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Die Erfindung betrifft eine lithiumionenleitende Glaskeramik, ein Verfahren zur Herstellung einer lithiumionenleitenden Glaskeramik, Ionenleiter und die Verwendung des Ionenleiters.
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Aufladbare Lithium-Ionen-Zellen enthalten in der Regel Flüssigelektrolyte oder Polymerelektrolyte. Solche Elektrolyte können sich bei einer Überhitzung oder Leckage der Zelle entzünden und stellen somit ein Sicherheitsrisiko dar. Die Verwendung von Flüssigelektrolyten führt weiterhin zu unerwünschten Sekundärreaktionen an Anode und Kathode in den Zellen, welche deren Kapazität und Standzeit reduzieren können. Zugleich ist in diesen Zellen die Energiedichte limitiert, da der Einsatz von reinem Lithiummetall als Anode aufgrund fehlender chemischer bzw. elektrochemischer Stabilität der Elektrolyten nicht möglich ist. Stattdessen werden Materialien wie Graphit eingesetzt, in die Lithium eingelagert ist, was zu einer geringeren Energiedichte führt. Hierbei ist zusätzlich problematisch, dass die Kathode beim Laden und Entladen starke Volumenänderungen erfährt, was zu Spannungen im Verbund führt.
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Diese Probleme, die Erhöhung von Sicherheit, Standzeit und Energiedichte von Lithium-Ionen-Zellen, könnten durch den Einsatz von Festkörperelektrolyten gelöst werden. Die heute verfügbaren Festkörperelektrolyte weisen jedoch in vielen Fällen eine zu geringe Ionenleitfähigkeit oder gravierende Nachteile in der Herstellung und Handhabung auf.
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Gewünschte Eigenschaften von Festkörperelektrolyten für elektrochemische Energiespeicher wie Lithium-Ionen-Zellen sind eine hohe, (fast) ausschließlich auf der Bewegung von Lithiumionen beruhende elektrische Leitfähigkeit bei der Gebrauchstemperatur (vorzugsweise Raumtemperatur), dementsprechend ein vernachlässigbarer elektronischer Beitrag zur elektrischen Leitfähigkeit bei den Gebrauchsbedingungen, Stabilität gegen chemische Reaktionen mit den Elektroden, speziell mit elementarem Lithium und Lithiumlegierungen, zu den Elektrodenmaterialien passende thermische Ausdehnungskoeffizienten, Umweltverträglichkeit, leichte Handhabbarkeit und geringe Kosten, siehe ”Philippe Knauth: Inorganic solid Li ion conductors: An overview. Solid State Ionics 180 (2009), Seiten 911–916”. Weiterhin ist, wenn man polykristalline, keramische Materialien benutzen möchte, noch die Forderung nach vernachlässigbaren Korngrenzenwiderständen zu stellen, siehe ”Philippe Knauth: Inorganic solid Li ion conductors: An overview. Solid State Ionics 180 (2009), Seiten 911–916”. Ein sinnvoller Wert für die geforderte hohe Lithiumionen-leitfähigkeit sind 10–3 S/cm, mindestens 10–4 S/cm, siehe „Christopher P. Rhodes, Yongzhu Fu, Matthew Mullings, Kyle Uselton, Jenifer Cross: Solid-state lithium batteries using thio-LISICON solid-state electrolytes. Poster Abstract, Symposium on Energy Storage Beyond Lithium Ion: Materials Perspectives, Oak Ridge National Laboratory, TN, USA, 7.–8. Oktober 2010.” Jedoch läßt sich ein solcher Wert bislang nicht mit den ebenfalls geforderten günstigen chemischen Eigenschaften im Gebrauch und bei der Herstellung verbinden. Systeme mit derart hohen Leitfähigkeiten enthalten entweder Schwefel oder Titan als wesentlichen Bestandteil, siehe ”Philippe Knauth: Inorganic solid Li ion conductors: An overview. Solid State Ionics 180 (2009), Seiten 911–916”.
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Schwefel sollte nach Möglichkeit vermieden werden, da ein nennenswerter Schwefelgehalt bedeutet, dass diese Systeme mit Sauerstoff reagieren können.
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Ein nennenswerter Titangehalt bedeutet, dass das Material instabil gegen eine mögliche Reduktion des Titan an der Kontaktfläche zu elementarem Lithium ist, siehe ”Philippe Knauth: Inorganic solid Li ion conductors: An overview. Solid State Ionics 180 (2009), Seiten 911–916”. Eigene Untersuchungen weisen zudem auf ein im Zusammenhang mit einem nennenswerten Titangehalt verbundenes Auftreten eines unerwünscht hohen elektronischen Anteils der elektrischen Leitfähigkeit hin.
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Aufgabe der Erfindung ist es neue, ionenleitende, insbesondere lithiumionenleitende Glaskeramiken zu finden sowie ein wirtschaftliches Verfahren zu deren Herstellung. Vorzugsweise sollen die Glaskeramiken eine Ionenleitfähigkeit von mindestens 10–6 S/cm, möglichst geringe Korngrenzenwiderstände und eine hinreichende chemische und elektro-chemische Beständigkeit für den Einsatz in Lithiumionenbatterien aufweisen. Weiterhin ist es Aufgabe der Erfindung, einen neuen Ionenleiter und Verwendungen für diesen Ionenleiter zu finden.
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Die Aufgabe wird gelöst gemäß Anspruch 1 durch eine alkaliionenhaltige Glaskeramik, wobei nach dem Keramisieren der Glaskeramik aus einem Ausgangsglas wenigstens ein Teil der Alkaliionen der Glaskeramik durch Alkaliionen einer anderen, vorzugsweise kleineren Ordnungszahl ausgetauscht sind.
