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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur fermentativen Herstellung von D-Phenylglycin in Enantiomeren-reiner Form.
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D-Phenylglycin (D-Phg) ist eine industriell wertvolle aproteinogene Aminosäure, die als Seitenkette zur Herstellung semisynthetischer β-Lactam-Antibiotika verwendet wird.
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Auf dem Weltmarkt für Fermentationsprodukte, der 2013 voraussichtlich ein Gesamtvolumen von ca. 22,4 Milliarden US-Dollar erzielt, stellen Aminosäuren die wichtigste Substanzklasse dar. Laut einer Studie der Business Communication Company steigt der Markt für chemisch synthetisierte Aminosäuren jährlich um ca. 7% und erzielte 2009 ein Gesamtvolumen von 1 Milliarde US-Dollar.
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Prinzipiell stehen zur Aminosäuregewinnung vier verschiedene Methoden zur Verfügung:
- – Extraktion,
- – Synthese,
- – Fermentation und
- – enzymatische Katalyse,
wobei vor allem die beiden letzten biotechnologischen Prozesse ökonomisch und ökologisch von Bedeutung sind. Hierbei bietet die Biokatalyse gegenüber der enzymatischen Katalyse wiederum ökologische Vorteile: - – Reaktionen können in wässriger Umgebung bei neutralem pH und atmosphärischen Temperaturen und Drücken durchgeführt werden;
- – Es können verhältnismäßig kostengünstige Ausgangsmaterialien (z. B. Glukose) verwendet werden;
- – Es werden keine komplexen Schutzgruppen- oder Katalysator-Reagenzien benötigt;
- – Hohe Chemo-, Regio- und Stereoselektivität der Produkte werden erzielt;
- – Die Produktion ist häufig kostengünstiger, da insgesamt weniger Reaktionsschritte stattfinden, dementsprechend weniger Chemikalien und Lösungsmittel benötigt werden und weniger Abfallstoffe anfallen.
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Der Großteil der hergestellten proteinogenen als auch aproteinogenen L- und D-Aminosäuren wird als Bausteine für Inhaltsstoffe in Pharmazeutika, Kosmetika und landwirtschaftlichen Produkten verwendet. Die biotechnologische Produktion von Aminosäuren gilt daher als Markt mit langfristig guten Wachstumsperspektiven.
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Eine solche industriell wertvolle aproteinogene Aminosäure der Feinchemikalienindustrie ist D-Phg, welches als Seitenkette für die Herstellung zahlreicher semisynthetischer β-Lactam-Antibiotika, wie beispielsweise Ampicillin und Cephalexin eingesetzt wird. Die D-Phg-Produktion beträgt weltweit ca. 4000 Tonnen pro Jahr. D-Phg wird ausgehend von petrochemischen Rohstoffen durch klassische oder enzymatische Katalyse gewonnen. Als alternative Methode wurde kürzlich eine fermentative Methode zur Herstellung von D-Phg beschrieben, die jedoch bislang noch keine industrielle Anwendung fand.
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Der zunehmende Bedarf an antibakteriell wirksamen Substanzen hat zu einer Massenproduktion von semisynthetischen Antibiotika geführt, von denen zahlreiche optisch aktive D-Aminosäuren als Bausteine besitzen. Für die kosteneffektive Produktion solcher Antibiotika ist es wichtig, über eine kommerziell attraktive Methode zur Herstellung solcher Aminosäuren in Enantiomeren-reiner Form zu verfügen. D-Phg ist eine solche Aminosäure, die als Baustein für semisynthetische Antibiotika verwendet wird. Bisher wurde D-Phg durch eine zweistufige chemo-enzymatische Synthese mit anschließender klassischer oder enzymatischer Racemisierung hergestellt. Diese konventionelle Methode zur Produktion des racemischen D- und L-Phg-Gemisches beinhaltet mehrere einzelne Reaktionsschritte und anschließend zusätzliche Auflösungsschritte, um die jeweiligen Enantiomeren-reinen Formen voneinander zu trennen. Diese zusätzlichen Prozessierungsschritte machen den Gesamtprozess insgesamt kommerziell weniger attraktiv.
