.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 bzw. ein System zur Fahrdynamikregelung gemäß Anspruch 7 gelöst.
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Es wird also ein Verfahren zur Anpassung einer Fahrdynamikregelung für ein Fahrzeug bereitgestellt, welche durch fahrerunabhängige Eingriffe in mindestens eine Radbremse und/oder die Lenkung die Differenz zwischen einer gemessenen Istgierrate und einer anhand eines Fahrzeugmodells berechneten Sollgierrate regelt. Erfindungsgemäß wird überprüft, ob eine quasistationäre Kurvenfahrt vorliegt, und in diesem Fall wird ein das Fahrverhalten des Fahrzeugs beschreibender Parameter des Fahrzeugmodells für eine vorliegende Kurvenrichtung neu bestimmt. Insbesondere wird als Fahrzeugmodell das dynamische Einspurmodell und als das Fahrverhalten des Fahrzeugs beschreibende Parameter die Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse eingesetzt.
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Indem zwei unterschiedliche Parameter Cr,new,left und Cr,new,right für die Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse in Links- bzw. Rechtskurven zur Berechnung der Referenzgierrate ψ̇Ref verwendet werden, wird eine optimale Übereinstimmung der Referenzgierrate ψ̇Ref und der gemessenen Gierrate Ψ̇Ist für stabile Kurvenfahrten auch bei Fahrzeugen mit unsymmetrischem Fahreigenschaften erreicht. Somit wird die Regelqualität der ESC-Regelung deutlich verbessert, was sowohl die Fahrsicherheit erhöht als auch für den Fahrer unkomfortable Fehlregelungen vermeidet.
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Es ist zweckmäßig, wenn eine quasistationäre Kurve daran erkannt wird, dass die Lenkradwinkelgeschwindigkeit einen vorgegebenen Lenkschwellenwert unterschreitet und/oder die zeitliche Änderung der Gierrate einen vorgegebenen Gierbeschleunigungsschwellenwert unterschreitet und/oder die Fahrzeuglängsgeschwindigkeit einen vorgegebenen Geschwindigkeitsschwellenwert überschreitet und/oder die Fahrzeugquerbeschleunigung innerhalb eines vorgegebenen Toleranzbandes liegt und/oder die Längsfahrtrichtung des Fahrzeugs als vorwärts erkannt wird und/oder keine Fahrstabilitätsregelung aktiv ist und/oder die Neigung der Fahrbahn quer zur Fahrtrichtung einen Querneigungsschwellenwert unterschreitet und/oder der Krümmungsradius der Kurve einen Krümmungsschwellenwert unterschreitet. Um die Anwendbarkeit des Fahrzeugmodells zu prüfen, können aktuelle Messwerte von Fahrzeugsensoren (wie dem Lenkwinkelsensor oder dem Gierratensensor) oder momentane Werte von Größen eines Fahrzeugmodells betrachtet werden. Eine geeignete Fahrsituation kann daran erkannt werden, dass eine oder mehrere, vorzugsweise alle genannten Bedingungen erfüllt.
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Erfindungsgemäß wird die vorliegende Kurvenrichtung, also das Vorliegen einer Links- oder einer Rechtskurve anhand einer Differenz von Raddrehzahlen und/oder dem Vorzeichen einer gemessenen Gierrate und/oder dem Vorzeichen einer gemessenen Querbeschleunigung und/oder dem Vorzeichen eines gemessenen Lenkradwinkels und/oder aus einem Parameter des Fahrzeugmodells, insbesondere einer Seitenkraft an der Hinterachse, erkannt. Besonders bevorzugt wird an einem Vergleich der Vorzeichen von Gierrate und Lenkradwinkel und/oder Querbeschleunigung überprüft, ob das Fahrzeug vorwärts fährt. Zweckmäßigerweise wird der neu bestimmte, das Fahrverhalten des Fahrzeugs beschreibende Parameter des Fahrzeugmodells verworfen, wenn die stationäre Kurvenfahrt in eine gleich bleibende Kurvenrichtung kürzer als für eine vorgegebene Zeitdauer vorliegt und/oder das Fahrzeug rückwärtsfährt. Dann kann der neu bestimmte Parameter des Fahrzeugmodells eindeutig einer Links- oder Rechtskurve zugeordnet werden und wurde unter definierten Bedingungen ermittelt. Besonders zweckmäßig ist es, wenn eine Bestimmung von Momentanwerten des das Fahrverhalten des Fahrzeugs beschreibenden Parameters des Fahrzeugmodells solange wiederholt durchgeführt wird, wie eine stationäre Kurvenfahrt in eine gleich bleibende Richtung anhält, und wenn eine Mittelwertbildung der neu bestimmten Momentanwerte durchgeführt wird. Somit werden statistische Schwankungen des Parameters unterdrückt.