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Die erfindungsgemäße Glaskeramik wird also durch Keramisieren eines Ausgangsglases erhalten, wobei nach dem Keramisieren der Glaskeramik aus einem Ausgangsglas wenigstens ein Teil der Alkaliionen der Glaskeramik durch Alkaliionen einer anderen, vorzugsweise kleineren Ordnungszahl ausgetauscht sind. Hierzu wird zunächst ein geeignetes Ausgangsglas hergestellt. Dieses Ausgangsglas wird in eine Glaskeramik (Zwischenstufenglaskeramik) umgewandelt (keramisiert). In einem weiteren Schritt werden wenigstens ein Teil der Alkaliionen der Glaskeramik durch Alkaliionen einer anderen, vorzusgweise kleineren Ordnungszahl ausgetauscht unter Erhalt der eigentlichen erfindungsgemäßen alkaliionenhaltigen Glaskeramik.
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Vorzugsweise ist nach dem Keramisieren der Glaskeramik aus einem Ausgangsglas wenigstens ein Teil der Alkaliionen der Glaskeramik, insbesondere wenigstens ein Teil der Natriumionen der Glaskeramik durch Lithiumionen ausgetauscht.
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Die Glaskeramik weist in einer bevorzugten Ausführungsform einen Kristallphasenanteil von mindestens 60 Gew.-%, bevorzugt mindestens 70 Gew.-%, besonders bevorzugt mindestens 80 Gew.-%, ganz besonders bevorzugt mindestens 90 Gew.-% auf.
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Vorzugsweise enthält der Kristallphasenanteil der Glaskeramik zu mindestens 60 Mol-%, bevorzugt mindestens 70 Mol-%, besonders bevorzugt mindestens 80 Mol-%, ganz besonders bevorzugt mindestens 90 Mol-% Kristalle, in denen mindestens 40%, bevorzugt 50%, besonders bevorzugt 70%, ganz besonders bevorzugt 80% der Summe der Oxidationszahlen der Kationen auf eines oder mehrere der Elemente B, Si, Ge, P, Sn, As, Sb, Se, Te, Ti, V, Nb, Ta, Mo, W, Be, Al, Ga, In, Zr, Hf, Cr, Mn, Fe, Tl, Pb, Bi, Mg, Zn, Cd, Sc, Y, La, Ce, Pr, Nd, Pm, Sm, Eu, Gd, Tb, Dy, Ho, Er, Tm, Yb, Lu, Co, Ni entfällt, bevorzugt auf eines oder mehrere der Elemente B, Si, Ge, P, Sn, As, Sb, Se, Te, Ti, V, Nb, Ta, Mo, W, Be, Al, Ga, In, Zr, Hf, Cr, Mn, Fe, Tl, Pb, Bi entfällt, besonders bevorzugt auf eines oder mehrere der Elemente B, Si, Ge, P, Sn, As, Sb, Se, Te, Ti, V, Nb, Ta, Mo, W, Be, Al, Ga, In, Zr, Hf, Cr, Mn, Fe, ganz besonders bevorzugt auf eines oder mehrere der Elemente B, Si, Ge, P, Sn, As, Sb, Se, Te, Ti, V, Nb, Ta, Mo, W.
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Besonders bevorzugt enthält die Glaskeramik als Hauptkristallphase Nephelin oder Carnegieit oder eine Hauptkristallphase mit Nephelin ähnlicher oder Carnegieit ähnlicher Kristallstruktur.
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Vorzugsweise enthält die Glaskeramik vor dem Alkaliionenaustausch wenigstens folgende Zusammensetzungskomponenten in Gew.-%:
SiO2 | 15 bis 75, bevorzugt 25 bis 65, besonders bevorzugt 30 bis 55; |
Al2O3 | 4 bis 60, bevorzugt 8 bis 40, besonders bevorzugt 20 bis 35; |
Na2O4 | bis 65, bevorzugt 5 bis 40, besonders bevorzugt 10 bis 30, wobei dieser Na2O-Anteil der Glaskeramik vor der Keramisierung teilweise oder ganz durch K2O ersetzt sein kann; |
Li2O | 0 bis 10; |
TiO2 | 0 bis 10, bevorzugt 0 bis 8, besonders bevorzugt 0 bis 4; |
ZrO2 | 0 bis 10, bevorzugt 0 bis 8, besonders bevorzugt 0 bis 4; |
SnO2 | 0 bis 5 |
B2O3 | 0 bis 20; |
P2O5 | 0 bis 30. |
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Bevorzugt enthält die Glaskeramik vor und nach dem Ionenaustausch weniger als 0,5 Gew.-%, vorzugsweise weniger als 0,1 Gew.-% andere Alkaliionen außer Natriumionen und Lithiumionen.
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Bevorzugt enthält die Glaskeramik 0,5 bis 8 Gew.-% TiO2 und/oder ZrO2 und/oder SnO2 als Keimbildner.
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Vorzugsweise sind in der Glaskeramik mindestens 80 Prozent, bevorzugt mindestens 90 Prozent, besonders bevorzugt mindestens 95 Prozent der Alkaliionen durch Alkaliionen einer anderen, vorzugsweise kleineren Ordnungszahl ausgetauscht.
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Bevorzugt weist die Glaskeramik eine Lithiumionenleitfähigkeit von mindestens 10–6 S/cm, bevorzugt von mindestens 10–5 S/cm, besonders bevorzugt von mindestens 10–4 S/cm auf.
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Vorzugsweise sind maximal 50% der Sauerstoffatome der Glaskeramik durch Schwefelatome oder Stickstoffatome oder eine Mischung beider substituiert.
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Gemäß Anspruch 13 wird die Aufgabe durch folgendes Verfahren gelöst. Verfahren zur Herstellung einer alkaliionenhaltigen Glaskeramik, gekennzeichnet durch wenigstens folgende Verfahrensschritte:
- – Herstellen eines Ausgangsglases, insbesondere aus einer Glasschmelze,
- – Keramisieren des Ausgangsglases unter Erhalt einer Glaskeramik,
- – Austausch wenigstens eines Teils der Alkaliionen der Glaskeramik durch Alkaliionen einer anderen, vorzugsweise kleineren Ordnungszahl.