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Kürzlich wurde eine alternative Methode vorgestellt, mit der D-Phg in Enantiomeren-reiner Form fermentativ produziert werden kann. Diese Methode basiert auf einem künstlichen Phenylglycin-Biosyntheseweg, bei welchem D-Phg und D-Hydroxyphenylglycin (D-Hpg) von einem optimierten rekombinanten E. coli-Stamm produziert werden. Hierzu wurden mit Hilfe rekombinanter DNA-Technologie diverse L-Hpg-Biosynthesegene aus verschiedenen Actinomyceten-Stämmen (Amycolatopsis orientalis, Streptomyces coelicolor) und Pseudomonas putida kombiniert und die Gene in einem optimierten E. coli-Produktionsstamm exprimiert. Auf diese Weise konnte D-Phg mit 102 mg × g–1 Biomasse produziert werden.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein neues Verfahren zur fermentativen Produktion von D-Phg bereitzustellen, mit dem es möglich ist, D-Phg kostengünstig in Enantiomeren-reiner Form herzustellen.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass die neu entdeckten und charakterisierten L-Phg-Biosynthesegene aus Streptomyces pristinaespiralis und ein Gen aus Pseudomonas putida, dass für eine stereoinvertierende D-Aminotransferase kodiert, in einer rekombinanten Zelle exprimiert werden.
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Bislang war kein direkter natürlicher Phg-Biosyntheseweg bekannt, und demnach waren die Möglichkeiten, Phg fermentativ zu produzieren, begrenzt. In der vorliegenden Erfindung wurden in S. pristinaespiralis fünf Gene (pgIA–E) identifiziert und charakterisiert, die für die Biosynthese von L-Phg kodieren ( ). Es wurden außerdem zum ersten Mal der natürliche Biosyntheseweg für die L-Phg-Synthese sowie die Funktionen der Genprodukte PgIA bis PgIE in diesem Mikroorganismus aufgezeigt ( ).
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Erfindungsgemäß wird zur Produktion von D-Phg das Phg-Aminotransferasegen pgIE durch das für eine stereoinvertierende Hydroxyphenylglycin-Aminotransferase kodierende Gen ersetzt, so dass in der rekombinanten Zelle anstelle von L-Phenylglycin die Substanz D-Phenylglycin synthetisiert wird. Z. B. kann dazu das Gen für die stereoinvertierende Hydroxyphenylglycin-Aminotransferase HpgAT aus Pseudomonas putida eingesetzt werden.
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Zur Produktion von D-Phg werden erfindungsgemäß die Gene pgIA, pgIB, pgIC, pgID und hpgAT in einen Expressionsvektor kloniert und in einer rekombinanten Zelle, z. B. einem Bakterium, exprimiert. Hierzu können beispielsweise die Gene pgIA–D aus S. pristinaespiralis, sowie das hpgAT-Gen aus Pseudomonas putida per PCR amplifiziert werden. Anschließend können die beiden Amplifikate in einer Fusions-PCR kombiniert und das daraus resultierende DNA-Fragment hinter einen starken Promotor eines E. coli-Expressionsvektors kloniert werden. Das Expressionskonstrukt wird z. B. in E. coli transferiert und der künstliche Biosyntheseweg dort heterolog exprimiert.
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Das Produkt D-Phg kann anschließend z. B. über Gaschromatographie oder HPLC-MS detektiert werden. Um die D-Phg-Ausbeute zu steigern, können für die Expression entsprechend optimierte Produktionsstämme verwendet werden. Hierzu können z. B. E. coli-Mutantenstämme eingesetzt werden, deren Primärmetabolismus in der Weise optimiert ist, dass viel D-Phg-Vorstufe vorliegt. Außerdem kann die heterologe Expression erfindungsgemäß in verschiedenen Actinomyceten-Stämmen und -Mutanten, wie beispielsweise Amycolatopsis balhimycina oder Streptomyces lividans durchgeführt werden, da der Primärmetabolismus in diesen Stämmen gut verstanden ist. Auch in diesen Stämmen kann die Phg-Vortsufen-Biosynthese in der Weise optimiert werden, dass viel D-Phg-Endprodukt erhalten wird.
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Zusätzlich können Fermentationsmedien und -bedingungen optimiert und gegebenenfalls Vorstufen in ausreichender Menge extern zugeführt werden, sodass die maximale Ausbeute an D-Phg aus den Mikroorganismen bzw. dem Kulturmedium gewonnen werden kann.
