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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Ermitteln eines Kniepunkts einer Frequenzkompressionskennlinie für eine Hörvorrichtung. Darüber hinaus betrifft die vorliegende Erfindung ein Verfahren zum Ermitteln einer Frequenzkompressionskennlinie und ein Verfahren zum Einstellen eines binauralen Hörsystems. Unter dem Begriff Hörvorrichtung wird hier jedes im oder am Ohr tragbares, einen Schallreiz auslösendes Gerät, insbesondere ein Hörgerät, Kopfhörer und dergleichen, verstanden.
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Hörgeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen. Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche Bauformen von Hörgeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO), Hörgerät mit externem Hörer (RIC: receiver in the canal) und In-dem-Ohr-Hörgeräte (IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt. Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten Gehörs entweder mechanisch oder elektrisch.
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Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler, einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein Schallempfänger, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z. B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler, z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer, realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinheit integriert. Dieser prinzipielle Aufbau ist in 1 am Beispiel eines Hinterdem-Ohr-Hörgeräts dargestellt. In ein Hörgerätegehäuse 1 zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere Mikrofone 2 zur Aufnahme des Schalls aus der Umgebung eingebaut. Eine Signalverarbeitungseinheit 3, die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1 integriert ist, verarbeitet die Mikrofonsignale und verstärkt sie. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3 wird an einen Lautsprecher bzw. Hörer 4 übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Energieversorgung des Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3 erfolgt durch eine ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1 integrierte Batterie 5.
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Frequenzkompression ist eine verhältnismäßig neue Technik bei Hörgeräten. Durch die Frequenzkompression werden hochfrequente Informationen hörbar, die ohne dieses Verfahren nicht gehört werden können. Erreicht wird dies durch einen Algorithmus, der Hochfrequenzinformation von höheren Frequenzen auf niedrigere Frequenzen abbildet. Ursprünglich niedrige Frequenzen werden dabei mit der neuen Information ersetzt.
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Damit sich der Frequenzkompressionsalgorithmus auch hinsichtlich Sprachverständlichkeit als profitabel erweist, muss dieser Algorithmus in einer speziellen Art parametriert werden. Derzeit ist man jedoch nicht in der Lage, verlässlich darzulegen, dass durch einen Frequenzkompressionsalgorithmus Vorteile bezüglich der Sprachverständlichkeit erwartet werden können. Insbesondere fehlt es an einer definierten Strategie, einen Frequenzkompressionsalgorithmus so zu parametrieren, dass sich hinsichtlich der Sprachverständlichkeit ein Profit ergibt. Da die Sprachverständlichkeit sehr wichtig ist, damit Hörgeschädigte an täglichen Unterhaltungen in befriedigender Weise teilnehmen können, und damit sie mit ihrem Hörgerät zufrieden sind, ist es entsprechend bedeutsam, mit Hörgeräten eine bessere Sprachverständlichkeit erlangen zu können.
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Derzeit übliche Techniken zur Einstellung von Frequenzkompressionsalgorithmen berücksichtigen nicht die akustische Feinstruktur von Konsonanten und Vokalen wie etwa deren Mittenfrequenz oder andere Charakteristiken, z. B. Formanten. Heutige Anpassstrategien, die während einer Erstanpassung angewandt werden, zielen eher auf eine erhöhte Rückkopplungsstabilität anstatt auf Vorteile bzgl. Sprachverständlichkeit. Nur durch eine äußerst mühsame und zeitaufwändige, manuelle Feineinstellung lässt sich ein zusätzlicher Nutzen bzgl. Sprachverständlichkeit erreichen.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht somit darin, die Frequenzkompression einer Hörvorrichtung in einfacher Weise so einstellen zu können, dass sich Vorteile bezüglich Sprachverständlichkeit erzielen lassen.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Ermitteln eines Kniepunkts einer Frequenzkompressionskennlinie für eine Hörvorrichtung, durch
- – Ermitteln einer maximal hörbaren Frequenz eines Nutzers der Hörvorrichtung, und
- – Ermitteln des Kniepunkts mittels einer vorgegebenen Vorschrift in Abhängigkeit von der maximal hörbaren Frequenz.