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Bevorzugt wird der Austausch der Alkaliionen der Glaskeramik durch Alkaliionen einer anderen, vorzugsweise kleineren Ordnungszahl in einem Salzbad durchgeführt.
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Das Salzbad umfasst vorzugsweise eine Salzschmelze, die wenigstens aus einer Salzzusammensetzung, z. B. aus Lithiumnitrat, besteht.
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Vorzugsweise liegt die Ionenaustauschtemperatur maximal 100 K oberhalb des Schmelzpunktes des für den Ionenaustausch verwendeten Salzes bzw. der für den Ionenaustausch verwendeten Salzmischung.
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Bevorzugt wird für den Ionenaustausch ein Salzbad mit Lithiumnitrat in einer Konzentration von größer 85 Gew.-%, besonders bevorzugt größer 90 Gew.-%, ganz besonders bevorzugt größer 95 Gew.-% verwendet.
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Vorzugsweise kann der Ionenaustausch mit Unterstützung durch ein elektrisches Feld durchgeführt werden. Das elektrische Feld muss hierbei nicht unbedingt zeitlich konstant sein.
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Besonders bevorzugt wird mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens eine Glaskeramik nach einem der Ansprüche 1 bis 11 hergestellt.
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Gelöst wird die Aufgabe weiterhin durch einen Ionenleiter umfassend eine Glaskeramik nach einem der Ansprüche 1 bis 11 oder eine nach dem Verfahren 12 bis 17 hergestellte Glaskeramik.
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Bevorzugte Verwendung findet der erfindungsgemäße Ionenleiter
- – als Separator in Lithium-Ionen-Zellen, in Lithium-Polymer-Lithium-Schwefel-Zellen oder in Lithium-Luft-Zellen,
- – als Bestandteil einer Festkörperbatterie,
- – als Beschichtung von Elektroden in Lithium-Ionen-Zellen, in Lithium-Polymer-Lithium-Schwefel-Zellen oder in Lithium-Luft-Zellen, oder
- – als Membran zur elektrolytischen Aufreinigung von lithiumhaltigen Salzlösungen, insbesondere in der Chloralkalielektrolyse oder zum Einsatz in anderen elektrochemischen Prozessen.
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Kernbestandteil der erfindungsgemäßen Glaskeramik sind Kristallphasen aus einem oder mehreren Kristalltypen, in denen sich Alkaliionen auf perkolierenden Pfaden, z. T. in regelrechten Kanalstrukturen, in einem weitgehend von festen Bindungen mit überwiegend kovalentem Charakter aufgespannten Netzwerk relativ frei bewegen können. Das Netzwerk ist dabei erstens für die mechanische und chemische Stabilität verantwortlich. Beispielsweise ist Lithiumiodid, das kein Gerippe aus einem kovalent gebundenen Netzwerk hat, ein Ionenleiter (wenn auch als fester Elektrolyt nur als Komposit mit Al2O3 gebräuchlich), neigt aber zur Wasseraufnahme, siehe ”P. Knauth: Ioic Conductor Composites: Theory and Materials. J. Electroceramics 5 (2000), S. 111–125”. Das ab dem Phasenübergang bei 147°C extrem hoch ionenleitfähige Agl zersetzt sich unter Lichteinwirkung in die Elemente (ehemalige Verwendung in der Photographie), siehe „A. Dashora, A. Marwal, K. R. Soni, B. L. Ahuja: Electronic properties and Compton profiles of silver iodide. Pramana Journal of Physics 74 (2010), S. 1017–1027”. Zweitens haben kovalente Bindungen die Tendenz, durch die Vorgabe von Bindungswinkeln Netzwerke aufzuweiten, was der Ionenbeweglichkeit förderlich ist.
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Netzwerke der gewünschten Art lassen sich insbesondere unter Verwendung mehrwertiger, speziell drei- bis fünfwertiger Kationen mit verbindenden Sauerstoffatomen aufbauen. Kristalltypen dieser Art finden sich in vielen Kristallsystemen, den Oxiden (IV; z. B. das Perowskit-artige Lithium-Lanthan-Titanat La(2/3-x)Li3xTiO3 mit 0,075 < x < 0,165, das Granat-artige Li5La3(Nb, Ta)2O12, siehe ”Philippe Knauth: Inorganic solid Li ion conductors: An overview. Solid State Ionics 180 (2009), Seiten 911–916”; hierzu gehört auch das Natriumbeta-Aluminat NaAl11O17, siehe „J. H. Kennedy, in: Solid Electrolytes, Bd. 21, Hrsg. S. Geller, Springer-Verlag Berlin (1977); S. 105”), Boraten (V), Phosphaten (VII), Ketten-, Band-, Schicht- und Gerüstsilikaten (VIII). Die römischen Ziffern in Klammern geben die jeweilige Mineralklasse nach Strunz an, siehe „Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Ninth Edition. E. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung Stuttgart, 2001.” Zur Systematik der Kristalle siehe auch „G. Heide: Vorlesung ”Grundlagen der Mineralogie”. Institut für Mineralogie, Technische Universität Bergakademie Freiberg, Sommersemester 2008.” Typische hoch ionenleitfähige Vertreter der Borate, Phosphate und Silikate sind in „R. D. Shannon, T. Berzins: Ion conductivity in low carnegieite compositions based on NaAlSiO4. Mat. Res. Bull. 14 (1979), S. 361–367” angegeben (Li4B7O12Cl, LiZr2P3O12, Na5YSi4O12). Ein besonders bekannter Vertreter der Phosphate ist das NASICON NaA2(PO4)3 (A = Ge, Ti oder Zr), siehe ”Philippe Knauth: Inorganic solid Li ion conductors: An overview. Solid State Ionics 180 (2009), Seiten 911–916”. Bezüglich der bisher nicht erwähnten Kristalltypen Sulfate/Chromate/Molybdate/Wolframate (VI) sei erwähnt, dass es Mischkristalle wie Ag8I2Cr3O12 gibt, für die eine nennenswerte Silberionenleitfähigkeit angegeben wird, siehe „B. Scrosati, A. Ricci and M. Lazzari: Electrochemical properties of a new solid electrolyte in the system silver iodide – silver dichromate. J. Appl. Electrochem. 6 (1976), S. 237–242”.
