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Die Erfindung betrifft im Allgemeinen das Design, die Abstimmung und den Betrieb der Steuerung eines Lenksystems eines Kraftfahrzeugs. Insbesondere betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Erstellen einer Steuerfunktion für eine vorkopplungsgesteuerte aktive Lenkung (feedforward active steering control) eines Kraftfahrzeugs, sowie ein Steuerverfahren und ein Steuerungssystem für eine vorkopplungsgesteuerte aktive Lenkung eines Kraftfahrzeugs.
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Aktive Lenkungstechnologien bieten die Möglichkeit, die Antwort des Kraftfahrzeugs in Abhängigkeit von der jeweiligen Fahrsituation anzupassen. Wenn zum Beispiel ein Kraftfahrzeug in der Stadt durch kleine Straßen typischerweise bei einer niedrigen Geschwindigkeit fährt, ist die Belastung des Fahrers durch die Lenkung relativ hoch. In dieser Situation ist daher ein gutes Ansprechverhalten der Lenkung und eine hohe Gierantwort auf den Lenkwinkel wünschenswert, was zu einem agileren Kraftfahrzeugs führt.
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Eine andere Situation ist die Fahrt auf einer Schnellstraße mit einer niedrigen Lenklast, die typischerweise bei hohen Geschwindigkeiten auftritt. In dieser Situation ist es wünschenswert, ein geringeres Ansprechen des Fahrzeuges zu haben, d. h. bei dem gleichen Lenkwinkel eine kleinere Auswirkung auf die Räder zu haben, was zu einem glatteren Ansprechverhalten des Kraftfahrzeugs führt und ein komfortableres Fahren erlaubt.
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Die Technologien der aktiven Vorderachslenkung (AFS, Active Front Steering) und der elektronischen Lenkung (Steer by Wire, SbW) ermöglichen es, diese Merkmale zu implementieren, indem dem Lenkwinkel des Fahrers ein von einem Motor kontrollierter Lenkwinkel überlagert wird.
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Ähnliche Merkmale werden durch die aktive Hinterachslenkung (ARS, Active Rear Steering) ermöglicht, welche die Spurwinkel der Hinterachse aktiv modifiziert, wodurch das Ansprechverhalten des Kraftfahrzeugs entweder agiler wird, wenn der ARS Winkel das entgegengesetzte Vorzeichen zu der Lenkung hat, oder stabiler und komfortabler wird, wenn der ARS Winkel das gleiche Vorzeichen wie die Lenkung hat.
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Zur Implementierung der oben genannten Merkmale werden üblicherweise Algorithmen mit zweidimensionalen Steuerkennfeldern als Funktion des Lenkwinkels und der Geschwindigkeit des Fahrzeuges verwendet. Diese Steuerkennfelder werden auch als Feed-Forward Maps (FFM) bezeichnet.
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Die Steuerkennfelder werden typischerweise mittels eines Prototypen des Kraftfahrzeugs, welches Standardbewegungen wie insbesondere stationäre Kurvenfahrten durchführt, experimentell abgestimmt. Für jede stationäre Kurvenbedingung, die durch einen bestimmten Lenkwinkel und eine bestimmte Fahrzeuggeschwindigkeit identifiziert ist, prüft ein Anwendungstechniker die das Ansprechverhalten des Kraftfahrzeugs, beurteilt, ob eine Korrektur in Richtung Agilität oder in Richtung Stabilität notwendig ist, und findet mit dieser auf Versuchen und persönlichen Erfahrungen basierenden Methode die richtige Abstimmung für den Punkt des Steuerkennfelds, der diesem Lenkwinkel und dieser Fahrzeuggeschwindigkeit entspricht.