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In vorteilhafter Weise wird also der Kniepunkt der Frequenzkompressionskennlinie in Abhängigkeit von der maximal hörbaren Frequenz des Nutzers (also der höchsten vom Nutzer hörbaren Frequenz) der Hörvorrichtung bestimmt. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine Frequenzkompressionskennlinie mindestens zwei Schenkel aufweist, die an dem Kniepunkt miteinander verbunden sind. Durch geeignete Verschiebung des Kniepunkts entsprechend der vorgegebenen Vorschrift lässt sich so die Information optimieren, die in dem hörbaren Bereich an den Nutzer der Hörvorrichtung übertragen werden kann.
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Vorzugsweise wird der Kniepunkt in jedem Fall oberhalb von 1,5 kHz festgelegt. Da unterhalb des Kniepunkts die Frequenzen typischerweise unkomprimiert übertragen werden, werden im Fall des Kniepunkts oberhalb von 1,5 kHz alle wesentlichen Spektralanteile unverändert übertragen, die es dem Nutzer ermöglichen, weibliche Stimmen von männlichen Stimmen zu unterscheiden.
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Der Kniepunkt kann mit Hilfe der Bark-Skala berechnet werden. Die Bark-Skala stellt eine psychoakustische Skala für die wahrgenommene Tonhöhe (Tonheit) dar.
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In vorteilhafter Weise wird eine Koordinate f_cutoff des Kniepunkts mit Hilfe der Formel f_cutoff = 1960·((f_max_bark – no_bands_down + 0,53)/(26,28 – (f_max_bark – no_bands_down)) berechnet, wobei f_max_bark die maximale hörbare Frequenz umgerechnet in einen Bark-Wert und no_bands_down eine in Abhängigkeit von der maximal hörbaren Frequenz festgelegte Anzahl an Frequenzgruppen (critical bands) bedeutet. Damit muss in einer Zuordnungsvorschrift lediglich noch festgelegt werden, wie hoch der Wert no_bands_down in Einheiten von Frequenzgruppen (critical bands) in Abhängigkeit von der maximal hörbaren Frequenz ist. Dieser Wert lässt sich analytisch für jede Frequenz oder aber beispielsweise tabellarisch für einzelne Frequenzkanäle festlegen.
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In einer Weiterentwicklung kann somit ein Verfahren zum Ermitteln einer Frequenzkompressionskennlinie, gemäß der ein Eingangswert in einen Ausgangswert abgebildet wird, durch Ermitteln eines Kniepunkts entsprechend der obigen Verfahren bereitgestellt werden, wobei unterhalb des Kniepunkts jeder Eingangswert gleich dem jeweiligen Ausgangswert ist. Damit ist auf alle Fälle der untere Teil einer Frequenzkompressionskennlinie von der Frequenz null bis zu der Kniepunktfrequenz festgelegt. In diesem Frequenzbereich findet keine Kompression statt.
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Oberhalb des Kniepunkts findet typischerweise Kompression statt. Hier sollte die Kompressionsrate maximal den Wert 4 erreichen. Höhere Kompressionsraten führen zu irritierenden Übertragungen.
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Auch hier kann der Eingangswert f_source_max zu demjenigen Ausgangswert f_max, der der maximal hörbaren Frequenz entspricht, mit Hilfe der Bark-Skala berechnet werden. Damit ist der Algorithmus zur Einstellung der Frequenzkompression näher an der psychoakustischen Größe der tatsächlich wahrnehmbaren Tonhöhe geführt.
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Um die Frequenzkompressionskennlinie oberhalb des Kniepunkts konkret festzulegen, kann der Eingangswert f_source_max für den maximal hörbaren Ausgangswert f_max mit Hilfe der Formel f_source_max = 1960·(f_max_bark + no_bands_up) + 0,53)/(26,28 – (f_max_bark + no_bands_up)) berechnet werden, wobei f_max_bark die maximal hörbare Frequenz umgerechnet in einen Bark-Wert und no_bands_up eine in Abhängigkeit von der maximal hörbaren Frequenz festgelegte Anzahl an Frequenzgruppen (critical bands) bedeutet. Auch hier ist dann nur noch für jede maximal hörbare Frequenz f_max bzw. den höchsten hörbaren Kanal eine Anzahl an Frequenzgruppen festzulegen, deren Gesamtbreite den Abstand vom Kniepunkt (f_cutoff) zur Originalfrequenz f_source_max bildet, die entsprechend der Kompressionskennlinie auf die maximal hörbare Frequenz f_max abgebildet wird.