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Bei den genannten oxidischen Systemen fällt auf, dass für Kristalle mit Pfaden hoher Alkalibeweglichkeit offenbar dieselben Baueinheiten eine Rolle spielen, wie sie für den Bau eines Glasnetzwerkes benötigt werden. „R. D. Shannon, T. Berzins: Ion conductivity in low carnegieite compositions based on NaAlSiO4. Mat. Res. Bull. 14 (1979), S. 361–367” spricht speziell davon, dass Netzwerkstrukturen, die die Tetraeder (BO4)5-, (PO4)3- oder (SiO4)4-enthalten, eine hohe Ionenbeweglichkeit aufweisen. Die genannten Tetraeder sind aber wiederum die wichtigsten netzwerkbildenden Baueinheiten bei der Glasherstellung. Die in diesen Tetraedern enthaltenden Kationen gehören zu den sogenannten Netzwerkbildnern. Generell wird bei anorganischen, oxidischen Gläsern zwischen netzwerkbildenden Kationen, die mit Hilfe von Sauerstoffbrücken ein Netzwerk aufspannen, und netzwerkwandelnden Kationen, die dieses Netzwerk lokal auflösen, unterschieden.
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Daneben gibt es noch die sogenannten intermediären Kationen, deren genaue Rolle erst durch den Verbund festgelegt wird.
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Nach „K. H. Sun: Fundamental Condition of Glass Formation, J. Am. Ceram. Soc. 30 (1947), S. 277–281” lässt sich die Zuordnung der Kationen zu den drei Gruppen an der Energie der Bindung mit den benachbarten Sauerstoffatomen ablesen. Je höher die Energie pro bindendem Elektronenpaar ist, desto größer ist die Netzwerkbildungsneigung. Demnach gehören von den in K. H. Sun: Fundamental Condition of Glass Formation, J. Am. Ceram. Soc. 30 (1947), S. 277–281” betrachteten Kationen B, Si, Ge, Al(4-fach koordiniert), P, V, As(5+), Sb(5+), Zr(6-fach koordiniert) zu den netzwerkbildenden Kationen und Ti, Zn, Pb, Al(6-fach koordiniert), Th, Be, Zr(8-fach koordiniert), Cd zu den intermediären Kationen. „V. Dimitrov, T. Komatsu: An Interpretation of Optical Properties of Oxides and Oxide Glasses in terms of the Electronic Polarizability and Average Single Bond Strength (Review). Journal of the University of Chemical Technology and Metallurgy 45 (2010), S. 219–250” gibt für das in „K. H. Sun: Fundamental Condition of Glass Formation, J. Am. Ceram. Soc. 30 (1947), S. 277–281” nicht enthaltene Te die Zugehörigkeit zu den intermediären Kationen an, wenn man das Kriterium von „K. H. Sun: Fundamental Condition of Glass Formation, J. Am. Ceram. Soc. 30 (1947), S. 277–281” anwendet. „M. T. Shehata: Formation, Structure and Composition of Anodic-Oxide Films on Beryllium. Dissertation, McMaster University, Hamilton, Ontario, Kanada (1978). Open Access Dissertations and Theses. Paper 3184” gibt für die in „K. H. Sun: Fundamental Condition of Glass Formation, J. Am. Ceram. Soc. 30 (1947), S. 277–281” ebenfalls nicht betrachteten Mo(6+), Nb(5+), Ta(5+) und W(6+) die Zugehörigkeit zu den netzwerkbildenden Kationen an, wenn man wiederum das Kriterium von „K. H. Sun: Fundamental Condition of Glass Formation, J. Am. Ceram. Soc. 30 (1947), S. 277–281” anwendet.
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In einer Erweiterung der Dietzelschen Feldstärketheorie, siehe „A. Dietzel: Die Kationenfeldstärken und ihre Beziehungen zu Entglasungsvorgängen, zur Verbindungsbildung und zu den Schmelzpunkten von Silikaten, Z. Elektrochemie 48 (1942), S. 9–23”, teilt Conradt, siehe „R. Conradt: Vorlesung Werkstoffkunde Glas, Kapitel 2: Glaschemie. Lehrstuhl für Glas und keramische Verbundwerkstoffe, Institut für Gesteinshüttenkunde, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Stand Oktober 2010”, die Kationen in ”network formers” (B, Si, Ge, P), ”imperfect network formers” (Sn, As, Sb, Se, Te, Ti, V, Nb, Ta, Mo, W), ”structurally active elements” (Be, Al, Ga, In, Zr, Hf, Cr, Mn, Fe als Grenzfall), ”conditional glassformers” (Tl, Pb, Bi), ”network modifiers 2” (Mg, Zn, Cd, Sc, Y, La und die Lanthanoide, Co, Ni) und ”network modifiers 1” (Li, Na, K, Rb, Cs, Ca, Sr, Ba) ein, wobei der kovalente Bindungscharakter in einer Bindung mit Sauerstoff von den ”network formers” zu den ”network modifiers 1” hin ab- und der ionische Charakter entsprechend zunimmt. Die netzwerkbildenden Kationen nach „K. H. Sun: Fundamental Condition of Glass Formation, J. Am. Ceram. Soc. 30 (1947), S. 277–281”, V. Dimitrov, T. Komatsu: An Interpretation of Optical Properties of Oxides and Oxide Glasses in terms of the Electronic Polarizability and Average Single Bond Strength (Review). Journal of the University of Chemical Technology and Metallurgy 45 (2010), S. 219–250”, ”M. T. Shehata: Formation, Structure and Composition of Anodic-Oxide Films on Beryllium. Dissertation, McMaster University, Hamilton, Ontario, Kanada (1978). Open Access Dissertations and Theses. Paper 3184” sind in „R. Conradt: Vorlesung Werkstoffkunde Glas, Kapitel 2: Glaschemie. Lehrstuhl für Glas und keramische Verbundwerkstoffe, Institut für Gesteinshüttenkunde, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Stand Oktober 2010” alle mindestens als ”structurally active” (oder bzgl. der Netzwerkbildungstendenz höher, als ”imperfect network formers” oder ”network formers”) eingestuft; die intermediären Kationen nach ”K. H. Sun: Fundamental Condition of Glass Formation, J. Am. Ceram. Soc. 30 (1947), S. 277–281”, V. Dimitrov, T. Komatsu: An Interpretation of Optical Properties of Oxides and Oxide Glasses in terms of the Electronic Polarizability and Average Single Bond Strength (Review). Journal of the University of Chemical Technology and Metallurgy 45 (2010), S. 219–250”, ”M. T. Shehata: Formation, Structure and Composition of Anodic-Oxide Films on Beryllium. Dissertation, McMaster University, Hamilton, Ontario, Kanada (1978). Open Access Dissertations and Theses. Paper 3184” alle mindestens als ”network modifiers 2” (oder bzgl. der Netzwerkbildungstendenz höher, als ”conditional glassformers”) eingestuft.
