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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Anpassen einer Hörvorrichtung einer Person, sowie eine Anpassungsvorrichtung für eine Frequenzkompressionseinrichtung einer Hörvorrichtung. Ein entsprechendes Verfahren ist aus der
WO 2007/135198 A2 bekannt. Unter einer Hörvorrichtung wird hier jedes im oder am Ohr tragbare, schallausgebende Gerät verstanden, insbesondere ein Hörgerät, ein Headset, Kopfhörer und dergleichen.
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Hörgeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen. Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche Bauformen von Hörgeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO), Hörgerät mit externem Hörer (RIC: receiver in the canal) und In-dem-Ohr-Hörgeräte (Ida), z. B. auch Concha-Hörgeräte oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt. Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten Gehörs entweder mechanisch oder elektrisch.
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Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler, einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein Schallempfänger, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z. B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler, z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer, realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinheit integriert. Dieser prinzipielle Aufbau ist in 1 am Beispiel eines Hinter-dem-Ohr-Hörgeräts dargestellt. In ein Hörgerätegehäuse 1 zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere Mikrofone 2 zur Aufnahme des Schalls aus der Umgebung eingebaut. Eine Signalverarbeitungseinheit 3, die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1 integriert ist, verarbeitet die Mikrofonsignale und verstärkt sie. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3 wird an einen Lautsprecher bzw. Hörer 4 übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Energieversorgung des Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3 erfolgt durch eine ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1 integrierte Batterie 5.
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Eine Möglichkeit zur Verbesserung des Sprachverstehens bei Hörgeschädigten besteht in einer Frequenzkompression, die beispielsweise durch die Signalverarbeitungseinheit 3 durchgeführt werden kann. Bei einer solchen Frequenzkompression werden spektrale Informationen aus Teilbändern, in welchen der Hörgerätenutzer nur schwer oder gar nicht hört, in solche Teilbänder verschoben, in denen es dem Benutzer möglich ist, Audiosignale einfacher wahrzunehmen. Eine Kompression erfolgt hierbei in soweit, als dass die bereits in den spektralen Bändern, in welchen der Benutzer ein ausreichendes Hörvermögen aufweist, ebenfalls in diesen spektralen Bändern wiedergegeben werden müssen. In der Regel erfolgt die Frequenzkompression daher durch Stauchen des Spektrums des zu verarbeitenden Audiosignals entlang der Frequenzachse. Hierdurch werden die darzubietenden Informationen also auf der Frequenzachse dichter zusammengeschoben. Problematisch bei einer solchen Frequenzkompression ist daher, dass bei einer zu starken Frequenzkompression das komprimierte Frequenzspektrum das individuelle Frequenzdiskriminationsvermögen des Hörgeräteträgers überfordern kann. Insbesondere bei Schwerhörigen liegt in der Regel relativ zu normal Hörenden eine schlechtere Frequenzauflösung vor. Da jedoch für einen Nutzen durch Frequenzkompression zumindest im Störgeräusch eine verbesserte Frequenzauflösung benötigt wird, verbessert die Frequenzkompression das Sprachverstehen insbesondere im Störgeräusch nur in Ausnahmefällen. In der Regel wird daher die Frequenzkompression nur mit einem verhältnismäßig geringen Kompressionsgrad eingestellt, um nicht das Risiko einer Verschlechterung der Sprachwahrnehmung einzugehen.
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In der oben genannten Druckschrift ist ein Verfahren beschrieben, mittels welchem für eine bestimmte hörgeschädigte Person ein geeigneter Grad für die Frequenzkompression ermittelt wird. Hierbei wird das Frequenzauflösevermögen der Person bestimmt und in Abhängigkeit von dem Ergebnis dieser Messung die Frequenzkompression konfiguriert. Zum Ermitteln des Frequenzauflösevermögens werden der Person Tonsignale bei unterschiedlichen Tonfrequenzen dargeboten und die Person muss angeben, ob sie einen Unterschied zwischen den Tönen hört. Um auf diese Weise für das gesamte Audiospektrum der Person das Frequenzauflösevermögen zu ermitteln, wird sehr viel Zeit benötigt, was die Testperson sehr anstrengt.