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Dieses Vorgehen erfordert zum einen die Verfügbarkeit eines Prototyps des Kraftfahrzeugs und zum anderen ist es sehr zeitaufwendig. Des Ergebnis hängt zudem stark von der Erfahrung des Anwendungstechnikers ab und die erzeugte Karte wird lediglich eine geringe Auflösung haben.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein vorteilhaftes Verfahren zum Erstellen einer Steuerfunktion für eine vorkopplungsgesteuerte aktive Lenkung eines Kraftfahrzeugs sowie ein vorteilhaftes Steuerverfahren und ein vorteilhaftes Steuerungssystem für eine vorkopplungsgesteuerte aktive Lenkung eines Kraftfahrzeugs zur Verfügung zu stellen.
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Diese Aufgabe wird mit den Merkmalen der Ansprüche 1, 10 beziehungsweise 11 gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen definiert.
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Gemäß der Erfindung wird ein Verfahren zum Erstellen einer Steuerfunktion für eine vorkopplungsgesteuerte aktive Lenkung eines Kraftfahrzeugs im Hinblick auf ein vorgegebenes Zielverhalten zur Verfügung gestellt. Die Steuerfunktion beschreibt eine Lenkwinkelkorrektur in Abhängigkeit von zwei Parametern. In dem Verfahren wird anhand des aktuellen Verhaltens des Kraftfahrzeugs und des vorgegebenen Zielverhaltens für eine stationäre Kurvenfahrt eine Lenkwinkelkorrektur in Abhängigkeit von der bei der stationären Kurvenfahrt auftretenden Lateralbeschleunigung und dem bei der stationären Kurvenfahrt auftretenden Kurvenradius ermittelt. Mittels einer mathematischen Abbildung wird die von der Lateralbeschleunigung und dem Kurvenradius abhängige Lenkwinkelkorrektur in eine von dem Lenkwinkel und der Longitudinalgeschwindigkeit abhängige Lenkwinkelkorrektur umgerechnet, welche dann die Steuerfunktion bildet. Die Lenkwinkelkorrektur kann hierbei zumindest eine Korrektur des Lenkwinkels der Vorderräder und/oder zumindest eine Korrektur des Lenkwinkels der Hinterräder umfassen.
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Dadurch, dass die Steuerung für das Lenksystem in dem erfindungsgemäßen Verfahren auf der Basis des aktuellen Verhaltens des Kraftfahrzeugs und des gewünschten Verhaltens des Kraftfahrzeugs ermittelt wird, kann das Lenkverhalten eines Kraftfahrzeugs ohne Prototyp und aufwendige Testprozeduren abgestimmt werden. Weil zudem keine empirisch gewonnenen Testergebnisse bewertet werden müssen, wird die Qualität der Implementierung der Lenkung und auch der Lenkung selbst im Fahrzeug unabhängig von der Erfahrung des Anwendungstechnikers gut reproduzierbar sichergestellt werden kann. Auf Grund der Abhängigkeit der Steuerfunktion vom Lenkwinkel und der Längsgeschwindigkeit des Kraftfahrzeugs, die in jedem Kraftfahrzeug als Werte zur Verfügung stehen, kann auf der Basis der Steuerfunktion leicht eine vorkopplungsgesteuerte aktive Lenkung realisiert werden.
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Das gewünschte Zielverhalten des Fahrzeugs kann aus dem Ansprechen gemäß dem Untersteuerungsdiagramm abgeleitet werden. Das Ansprechen oder die Antwort aus dem Untersteuerungsdiagramm kann auf einfache Art und Weise entnommen werden, so dass die Anpassung der Lenkung sehr gut vorgenommen werden kann.
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Das Zielverhalten kann insbesondere auch von einem anderen Kraftfahrzeug abgeleitet werden. Beispielsweise kann so das Lenkverhalten eines Kraftfahrzeugs an das Lenkverhalten eines anderen Kraftfahrzeugs angeglichen werden.
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Die Steuerung kann eine Aktivlenkung für eine Vorderachse und/oder eine Hinterachse des Kraftfahrzeugs umfassen. Insbesondere wenn die Vorder- und Hinterachse aktiv gelenkt werden, ergeben sich vielfältige Anpassungsmöglichkeiten für das Lenkverhalten eines Kraftfahrzeugs.