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Der gemeinsame Nenner von oxidischen Gläsern und gut geeigneten kristallinen Strukturen für die Ionenleitung ist die Aufspannung von Netzwerken. Dazu benötigt man starke und gerichtete, also kovalente, Bindungen. Insofern ist es nicht überraschend, dass für beide Aufgaben dieselben Kationen notwendig sind.
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Im ersten oben genannten Beispiel für ionenleitfähige Kristalle, nämlich La(2/3x)Li3xTiO3 mit 0,075 < x < 0,175 beträgt der Anteil der (in der Glasnomenklatur von Conradt) ”imperfect network former” Kationen an der Summe der Oxidationszahlen aller Kationen +4/6 und der der Kationen vom ”network modifiers 2”-Typ (2–3x)/6. An ”network modifiers 1”-Typ Kationen ist nur das die Ionenleitfähigkeit bereitstellende Li vorhanden. Im zweiten Beispiel Li5La3(Nb, Ta)2O12 beträgt der Anteil der ”imperfect network former” Kationen an der Summe der Oxidationszahlen aller Kationen +10/24 und der der Kationen vom ”network modifiers 2”-Typ 9/24. An ”network modifiers 1”-Typ Kationen ist wieder nur das die Ionenleitfähigkeit bereitstellende Li vorhanden. Im dritten Beispiel NaAl11O17 beträgt der Anteil der Kationen vom ”structurally active elements”-Typ an der Summe der Oxidationszahlen aller Kationen +33/34. An ”network modifiers 1”-Typ Kationen ist nur das die Ionenleitfähigkeit bereitstellende Na vorhanden. Im vierten Beispiel Li4B7O12Cl beträgt der Anteil der ”network former” Kationen an der Summe der Oxidationszahlen aller Kationen +21/25. Cl ist ein zweites Anion neben O. An ”network modifiers 1”-Typ Kationen ist nur das die Ionenleitfähigkeit bereitstellende Li vorhanden. Im fünften Beispiel LiZr2P3O12 beträgt der Anteil der ”network former” Kationen an der Summe der Oxidationszahlen aller Kationen +15/24, der der Kationen vom ”structurally active elements”-Typ +8/24. An ”network modifiers 1”-Typ Kationen ist nur das die Ionenleitfähigkeit bereitstellende Li vorhanden. Im sechsten Beispiel Na5YSi4O12 beträgt der Anteil der ”network former” Kationen an der Summe der Oxidationszahlen aller Kationen +16/24 und der der Kationen vom ”network modifiers 2”-Typ +3/24. An ”network modifiers 1”-Typ Kationen ist nur das die Ionenleitfähigkeit bereitstellende Na vorhanden. Im siebten Beispiel NaA2(PO4)3 mit A = Ge, Ti, Zr beträgt für A = Ge der Anteil der ”network former” Kationen an der Summe der Oxidationszahlen aller Kationen +23/24. Für A = Ti, Zr beträgt er +15/24; in diesem Fall gibt es noch einen Anteil +8/24 von ”imperfect network formers” bzw. ”structurally active elements”. An ”network modifiers 1”-Typ Kationen ist nur das die Ionenleitfähigkeit bereitstellende Na vorhanden. Im achten Beispiel Ag8I2Cr3O12 beträgt der Anteil der Kationen vom ”structurally active elements”-Typ an der Summe der Oxidationszahlen aller Kationen +18/24. I ist zweitens Anion neben O. Ansonsten ist nur noch das die Ionenleitfähigkeit bereitstellende Ag vorhanden. Wenn also die außer den die Ionenleitfähigkeit bereitstellenden Kationen zusätzlich vorhandenen Kationen zu einem möglichst hohen Anteil möglichst gut netzwerkbildend sind, ist dies zielführend bezüglich der Ionenbeweglichkeit der erstgenannten.
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Solche Kristalle in einem glaskeramikartigen Verbund darzustellen, ist erstens dadurch motiviert, dass kristalline Materialien bzw. allgemein Materialien mit möglichst regelmäßiger atomarer Anordnung zur Erreichung hoher Ionenleitfähigkeiten besonders geeignet sind, wie aus dem Fluktuations-Dissipations-Theorem hervorgeht, siehe hierzu „Junichi Kawamura, Ryo Asayama, Naoaki Kuwata, Osamu Kamishima: Ionic transport in glass and polymer: Hierarchical structure and dynamics, Physics of Solid State Ionics (2006), S. 193–246”.