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Im Zusammenhang mit dem Frequenzauflösevermögen von Schwerhörigen zeigen neueste Forschungsergebnisse (Moore, B. C. J., Vinay, S. N.: ”Enhanced discrimination of low-frequency sounds for subjects with high-frequency dead regions”, 2009, Brain – A Journal of neurology, 132, 524–536, 2009), dass Personen mit bestimmten Hörverlusten über eine verbesserte Frequenzauflösung in bestimmten Frequenzbereichen verfügen. Bei diesem Typ von Hörverlust handelt es sich um das Vorliegen so genannter toter Zonen („dead regions”). Diese sind Frequenzbereiche, in welchen die hörgeschädigte Person so gut wie gar kein Hörvermögen mehr besitzt. In einem an eine solche tote Zone angrenzenden Randbereich kann das Frequenzauflösevermögen überdurchschnittlich gut entwickelt sein.
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Um die Lage solcher toter Zonen im Audiospektrum einer hörgeschädigten Person zu erkennen, wurde von Moore und anderen ein Hörtest entwickelt, der verhindert, dass auch ein Tonsignal mit einer Frequenz, die sich innerhalb der toten Zone befindet, von der Testperson indirekt durch eine Anregung benachbarter Haarzellen der Basilarmembran wahrgenommen wird und hierdurch das Vorliegen einer toten Zone verkannt wird (Moore, B. C. J., Glasberg, B. R., Stone, M. A.: „A new version of the TEN test with calibrations in dB HL”, Ear Hear. 25, 478–487, 2004). Das Verfahren beruht auf einer Darbietung von Tonsignalen mit einer vorbestimmten Frequenz zusammen mit einem die Tonfrequenz umfassenden Maskierrauschen.
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Ein Messverfahren zum Ermitteln des Frequenzauflösevermögens ist von den Autoren Larsby und Arlinger beschrieben worden (B Larsby; S Arlinger: ”Auditory temporal and spectral resolution in normal and impaired hearing”, Journal of the American Academy of Audiology 1999; 10(4): 198–210). Dieses Verfahren beruht auf einer Messung des so genannten Gap-Release-from-Masking. Hierzu wird einer Testperson zunächst ein Tonsignal zusammen mit einem Messrauschen dargeboten, dessen Leistungsdichtespektrum die Tonfrequenz des Tonsignals mit umfasst. Die Testperson muss dann auf Grundlage der Methode 2AFC (two alternatives forced choice) oder 3AFC (three alternatives forced choice) angeben, bei welchem Pegel des Tonsignals sie dieses gerade noch in dem Maskierrauschen wahrnimmt. Anschließend wird ein Testsignal präsentiert, bei welchem das Tonsignal zusammen mit einem anderen Maskierrauschen dargeboten wird, welches bei der Tonfrequenz eine spektrale Lücke (spectral gap) aufweist. Auch hierzu wird in der beschriebenen Weise die Hörschwelle der Testperson für das Tonsignal bestimmt. Der Unterschied zwischen dem Hörschwellenpegel des Tonsignals mit dem einbettenden Maskierrauschen einerseits und mit dem Maskierrauschen mit spektraler Lücke andererseits ergibt eine Pegeldifferenz, die als das Gap-Release-from-Masking bezeichnet wird.
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Eine der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe besteht darin, für eine Person, die eine Hörvorrichtung mit einer Frequenzkompressionseinrichtung nutzt, geeignete Parameterwerte für diese Frequenzkompression zu ermitteln.
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Die Aufgabe wird durch Verfahren gemäß den Patentansprüchen 1 bzw. 8 sowie durch eine Anpassungsvorrichtung gemäß Patentanspruch 9 gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind durch die Unteransprüche gegeben.