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Mit der oben dargestellten erfindungsgemäßen Ermittlung der Frequenzkompressionskennlinie kann ein Verfahren zur automatischen Einstellung eines binauralen Hörsystems bereitgestellt werden. Dabei ist es besonders vorteilhaft, wenn die eben geschilderte Frequenzkompressionskennlinie für dasjenige Ohr des Nutzers der Hörvorrichtungen ermittelt wird, das den geringeren Hörverlust aufweist. Damit wird sichergestellt, dass für den Nutzer der Hörvorrichtungen nicht Information verloren geht, die der Nutzer noch hören könnte.
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Die vorliegende Erfindung wird nun anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert, in denen zeigen:
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1 den prinzipiellen Aufbau eines Hörgeräts gemäß dem Stand der Technik;
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2 ein Blockschaltdiagramm zur Bestimmung einer Frequenzkompressionskennlinie und
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3 eine erfindungsgemäße Frequenzkompressionskennlinie.
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Die nachfolgend näher geschilderten Ausführungsbeispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung dar.
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Mit dem unten beschriebenen Einstell- bzw. Anpassalgorithmus soll ein Frequenzkompressionsalgorithmus eines Hörgeräts oder einer anderen Hörvorrichtung so eingestellt werden, dass sich ein Nutzen hinsichtlich der Sprachverständlichkeit ergibt verglichen mit dem Fall eines Hörgeräts ohne Frequenzkompression. Alle anderen Parameter des Hörgeräts außer der Frequenzkompression werden nicht verändert (Verstärkung, Pegelkompression usw.).
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In dem Hörgerät ist ein Frequenzkompressionsalgorithmus implementiert, dessen Frequenzkompressionskennlinie 10 (vergleiche 3) die Abbildung einer Eingangsfrequenz f_in (= f_source) auf eine Ausgangsfrequenz f_out (= f_destination) darstellt. Üblicherweise besitzt diese Frequenzkompressionskennlinie 10 die in 3 dargestellte Struktur. Sie besitzt zwei lineare Abschnitte 11 und 12, wovon der erste Abschnitt 11 vom Ursprung des Diagramms zu einem Kniepunkt 13 führt, und der zweite lineare Abschnitt 12 von dem Kniepunkt 13 zu einem Endpunkt 14. Der erste lineare Abschnitt 11 besitzt die Steigung eins, so dass in dem Frequenzbereich von null bis zum Kniepunkt 13 bzw. der Frequenz f_cutoff keine Frequenzkompression stattfindet.
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Die Frequenzkompressionskennlinie ist also durch drei Parameter charakterisiert: die Frequenz f_cutoff, die die beiden Koordinaten des Kniepunkts 13 darstellt und dem Startpunkt des eigentlichen Frequenzkompressionsalgorithmus entspricht (alle Frequenzen unter f_cutoff sind von dem Algorithmus nicht beeinflusst), die Frequenz f_max, die die maximal hörbare Frequenz darstellt, und die Frequenz f_source_max, die derjenigen Originaleingangsfrequenz entspricht, die durch die Frequenzkompressionskennlinie auf die Ausgangsfrequenz f_max abgebildet wird. Es wird also die Information im Originalfrequenzbereich zwischen f_cutoff und f_source_max auf den Bereich zwischen f_cutoff und f_max abgebildet. Diese Reduktion der Bandbreite führt zur Hörbarkeit von Hochfrequenzinformation bei niedrigeren Frequenzen auf die Kosten eines Verlustes von ursprünglicher Tieffrequenzinformation.
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Eine vorteilhafte Anpassformel für den Frequenzkompressionsalgorithmus erfüllt jedoch folgende audiologischen Anforderungen:
- 1. Die Hörbarkeit von Reibelauten (Frikative) ist erhöht. Insbesondere soll bei aktiviertem Frequenzkompressionsalgorithmus die Mittenfrequenz des Lauts „s“ von derjenigen des Lauts „sch“ verschieden sein.