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Vorzugsweise wird eine vorliegende Längsdynamiksituation nach Beschleunigen, Schubbetrieb und Bremsen unterschieden, wobei jeder Längsdynamiksituation ein Toleranzband der momentanen Längsbeschleunigung vorgegeben wird, und ein das Fahrverhalten des Fahrzeugs beschreibender Parameter des Fahrzeugmodells, insbesondere eine Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse, wird für die vorliegende Längsdynamiksituation neu bestimmt. Dies ermöglicht es, die Verlagerung der Achslastverteilung zu berücksichtigen und somit eine nochmals verbesserte Genauigkeit des Fahrzeugmodells zu erreichen. Besonders bevorzugt wird die momentane Längsbeschleunigung aus den Signalen von Raddrehzahlsensoren und/oder einem Längsbeschleunigungssensor ermittelt.
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Es ist vorteilhaft, wenn ein Standardwert des das Fahrverhalten des Fahrzeugs beschreibenden Parameters des Fahrzeugmodells zwischen zwei Zündungsläufen bzw. dauerhaft gespeichert wird oder ist, da die Fahreigenschaften sich meist langsam und kontinuierlich ändern. Indem ein neu bestimmter Wert des das Fahrverhalten des Fahrzeugs beschreibenden Parameters des Fahrzeugmodells verworfen wird, wenn die Abweichung zwischen neu bestimmtem Wert und Standardwert einen vorgegebenen Differenzschwellenwert überschreitet, werden fehlerhafte Anpassungen des Parameters vermieden. Falls andererseits der neu bestimmte Parameter plausibel ist, kann der Standardwert anhand des neu bestimmten Werts modifiziert werden, wobei insbesondere eine gewichtete Mittelwertbildung stattfindet, bei welcher der neu bestimmte Wert stärker gewichtet wird als der bisherige Standardwert. Somit wird das Fahrverhalten immer bestmöglich beschrieben.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird bei Vorliegen einer stationären Kurvenfahrt sowohl der einer festen Kurvenrichtung zugeordnete Wert des das Fahrverhalten des Fahrzeugs beschreibenden Parameters des Fahrzeugmodells als auch ein kurvenrichtungsunabhängiger Wert für diesen Parameter bestimmt, und der einer festen Kurvenrichtung zugeordnete Wert wird verworfen, wenn dieser um mehr als einen vorgegebenen Differenzschwellenwert von dem kurvenrichtungsunabhängigen Wert abweicht. Der kurvenrichtungsunabhängige Wert wird also besonders häufig bestimmt und weist daher nur geringe Schwankungen auf, während ein kurvenrichtungsabhängiger Wert Asymmetrien des Fahrzeugs besser beschreibt. Somit werden geeignete Fahrsituationen besonders effizient zur Anpassung des Parameters genutzt und gleichzeitig unplausible bzw. fehlerhafte Anpassungen vermieden.