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Die erfindungsgemäßen Verfahren verwenden für das individuelle Einstellen der Frequenzkompression einer Hörvorrichtung nicht eine direkte Messung der Frequenzdiskrimination über einen A-B-Vergleich, sondern eine Messung, die einer Standardmessung für ein Audiogramm sehr ähnlich ist. Die Messung ist somit für den Hörgeräteträger und den Hörgeräteakustiker gewohnt und schnell durchführbar. Anders als bei einem Audiogramm werden dabei nicht Ruhehörschwellen (Hörschwellen zu Testtönen ohne zusätzliches Rauschen), sondern Mithörschwellen (Hörschwellen zu Testtönen bei gleichzeitig präsentem Rauschen) gemessen. Aus den Mithörschwellen wird die individuelle Frequenzdiskrimination abgeleitet und/oder es werden die gesuchten individuellen Parameter für die Frequenzkompression gewonnen.
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Durch die Erfindung wird hierzu ein Verfahren zum Anpassen einer Hörvorrichtung einer Person bereitgestellt, bei welchem wenigstens ein Tonsignal mit einer vorbestimmten Frequenz erzeugt und zu dem Tonsignal eine Pegeldifferenz zu einem Gap-Release-from-Masking ermittelt wird. In Abhängigkeit von derart ermittelten Pegeldifferenzen wird dann wenigstens ein Parameterwert der Frequenzkompressionseinrichtung eingestellt. Die Erfindung nutzt hierbei die Erkenntnis, dass die Pegeldifferenz eines Gap-Release-from-Masking abhängig davon ist, wie gut die getestete Person in dem zugehörigen Frequenzbereich Töne unterschiedlicher Frequenz unterscheiden kann. Da nun aber ein gutes Frequenzauflösevermögen eine entsprechend große Frequenzkompression erlaubt, können also in Abhängigkeit von dem ermittelten Pegeldifferenzen direkt geeignete Parameterwerte für die Frequenzkompression bestimmt werden. Die benötigte Zuordnungsvorschrift (Pegeldifferenz zu Parameterwert) lässt sich beispielsweise durch einfache Experimente ermitteln, die mit Probanden durchgeführt werden können, die einen Hörverlust mit einem typischen Verlauf aufweisen.
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Eine flexiblere Anpassung der Frequenzkompression ist möglich, wenn nicht unmittelbar von der ermittelten Pegeldifferenz auf die Parameterwerte geschlossen wird, sondern stattdessen wenigstens eine Kennlinie bereitgestellt wird, durch welche unterschiedliche, mögliche Pegeldifferenzwerte zu dem Gap-Release-from-Masking jeweils einem Wert für eine Frequenzauflösung eines Gehörs zugeordnet sind. Mit anderen Worten wird von der Pegeldifferenz in einem Zwischenschritt zunächst auf das Frequenzauflösevermögen geschlossen. Hierbei kann für unterschiedliche Tonfrequenzen jeweils eine andere Kennlinie bereitgestellt sein. Zu der wenigstens einen ermittelten Pegelfrequenz der Person, die die Hörvorrichtung tragen soll, wird dann anhand der Kennlinie ein Wert für eine Frequenzauflösung der Person bei der Frequenz des entsprechenden Tonsignals ermittelt. Anschließend kann dann in Abhängigkeit von dem ermittelten Frequenzauflösevermögen der wenigstens eine Parameterwert für die Frequenzkompressionseinrichtung eingestellt werden. Die Kennlinie kann beispielsweise als Ansammlung von Wertepaaren oder aber auch als parametrierte mathematische Funktion bereitgestellt sein. Das hier beschrieben Verfahren zum Ermitteln eines Frequenzauflösevermögens eines Gehörs einer Person stellt auch einen unabhängigen Aspekt der Erfindung dar.
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Mit der Erfindung ist es möglich, gezielt diejenigen Frequenzbereiche durch eine Frequenzkompression zu umgehen, in welchen die Person schwer oder gar nicht hört. Dazu werden die Pegeldifferenzen für das Gap-Release-from-Masking bevorzugt in einem Frequenzbereich ermittelt, der hier als Randbereich bezeichnet wird und der an einen Frequenzbereich angrenzt, in welchem die Person nur schlecht oder gar nicht hört, also etwa einer toten Zone. Die Frequenzkompression nutzt dann das in diesem Randbereich zu erwartende höhere Frequenzauflösungsvermögen.