- 2. Eine Vokalverwechslung zwischen den Vokalen „e“ und „i“ soll minimiert sein. Bei aktiviertem Frequenzkompressionsalgorithmus sollen die verschobenen Frequenzen des zweiten Vokalformanten von „e“ und „i“ voneinander verschieden sein, vorzugsweise unabhängig von der Erfüllung der anderen Anforderungen.
- 3. Es soll so viel Originalinformation wie möglich erhalten bleiben. Anders ausgedrückt: der Verlust an Originalfrequenzinformation soll minimiert werden. Daher soll der Kniepunkt bzw. f_cutoff möglichst hoch sein, und die resultierende Frequenzkompressionsrate soll mit Rücksicht auf die anderen Anforderungen so klein wie möglich sein. Insbesondere sollte die Frequenzkompressionsrate jedoch maximal den Wert 4 erreichen.
- 4. Der Frequenzkompressionsalgorithmus soll bei binauraler Versorgung immer an das Ohr angepasst werden, das das bessere Hörvermögen besitzt.
- 5. Bei binauraler Versorgung soll in beiden Hörgeräten die gleiche Einstellung des Frequenzkompressionsalgorithmus angewandt werden, um einen konsistenten Schalleindruck an beiden Ohren zu erreichen, so dass ein kortikales Neuerlernen der auditorischen Wahrnehmung möglich ist.
- 6. Die Unterscheidbarkeit von Sprachbeispielen der beiden Geschlechter soll gegeben sein. Daher soll die Frequenz f_cutoff des Kniepunkts 13 nicht unter 1,5 kHz liegen.
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Die Tatsache, ob ein Nutzer einer Hörvorrichtung für die erfindungsgemäße Frequenzkompression geeignet ist, lässt sich zuverlässig mit zwei Messungen abschätzen. Diese Messungen sollen an dem Ohr mit der besseren Resthörfähigkeit durchgeführt werden. Die erste Messung entspricht einem Audiogramm und die zweite Messung betrifft das Vorhandensein einer so genannten toten Region im Gehör des Nutzers. Allein anhand des Audiogramms ist es in der Regel nicht zuverlässig möglich, die maximal hörbare Frequenz zu bestimmen. Dies liegt daran, dass beispielsweise auf der Basilarmembran Härchen nicht durch die Schallwellen direkt zum Schwingen angeregt werden, sondern auch durch Schwingungen der Basilarmembran selbst. Damit wird beispielsweise Schall hörbar, der jenseits einer eigentlichen maximal hörbaren Frequenz liegt. Um daher die maximal hörbare Frequenz besser bestimmen zu können, wird beispielsweise ein toter Bereich bzw. dessen Untergrenze mit dem so genannten TEN-Test (siehe unten) ermittelt.
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Auf der Basis eines gegebenen Audiogramms und einer gewählten Anpassformel (z. B. ConnexxFit) kann ein durch ein Hörgerät erzielbarer Nutzen berechnet werden. Die Berechnung des Hörgeräteausgangsspektrums ermöglicht eine Schätzung der maximal hörbaren Frequenz mit der jeweiligen Einstellung. Der Schnittpunkt des Hörgeräteausgangsspektrums mit dem Hörverlust (Audiogramm) bestimmt die so genannte maximal hörbare Frequenz f_max.
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Die maximal hörbare Frequenz f_max lässt sich beispielsweise mit folgenden Schritten abschätzen:
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- a) Bestimmen des 99%-Perzentils eines sprachmodulierten 65 dB Störgeräusches (z. B. ISTS-Störgeräusch (internationales Sprachtestsignal) gemäß der internationalen Norm IEC 60118-15).
- b) Berechnen der Verstärkung des Hörgeräts im eingesetzten Zustand (insertion gain) für einen vorliegenden Hörverlust mit Hilfe eines Anpassalgorithmus oder statischen Modells für ein spezifisches Hörgerät.
- c) Addieren der Resultate von a) und b). Diese Summe entspricht dem Frequenzspektrum (aided speech spectrum) am Trommelfell.
- d) Berechnen des Schnittpunkts des vorliegenden Audiogramms mit dem Ergebnis von c), was zu der maximal hörbaren Frequenz f_max führt.
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Wenn andere Perzentile oder andere ISTS-Störgeräuschpegel in a) verwendet werden, kann die Frequenzkompressionsanpassung an spezielle Bedürfnisse (andere Hörgerätekategorien oder bestimmte Untergruppen von hörgeschädigten Personen) angepasst werden.