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Die mathematische Abbildung, mit deren Hilfe die von der Lateralbeschleunigung und dem Kurvenradius abhängige Lenkwinkelkorrektur in eine von dem Lenkwinkel und der Longitudinalgeschwindigkeit abhängige Lenkwinkelkorrektur umgerechnet wird, kann aus einem Fahrzeugmodell gewonnen werden, bspw. aus einem Einspurmodell. Alternativ dazu besteht auch die Möglichkeit, die mathematische Abbildung aus stationären Kurvenfahrten eines Kraftfahrzeugs, also empirisch zu gewinnen.
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Das Umrechnen anhand der mathematischen Abbildung und der von der Lateralbeschleunigung und dem Kurvenradius abhängigen Lenkwinkelkorrektur erfolgt in einer Ausgestaltung des Verfahrens, indem ein Gleichungssystem erstellt wird, dessen Lösung die Steuerfunktion bildet. Dabei kann die Steuerfunktion durch eine explizite Lösung des Gleichungssystems gegeben sein oder durch ein anhand des Gleichungssystems gewonnenes Steuerkennfeld repräsentiert sein.
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Ein erfindungsgemäßes Steuerverfahren für eine vorkopplungsgesteuerte aktive Lenkung eines Kraftfahrzeugs verwendet eine nach dem erfindungsgemäßen Verfahren zum Erstellen einer Steuerfunktion gewonnene Steuerfunktion. Durch die Verwendung einer solchermaßen erstellten Steuerfunktion kann das Steuerverfahren mit wenig Aufwand und gut reproduzierbar implementiert oder an veränderte Anforderungen angepaßt werden.
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Ein erfindungsgemäßes Steuerungssystem für eine aktive Lenkung eines Kraftfahrzeugs umfaßt eine Steuereinheit für eine vorkopplungsgesteuerte aktive Lenkungseinrichtung des Kraftfahrzeugs. Die Steuereinheit basiert auf einer nach dem Verfahren zum Erstellen einer Steuerfunktion gewonnenen Steuerfunktion. Durch die Verwendung einer solchermaßen erstellten Steuerfunktion kann das Steuerungssystem mit wenig Aufwand realisiert oder an veränderte Anforderungen angepaßt werden.
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Weitere Merkmale, Eigenschaften und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung von Ausführungsbeispielen unter Bezugnahme auf die beiliegenden Figuren. Es zeigen:
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1 eine schematische Darstellung eines Kraftfahrzeugs.
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2 ein Untersteuerungsdiagramm eines Kraftfahrzeugs.
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3 ein Diagramm einer Steuerung für eine Hinterachslenkung.
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4 ein mit dem erfindungsgemäßen Verfahren gewonnenes Steuerkennfeld für eine Vorderachslenkung.
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5 eine mit dem erfindungsgemäßen Verfahren gewonnene Steuerfunktion für eine Vorderachslenkung.
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Die Zeichnungen dienen lediglich der Erläuterung der Erfindung und schränken diese nicht ein. Die Zeichnungen und die einzelnen Teile sind nicht notwendigerweise maßstäblich. Gleiche Bezugszeichen bezeichnen gleiche oder ähnliche Teile.
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1 zeigt schematisch ein Kraftfahrzeug 1, wie zum Beispiel einen Personenkraftwagen oder Lastkraftwagen. Das Fahrzeug 1 hat eine Vorderachse 2 und eine Hinterachse 3 mit Rädern 4. Eine Lenkung oder ein Lenksystem 5 der Vorderachse 2 wird von einem Fahrer des Kraftfahrzeugs 1 mit Hilfe des Lenkrads 8 bedient und wirkt auf die Vorderachse 2 ein. Zusätzlich zu der klassischen Vorderachslenkung kann mittels eines an der Hinterachse 3 vorhanden Lenksystems 9 auch die Hinterachse 3 gelenkt werden, wozu die Spurwinkel der Hinterachse 3 angepaßt werden. Die Hinterachse 3 kann entweder gleichsinnig mit oder gegensinnig zur Vorderachse 3 gelenkt werden.