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Die Lage von toten Zonen im Audiofrequenzbereich kann mittels des TEN-Tests oder aus einer PTC (Psychoacoustic tuning curve) ermittelt werden. Die Lage kann auch aus einem Audiogramm abgeschätzt werden. Um das Ausrichten des beschriebenen Randbereichs im Audiofrequenzbereich zu automatisieren, kann dabei vorgesehen sein, einen Verlauf von mehreren Hörschwellenwerten über der Frequenz zu gewinnen. Bei den Hörschwellenwerten kann es sich um Werte zu Mithörschwellen (unter Verwendung eines Maskierrauschens) oder zu Ruhehörschwellen (aus einem Audiogramm) handeln. Anschließend wird in dem Hörschwellenverlauf ein Knickbereich ermittelt und der beschriebene Randbereich so ausgerichtet, dass er an den Knickbereich angrenzt. Der Knickbereich wird hier als Hinweis auf einen Übergang in eine tote Zone genutzt, also auf eine Grenzfrequenz der toten Zone.
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Durch die Verwendung eines Maskierrauschens ergibt sich der Vorteil, dass man mittels eines einzigen Messdurchgangs gleich zwei für die Parametrisierung der Frequenzkompression vorteilhafte Informationen erhält: Zum einen zeigt der Knickbereich eine Grenze eines Bereichs schweren Hörens oder einer toten Zone an. Zum anderen liegen mit der in Gegenwart des Maskierrauschens ermittelten Mithörschwelle auch gleich die Messwerte vor, die für die Ermittlung der Pegeldifferenz zu dem Gap-Release-from-Masking benötigt werden. Somit kann mit dieser Ausführungsform Zeit gespart werden und so der Komfort für die Person und den Hörakustiker erhöht werden.
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Um die Messphase noch weiter zu verkürzen, kann zwischen zwei Hörschwellenwerten wenigstens ein weiterer Hörschwellenwert durch Interpolation ermittelt werden. Im Rahmen von Versuchen hat sich gezeigt, dass für eine verlässliche Ermittlung von geeigneten Parameterwerten für die Frequenzkompression eine Messung eines Hörschwellenverlaufs mit einer verhältnismäßig geringen Frequenzauflösung ausreicht und fehlende Hörschwellenwerte durch Interpolation ausreichend genau bestimmt werden können.
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Genauso hat sich gezeigt, dass es ausreicht, zum Ermitteln der Hörschwellen für das Gap-Release-from-Masking eine Abfragemethode zu verwenden. Unter einer Abfragemethode wird hier verstanden, dass zu dem wenigstens einen Tonsignal von der Person eine Eingabe dazu empfangen wird, ob sie das Tonsignal wahrnimmt. Dies erspart die Durchführung der zeitaufwändigen Methoden 2AFC bzw. 3AFC.
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Die Frequenzkompression wird idealer Weise für jede Audiofrequenz in Abhängigkeit von der dort ermittelten Frequenzauflösung des Gehörs der Person gestellt. Eine zweckmäßige Vereinfachung sieht allerdings vor, als Parameterwerte eine Kniepunkt-Frequenz einer Kompressionskennlinie und/oder eine Steigung der Kompressionskennlinie in dem Kompressionsfrequenzbereich zu bestimmen. Dies reicht in der Regel aus, um eine effektive Frequenzkompression in demjenigen Teil des Randbereichs einer toten Zone zu erreichen, in welchem die Person eine verbesserte Frequenzauflösung entwickelt hat.