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Die Erfindung betrifft weiterhin ein System zur Fahrdynamikregelung eines Fahrzeugs, zumindest umfassend einen Gierratensensor, einen Querbeschleunigungssensor, vier Raddrehzahlsensoren und fahrerunabhängig betätigbare Radbremsen und/oder eine fahrerunabhängig betätigbare Lenkung. Erfindungsgemäß umfasst das System Mittel zur Bestimmung von einem oder mehreren das Fahrverhalten des Fahrzeugs beschreibenden Parametern, insbesondere einen Mikroprozessor, welcher ein erfindungsgemäßes Verfahren durchführt.
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Weitere bevorzugte Ausführungsformen ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung eines Ausführungsbeispiels.
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Ein Ausführungsbeispiel des seitenweise adaptiven Einspurfahrzeugmodells kann detailliert wie folgt beschrieben werden:
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1. Bestimmung der Fahrzeugparameter im Originalzustand mit Testfahrzeugen
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Für die Applikation des ESC-Reglers, d.h. die Anpassung des ESC-Reglers an den Fahrzeugtyp, werden zuerst Fahrzeugparameter wie die Fahrzeugmasse, der Abstand Fahrzeugschwerpunkt zu Vorderachse und der Abstand Fahrzeugschwerpunkt zu Hinterachse an Testfahrzeugen direkt vermessen. Weitere Fahrzeugparameter, wie das Massenträgheitsmoment um die Hochachse Θ, die Reifenseitensteifigkeit der Vorderachse Cf und die Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse Cr werden durch Messungen an dem oder den Testfahrzeugen während geeigneter Fahrmanövern identifiziert. Bei dieser Parameteridentifikation werden zweckmäßigerweise die Links- und Rechtskurven gleich stark berücksichtigt und Mittelwerte für die Parameter berechnet. Diese Originalfahrzeugparameter werden gespeichert und bei Neufahrzeugen für eine Fahrdynamikregelung verwendet.
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2. Online Identifikation der Fahrzeugparameter für Serienfahrzeuge bei Alltagsfahrten
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Da das Verhalten von Serienfahrzeugen in Alltagsfahrten je nach Fahrzeugzustand (mechanische Toleranzen, Beladung) und Reifenzustand von dem der Testfahrzeuge abweichen kann, wird das Fahrzeugverhalten in den Alltagsfahrten ständig beobachtet und neu identifiziert. Um Veränderungen im Fahrverhalten einfach zu erfassen und schnell zu identifizieren, also das aktuelle Verhalten genauer beschreiben zu können, wird eine spezielle Methode verwendet, bei der nur ein einzigen Parameter variiert wird, nämlich die Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse C
r. Die weiteren Fahrzeugparameter werden konstant gehalten, während die Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse C
r derart gewählt wird, dass das Verhalten des Fahrzeugmodells nach Gleichung (1) das Verhalten des Serienfahrzeugs bei stabilen Kurvenfahrten bestmöglich wiedergibt. Hierfür kann ein Least-Squares-Kriterium betrachtet werden, d.h. die quadrierte Abweichung zwischen Soll- und Ist-Verhalten für eine oder mehrere Größen minimiert werden. Es bietet sich an, Gleichung (1) wie folgt umzuschreiben:
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In Gleichung (2) ist der Schwimmwinkel β bei einem Fahrzeug mit ESC-Sensorik die einzige unbekannte Größe während die restlichen Bewegungsgrößen wie Querbeschleunigung ay, Gierrate ψ̇, Lenkwinkel δ, Fahrgeschwindigkeit v und Gierbeschleunigung ψ̈ direkt oder indirekt mit Sensoren gemessen oder aus den gemessenen Größen abgeleitet werden. Setzt man diese Bewegungsgrößen in Gleichung 2 ein und eliminiert man
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den Schwimmwinkel β, so kann man für jeden Schleifendurchlauf bzw. Loop einer Fahrdynamikregelung einen neuen Wert für die Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse C
r berechnen:
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Gleichung (3) wird als Basis für die online Identifikation des Fahrzeugparameters Cr, d.h. für die Ermittlung der Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse während einer Fahrt verwendet.