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Eine Steuerung 6 steuert die Lenkfunktion bzw. eine Unterstützung der Lenkfunktion unter Zuhilfenahme der vorhandenen Lenksystem 5, 9 mittels einer aktiven Lenkung der Vorderachse 2 und/oder der Hinterachse 3. Für die Implementierung bzw. das Ansprechverhalten der Steuerung 6 und damit der Lenkungsfunktion verwendet die Steuerung 6 eine Steuerfunktion oder ein Steuerkennfeld 7, welche bzw. welches im Hinblick auf das erwünschte Zielverhalten des Kraftfahrzeugs erstellt ist. Die Steuerfunktion bzw. das Steuerkennfeld 7 wird dann unter Berücksichtigung des gewünschten. Zielverhaltens des Fahrzeugs und seines aktuellen Verhaltens ermittelt. Ein Steuerkennfeld bzw. eine Steuerfunktion mit zwei Variablen (Längsgeschwindigkeit vx und Lenkwinkel δD) ist zum Beispiel 4 dargestellt, eine Amplitudenverhältnisfunktion mit einer Variable (Längsgeschwindigkeit vx) zum Beispiel 5.
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Anhand der 2 bis 5 wird das Erstellen der Steuerfunktion für eine vorkopplungsgesteuerte aktive Lenkung eines Kraftfahrzeugs im Hinblick auf das vorgegebenes Zielverhalten beschrieben. Die Steuerfunktion beschreibt eine Lenkwinkelkorrektur δfc für die Vorderräder und eine Lenkwinkelkorrektur für die Hinterräder in Abhängigkeit von zwei Parametern.
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2 zeigt ein Untersteuerungsdiagramm eines Kraftfahrzeugs für eine stationäre Kreisfahrt mit einem 100-Meter-Kreis, in diesem Fall für eine aktive Hinterachslenkung. Selbstverständlich kann auch ein Untersteuerungsdiagramm einer aktiven Vorderachslenkung gewählt werden. Ebenso kann auch alternativ oder zusätzlich zum Untersteuerungsdiagramm für die stationäre Kreisfahrt mit einem 100-Meter-Kreis wenigstens ein Untersteuerungsdiagramm eines Kraftfahrzeugs für eine stationäre Kreisfahrt mit einem anderen Radius als 100 Meter herangezogen werden. In dem Untersteuerungsdiagramm ist der vom Fahrer zum Fahren des 100-Meter-Kreises einzuschlagende Lenkwinkel der Vorderräder (FWA, Front Wheel Angle) sowohl für das tatsächliche Lenkverhalten des Kraftfahrzeugs (durchgezogene Linie) als auch für das gewünschte Zielverhalten (gestrichelte Linie) gegen die Querbeschleunigung (ay) des Kraftfahrzeugs aufgetragen.
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Der Lenkwinkel der Vorderräder, FWA, ist über ein Übersetzungsverhältnis mit dem vom Fahrer eingeschlagenen Drehwinkel des Lenkrades verbunden. Im tatsächlichen Verhalten ist der zum Fahren des 100-Meter-Kreises einzuschlagende Lenkwinkel der Vorderräder über das Übersetzungsverhältnis direkt durch den Drehwinkel des Lenkrades festgelegt. Im Zielverhalten erfährt die Lenkung eine Korrektur, die dazu führt, dass der Fahrer zum Fahren des 100-Meter-Kreises einen Drehwinkel des Lenkrades einschlagen muß, der auf der in 2 gestichelt dargestellten Linie liegt. Im vorliegenden Beispiel erfolgt sie Korrektur durch eine aktive Hinterachsenlenkung.