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Die erfindungsgemäße D-Phg-Biosynthese geht von Phenylpyruvat aus, einem Intermediat des Shikimat-Biosyntheseweges, und beinhaltet folgende Reaktionsschritte ( ): Phenylpyruvat wird im ersten Schritt durch den Pyruvat-Dehydrogenase-ähnlichen Komplex PgIB/C zu Phenylacetyl-CoA umgesetzt. Im Folgenden katalysiert das Dpg-Dehydrogenase-ähnliche Enzym PgIA die Umwandlung von Phenylacetyl-CoA zu Benzoylformyl-CoA. Der Co-A-Rest wird anschließend durch die Thioesterase PgID unter Bildung von Benzoylformiat abgelöst. In einem abschließenden Biosyntheseschritt wird von der stereoinvertierenden D-Aminotransferase HpgAT eine Aminogruppe auf Benzoylformiat übertragen, wodurch D-Phg entsteht.
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Das erfindungsgemäße Verfahren weist, im Vergleich zur herkömmlichen Produktionsmethode, bei welcher D-Phg ausgehend von L-Phg durch klassische oder enzymatische Racemisierung gewonnen wird, den Vorteil einer preisgünstigeren fermentativen Herstellung von D-Phg in Enantiomeren-reiner Form auf.
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Weitere Vorteile, Merkmale und Anwendungsmöglichkeiten der Erfindung werden nachstehend anhand der unten beschriebenen Ausführungsbeispiele mit Bezug auf die Figuren beschrieben. In den Zeichnungen dargestellt:
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: Genetische Organisation der Phg-Biosynthesegene pgIA-E in S. pristinaespiralis (gestrichelte Pfeile). Dargestellt sind die Insertionstellen für die aprP-Kassette, die für die Inaktivierung der pgI-Gene verwendet wurden. Nichtkodierende Genregionen sind durch geschweifte Klammern dargestellt.
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: L-Phg-Biosyntheseweg in S. pristinaespiralis.
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: In der vorliegenden Erfindung konstruierter D-Phg-Biosyntheseweg.
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: Chemische Struktur von Pristinamycin (PI) aus S. pristinaespiralis; R = CH3 (PIA), R = H (PIB).
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: HPLC-Chromatogramme des S. pristinaespiralis Pr11 Wildtyps (links), der pgIA::aprP-Mutante (Mitte) und der mit L-Phg zugefütterten pgIA::aprP-Mutante (rechts). Die Proben wurden zum Zeitpunkt 93,5 h geerntet. Pristinamycin PIA (Rt = 7,5 min) und PIIA (Rt = 8,3 min) wurden über UV-Vis-Spektrometrie bei einer Wellenlänge von 210 nm detektiert. Die entsprechenden UV-Vis-Spektren mit Retentionszeiten von 7,5–7,7 min sind unten dargestellt.
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Ausführungsbeispiele
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In silico-Analyse von Phg-Biosynthesegenen in Streeptomyces pristinaespiralis
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Die fünf Gene (pgIA, pgIB, pgIC, pgID und pgIE), die in Streptomyces pristinaespiralis für die Biosynthese von Phenylglycin verantwortlich sind, wurden bei der Aufklärung der Biosynthese von Pristinamycin identifiziert und charakterisiert. Pristinamycin ist ein Antibiotikum aus der Streptogramin-Familie. Das Phenylglycin wird als aproteinogene Aminosäure in Pristinamycin I eingebaut ( ). Es wurde dabei herausgefunden, dass die Phg-Biosynthesegene pgIA–E in einer Operon-ähnlichen Struktur zwischen den Genen snbDE und snaD lokalisiert sind. Die Genregion besitzt eine Größe von ca. 6 kb und beinhaltet 6 „open reading frames” (pgIA, pgIB, pgIC, pgID, mbtY und pgIE) ( ). Alle Gene besitzen überlappende Start- und Stopcodons, was dafür spricht, dass die Gene translational gekoppelt sind. Das Gen snbDE kodiert für die PI Peptid-Synthetase SnbDE, wobei die SnbE-Untereinheit für den Einbau des Phg-Restes in die Peptidkette von PI verantwortlich ist. snaD kodiert für die PH Peptid-Synthetase SnaD. Zwischen den Genen snbDE und pgIA sowie pgIE und snaD befinden sich jeweils nichtkodierende Bereiche (17 bzw. 334 Nukleotide) mit Promotorelementen (imperfekte –10 and –35 Motive), was vermuten lässt, dass die Gene snbDE und snaD nicht Teil des ”Phg-Operons” sind.