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3. Die Berechnung der Parameteränderung gegenüber dem Originalparameter
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Um die Parameteränderung besser beobachten zu können und mögliche Berechnungsfehler oder Sensorfehler zu vermeiden bzw. zu erkennen, ist es sinnvoll, den mit Gleichung (3) berechneten neuen Wert für die Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse Cr,new direkt mit dem Originalparameter Cr,Ori zu vergleichen, vorzugsweise während jedes Schleifendurchlaufs. Überschreitet die Abweichung einen vorgegebenen Schwellenwert, so deutet dies auf einen Fehler hin. Um den Vergleich
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zu vereinfachen, wird der neue Wert C
r,new durch den Originalparameter C
r,Ori dividiert:
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Fasst man alle Parameter und Bewegungsgrößen in Gleichung (4) zusammen, dann kann diese Gleichung wie folgt umgeschrieben werden:
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Eine weitere Umschreibung mit Division durch
sowohl für den Zähler als auch für den Nenner ergibt:
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Die Terme in den Klammern hängen ausschließlich von den ursprünglichen Fahrzeugparametern ab und können mit 5 zusammenfassenden neuen Parametern Para1 bis Para5 ersetzt werden. Danach lässt sich Gleichung (6) wie folgt vereinfacht darstellen:
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Durch Vergleich zwischen Gleichung (6) und (7) lassen sich die 5 neuen Parameter eindeutig definieren und berechnen. Mit Gleichung (7) kann das Verhältnis fc,new der neuen Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse Cr,new zu dem Originalparameter CrOri jederzeit (also z.B. jeden Loop bzw. Schleifendurchlauf) berechnet werden.
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Solange das Fahrzeugverhalten stabil bleibt, sollte das Verhältnis fc,new konstant bleiben, und wenn das Alltagsfahrzeug mit den Testfahrzeugen identisch wäre, müsste das Verhältnis
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fc,new gleich 1 sein. Dies ist in der Praxis aus verschiedenen Gründen nicht gegeben, wobei hier Toleranzen mechanischer Bauteile, verschiedene Störeinflüsse auf das Fahrzeug und fehlerbehaftete Sensoren für die Bewegungsgrößen genannt seien. Um das Fahrverhalten eines Alltagsfahrzeugs zu identifizieren, muss man daher weitere Maßnahmen treffen, welche mögliche Störeinflüsse von außen und den Einfluss von ungenauen Messsignalen so klein wie möglich halten.
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4. Allgemeine Bedingungen für die online Identifizierung der Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse Cr,new und der relativen Änderung fc,new
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Für eine sinnvolle online Identifizierung der Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse Cr,new ist eine wichtige Voraussetzung, dass eine quasistationäre und stabile Kurvenfahrt vorliegt, da nur dann die vereinfachten Bewegungsgleichungen für das Einspurmodell gültig sind. Daher wird die Erfüllung von einer oder mehrerer, vorzugsweise aller der vorliegenden allgemeinen Bedingungen überprüft:
- • Es liegt keine Aktivität einer Fahrstabilitätsregelung vor, d.h. weder Antiblockiersystem (ABS) noch Traktionskontrolle (TCS) noch ESC sind aktiv.
- • Das Fahrzeug durchfährt eine Kurve in Vorwärtsrichtung, was z.B. anhand der Vorzeichen von Gierrate und Querbeschleunigung überprüft werden kann.
- • Die Fahrbahn bzw. das Fahrzeug weist keine große Querneigung auf. Dies kann überprüft werden, indem das Produkt aus Gierrate und Fahrzeuggeschwindigkeit mit der Querbeschleunigung verglichen wird.
- • Die Bahnlinie überschreitet eine bestimmte Krümmung bzw. der Kurvenradius unterschreitet einen vorgegebenen Schwellenwert.
- • Die Querbeschleunigung liegt innerhalb eines vorgegebenen Toleranzbands, vorzugsweise beträgt die Querbeschleunigung zwischen 0,2 g und 0,4 g. Somit ist gewährleistet, dass die Fahrzeugeigenschaften in dem stabilen linearen Bereich liegen.