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Das Untersteuerungsdiagramm ist sehr hilfreich zur Charakterisierung des Ansprechverhaltens des Kraftfahrzeugs im stabilen Zustand und darüber hinaus zur Definition möglicher gewünschter Zielverhalten des Kraftfahrzeugs, welche dann beispielsweise mit aktiven Lenksystemen realisiert werden können.
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Das Diagramm in 2 zeigt eine mögliche Steuerung der Hinterachslenkung, die aus dem Wunsch nach einem kleineren kinematischen Winkel und einem höheren Untersteuerungsgradienten resultiert. Im Hinblick auf das Lenkverhalten des Fahrzeugs bedeutet dieses Zielverhalten, dass das Fahrzeug bei niedrigerer Querbeschleunigung agiler ist, so dass die vom Fahrer vorzunehmenden Lenkbewegungen reduziert werden. So ist insbesondere der bei Parkmanövern benötigte Lenkwinkel um etwa 20% reduziert. Zudem bedeutet das dargestellte Zielverhalten des Fahrzeugs, dass das Fahrzeug bei höheren Querbeschleunigungen weniger reaktionsfreudig ist, so dass es weniger stark auf Lenkbewegungen reagiert. Damit umfasst das Zielverhalten oder die Zielantwort aus dem Untersteuerungsdiagramm einige der Hauptanforderungen, die an die Verbesserung der Agilität und der Stabilität gestellt werden, wie man sie von modernen Steuerungssystemen für ein Fahrwerk erwartet. Die zum Erreichen der gestrichelten Kurve vorgenommene Korrektur basiert auf den in 3 dargestellten. Korrekturwinken ARS der aktiven Hinterachslenkung bei verschiedenen Querbeschleunigungen ay (3 oben) und verschiedenen Kreisradien R (3 unten). Der Korrekturwinkelverlauf der Hinterräder ergibt sich aus der Summe des in 3 oben dargestellten Korrekturwinkelverlaufs und des in 3 unten dargestellten Korrekturwinkelverlaufs.
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Das Zielverhalten kann auch im Hinblick auf ein anderes Kraftfahrzeug bestimmt werden. Zum Beispiel ist vorstellbar, dass das Lenkverhalten eines Kraftfahrzeugs mit einer aktiven Vorderachslenkung und/oder einer aktiven Hinterachslenkung an das Untersteuerungsverhalten eines bestehenden anderen Fahrzeugs angeglichen wird.
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Somit ist klar ersichtlich, dass beliebige Untersteuerungsdiagramme, die das gewünschte Zielverhalten aufweisen, zur Definition von einem oder mehreren Zielverhalten verwendet werden können.
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Das Zielverhalten aus dem Untersteuerungsdiagramm (
2) folgt der folgenden Formel:
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Dabei steht δD für den vom Fahrer eingeschlagenen bzw. einzuschlagenden Lenkwinkel, R für den Kurvenradius bei einer stationären Kreisfahrt, ay für die Querbeschleunigung bei der Kreisfahrt und KT für eine Zielfunktion der Untersteuerung oder einen gewünschten Untersteuerungsgradienten.
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Es gilt sicherzustellen, dass Formel 1 ein mögliches natürliches Verhalten eines Kraftfahrzeugs wieder spiegelt. Aus diesem Grund sollen die beiden. folgenden Konsistenzregeln gelten.
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Die Regel 1, welche unten als Formel 2 wiedergegeben ist, besagt, dass fT eine positive monoton steigende Funktion von ay ist.
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Für das Fahrzeug bedeutet dies, dass bei einer Kreisfahrt mit konstantem Radius R eine Erhöhung des Lenkwinkels mit einem Anstieg der Querbeschleunigung ay korrespondiert, wie es für ein untersteuerndes Kraftfahrzeug üblich ist.
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Die Regel 2, welche unten als Formel 3 wiedergegeben ist, besagt, dass fT eine monoton fallende Funktion von R ist.
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Für das Fahrzeug bedeutet dies, dass bei einer Kreisfahrt mit konstanter Querbeschleunigung ein größerer Kurvenradius zu einer Verkleinerung des Lenkwinkels führt bzw. dass bei einem kleineren Kurvenradius sich der Lenkwinkel vergrößert.