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Entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren und deren Weiterbildungen lässt sich auch eine Anpassungsvorrichtung für eine Frequenzkompressionseinrichtung einer Hörvorrichtung ausgestalten. Hierzu wird durch die Erfindung eine Anpassungsvorrichtung bereitgestellt, die eine Erzeugungseinrichtung zum Erzeugen von Testsignalen aufweist. Mit dieser lässt sich bei wenigstens einer Tonfrequenz ein Tonsignal mit einem vorbestimmten ersten Lautstärkepegel, oder kurz Pegel, zusammen mit einem die Tonfrequenz umfassenden Maskierrauschen erzeugen. Des Weiteren lässt sich mit ihr ein weiteres Tonsignal mit einem vorbestimmten zweiten Pegel zusammen mit einem Maskierrauschen erzeugen, welches bei der Tonfrequenz eine spektrale Lücke aufweist. Mittels der Erzeugungseinrichtung lässt sich also einer Person ein Testsignal darbieten, mittels welchem ein Gap-Release-from-Masking für die Person wahrnehmbar wird. Entsprechend weist die Anpassungsvorrichtung auch eine Analyseeinrichtung auf, welche dazu ausgelegt ist, auf der Grundlage der Tonsignale und in Abhängigkeit von einer Benutzereingabe zu der wenigstens einen Tonfrequenz die Pegeldifferenz zu einem Gap-Release-from-Masking zu ermitteln. Die Anpassungsvorrichtung weist schließlich noch eine Konfigurationseinrichtung auf, welche dazu ausgelegt ist, in Abhängigkeit von der insgesamt ermittelten mindestens einen Pegeldifferenz bei der Frequenzkompressionseinrichtung wenigstens einen Parameterwert einzustellen.
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Die Anpassungsvorrichtung lässt sich in vorteilhafter Weise in die Hörvorrichtung integrieren, wobei dann die Erzeugungseinrichtung unter anderem den Hörer der Hörvorrichtung umfasst. Sie kann ganz oder teilweise auch als eigenständige Einrichtung zum Einstellen der Hörvorrichtung bereitgestellt werden, die dann beispielsweise bei einem Hörgeräteakustiker betrieben werden kann.
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Zu der Anpassungsvorrichtung gehören im Rahmen der Erfindung auch Weiterbildungen, welche Merkmale umfassen, die den Merkmalen der Weiterbildungen des erfindungsgemäßen Verfahrens entsprechen. Daher werden die Merkmale der Weiterbildungen der erfindungsgemäßen Anpassungsvorrichtung hier nicht noch einmal beschrieben.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert. Dazu zeigt:
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1 eine schematische Darstellung eines Hinter-dem-Ohr-Hörgeräts aus dem Stand der Technik,
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2 ein Diagramm zur Veranschaulichung des Gap-Release-from-Masking,
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3 ein Diagramm mit einem schematisierten Graphen zu einem Zusammenhang zwischen einer Pegeldifferenz zu einem Gap-Release-from-Masking und einem Frequenzauflösevermögen eines Gehörs,
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4 eine schematische Darstellung einer Anpassungsvorrichtung gemäß einer Ausführungsform der erfindungsgemäßen Anpassungsvorrichtung und
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5 ein Flussschaubild einer Ausführungsform eines der erfindungsgemäßen Verfahren.
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Die Beispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung dar.
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Im Folgenden ist zunächst erläutert, wie zu einem Gap-Release-from-Masking eine Pegeldifferenz dP' ermittelt wird und wie auf Grundlage der Pegeldifferenz dP' auf ein Frequenzauflösevermögen df' eines Gehörs einer Person geschlossen wird. Hierzu wird im Folgenden auf 2 bis 4 verwiesen.
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Einem Benutzer 10 einer Hörvorrichtung 12 wird ähnlich wie bei der Larsby-Arlinger-Methode ein Maskierrauschen M über einen Lautsprecher 14 ein akustisches Signal 16 an einem Ohr 18 dargeboten. Gleichzeitig mit dem Maskierrauschen M wird der Person 10 ein Tonsignal bei einer Testtonfrequenz f0 dargeboten. Eine geometrische Mittenfrequenz des Maskierrauschens M entspricht hier der Testtonfrequenz f0. Eine Bandbreite B des Maskierrauschens M kann z. B. eine Oktave betragen. Ein Pegel P des Tonsignals T wird solange verändert, bis die Person 10 das Tonsignal T gerade noch in dem Maskierrauschen M wahrnehmen kann. Hieraus ergibt sich eine Hörschwelle Pm für das maskierte Tonsignal T.