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Zweitens sind in einer Glaskeramik im Gegensatz zu einer Keramik die Kristallite durch einen Glasfluss ohne Restporosität miteinander verbunden, so dass das Material dicht ist und von Lücken zwischen den Kristalliten herrührende Korngrenzenwiderstände vermieden werden. Im Hinblick auf die amorphe, gemäß dem Fluktuations-Dissipations-Theorem ungünstige atomare Struktur dieser Glasphase sollte deren molarer Anteil allerdings möglichst gering sein. Dass es bei einer Glaskeramik im Gegensatz zu einem keramischen Werkstoff möglich ist, dichte, d. h. für Gase und Flüssigkeit undurchlässige Festkörper, herzustellen, erlaubt, den Festkörperelektrolyt zur Trennung des Anoden- und Kathodenraumes zu verwenden und ermöglicht so den Einsatz unterschiedlicher Flüssigelektrolyten auf Anoden und Kathodenseite. In Systemen, in denen Lithiummetall eingesetzt wird (z. B. Li-Luft-Batterien), erlaubt ein gasdichter Elektrolyt den Schutz der Anode vor Feuchtigkeit und Sauerstoff.
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Die Herstellung einer Glaskeramik erfolgt vorzugsweise so, dass zunächst ein Ausgangsglas geschmolzen und heißgeformt (z. B. gegossen) wird. Das Ausgangsglas wird in einem zweiten Schritt entweder direkt („Bulk-Glaskeramik”) oder als Pulver („Sinterglaskeramik”) keramisiert. Bei der Keramisierung kann durch eine entsprechend gewählte Temperatur-Zeit-Führung eine gesteuerte Kristallisation erfolgen, die die Einstellung eines für die Lithiumionenleitfähigkeit optimierten Gefüges der Glaskeramik erlaubt.
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Der Gedanke, durch Ionenaustausch einen ionenleitenden Kristall herzustellen, wird in „S. Kikkawa, F. Yasuda, M. Koizumi: Ionic conductivities of Na
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7, K
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7 and their related materials. Mat. Res. Bull. 20 (1985), S. 1221–1227” diskutiert, wo u. a. die Ionenleitfähigkeit eines durch Lithium-Ionenaustausch an Na
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7 hergestellten metastabilen Li
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7 untersucht wird, dessen Lithium-Ionenleitfähigkeit sich als höher als die eines konventionell hergestellten, stabilen Li
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7 ergibt. (Das Na
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7 wird dort per Festkörperreaktion als polykristallines Materials hergestellt.) Damit erscheint der Ionenaustausch per se als sinnvoller Schritt. In „S. Kikkawa, F. Yasuda, M. Koizumi: Ionic conductivities of Na
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3O
7, K
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7 and their related materials. Mat. Res. Bull. 20 (1985), S. 1221–1227” wurde jedoch der Ionenaustausch an einem keramischen Material durchgeführt, das gegenüber der Glaskeramik in Hinblick auf Formgebung und Dichtigkeit deutliche Nachteil aufweist. In „
JP 2010275130 A , 27.05.2009” wird die Herstellung einen ionenleitenden Materials durch Ionenaustausch an Glas hergestellt. Dabei konnten jedoch nur deutlich geringere Leitfähigkeiten von bis zu 3,6 × 10
–6 S/cm erreicht werden.
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Eine ideale Vorgehensweise zur Erzeugung eines hoch ionenleitenden Materials wäre, einen hoch ionenleitfähigen Kristall zu identifizieren und diesen in einer polykristallinen Ausführung als Glaskeramik herzustellen, um die im Verhältnis zu Einkristallen und Keramiken bestehenden prozeßtechnischen (einfaches Herstellen über Glasschmelze und nachgeschaltete Temperaturbehandlung) und materialmäßigen (z. B. Porenfreiheit, s. o.) Vorteile wahrzunehmen. Es ist aber häufig so, dass sich eine Schmelze mit der Zusammensetzung eines hoch ionenleitfähigen Kristalls nicht ohne weiteres herstellen und in eine Glaskeramik verarbeiten lässt. Sehr häufig neigen diese Schmelzen so stark zur Entglasung, dass sie entweder nur mit extrem schneller Kühlung oder gar nicht in ein Glas überführbar sind. Dies ist der Grund, warum im Zusammenhang mit ionenleitfähigen Gläsern speziell Schnellkühlsysteme wie ”Twin Roller Systems” benötigt werden, siehe „M. Tatsumisago, A. Hamada, T. Minami, M. Tanaka: Structure and properties of Li2O-RO-Nb2O5 glasses (R = Ba, Ca, Mg) prepared by twin-roller quenching. J. Non-Crystal. Sol. 56 (1983), S. 423–428” Dies gilt nach der Erfahrung der Autoren zum Beispiel auch für das LiAlSiO4-System.
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Für dieses System liegen zwar Literaturdaten vor; es ist also prinzipiell darstellbar, und es folgt aus dem Vergleich der Glasdaten (siehe „. R. T. Johnson, R. M. Biefeld, M. L. Knotek, B. Morosin: Ionic conductivity in solid electrolytes based on lithium aluminosilicate glass and glass-ceramic. J. Electrochem. Soc. 123 (1976), S. 680–687”) mit der Ionenleitfähigkeit des Einkristalls („W. Nagel, H. Böhm: Ionic Conductivity Studies on LiAlSiO4-SiO2 Solid Solutions of the High Quartz Type. Solid State Communications 42 (1982), S. 625–631”) auch die Attraktivität, dieses System als Glaskeramik herzustellen, aber es erweist sich als praktisch nicht handhabbar aufgrund der starken Entglasungsneigung.
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An diesem Punkt setzt also die eigentliche Erfindung an. Erfindungsgemäß wird erstens eine Zusammensetzung, die nach den oben gemachten strukturchemischen Aussagen einem zu erwartenderweise ionenleitfähigen Kristall oder einer Mischung aus solchen entspricht, als Glas geschmolzen. Vorzugsweise wird bei der Auswahl dieser Zusammensetzung neben den späteren Materialeigenschaften auch die leichte Schmelz- und Keramisierbarkeit dieser Zusammensetzung berücksichtigt. Zweitens wird dieses Glas in eine Glaskeramik überführt. Vorzugsweise werden dabei für Glaskeramiken große Kristallite (typische Abmessung 0,1 bis 10 μm im Gegensatz zu den optisch transparenten Glaskeramiken mit Kristalliten im Nanometerbereich) und hohe Kristallphasenanteile (mindestens 70 Gew.-% Kristallphase) realisiert, um die Ionenleitfähigkeit möglichst hoch werden zu lassen. Drittens wird diese Glaskeramik durch Ionenaustausch so verändert, dass eine oder mehrere metastabile neue Kristallphase(n) entstehen, die vorzugsweise eine höhere Ionenleitfähigkeit sowohl als die Kristallphase der unausgetauschten Glaskeramik als auch die stabile Kristallphase mit der Zusammensetzung nach dem Austausch hat.