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Die beiden Variablen Querbeschleunigung ay und Kurvenradius R definieren einen zweidimensionalen Raum, der im Folgenden als Anforderungsdomäne oder Requirements Domain, kurz RD, bezeichnet wird.
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Nachdem nun anhand des Untersteuerungsdiagramms aus 2 das Zielverhalten definiert wurde, wird nachfolgend das Ermitteln der Steuerfunktion für eine vorkopplungsgesteuerte aktive Lenkung eines Kraftfahrzeugs im Hinblick auf das Zielverhalten beschrieben.
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Anhand eines nichtlinearen Einspurmodells des Kraftfahrzeugs, welche der experimentellen Einschätzung durch Testfahrten entsprechen, können der vom Fahrer einzuschlagende Lenkwinkel δ
D und die bislang noch unbestimmten Lenkwinkelkorrekturen an Vorder- und Hinterrädern δ
fc, δ
rc durch die folgende Gleichung ausgedrückt werden:
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Mit der Gleichung 4 werden die unbekannten Steuervariablen δfC für die Betätigung einer aktiven Vorderachslenkung (AFS) oder Steer by Wire (SbW) und δrC für die Betätigung einer aktiven Hinterachslenkung (ARS) eingeführt.
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Das Ersetzen des vom Fahrer eingeschlagenen bzw. einzuschlagenden Lenkwinkels δ
D in Gleichung 4 durch Gleichung 1 führt zu Korrekturwinkeln der Vorderräder (δ
fc), und/oder Korrekturwinkeln der Hinterräder (δ
rc), die durch die Differenz zwischen dem aktuellen (passiven) Lenkverhalten und dem Zielverhalten gegeben sind:
oder äquivalent
δfC – δrC = ΔKin(R) – AK(ay, R) (6)
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Der Steuervorgang besteht aus zwei Termen, was am besten aus Gleichung 6 zu ersehen ist. Der erste Term, Δkin(R), zielt darauf ab, den kinematischen Lenkwinkel zu reduzieren und ist in diesem Fall positiv definiert. Dies verbessert im Allgemeinen die Agilität des Kraftfahrzeugs bei niedrigen Geschwindigkeiten, wobei sich dieser Effekt bei höheren Querbeschleunigungen verringert, wenn das Kurvenverhalten von der Schräglaufsteifigkeit der Reifen beeinflußt wird. Der zweite Term, ΔK(ay, R), zielt darauf ab, den Untersteuerungsgradienten zu vergrößern, um den Komfort und die Stabilität bei höheren Geschwindigkeiten zu verbessern. Auch der zweite Term ist in diesem Fall positiv definiert, wenn KT(ay, R) des gewünschten Zielverhaltens größer ist als K(ay, R) ohne Lenkwinkelkorrektur.
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Die dadurch definierte aktive Steuerung ist sowohl für aktive Vorderachslenkung AFS als auch für aktive Hinterachslenkung ARS oder eine Kombination aus aktiver Vorderachslenkung und aktiver Hinterachslenkung gültig. Der Unterschied zwischen AFS und ARS besteht lediglich in einer Umkehr des Vorzeichens.
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Eine interessante und vereinfachende Weiterentwicklung der Formeln besteht darin, die Steuerung durch Prozentsätze der Abweichungen zu den nominellen Werten auszudrücken:
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Die Formel 7 entspricht dem Wunsch einer gleichwertigen Reduzierung des Radstandes des Kraftfahrzeugs 1 um einen gegebenen Prozentsatz (Wheel Base Reduction Percentage, WBR%) und einer gleichwertigen Erhöhung des Untersteuerungsgradienten um einen gegebenen Prozentsatz (Understeer Gradient Increase Percentage, UGI%).