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Um die Funktion der pgI-Gene vorherzusagen, wurden mit Hilfe der Blast Datenbank Sequenzvergleiche durchgeführt. Auf diese Weise konnte gezeigt werden, dass einige der pgI Genprodukte Ähnlichkeit zu Enzymen der Hydroxyphenylglycin-(Hpg) und Dihydroxyphenylglycin(Dpg)-Biosynthese besitzen, welche als Bausteine in Glycopeptid-Antibiotika wie Balhimycin aus Amycolatopsis balhimycina eingebaut werden (Tabelle 1).
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Das Genprodukt von pgIA besitzt Ähnlichkeit zur Hydroxyacyl-Dehydrogenase (Dioxygenase) DpgC aus A. balhimycina. DpgC wandelt 3,5-Dihydroxyphenylacetyl-CoA in 3,5-Dihydroxyphenylglyoxylat um und fungiert damit als Schlüsselenzym bei der Dpg-Synthese. Aufgrund der Ähnlichkeit von PgIA zu den DpgC Dioxygenasen der Glycopeptid-Biosynthesen, ist zu vermuten, dass PgIA während der Phg-Synthese eine ähnliche Oxygenase-Reaktion katalysiert.
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pgIB und pgIC tragen die Information für Proteine, welche der α- bzw. β-Untereinheit der Pyruvat-Dehydrogenase aus Mycobacterium avium ähnlich sind. In der Glykolyse des Primärmetabolismus katalysiert die Pyruvat-Dehydrogenase die Umwandlung von Pyruvat zu Acetyl-CoA, was vermuten lässt, dass PgIB/C während des Sekundärmetabolismus eine Pyruvat-ähnliche Substanz umwandelt.
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Das pgID-Genprodukt zeigt Ähnlichkeit zur TypII Thioesterase RifR aus Amycolatopsis mediterranei, welche dort während der Rifamycin-Biosynthese eine Korrekturlesefunktion ausübt. Demnach fungiert PgID möglicherweise analog als Thioesterase während der Phg-Biosynthese.
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Das Genprodukt von mbtY zeigt Ähnlichkeit zum MbtH-ähnlichen Protein aus A. balhimycina. Die Funktion der MbtH-ähnlichen Proteine ist bislang noch nicht vollständig geklärt. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass MbtH-ähnliche Proteine integrale Bestandteile von nichtribosomalen Peptid-Synthetasen (NRPS) sind und hier die Aminosäure-Aktivierung bei der Peptidsynthese stimulieren. Aufgrund der Lokalisation von mbtY innerhalb des „Phg-Operons”, welches sich wiederum zwischen den beiden NRPS-Genen snbDE und snaD befindet, ist zu vermuten, dass MbtY mit einer der NRPS interagiert. Voraussichtlich ist SnbDE der Interaktionspartner, da diese Peptid-Synthetase für den Einbau von Phg in PI verantwortlich ist.
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pgIE trägt die Information für ein Genprodukt, das Ähnlichkeit zur Aminotransferase Pgat aus A. balhimycina besitzt, welche dort für den Transaminierungsprozess bei der Biosynthese der aproteinogenen Aminosäuren Dpg- bzw. Hpg-Biosynthese verantwortlich ist. Demnach katalysiert PgIE vermutlich eine analoge Transaminierungsreaktion während der Phg-Biosynthese.
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Geninsertionsmutagenese von Phenyglycin-Biosynthesegenen
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Um zu zeigen, dass die Gene pgIA–E an der Pristinamycin-Biosynthese beteiligt sind, wurden die individuellen Gene durch Insertionsmutagenese inaktiviert und der Einfluss auf die Pristinamycin-Biosynthese untersucht.
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Für die Unterbrechung der Gene pgIA, pgIB, pgIC, pgID und pgIE wurde eine PCR durchgeführt, bei der S. pristinaespiralis genomische DNA und die Primer PgIAm1/PgIAm2, PgIBm1/PgIBm2, PgICm1/PgICm2, PgIDm1/PgIDm2 bzw. PgIEm1/PgIEm2 eingesetzt wurden (Tabelle 2). Auf diese Weise wurden die Fragmente pgIA', pgIB', pgIC', pgID' und pgIE' amplifiziert, welche jeweils die entsprechenden Gene sowie umliegende stromaufwärts und -abwärts Bereiche enthalten, die für die spätere homologe Rekombination in das S. pristinaespiralis Chromosom benötigt werden.