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Ausführungsbeispiele
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Erstes Ausführungsbeispiel ist ein in der Zusammensetzung dem beta-Eukryptit im Wesentlichen gleiches, also im Wesentlichen durch die Summenformel LiAlSiO4 beschreibbares, im wesentlichen kristallines Material, das durch Ionenaustausch von kristallinem NaASiO4, das als Nephelin- oder als Carnegieit-Glaskeramik vorgelegen hatte, erzeugt worden ist. Dessen Zusammensetzung ist (in Mol%): 51SiO2, 20Al2O3, 25Na2O, 4TiO2. Das entspricht, wenn man umsortiert, 80 Nephelin der Zusammensetzung NaAlSiO4, 11SiO2, 5Na2O, 4TiO2. Im Wesentlichen entspricht die Zusammensetzung der geplanten Hauptkristallphase Nephelin also einem Kristall des oben dargelegten Typs, da von der Summe der Oxidationszahlen aller Kationen, nämlich 8+, 7 positive Ladungen auf die netzwerkbildenden bzw. intermediären Kationen Si und Al entfallen. Der Rest besteht aus einem gewissen Überschuss an SiO2 und Na2O sowie einem kleinen Prozentsatz TiO2 als Keimbildner. Alternativ hätten auch ZrO2 oder eine Mischung aus TiO2 und ZrO2 als Keimbildner eingesetzt werden können, in einer Gesamtmenge von typischerweise 0,5 bis 8 Gew.-%. Zur Rolle der Keimbildner siehe „H. Bach Editor: Low Thermal Expansion Glass Ceramics. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York (1995), S. 25–38. Ein weiterer möglicher Keimbildner ist SnO2.
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Diese Zusammensetzung zeigte ein gutes Aufschmelzverhalten. Das Gemenge wurde bei 1600–1650°C in einen Platin-Rhodium-Tiegel eingelegt, anschließend bei 1650°C geläutert und gerührt. Nach einer halben Stunde HTO (”High temperature Observation”, also Sichtkontrolle der Schmelze) bei 1680°C wurde bei derselben Temperatur gegossen. Der gesamte Schmelzprozeß nahm 2,5 h in Anspruch. Die Gußblöcke wurden danach mit einer Kühlrate von 20 K/min im Kühlofen gekühlt.
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Eine Differenz-Thermoanalyse am fertigen Glas, ausgeführt mit 5 K/min in einem Netzsch-Gerät der Baureihe 404, ergab eine Glasübergangstemperatur von TG = 645,8°C (TG-Bestimmung mit der Wendepunktmethode) und einen Kristallisationspeak bei 852,8°C. Das Material wurde einer Keramisierungsprogramm bestehend aus 4 h Keimbildung bei 675°C und 12 h Kristallisation bei 850°C unterworfen. Es ergab sich eine solide Glaskeramik porzellanartiger Anmutung mit, gemäß Röntgenbeugung und Rietveld-Analyse, 73 Gewichts-% Nephelin der Zusammensetzung NaAlSiO4, 8 Gewichts-% Na2TiSiO5 und 9 Gewichts-% amorpher Phase. Die elektronenmikroskopische Aufnahme (SEM) einer Bruchfläche zeigte mikrometergroße Kristallite.
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1 mm dicke Proben dieses keramisierten Materials wurde 6 h bei 340°C in einem LiNO3-Bad gehalten (ohne Feldunterstützung, die man zur Erhöhung der Austauschgeschwindigkeit auch noch bereitstellen könnte). Überraschenderweise wurde bei diesen moderaten Parametern (relativ kurze Zeit und niedrige Temperatur) trotz der relativ großen Dicke der Probe vollständiger Austausch erzielt. Eine anschließende Time-of-Flight-Sekundärionenmassenspektroskopie an einem Querschliff, die jeweils über die ersten 300 μm Tiefe, von beiden Flachseiten der Probe ausgehend, vorgenommen wurde, zeigte über die ganze Tiefe eine sehr hohes Intensitätsverhältnis (> 40) des 6Li-Signals zum Na-Signal und dies konstant, also ohne Gradienten, die auf einen nicht abgeschlossenen Konzentrationsausgleich durch Diffusion schließen lassen könnten. Daraus ist, wie gesagt, auf vollständigen Ionenaustausch Na gegen Li zu schließen. Aus der Impedanzmessung (Gerät der Firma Novocontrol, Kontaktierung mit InGa, 1 V Spannungspeak) und einer Nyquistauswertung folgte eine Ionenleitfähigkeit von 4,8 × 10–4 S/cm bei Raumtemperatur.
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Zweites Ausführungsbeispiel ist ein in der Zusammensetzung ähnliches Material. Die Zusammensetzung ist (in Mol%): 51SiO2, 20Al2O3, 20Na2O, 5Li2O, 4TiO2. Das entspricht, wenn man umsortiert, 80 Nephelin der Zusammensetzung NaAlSiO4, 11 Mol SiO2, 5 Mol Li2O, 4 Mol TiO2. Im Wesentlichen entspricht die Zusammensetzung der geplanten Hauptkristallphase also wieder einem Kristall des oben dargelegten Typs. Der Rest besteht aus einem gewissen Überschuss an SiO2 und Li2O sowie einem kleinen Prozentsatz TiO2 als Keimbildner.