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In diesem Fall hat die vorgeschlagene Steuerung lediglich zwei Abstimmungsparameter, nämlich WBR
% und UGI
% und wird durch die folgende Formel ausgedrückt:
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3 zeigt eine typische Implementierung der Steuerung, wie sie in Formel 8 beschrieben ist, für eine aktive Hinterachslenkung ARS in der Anforderungsdomäne RD. Das obere Diagramm aus 3 zeigt den Korrekturwinkel zur Korrektur des Untersteuerungsgradienten, der eine lineare Funktion der Querbeschleunigung ay ist. Das untere Diagramm aus 3 zeigt den Korrekturwinkel zur Korrektur der (kinematischen) Antwort bei niedriger Geschwindigkeit, der eine hyperbolische Funktion des Kurvenradius R ist. Diese beiden Winkel werden summiert und ausgeführt.
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Die Formulierung der Steuerung nach Gleichung 8 hat den Vorteil, dass sie sehr einfach ist und auf lediglich zwei Abstimmungsparametern basiert, sobald das Zielverhalten im Untersteuerungsdiagramm definiert ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Steuerung mit zwei Funktionen mit jeweils nur einer Variablen ohne Kreuzkopplung oder Querkopplung beschrieben wird.
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Die vorwärts gerichtete oder vorwärts gekoppelte Steuerung ist nun in der Anforderungsdomäne RD definiert. Der Kurvenradius ist jedoch ein statischer Wert, der schlecht zu messen oder zu schätzen ist. Deshalb ist es schwierig, eine derart definierte Steuerung im Kraftfahrzeug 1 umzusetzen.
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Um die Umsetzung zu erleichtern oder gar erst zu ermöglichen, wird ein neuer zweidimensionaler Raum geschaffen, der Steuerung-Implementierungsdomäne (Controller Implementation Domain, CID) heißt und von dem Wertepaar vorderer vom Fahrer einzuschlagender Lenkwinkel δ
D und Longitudinalgeschwindigkeit (Längsgeschwindigkeit) v
x aufgespannt wird. Hierzu wird eine Relation R zwischen RD und CID in Form einer mathematischen Abbildung definiert:
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Für ein gut entworfenes Kraftfahrzeug, was typischerweise untersteuerndes Verhalten in nichtlinearen Bereichen aufweist, ist diese Relation lediglich eine Bijektion für den Satz von Meßpunkten des Untersteuerungsdiagramms.
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Da die neuen Variablen vom Fahrer einzuschlagender Lenkwinkel δD und Longitudinalgeschwindigkeit vx im CID als Messungen oder gute Schätzungen in allen Fahrzeugen vorhanden sind und typische Steuerkennfelder (Feed-Forward-Maps, FFM) für eine aktive Lenkung als Funktion des vorderen Lenkwinkels δD und der Längsgeschwindigkeit vx ausgedrückt werden, ist die obige Relation besonders leicht umzusetzen.
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Die Relation R wird auf einfache Weise entweder aus dem Modell des Kraftfahrzeugs oder direkt aus den Datenaufzeichnungen von Testmanövern und von einfachen Relationen des stationären Zustands abgeleitet. Sie kann wie folgt dargestellt werden:
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Das endgültige Steuerkennfeld ist dann durch die Lösung des folgenden Systems aus drei Gleichungen mit vier Variablen (R, a
y, δ
D, v
x) gegeben:
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Wobei durch Substitution R, ay eliminiert werden. Das endgültige Steuerkennfeld M, welches die Steuerung im CID definiert, kann dann wie folgt ausgedrückt werden: δfC – δrC = M(δD, vx, WBR%, UGI%) (11)
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Die Gleichung 11 hat zwei Argumente und lediglich zwei Abstimmungsparameter, was die Implementierung und die Verwendung einer derartig definierten Steuerung sehr einfach gestaltet.