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In einem zweiten Test wird ein Maskierrauschen Mg mit einer spektralen Lücke g (spectral gap) verwendet, die beispielsweise eine halbe Oktave breit und ebenfalls eine geometrische Mittenfrequenz gleich der Testtonfrequenz f0 aufweisen kann. Gleichzeitig mit dem gelückten Maskierrauschen Mg wird der Testperson 10 wieder das Tonsignal T dargeboten. Der Pegel P des Tonsignals T wird wieder so lange verändert, bis der Benutzer 10 das Tonsignal T gerade noch in dem gelückten Maskierrauschen Mg wahrnehmen kann. Hieraus ergibt sich eine zweite Hörschwelle Pgrm. Die Hörschwelle Pgrm bei dem von der Maskierung befreiten Testton T (release from masking) ist erwartungsgemäß geringer als die Hörschwelle Pm bei maskiertem Testton T. Als die Pegeldifferenz dP' wird die Differenz (Pm–Pgrm) der beiden Hörschwellen Pm, Pgrm berechnet.
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Der Testton T kann ein monofrequenter Sinuston sein, ähnlich den für die Erstellung eines Audiogramms verwendeten Tönen. Er kann stationär oder pulsierend dargeboten werden, muss bevorzugt aber mindestens eine Sekunde lang sein und zeitlich in den Maskierer (M, Mg) eingebettet sein.
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Bei dem Benutzer 10 liegt die Testtonfrequenz f0 in einem Frequenzbereich, in welchem der Benutzer 10 ein im Vergleich zu Normalhörenden größeres Frequenzauflösevermögen df' besitzt. Aus diesem Grund ergibt sich für die Pegeldifferenz dP' ein größerer Wert als sich ergeben würde, wenn der Benutzer 10 bei der Testtonfrequenz f0 ein Frequenzauflöservermögen eines Normalhörenden besäße. Mittels einer Kennlinie K kann von einem Wert für eine Pegeldifferenz dP auf ein Frequenzauflösevermögen df rückgeschlossen werden. Die Kennlinie K kann beispielsweise auf der Grundlage von Messungen an mehreren Testpersonen erstellt werden.
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Die größere Pegeldifferenz dP' des Benutzers 10 im Vergleich zu einer Pegeldifferenz dP'', wie sie sich für einen Normalhörenden mit normalem Frequenzauflösvermögen bei der Testtronfrequenz f0 ergeben würde, kann wie folgt erklärt werden. Das Maskierrauschen Mg bildet in dem Gehör des Benutzers 10 im Bereich der spektralen Lücke g Mithörschwellen 20, 22 aus. Bei dem Benutzer 10 weisen die Mithörschwellen 20, 22 aufgrund des erhöhten Frequenzauflösevermögens df' eine Flankensteilheit auf, die größer ist als Mithörschwellen 20', 22' eines Normalhörenden mit normalem Frequenzauflösevermögen. Wie die 2 zeigt, folgt hieraus unmittelbar ein geringerer Hörpegel Pgrm für das Tonsignal T im gelückten Maskierrauschen Mg.
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Der Aufbau der Hörvorrichtung 12 ist im Folgenden weiter anhand von 4 erläutert. Die Hörvorrichtung 12 weist eine Frequenzkompressionseinrichtung 24 auf, mittels welcher ein Mikrofonsignal eines Mikrofons 26 der Hörvorrichtung 12 in der Frequenz komprimiert wird. Bei der Frequenzkompressionseinrichtung 24 kann es sich beispielsweise um ein Signalverarbeitungsprogramm in einem digitalen Signalprozessor der Hörvorrichtung 12 handeln. Die Frequenzkompression erfolgt gemäß einer Frequenzkompressionskennlinie FC, durch welche eine Abbildung einer Eingangsfrequenz fin des Mikrofonsignals auf eine Ausgangsfrequenz fout eines Ausgangssignals beschrieben ist. Vor oder nach oder Kompression können weitere Signalverarbeitungsschritte erfolgen. Das frequenzkomprimierte und gegebenenfalls weiter verarbeitete Signal wird über den Lautsprecher 14 dem Benutzer 10 an dessen Ohr 18 dargeboten, um ihm das Wahrnehmen eines Umgebungsschalls zu erleichtern. Bei der Hörvorrichtung 12 kann es sich beispielsweise um ein Hörgerät, etwa ein In-dem-Ohr-Hörgerät oder ein Hinter-dem-Ohr-Hörgerät handeln.