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Wenn eine so genannte tote Region auf der Basis des Audiogramms geschätzt oder mit einem anderen diagnostischen Test (z. B. dem TEN-Test) gemessen wird, kann die berechnete maximal hörbare Frequenz f_max auf den resultierenden Wert geändert werden. Eine tote Region kann vorliegen, wenn ein Hörverlust bei einer bestimmten Frequenz mindestens 80 dB (HL = Hearing Level) beträgt und die Differenz zwischen zwei benachbarten Oktaven mindestens 50 dB (HL) beträgt.
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Nachfolgend wird anhand von 2 und 3 dargestellt, wie eine Frequenzkompressionskennlinie automatisch ermittelt werden kann. Dazu werden die Parameter der Frequenzkompressionskennlinie f_cutoff und f_source_max vorzugsweise auf der Basis von Frequenzgruppen (critical bands) ermittelt, vergleiche Bark-Skala und Eberhard Zwicker: „Subdivision of the audible frequenzy range into critical bands (Frequenzgruppen)", J. Acoust Soc. Am. Band 33, Seite 248, Feb. 1961). Der Ausgangspunkt für die Berechnungen stellt die maximal hörbare Frequenz f_max dar, die auch der unteren Frequenz einer toten Region entspricht. In dem Schritt 15 wird also aus dem Audiogramm, welches selbst in Schritt 16 gemessen wurde, und ggf. dem TEN-Test, der in Schritt 17 durchgeführt wurde, die maximale hörbare Frequenz f_max ermittelt. In Abhängigkeit von dieser Frequenz f_max wird die Frequenz f_cutoff in Schritt 18 ermittelt, die die Koordinaten des Kniepunkts 13 repräsentiert. Ferner wird in Schritt 19 die maximale Quellfrequenz f_source_max in Abhängigkeit von der Frequenz f_max bestimmt, welche auf eben die Frequenz f_max abgebildet wird. Schließlich wird aus den Parametern f_max, f_cutoff und f_source_max in Schritt 20 eine Frequenzkompressionskennlinie 10 ermittelt, mit der der Frequenzkompressionsalgorithmus eingestellt wird.
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Der damit gebildete Algorithmus führt zu einer Frequenzkompressionseinstellung, welche eine verbesserte Sprachverständlichkeit gewährleistet.
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Vorzugsweise wird der Wert von f_max auf einen Bark-Wert f_max_bark entsprechend einem Verfahren von H. Traunmüller (1990) „Analytical expressions for the tonotopic sensory scale" J. Acoust Soc. Am. 88: Seiten 97 bis 100 transformiert.
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Die Transformation erfolgt gemäß der Formel f_max_bark = 26,81·f_max/(1960 + f_max) – 0,53.
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Optional soll der Wert f_max_bark veränderbar sein, wenn beispielsweise eine geringere Frequenzkompression gewünscht wird. Es soll dann beispielsweise für eine vorgegebene Filterbank sichergestellt sein, dass der veränderte Wert f_max_bark eine Frequenz zwischen 2 kHz und 8 kHz repräsentiert.
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Mit Hilfe nachstehender Formel und der Werte no_bands_down, die eine Anzahl von Frequenzgruppen darstellen, kann die Frequenz f_cutoff des Kniepunkts berechnet werden. Der Kniepunkt liegt also in einem gewissen Abstand (gezählt in Frequenzgruppen) unterhalb der maximal hörbaren Frequenz f_max. Die entsprechende Formel lautet: f_cutoff = 1960·((f_max_bark – no_bands_down) + 0,53)/(26,28 – (f_max_bark – no_bands_down))
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Mit dem dargestellten Algorithmus würden Werte für f_max < 2 kHz zu f_cutoff-Werten < 1,5 kHz führen, was aus audiologischer Sicht vermieden werden soll. Daher werden Werte für f_max < 2 kHz immer auf 2 kHz gesetzt, unabhängig vom tatsächlich gemessenen Wert.