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In 4 ist ein typisches Steuerkennfeld für eine aktive Vorderachslenkung AFS dargestellt, die entsprechend den Formeln 10 und 11 berechnet wurde. 4 zeigt den Verlauf der Lenkwinkelkorrektur einer aktiven Vorderachslenkung in Abhängigkeit von der Längsgeschwindigkeit vx und dem vom Fahrer eingeschlagenen bzw. einzuschlagenden Lenkwinkel δD der Vorderachse.
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Aus dem Steuerkennfeld kann das folgende Verhalten der Steuerung und damit des Fahrzeuges abgeleitet werden. Bei niedrigen Fahrzeuggeschwindigkeiten verursacht die Sättigung des Lenkwinkels der Vorderachse eine Sättigung der Lenkwinkelkorrektur bei konstanter Longitudinalgeschwindigkeit vx. Dies ist gewollt, um zu vermeiden, dass die aktive Vorderachslenkung die Vorderachse in eine noch tiefere Sättigung treibt. Bei höherer Geschwindigkeit ist ebenfalls eine Sättigung der Lenkwinkelkorrektur zu erkennen, was zu einer weniger direkten Lenkübersetzung im mittigen Bereich und zu einer direkteren Lenkübersetzung im außermittigen Bereich führt. Eine Alternative dazu ist eine lineare Abhängigkeit der Lenkwinkelkorrektur vom Lenkwinkel δD, wie sie sich später mit Bezug auf Gleichung 13 ergeben wird. Bei hohen Steuerwinkeln ist eine Sättigung wegen der Radanschläge vorhanden, dies hat nur für AFS Relevanz.
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Eine explizite Lösung des obigen Gleichungssystems läßt sich unter der Annahme, dass sich das Vorderrad gemäß der folgenden Gleichung linear verhält, ermitteln: K(ay, R) = Kuay (12)
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Die explizite Lösung des Gleichungssystems kann dann durch die folgende Formel ausgedrückt werden:
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Das so vereinfachte Steuerkennfeld stellt eine Verstärkungsfunktion der Längsgeschwindigkeit F(vx) multipliziert mit dem Lenkwinkel der Vorderräder dar. Der Verlauf Funktion F(vx) ist in 5 dargestellt.
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Für den Fall, dass die vereinfachte Lösung verwendet wird, kann die Implementierung der vorkopplungsgesteuerten Lenkung unter direkter Verwendung von Gleichung 1.3 sinnvoll sein, da eine geschlossene Form oder algebraische Implementierung einer Funktion einfacher zu handhaben ist als die Implementierung. In form eines Kennfeldes.
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Für den Fall einer aktiven Vorderachslenkung AFS kann Gleichung 13 auch als variablen Übersetzung (Variable Gear Ratio, VGR) ausgedrückt werden:
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Dabei sind die beiden Abstimmungsparameter die gewünschte charakteristische Geschwindigkeit vchD und die gewünschte Lenkübersetzung RD. Auch in dieser Darstellung kann die Steuerung einfach implementiert und betrieben werden.
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Während des Betriebs werden ständig die aktualisierten Variablen, welche die Steuerung 6 benötigt, wie zum Beispiel Lenkwinkel und/oder Längsgeschwindigkeit in der Steuerung 6 verarbeitet. Genauer gesagt wird bspw. mittels eines Steuerkennfelds (4) oder einer eindimensionalen Steuerfunktion (5) beziehungsweise mit der zu Grunde liegenden algebraischen Implementierung der Funktion ständig das Lenkverhalten berechnet und die Lenkung 5 und Lenkung 9 entsprechend eingestellt.
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Es sei noch darauf hingewiesen, dass in den beschriebenen Gleichungen wie etwa Gleichung 13 der Korrekturwinkel der Vorderräder (δfc) oder der Korrekturwinkel der Hinterräder (δrc) Null sein kann. Im ersten Fall liegt dann eine reine aktive Hinterradlenkung, im zweiten Fall eine reine aktive Vorderradlenkung vor. Wenn beide Terme vorhanden sind, liegt eine Kombination aus aktiver Hinterradlenkung und aktiver Vorderradlenkung vor.