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Die Frequenzkompressionskennlinie FC weist in dem gezeigten Beispiel unterhalb einer Kniefrequenz fk kein Kompressionsverhalten auf. Oberhalb der Kniefrequenz fk erfolgt eine Kompression gemäß einem Kompressionsfaktor Gfc, welcher in 4 als Steigungsdreieck der Frequenzkompressionskennlinie FC dargestellt ist. Die Kniefrequenz fk und der Kompressionfaktor Gfc werden in dem gezeigten Beispiel mittels einer Anpassungsvorrichtung 28 eingestellt.
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Die Anpassungsvorrichtung 28 umfasst eine Erzeugungseinrichtung 30, eine Analyseeinrichtung 32 und eine Konfigurationseinrichtung 34. Bestandteil der Anpassungsvorrichtung 28 kann auch der Lautsprecher 14 sein. Es kann auch ein separater Lautsprecher 36, beispielsweise ein Kopfhörer, zu der Anpassungsvorrichtung 28 gehören. Die Anpassungsvorrichtung 28 kann in der Hörvorrichtung 12 integriert bzw. ganz oder teilweise als separate Einrichtung bereitgestellt sein. Die Einrichtungen 30, 32, 34 können dabei beispielsweise ebenfalls Programme eines Signalverarbeitungsprozessors oder einer anderen digitalen Signalsverarbeitungseinrichtung sein.
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Die Kniefrequenz fk und der Kompressionsfaktor Gfc sind hier Parameter der Frequenzkompression 24. Die konkreten Parameterwerte für fk und Gfc sind individuell für den Benutzer 10 an dessen individuelles Frequenzauflösevermögen angepasst. Sie können durch die Anpassungsvorrichtung 28 beispielsweise gemäß den folgenden, anhand von 4 und 5 erläuterten Verfahren eingestellt werden.
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In einem ersten Schritt S10 wird beispielsweise auf der Grundlage des TEN-Tests (TEN – Threshold Equalizing Noise) eine Lage einer toten Zone Z des Gehörs des Benutzers 10 ermittelt. Durch die Erzeugungseinrichtung 30 wird zum Durchführen des TEN-Tests in dem Schritt S10 das entsprechende breitbandige Maskierungsrauschen sowie die Folge der Testtöne erzeugt. Bei dem TEN-Test kann es sich beispielsweise um die in dem bereits erwähnten Artikel von Moore et al. beschriebenen Variante handeln. Hierbei ist es nicht notwendig, einen hochauflösenden Mithörschwellenverlauf A über der Frequenz zu erstellen. Es reicht beispielsweise, die Frequenzen 2000, 3000, 4000, 6000 und 8000 Hertz zu überprüfen. Zum Ermitteln der einzelnen Mithörschwellen kann hierbei die Abfragemethode verwendet werden. So kann beispielsweise ein (nicht dargestellter) Hörgeräteakustiker während des Tests die Frage 38: „Können Sie den Ton hören?” stellen oder mit „Bitte heben Sie die Hand, wenn Sie den Testton hören” zu einer Reaktion auffordern. Entsprechend kann der Benutzer 10 eine Antwort 40 aussprechen oder die Hand heben.
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In dem ermittelten Mithörschwellenverlauf A wird ein Knickbereich 42 auf Grundlage einer an sich bekannten automatischen Signalanalyse ausfindig gemacht. In dem Knickbereich 42 sinkt ein Hörvermögen des Benutzers 10 ausgehend von einer Grenzfrequenz fg zu höheren Frequenzen f hin drastisch ab, da das Gehör des Benutzers 10 in einem Frequenzbereich oberhalb der Grenzfrequenz fg die tote Zone Z aufweist. Die Analyseeinrichtung 32 kann nun in einem optionalen nächsten Schritt S12 Hörschwellenwerte des Mithörschwellenverlaufs A in einem Nachbarbereich 44 interpolieren, welcher sich ausgehend von der Grenzfrequenz fg unterhalb der toten Zone Z erstreckt.