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Mit der nun folgenden Formel und den in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Werten no_bands_up ebenfalls in der Einheit „CB“ (Frequenzgruppen) lässt sich für eine jeweils aktuelle Frequenz f_max der weitere Kennlinienparameter f_source_max berechnen:
f_source_tmp = 1960·((f_max_bark + no_bands_up) + 0,53)/(26,28 – (f_max_bark + no_bands_up)) f_max in [Hz] | No_bands_down in [CB] | No_bands_up in [CB] |
1500 | 3 | 7 |
1750 | 2 | 6 |
2000 | 2 | 5,5 |
2250 | 2 | 4,8 |
2500 | 1,8 | 4 |
2750 | 2 | 3,8 |
3000 | 2 | 3,2 |
3250 | 2 | 3 |
3500 | 2 | 2,5 |
3750 | 2 | 2,3 |
4000 | 2 | 2,2 |
4250 | 1,8 | 2 |
4500 | 2 | 2 |
4750 | 2 | 1,8 |
5000 | 1,8 | 1,7 |
5250 | 2 | 1,6 |
5500 | 1,8 | 1,5 |
5750 | 1,8 | 1,6 |
6000 | 1,6 | 1,5 |
6250 | 1,6 | 1,5 |
6500 | 1,6 | 1,4 |
6750 | 1,6 | 1,4 |
7000 | 1,8 | 1,5 |
7250 | 1,8 | 1,4 |
7500 | 2 | 1,3 |
7750 | 2 | 1,2 |
8000 | 2 | 1,2 |
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Die obigen Berechnungen stellen sicher, dass die audiologischen Anforderungen 1. und 2. (siehe oben) erfüllt sind. Diese Anforderungen sind die Basis für eine Verbesserung der Sprachverständlichkeit durch den Frequenzkompressionsalgorithmus. Die Werte in der Tabelle sind hier auf eine Filterbank mit 48 Kanälen bezogen, die jeweils eine Bandbreite von 250 Hz besitzen.
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Die dargestellte Anpassstrategie für einen Frequenzkompressionsalgorithmus kombiniert mehrere Hörgeräteanpassschritte, die üblicherweise manuell durchgeführt wurden (z. B. Messungen an 2 cm3 – Testvolumina). Beispielsweise wird die sich beim Tragen des Hörgeräts ergebende Hörschwelle für die Schätzung der maximal hörbaren Frequenz genutzt, ebenso wie das sonst übliche manuelle Entflechten der Mittenfrequenzen der Frikative „s“ und „sch“ bei der Hörgeräteanpassung. Dieses manuelle Verfahren zur Trennung von „s“ und „sch“ wird nun auf die erfindungsgemäße Weise automatisiert. Vorzugsweise wird bei der vorgestellten automatischen Anpassung auch das Konzept der kritischen Bandweiten (Frequenzgruppen gemäß Bark-Skala) genutzt, so dass sich letztlich deutliche Vorteile bei der automatischen Anpassung einer Frequenzkompression im Hinblick auf Sprachverständlichkeit ergeben. Bereits nach einer kurzen Gewöhnungsphase an den veränderten Schalleindruck aufgrund der Frequenzkompression zeigen die hörgeschädigten Probanden eine verbesserte Sprachverständlichkeit.
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In vorteilhafter Weise zeigt die erfindungsgemäße Anpassstrategie eines Frequenzkompressionsalgorithmus zum einen eine messbare Verbesserung der Sprachverständlichkeit bei aktivierter Frequenzkompression und zum anderen eine schnellere Anpassung der Hörgeräte mit Frequenzkompressionsalgorithmen. Insbesondere kann die Anpassung nun automatisiert werden und bedarf keiner langen Messungen und Anpasssitzungen. Des Weiteren ist auch eine Vorhersage eines zusätzlichen Nutzens bzgl. der Sprachverständlichkeit mit der Frequenzkompression möglich. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich eine verbesserte Sprachverständlichkeit bereits nach der Erstanpassung einstellt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Norm IEC 60118-15 [0029]
- Bark-Skala und Eberhard Zwicker: „Subdivision of the audible frequenzy range into critical bands (Frequenzgruppen)“, J. Acoust Soc. Am. Band 33, Seite 248, Feb. 1961 [0032]
- H. Traunmüller (1990) „Analytical expressions for the tonotopic sensory scale“ J. Acoust Soc. Am. 88: Seiten 97 bis 100 [0034]