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pgIA', pgIB', pgIC', pgID' und pgIE' wurden in Streptomyces nicht-replikative Kloniervektoren (pGEM-TEasy bzw. pK18) eingebracht und die Zielgene jeweils durch eine Apramycin-Resistenzkassette (aprP) mit anschließendem ermE-Promotor unterbrachen, woraus die Plasmide pYJM6, pYJM7, pYJM8, pYJM9 bzw. pYJM10 resultierten (Tabelle 2). Die Verwendung des ermE-Promotors sollte die Transkription der Folgegene gewährleisten und damit polare Effekte verhindern. pYJM6, pYJM7, pYJM8, pYJM9 bzw. pYJM10 wurden über Protoplasten-Transformation in den S. pristinaespiralis Wildtyp transferiert, um über homologe Rekombination die mutierten Gene auf den Plasmiden pYJM6, pYJM7, pYJM8, pYJM9 bzw. pYJM10 gegen die nativen im Genom auszutauschen. Die Selektion auf ein Doppelcrossover-Ereignis erfolgte über die Apramycinresistenz und Verlust der plasmidvermittelten Kanamycinresistenz. Die auf diese Weise konstruierten Phg-Mutanten pgIA::aprP, pgIB::aprP, pgIC::aprP, pgID::aprP und pgIE::aprP wurden durch PCR- und/oder Southern Blot-Experimente verifiziert.
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Einfluss der Mutation der Phq-Gene pgIA-E auf die Pristinamycin-Produktion
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Um die Pristinamycin-Biosyntheseleistung der Phg-Mutanten zu untersuchen, wurden pgIA::aprP, pgIB::aprP, pgIC::aprP, pgID::aprP und pgIE::aprP sowie der S. pristinaespiralis-Wildtyp als Referenz, in 100 ml Pristinamycin-Vorkulturmedium angezogen. Nach 48–72 h wurden 17 ml der jeweiligen Vorkultur in 200 ml Pristinamycin-Hauptkulturmedium überimpft und für 3–4 Tage inkubiert. Aliquots (5 ml) der jeweiligen S. pristinaespiralis-Kultur wurden mit 5 ml Ethylacetat 20 min extrahiert und der Extrakt mittels Rotationsverdampfer aufkonzentriert. Das Konzentrat wurde in Isopropanol (0,75 ml) gelöst und die Proben über HPLC-DAD analysiert.
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Pristinamycin wurde bei einer Wellenlänge von 210 nm detektiert und das zugehörige UV-VIS-Spektrum mit dem gereinigter Substanz und der HPLC-UV/Vis Spektren-Datenbank verglichen. Da S. pristinaespiralis verschiedene Pristinamycin-Derivate produziert, können prinzipiell verschiedene Pristinamycin-spezifische Peaks detektiert werden. PIA wurde über die spezifische Retentionszeit von 7,5 min und das entsprechende UV-VIS-Spektrum detektiert, während PIB aufgrund zu geringer Konzentration nicht nachweisbar war. PIIA wurde über die spezifische Retentionszeit von 8,3 min und das entsprechende UV-VIS-Spektrum detektiert. Im Vergleich zum S. pristinaespiralis Wildtyp, konnte kein PIA-spezifischer Peak in den HPLC-Chromatogrammen der Mutanten pgIA::aprP, pgIB::aprP, pgIC::aprP und pgIE::aprP nachgewiesen werden ( ). Somit sind sämtliche Phg-Mutanten nicht mehr fähig Pristinamycin I zu synthetisieren. In allen Proben blieb die PII-Produktion unbeeinträchtigt.
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Diese Ergebnisse zeigen, dass die Gene pgIA, pgIB, pgIC und pgIE an der PI-Biosynthese beteiligt sind. Überraschenderweise produzierte pgID::aprP weder PI noch PII, was dafür spricht, dass das Thioesterasegen pgID sowohl für die PI- als auch die PII-Biosynthese verantwortlich ist.
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Chemische Komplementation der Phg-Mutanten durch Fütterungsexperimente
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Um zu untersuchen, ob der Ausfall der PI-Produktion in pgIA::aprP, pgIB::aprP, pgIC::aprP, pgID::aprP und pgIE::aprP auf den Verlust der Fähigkeit zur Phg-Biosynthese zurückzuführen ist, wurden Phg-Fütterungsexperimente durchgeführt.