- • Die Gierbeschleunigung und Lenkwinkelgeschwindigkeit sollten jeweils einen vorgegebenen Schwellenwert unterschreiten, damit eine quasistationäre Fahrt vorliegt, die durch eine geringe Dynamik gekennzeichnet ist.
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Zweckmäßigerweise wird überprüft, ob die oben genannten allgemeinen Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind, woraufhin eine online Identifizierung der Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse C
r,new durchgeführt wird. Diese wird während der Fahrt fortlaufend wiederholt, wobei in jedem Loop bzw. Schleifendurchlauf ein neuer Wert für die Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse C̈̈̂
r,new bzw. f̈
c,new nach Gl. (7) berechnet wird. Die berechneten Werte werden vorzugsweise zwischengespeichert. Wenn die Berechnungen für eine bestimme Dauer (z.B. n Loops) durchgeführt wurden, wird ein Lernzyklus abgeschossen und der Mittelwert für
C r,new bzw.
f c,new ermittelt:
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Wenn die oben genannten allgemeinen Bedingungen weiterhin gleichzeitig erfüllt sind, dann wird zweckmäßigerweise ein neuer Lernzyklus begonnen.
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5. Differenzierte Identifizierung der relativen Änderung fc,new für Links- und Rechtskurven und/oder Aufteilung für unterschiedlich Fahrsituationen
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Beispielsweise aufgrund verschiedener Radlasten hat ein Fahrzeug in unterschiedlichen Längsdynamiksituationen auch ein unterschiedliches Fahrverhalten für die Querdynamik. Es ist daher vorteilhaft, den nach Gleichung (8) gelernten neuen Mittelwert für die Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse einer bestimmten Fahrsituation und einer eindeutiger Kurvenrichtung zuzuordnen. Gemäß einer bevorzugten Klassifizierung werden die Längsdynamiksituationen in
- Gasgeben,
- Bremsen und
- Schubbetrieb unterteilt. Für die aktuell vorliegende Situation wird die entsprechende Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse nach einem erfolgten Lernzyklus zweckmäßigerweise wie folgt mit einem Tiefpassfilter neu berechnet:
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Dabei ist λ der Gewichtungsfaktor für den neu gelernten Mittelwert f c,new und der Index S bezeichnet die entsprechende Längsdynamiksituation Gasgeben, Bremsen oder Schubbetrieb.
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D.h. vorzugsweise wird sowohl zwischen den drei unterschiedlichen Längsdynamiksituationen als auch zwischen Links- und Rechtskurven unterschieden. Es ist vorteilhaft, die Kurvenrichtung durch das Vorzeichen der Seitenkraft der Hinterachse aus dem Einspurmodell zu bestimmen. Falls die Seitenkraft positiv ist, dann liegt eine Linkskurve vor, andernfalls wird eine Rechtskurve festgestellt. Je nach der Kurvenrichtung wird die entsprechende seitenweise Reifenseitensteifigkeit der Hinterachse wie folgt mit einem Tiefpassfilter neu berechnet:
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Hier bezeichnet der Index R die Kurvenrichtung.
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Werden also aus Gleichung (9) die drei situationsabhängigen Reifenseitensteifigkeiten der Hinterachse gelernt und aus Gleichung (10) für jede Fahrsituation noch zwei kurvenrichtungsabhängigen Reifenseitensteifigkeiten der Hinterachse gelernt, so können insgesamt sechs seitenweise adaptive Werte und drei seitenunabhängige adaptive Werte das Fahrverhalten des Fahrzeugs exakt beschreiben.
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6. Einsatz der identifizierten neuen Parameter im Einspurmodell
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Die gelernten Reifenseitensteifigkeiten der Hinterachse werden in Abhängigkeit von der Fahrsituation im Einspurmodell eingesetzt, wodurch seitenweise und situationsabhängig eine bestmögliche Referenzgierrate zur Verfügung steht.