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Der Nachbarbereich 44 stellt einen Frequenzbereich dar, in dem mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Bereich 46 mit verbesserter Frequenzselektivität des Gehörs des Benutzers 10 vorhanden ist. In den nun folgenden Schritten des Verfahrens muss zu diesem sensitiven Bereich 46 die untere Grenzfrequenz ermittelt werden, welche dann die Kniefrequenz fk für die Frequenzkompression darstellt. Durch den ebenfalls einzustellenden Kompressionsfaktor Gfc werden dann Frequenzen oberhalb der Kniefrequenz fk, die sich auch jenseits der Grenzfrequenz fg im Bereich der toten Zone Z befinden, mittels der Kompressionskennlinie FC auf ein Frequenzintervall abgebildet, dass sich von der Kniefrequenz fk bis zur Grenzfrequenz fg erstreckt.
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Um die spektrale Ausdehnung des Bereichs 46 zu ermitteln, kann nun beispielsweise in zwei weiteren Schritten S14 und S16 das vollständige Testverfahren gemäß einer Ausführungsform des Larsby-Arlinger-Verfahrens durchgeführt werden, wie es in dem bereits genannten Artikel beschrieben ist. Hierzu wird dann in dem optionalen Schritt S14 zunächst die Hörschwelle Pm für maskierte Testtöne bei unterschiedlichen Frequenzen in dem Nachbarbereich 44 bestimmt. Anstelle der separaten Bestimmung der Hörschwellen Pm können auch die Werte des Mithörschwellenverlaufs A als Hörschwellen Pm verwendet werden, da ja bereits mittels des TEN-Tests mit einem Maskierrauschen gemessen wurde.
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In dem Schritt S16 werden dann in der beschriebenen Weise (2) auf der Grundlage eines gelückten Maskierrauschens Mg die Hörschwellen Pgrm für die Frequenzen in dem Nachbarbereich 44 bestimmt.
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Aus den so ermittelbaren Pegeldifferenzen dP' für die unterschiedlichen Frequenzen werden hier durch die Konfigurationseinrichtung 34 in einem Schritt S18 Werte für das Frequenzauflösevermögen df' des Benutzers 10 in dem Nachbarbereich 44 ermittelt. Aus dem Verlauf der Werte für das Frequenzauflösevermögen df’ über der Frequenz f kann dann der Bereich 46 ermittelt werden, in welchem der Benutzer 10 ein verbessertes Frequenzauflösungvermögen df' aufweist. Da sich im vorliegenden Beispiel der Nachbarbereich 44 im Spektrum unterhalb der toten Zone Z befindet, bildet die untere Grenzfrequenz des Bereichs 46 die Frequenz fk. Dies wird in einem Schritt S20 festgestellt. Das benötigte Kompressionsverhältnis (das heißt der Kompressionsfaktor Gfc) wird ebenfalls ermittelt und in der Frequenzkompression 24 durch die Konfigurationseinrichtung 34 eingestellt. Das individuelle Frequenzauflösevermögen ermöglicht somit das Einstellen eines individuellen, frequenzabhängigen Frequenzkompressionsverhältnisses. Dieses wird bestmöglich mit dem im Hörgerät vorhandenen Frequenzkompressionsalgorithmus angenähert. Optimalerweise erlaubt die Hörvorrichtung 12 einen frequenzabhängigen Frequenzkompressionsfaktor Gfc, typischerweise muss das individuelle Frequenzkompressionsverhältnis aber, wie hier gezeigt, durch eine Kniepunktfrequenz fk und ein Kompressionsverhältnis, d. h. den Kompressionsfaktor Gfc, angenähert werden.
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Das Verfahren kann optimal bei dem Schritt S18 beendet werden, sodass hier der Hörgeräteakustiker eine Information über das Frequenzauflösevermögen des Gehörs des Benutzers 10 erhält. Insgesamt dauert das Verfahren gemäß 5 etwa genau so lang wie das Anfertigen eines Standard-InSitu-Audiogramms.
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Durch die Beispiele ist gezeigt, wie zur individuellen Einstellung der Frequenzkompression in Abhängigkeit von einer benutzerabhängigen Frequenzauflösung mittels einer technisch einfach zu realisierenden, schnellen und dem Hörgeräteträger und -akustiker gleichfalls vertrauten Methode gemessen werden kann.