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Die S. pristinaespiralis Mutanten pgIA::aprP, pgIB::aprP, pgIC::aprP, pgID::aprP und pgIE::aprP wurden in 10 ml Pristinamycin-Vorkulturmedium mit 25 mg L-Phg (gelöst in 0,7 ml 1 M Na4H und neutralisiert mit 0,5 ml 1 M HCl) angezogen. Nach 48 h wurden Aliquots (10 ml) der Vorkultur in 100 ml Pristinamycin-Hauptkulturmedium mit 0,25 g L-Phg (gelöst in 7 ml 1 M NaOH and neutralisiert mit 5 ml 1 M HCl) überimpft und für 3–4 Tage kultiviert. 5 ml-Proben der Hauptkultur wurden gezogen, wie oben beschrieben aufbereitet und die Antibiotikaproduktion mittels HPLC-Analyse verfolgt.
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Das Zufüttern von L-Phg zu den Phg-Mutanten pgIA::aprP, pgIB::aprP, pgIC::aprP und pgIE::aprP führte zu PI-Produktion, was zeigt, dass die Mutanten L-Phg aufgenommen und in PI eingebaut haben ( ). Hingegen konnte durch die Zugabe von L-Phg zu pgID::aprP die PI-Produktion nicht wiederhergestellt werden. Außerdem produzierte pgID::aprP auch kein PII.
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Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass die Gene pgIA, pgIB, pgIC, und pgIE für die Biosynthese der PI-Vorstufe Phg verantwortlich sind. Polare Effekte der Mutationen auf die Pristinamycin-Biosynthese können somit ausgeschlossen werden. Allerdings können polare Effekte nicht für die pgID::aprP-Mutante ausgeschlossen werden, da die Pristinamycin-Produktion in diesem Stamm weder durch chemische noch durch genetische Komplementation wiederhergestellt werden kann. Aufgrund der genetischen Lokalisation des pgID-Gens innerhalb des „Phg-Operons” und der postulierten Funktion während der Phg-Biosynthese, ist jedoch zu vermuten, dass pgID an der Phg-Biosynthese beteiligt ist.
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Nukleotidsequenz-Zugangsnummern
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Sämtlichen Nukleotid-Sequenzen wurden in der EMBL-Datenbank GenBank-Zugangsnummern zugeteilt: FN563137, FN563138, FN563139, FN563140, FN563141, FN563142, FN563143 und FN563144.
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Plasmid-DNA-Isolierung, Gelelektrophorese, Restriktionsspaltung von Nukleinsäuren, Transformationen von E. coil und Streptomyces wurden nach Standardverfahren der molekularen Biotechnologie durchgeführt. DNA-Sequenzierreaktionen wurden von der Firma GATC bzw. MWG durchgeführt. Tabelle 1: Gene des Phg-Operons in S. pristinaespiralis und deren abgeleitete Funktionen.
Gen | Größe (bp) | Größe (AS) | MG (kDa) | Vorausgesagte Funktion | ID/SM✝ (%) | Match | Übereinstimmung | Accession number |
pgIA | 1407 | 468 | 51 | Hydroxyacyl-Dehydrogenase | 47/62 | DpgC | A. balhimycina | CAC48380 |
pgIB | 1059 | 352 | 37 | Pyruvat-Dehydrogenase E1 Komponente α-Untereinheit | 46/57 | PdhA | M. avium | AAS04626 |
pgIC | 1041 | 346 | 37 | Pyruvat-Dehydrogenase E1 Komponente β-Untereinheit | 58/70 | PdhB | M. avium | AAS04625 |
pgID | 855 | 284 | 30 | Thioesterase Typ II | 39/53 | RifR | A. mediterranei | AAG52991 |
mbtY | 216 | 72 | 8 | MbtH-ähnliches Protein | 59/78 | Orf1 | A. balhimycina | CAC48363 |
pgIE | 1314 | 437 | 49 | Phenylglycin-Aminotransferase | 54/67 | Pgat | A. balhimycina | CAC48367 |
Bp, Basenpaar; AS, Aminosäure; MG, Molekulargewicht; ✝ID/SM, % Identität/Ähnlichkeit der Aminosäuresequenzen Tabelle 2: Bakterienstämme, Plasmide und Primer.
Sequenzprotokoll
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Es folgt ein Sequenzprotokoll nach WIPO St. 25.
Dieses kann von der amtlichen Veröffentlichungsplattform des DPMA heruntergeladen werden.
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