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Diese Zusammensetzung hat sich wiederum problemlos schmelzen lassen. Das Gemenge wurde bei 1600°C in einen Platin-Rhodium-Tiegel eingelegt, anschließend bei 1620°C geläutert und gerührt. Nach einer halben Stunde HTO (”High temperature Observation”, also Sichtkontrolle der Schmelze) bei 1650°C wurde bei derselben Temperatur gegossen. Der gesamte Schmelzprozeß nahm 4,25 h in Anspruch. Die Gußblöcke wurden danach mit einer Kühlrate von 20 K/min im Kühlofen gekühlt.
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Eine Differenz-Thermoanalyse am fertigen Glas, ausgeführt mit 5 K/min in einem Netzsch-Gerät der Baureihe 404, ergab eine Glasübergangstemperatur von TG = 595,6°C (TG-Bestimmung mit der Wendepunktmethode) und einen Kristallisationspeak bei 717°C. Das Material wurde einem Keramisierungsprogramm bestehend aus 4 h Keimbildung bei 630°C und 12 h Kristallisation bei 720°C unterworfen. Es ergab sich eine solide Glaskeramik porzellanartiger Anmutung mit, gemäß Röntgenbeugung und Rietveld-Analyse, 77 Gew.-% Nephelin der Zusammensetzung NaAlSiO4, 4 Gew.-% Li2SiO3, 2 Gew.-% Li2TiO3 und 17 Gew.-% amorpher Phase.
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1 mm dicke Proben dieses keramisierten Materials wurde 6 h bei 340°C in einem LiNO3-Bad gehalten. Überraschenderweise wurde bei diesen moderaten Parametern (relativ kurze Zeit und niedrige Temperatur) trotz der relativ großen Dicke der Probe vollständiger Austausch erzielt. Eine anschließende Time-of-Flight-Sekundärionenmassenspektroskopie an einem Querschliff, die jeweils über die ersten 300 μm Tiefe, von beiden Flachseiten der Probe ausgehend, vorgenommen wurde, zeigte über die ganze Tiefe ein sehr hohes Intensitätsverhältnis (27,5) des 6Li-Signals zum Na-Signal und dies konstant, also ohne Gradienten, die auf einen nicht abgeschlossenen Konzentrationsausgleich durch Diffusion schließen lassen könnten. Daraus ist, wie gesagt, auf vollständigen Ionenaustausch Na gegen Li zu schließen. Aus der Impedanzmessung (Alpha-Analyser der Firma Novocontrol, Kontaktierung mit InGa, 1 V Spannungspeak) und einer Nyquistauswertung folgte eine Ionenleitfähigkeit von 8,6 × 10–4 S/cm bei Raumtemperatur.
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Diese beiden für ein Alkali-Alumosilicatmaterial außergewöhnlich hohen Ionenleitfähigkeiten sind nur durch eine entsprechend hohe Ionenleitfähigkeit der metastabilen Lithium-Alumosilicat-Phase zu erklären. Ein nennenswerter Beitrag über die Grenzflächen scheidet wegen der Größe der beobachteten Kristalle aus, ebenso wie ein nennenswerter Beitrag der Restglasphase. Diese fällt prozentual nicht ins Gewicht; außerdem liegt die Leitfähigkeit alkalihaltiger Gläser trotz Ionenaustausch i. a. um mehrere Größenordnungen unter den hier beobachteten Werten, siehe in der Schrift
JP 2010275130 A .
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Um eine Phasenumwandlung der metastabilen, ionenausgetauschten Phase zu vermeiden, sollte der Ionenaustausch bei nicht zu hoch über dem Schmelzpunkt der Salzschmelze liegenden Temperaturen vorgenommen werden. In den Beispielen beträgt die Austauschtemperatur 340°C und liegt damit nur 85 K über dem Schmelzpunkt von Lithiumnitrat.
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Auch wenn sie nicht für die Bildung der ionenleitenden Kristallphase(n) nötig sind, können As2O5, Sb2O5, SnO, CeO2 in bei der Glasherstellung üblichen Mengen von 0–5 Gew.-% als Läutermittel enthalten sein, ebenso TiO2 und ZrO2 in üblichen Mengen von 0–10 Gew.-% als Keimbildner und weiterhin Erdalkalioxide und andere Oxide wie z. B. GeO2, B2O3, Ta2O5, Nb2O5 in einer Gesamtmenge von 0–25 Gew.-%, um Glasbildungseigenschaften und/oder Schmelzbarkeit zu verbessern. Hierdurch kann auch die chemische Beständigkeit an die Einsatzbedingungen angepasst werden. Obwohl gemäß der Aufgabenstellung der Erfindung ein Gehalt an Schwefel vermieden werden soll, kann eine teilweise Substitution des Sauerstoffs durch Schwefel erfolgen, um die Ionenleitfähigkeit noch weiter zu erhöhen. Gleiches gilt für Stickstoff als mögliches Anion. Insgesamt sollen aber maximal 50% der Sauerstoffatome durch S oder N oder eine Mischung beider ersetzt werden.
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Die erfindungsgemäßen Glaskeramiken können als Elektrolyt in wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Zellen, besonders in Feststoff-Lithiumionenbatterien verwendet werden. Dazu können sie entweder als dünne Schicht oder Membran als einziger Elektrolyt oder als Bestandteil des Elektrolyten gemeinsam mit anderem Material (z. B. vermischt mit einem Polymer oder einer ionischen Flüssigkeit) zum Einsatz kommen. Zur Herstellung einer solchen Schicht oder Membran können neben den Formgebungsmöglichkeiten eines Glases (Gießen, Ziehen, Walzen usw.) Techniken wie Siebdruck, Foliengießen oder Beschichtungstechniken zum Einsatz kommen.
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Auch die Verwendung als Beschichtung auf einer Elektrode ist möglich. Weiterhin kann das Material auch als Zusatz zur Elektrode (z. B. vermischt mit einem elektronisch leitenden Material) verwendet werden. Auch der Einsatz als Separator in einer mit flüssigem Elektrolyten gefüllten Zelle ist denkbar. Weitere Einsatzmöglichkeiten sind Lithium-Luft oder Li-Schwefelzellen.