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Die Zuverlässigkeit der neuen gelernten Reifenseitensteifigkeiten ist in der Regel abhängig von der Anzahl der Lernzyklen. Je häufiger der Situation und die Kurvenrichtung bei der Fahrten vorkommen, desto zuverlässiger ist der entsprechende gelernte Wert. Da die seitenweise adaptiven Werte aus weniger Lernzyklen als der seitenunabhängige adaptive Wert der gleichen Fahrsituation ermittelt werden, erfolgt vorzugsweise eine Plausibilitätsprüfung der seitenweise adaptiven Werte, bevor diese für das Einspurmodell verwendet werden. Zweckmäßigerweise werden die seitenweise adaptiven Werte als zuverlässig angesehen und verwendet, wenn eine oder mehrere, insbesondere alle, der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- • Die Anzahl der Lernzyklen für die vorgegebene Fahrsituation und Kurvenrichtung hat einen bestimmte Schwelle (z.B. 5) überschritten.
- • Der seitenunabhängige adaptive Wert liegt zwischen den beiden seitenweise adaptiven Werten.
- • Der Unterschied zwischen jedem seitenweise adaptiven Wert und dem seitenunabhängigen adaptive Wert liegt unter einem Schwellenwert, insbesondere sollte der relative Unterschied 5% unterschreiten.
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Andernfalls wird der seitenunabhängige adaptive Wert des Parameters im Einspurmodell eingesetzt.
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Weil eine Bremssituation bei Normalfahrten viel seltener als die zwei anderen Situationen vorkommen, kann es erforderlich
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sein, die für Schubbetrieb oder Gasgeben gelernten adaptiven Werte für die Bremssituation in das Einspurmodell eingesetzt werden. Beispielsweise die Anzahl der Lernzyklen kann als Maß für die Güte eines neuen gelernten Werts für die Seitensteifigkeit der Hinterachse verwendet.
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7. Abspeichern und Auslesen der identifizierten neuen Parameter in einem geeigneten Speichermedium
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Die mit Hilfe von Gleichung (9) und Gleichung (10) identifizierten neuen Parameter für Reifenseitensteifigkeiten der Hinterachse werden zweckmäßigerweise bei Ausschalten der Zündung in einem geeigneten Speichermedium mit einem geeigneten Format abgespeichert, damit diese auch für zukünftige Fahrten benutzt werden können. Das Abspeichern der identifizierten neuen Parameter kann von Bedingungen abhängig gemacht werden. So kann z.B. anhand einer statistischen Auswertung der einzelnen Loops bzw. ermittelten Werte die Zuverlässigkeit der identifizierten neuen Parameter bewertet werden. Weiterhin kann gefordert werden, dass die Differenz zwischen neuen Parametern und zu Beginn der Fahrt vorliegenden Parametern und/oder den ursprünglichen Parametern in einem vorgegebenen Toleranzband liegt.
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Es ist vorteilhaft, wenn die gespeicherten Parameter bzw. die Reifenseitensteifigkeiten der Hinterachse bei dem nächsten Einschalten der Zündung aus dem Speichermedium abgelesen und auf Plausibilität geprüft werden. Falls die Werte z.B. innerhalb eines vorgegebenen Toleranzbands liegen und dementsprechend geeignet sind, werden sie vorzugsweise direkt im Einspurmodell verwendet.
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Indem das Fahrverhalten beschreibende Fahrzeugparameter in Abhängigkeit von Links- oder Rechtskurve sowie der vorliegenden Längsdynamiksituation gelernt bzw. identifiziert und im Einspurmodell bei der Berechnung insbesondere der Referenzgierrate eingesetzt werden, können Fahrzeuge mit unsymmetrischen Eigenschaften besser beschrieben werden. Somit wird die Güte der Regelung verbessert, was einerseits die Fahrsicherheit erhöht und andererseits zu verringertem Auftreten von Fehlregelungen führt.